Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Die Lücke im Parteiensystem. Sollte Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründen?
  2. Zocken mit der Rente: Bund will Aktienrente drastisch vergrößern: 200 Milliarden Euro bis 2035.
  3. Ukraine-Krieg: Stimmung in den USA kippt, Biden steht unter Druck
  4. Wem gehört die Krim?
  5. Krise in Moldau spitzt sich zu: Gegen Russland und die Opposition
  6. BRICS will wachsen: Mitgliedstaaten für Erweiterung des Bündnisses. Brasiliens Präsident fordert Westen heraus.
  7. Ein neues Selbstbewußtsein
  8. Pazifist am Pranger
  9. Ambivalenter Protest: Israels Staatskrise
  10. »Die Überlebenden werden die Toten beneiden«
  11. Die Jobcenter und das Geld von oben: Auf dem Papier werden 500 Millionen Euro für 2024 gestrichen, 2025 sollen es sogar 900 Millionen Euro sein. Das „Bürgergeld“-System in Theorie und (monetärer) Praxis
  12. Zur Wirkung der Corona-Maßnahmen – Was die „StopptCOVID“-Studie des RKI sagt – und was nicht
  13. Klimafreundliche Lkw: Zweifelhafte Versuche mit Oberleitungen
  14. Endstation Asphalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die Lücke im Parteiensystem. Sollte Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründen?
    Die Linken-Abgeordnete nimmt sich Zeit bei der Entscheidung, ob sie mit einer eigenen Partei zur Bundestagswahl antritt. Ein Egotrip? Im Gegenteil, meint ihr Parteikollege.
    Sahra Wagenknecht nimmt sich Bedenkzeit. Erst gegen Ende des Jahres will sie über eine mögliche Parteineugründung entscheiden. Die interessierte Öffentlichkeit und die Linke fühlen sich auf die Folter gespannt. Ist das kapriziös? Ein Egotrip, wie manche sagen? Nein, im Gegenteil. Sowohl, dass Wagenknecht über eine neue Partei nachdenkt, als auch, dass sie sich dafür Zeit lässt, ist Ausdruck politischer Verantwortung.
    Anfang Juni beschloss der Parteivorstand der Linken: Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Wagenknecht. Dieser Beschluss ist keineswegs eine Reaktion auf die Gerüchte um Wagenknechts Parteineugründung, wie gerne behauptet wird. Vielmehr verhält es sich umgekehrt.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Vertraute von Wagenknecht: Linke-Fraktionschefin Mohamed Ali gibt Amt ab
    Amira Mohamed Ali ist empört über den Umgang ihrer Partei mit Sahra Wagenknecht. Jetzt will sie sich von der Fraktionsspitze zurückziehen – und setzt damit ein Signal.
    Quelle: Berliner Zeitung

  2. Zocken mit der Rente: Bund will Aktienrente drastisch vergrößern: 200 Milliarden Euro bis 2035.
    Von der Aktienrente dürften vor allem Fondsgesellschaften und die Finanzbranche profitieren, zukünftige Rentnerinnen und Rentner dagegen nicht. Der Sozialverband VdK lehnt das Projekt deshalb ab. »Die zehn oder sogar zwölf Milliarden Euro an Haushaltsmitteln, die für den Kapitalstock verwendet werden, könnten viel besser und solider eingesetzt werden«, erklärte Verbandspräsidentin Verena Bentele am Montag gegenüber jW. »Anstatt nachhaltige Konzepte für eine zukunftsträchtige Finanzierung der Alterssicherung zu entwickeln, ist das Ministerium zu risikoreichen Experimenten bereit«, monierte Bentele.
    Auch Matthias W. Birkwald kritisierte die Pläne scharf. Die Regierung solle die Finger von »Aktienspielereien« lassen, »für die der Staat am Ende wieder haften muss«, sagte der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion zu jW. Die Renditeerwartungen seien nach aktueller Aktienlage unrealistisch hoch, so Birkwald. Das bewiesen sogar Berechnungen des Vermögensverwalters Allianz Global Investors. »Diese zeigen die eingeschränkten Renditechancen des Generationenkapitals bis 2035. Daran ändert sich auch nichts, wenn Finanzminister Christian Lindner jetzt noch viel mehr Geld anlegt.«
    Quelle: junge Welt
  3. Ukraine-Krieg: Stimmung in den USA kippt, Biden steht unter Druck
    Erfolge in der Ukraine wären nötig, bleiben aber aus. Das hat Folgen für Wahlkampf und öffentliche Meinung in den USA. Sind die Ukrainer dafür selbst verantwortlich?
    In den USA steht der Wahlkampf vor der Tür. Sowohl der ehemalige Präsident Donald Trump als auch der amtierende Präsident Joe Biden sowie weitere Kandidaten kämpfen darum, wer im nächsten Jahr ins Weiße Haus einziehen wird.
    Der Krieg in der Ukraine entwickelt sich immer mehr zu einem Thema, das eine entscheidende Rolle spielen könnte. Während das Weiße Haus in den vergangenen anderthalb Jahren ein Hilfspaket nach dem anderen in die Ukraine schickte, sinkt die Zustimmung im Land.
    Eine aktuelle Umfrage des Fernsehsenders CNN bringt dies deutlich zum Ausdruck. In den ersten Tagen des Krieges, Ende Februar 2022, waren noch 62 Prozent der Meinung, die USA sollten sich stärker in dem Konflikt engagieren. Inzwischen sind es nur noch 48 Prozent.
    Mehr als die Hälfte der befragten US-Amerikaner (51 Prozent) gab an, die USA hätten bereits genug für die Ukraine getan. Und rund 55 Prozent sind überzeugt, dass der US-Kongress keine zusätzlichen Mittel für die Ukraine bewilligen sollte.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Der ukrainische Albtraum
    Nach und nach dringen Berichte in den amerikanischen Medien durch, die die wahren Folgen des Kriegs zwischen den USA und der Nato gegen Russland für die ukrainischen Soldaten beschreiben, von denen viele zwangsrekrutiert wurden.
    Am Dienstag veröffentlichte das Wall Street Journal einen Artikel, in dem das massenhafte Ausmaß der Verletzungen unter den ukrainischen Soldaten beschrieben wird, das erschreckend ist.
    Der Artikel erklärte, dass 50.000 oder mehr Ukrainer amputiert worden sind. Er beruft sich dabei auf Daten des deutschen Unternehmens Ottobock, des weltweit größten Herstellers von Prothesen. Wie in dem Artikel erläutert wird, würde dies bedeuten, dass die Zahl der Amputationen im Ukraine-Krieg mit der Zahl derer unter den Hauptkombattanten im Ersten Weltkrieg vergleichbar ist.
    Quelle: WSWS

    und: «New York Times»: Weil nicht wahr sein kann, was nicht wahr sein darf
    Die «New York Times» ist die wohl renommierteste Tageszeitung der USA. Sie hat rund 10 Millionen Abonnenten der digitalen Auflage und eine halbe Million verkaufte Exemplare der gedruckten Ausgabe, am Wochenende sogar eine runde Million. Aber auch sie informiert über den Krieg in der Ukraine einseitig. Aus westlicher Sicht negative Entwicklungen des Krieges werden irgendwo im Innern des Blattes versteckt und in der Online-Ausgabe hinterher (!) sogar in mehreren Schritten „entschärft“. Andre Damon hat das genau beobachtet und beschreibt diese seine Beobachtungen auf der «World Socialist Web Site» WSWS.org mit einem konkreten Beispiel.
    Quelle: Globalbridge

  4. Wem gehört die Krim?
    Überlegungen zur völkerrechtlichen Bedeutung der Abspaltung der Krim von der Ukraine und zu einer möglichen Lösung. […]
    Hier wackelt die westliche Behauptung der »Völkerrechtswidrigkeit« des russischen Handels gewaltig.
    Auch die Anerkennung des Kosovo kann als überhasteter Akt und damit als völkerrechtswidriger Eingriff in den Anspruch Serbiens auf Achtung seiner territorialen Integrität gewertet werden. Damals hat Rußland den Westen scharf kritisiert. Rußland hat eine vom Westen angewendete Völkerrechtsverletzung wiederholt, in mäßig dramatischem Modus und politisch keineswegs wie ein hasardierender Gangster. Der nun entstandene Zustand war für die Krim langfristig wohl ohnehin unumgänglich. Und die Form, in der er nun herbeigeführt wurde, mag bei all ihrer Unerfreulichkeit gravierendere Konflikte vermieden haben. Wenn nicht alle Zeichen trügen, ist der Westen soeben dabei, sich für eine verfehlte Außenpolitik die Quittung einer welthistorischen Blamage zuzuziehen. Er sollte deren Kollateralschäden nicht allzu weit in die Sphäre des Völkerrechts ausdehnen. Die Posaunen für eine »regelbasierte Ordnung« sollten daher auch schnellsten zu den 1948 in San Francisco vereinbarten Grundsätzen des Völkerrechts zurückkehren, wenn sie den zu erwartenden politischen Bumerang vermeiden wollen. Die Krise läßt sich nur mit einem vernünftigen Kompromiß lösen. Also Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Der Westen könnte sein Gesicht wahren, wenn das Referendum auf der Krim vom 16. März 2014 unter Aufsicht der OSZE wiederholt würde. Dieses Ergebnis müßte von der Welt anerkannt werden. An dem aktuellen Zustand wird das aber nichts ändern. Die Gebiete Donezk und Lugansk könnten zu Autonomen Republiken innerhalb des ukrainischen Staates werden, wie es die »Autonome Republik Krim« von 1991 bis 2014 war. Die NATO müßte erklären, grundsätzlich keine neuen Mitglieder mehr aufzunehmen. Damit wäre auch ein Beitritt der Ukraine ausgeschlossen. Die EU würde sich mit der Aufnahme eines so großen Landes mit einem so großen Rückstand bei der wirtschaftlichen Entwicklung und angesichts der vielfältigen Probleme ohnehin übernehmen.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  5. Krise in Moldau spitzt sich zu: Gegen Russland und die Opposition
    Oberstes Gericht verbietet die in Umfragen stärkste Oppositionskraft. Regierung geht auf Konfrontationskurs gegenüber Opposition, Separatisten und Russland. Zeichen stehen auf Sturm. […]
    Die an die Enthüllung anschließenden Massendemonstrationen stürzten das Land in eine Krise und beendeten die Phase prowestlicher Regierungen von 2009 bis 2014.
    Das daran anschließende Jahrfünft regierten dann die neutralistischen Demokraten, die gute Beziehungen zu Ost und West suchten. Hinter denen stand jedoch der Oligarch Vlad Plahotniuc, der unter den Pro-EU-Regierungen zu Geld gekommen war und langsam immer mehr Teile des Staates aufkaufte oder durch Ernennungen Kontrolle erlangte.
    Da der Einfluss Plahotniucs den Regierungen in Berlin, Washington und Moskau zu gefährlich wurde, einigten sich die Großmächte darauf, dass eine sonderbare neue Koalition die Amtsgeschäfte übernahm: Die neoliberale PAS und die Sozialisten bildeten unter Vermittlung der Botschafter der Großmächte eine Zweckkoalition und wählten im Sommer 2019 Maia Sandu zur Regierungschefin. […]
    Zu den Parlamentswahlen im Jahr 2021 hatte die Schor-Partei lediglich sechs der insgesamt 101 Abgeordnetenmandate gewonnen. Im Zuge des Jahres 2022 stieg sie aber zu einer immer bedeutenden Kraft der Opposition auf.
    Laut Vizeparteichefin Tauber hatte die Partei zuletzt rund 10.000 Mitglieder und auf kommunaler Ebene 100 Mandatsträger. Laut einer Verlautbarung der US-Botschaft in Chișinău begannen Firmen und Geheimdienste aus Russland ab dem Sommer des vergangenen Jahres, die Schor-Partei direkt zu unterstützen.
    Im Oktober 2022 übertrumpfte die Schor-Partei dann erstmals in einer Umfrage die Sozialisten und Kommunisten. Sandu und die PAS gerieten immer mehr in die Defensive.
    Hilfe kam zunächst aus der Ukraine: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte öffentlich, dass der ukrainische Nachrichtendienst Informationen erlangt habe, wonach Russland einen Putsch in der Republik Moldau forciere. Der moldauische Geheimdienst schloss sich der Einschätzung an.
    Das “Dossier Center” des russischen Exil-Oligarchen Michail Chodorkowski behauptete, an entsprechende Dokumente gelangt zu sein.
    Quelle: Telepolis
  6. BRICS will wachsen: Mitgliedstaaten für Erweiterung des Bündnisses. Brasiliens Präsident fordert Westen heraus.
    Zwei Wochen vor Beginn des BRICS-Gipfels in Johannesburg hat Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Beitritt weiterer Staaten zur Gruppe befürwortet. Er wies am Freitag eine von der Nachrichtenagentur Reuters und anderen westlichen Medien verbreitete Meldung zurück, wonach sein Land Bedenken habe, dass durch Neuaufnahmen der Einfluss der derzeitigen Mitglieder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) geschwächt werden könnte. Auch Indien dementierte inzwischen die zeitgleich von der US-Nachrichtenagentur Bloomberg lancierte Behauptung über eine angebliche Ablehnung der BRICS-Erweiterung durch die Regierung in Neu-Delhi. »Das ist einfach nicht wahr«, kommentierte der Sprecher des indischen Außenministeriums, Arindam Bagchi, die Bloomberg-Veröffentlichung. Derartige Meldungen, die »keine Grundlage in der Realität haben«, könnten »ein Versuch des Westens sein, Zwietracht unter den BRICS-Mitgliedern zu säen«, zitierte die russische Agentur Sputnik den ehemaligen Vorsitzenden des konservativen britischen Thinktanks »The Bow Group«, Adriel Kasonta. Die möglichen Motive der westlichen Mächte lägen laut Kasonta auf der Hand, denn die BRICS entwickelten sich zu einem »ernsthaften Konkurrenten« der US-Vorherrschaft, der westlichen Hegemonie und des westlichen Imperialismus. »Ich glaube, dass BRICS der entscheidende Schritt zur Erlangung der vollen Souveränität des globalen Südens und der Länder ist, die nicht bedacht wurden, als die westlichen Länder internationale Organisationen wie Bretton Woods und Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank gründeten«, erklärte er. Mit einer möglichen Erweiterung, die eines der zentralen Themen des nächsten Gipfeltreffens der Gruppe sein wird, würde das Bündnis, das bereits jetzt für 24 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 42 Prozent der Weltbevölkerung steht, weiter an Bedeutung gewinnen.
    Quelle: junge Welt
  7. Ein neues Selbstbewußtsein
    Der Umsturz im westafrikanischen Niger hat größere Wellen ausgelöst als zunächst angenommen. Und er macht ein völlig neues Selbstbewußtsein deutlich, das nicht nur in Afrika Konturen gewinnt. Das wachsende Elend der Menschen im Niger dürfte einer der Beweggründe gewesen sein für die Entscheidung der Kommandeure der Präsidentengarde, den gewählten Präsidenten seines Amtes zu entheben. Daß die Unzufriedenheit mit der Politik und dem Verhalten von Präsident Bazoum, dem auch ausgeprägte Korruption vorgeworfen wird, deutlich weiter verbreitet ist, wurde recht bald klar, als sich die Führung des Militärs nicht gegen die Garde wandte, sondern sich offen auf ihre Seite stellte. Ganz anders die Reaktionen im Westen, wo erneut deutlich gemacht wurde, welche »Werte« von den führenden Leuten gepriesen und verteidigt werden. In Paris, der Hauptstadt der ehemaligen Kolonialmacht, herrschte plötzlich blankes Entsetzen, weil es wieder einmal aufmüpfige Offiziere gewagt hatten, das neokoloniale System der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen in Frage zu stellen. Frankreich bezog rund 70 Prozent des Urans aus dem Niger, und produzierte damit in den Atomkraftwerken nicht nur Strom für den eigenen Verbrauch, sondern auch für den Export. Gleichzeitig wird berichtet, daß im Niger bis zu 80 Prozent der Bevölkerung keinen Strom in ihren armseligen Behausungen haben. (…) Das neue Selbstbewußtsein erstreckt sich jedoch nicht nur auf einige Offiziere und die ihnen unterstellten Mannschaften. In der nigrischen Hauptstadt Niamey strömen seit dem Umsturz tausende Manschen auf die Straßen, und am Sonntag füllten sie ein Stadion, um ihre Unterstützung für die Militärs zu demonstrieren. Das neue Selbstbewußtsein macht auch deutlich, daß das Abbild der westlichen Demokratie immer mehr Risse bekommt.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  8. Pazifist am Pranger
    »Rechtfertigung russischer Aggression«: Nach Razzia durch ukrainischen Geheimdienst, Friedensaktivist weiterer Repression ausgesetzt.
    Der ukrainische Friedensaktivist Jurij Scheljaschenko ist Repressionen durch die Kiewer Behörden ausgesetzt. Nachdem sich der Geheimdienst SBU am Donnerstag gewaltsam Zutritt zu seiner Wohnung verschafft und Computer, Telefone und Dokumente beschlagnahmt hatte, meldete sich der 42jährige Wissenschaftler am Sonnabend erstmals wieder zu Wort: »Ein Jahr lang hat mich der SBU heimlich überwacht und versucht, Verbindungen zu russischen Agenten zu finden«, sagte der überzeugte Pazifist in einer rund zehnminütigen Videoansprache. »Er hat nichts gefunden, ist aber dennoch davon überzeugt, dass ich ein Feind bin.« Scheljaschenko ist Vorsitzender der 2019 in Kiew ins Leben gerufenen »Ukrainischen Pazifistischen Bewegung«. Die Organisation ist Mitglied des Internationalen Friedensbüros (International Peace Bureau, IPB), dem mehr als 300 internationale Organisationen aus über 70 Ländern angeschlossen sind. Scheljaschenko ist auch Mitglied des Vorstands des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (European Bureau for Conscientious Objection, EBCO), des in den USA ansässigen internationalen Antikriegsnetzwerks »World Beyond War« und des IPB-Rates. Die Ermittler wollen Scheljaschenko wegen »Rechtfertigung der russischen Aggression« vor Gericht bringen, gemäß einem Gummiparagraphen, der im März 2022 im Strafgesetzbuch der Ukraine ergänzt wurde und die Kriminalisierung von Friedens- und Menschenrechtsaktivisten erleichtert. Als einziger »belastender Beweis« wird die »Friedensagenda für die Ukraine und die Welt« angeführt, die die Ukrainische Pazifistische Bewegung auf ihrer Sitzung am Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 beschlossen und mit einem Begleitschreiben an Präsident Wolodimir Selenskij geschickt hatte. Absurd – in der Erklärung wird die russische Invasion verurteilt.
    Quelle: Susann Witt-Stahl in junge Welt
  9. Ambivalenter Protest: Israels Staatskrise
    Israels Parlament hat sich in die Sommerpause verabschiedet. Die Erweiterung der sogenannten Justizreform ist somit auf den Herbst vertagt. In der Zwischenzeit wird man vorgeblich zu Einigungen mit der Opposition kommen, welche die Rigorosität der »Reform« entschärfen sollen. (…) Zur Frage, welchen weiteren Verlauf die Staatskrise immer nehmen wird, lässt sich schon jetzt einiges feststellen. Zum einen ist die »Justizreform« lediglich ein Deckname für den ernstzunehmenden Versuch der gegenwärtigen Regierungskoalition, einen Staatsstreich zu vollziehen, bei dem das israelische Justizsystem so geschwächt werden soll, dass die Judikative objektiv der Exekutiven und Legislativen unterstellt wird. Dies läuft auf eine Auflösung der Gewaltenteilung hinaus, mit der realen Aussicht, eine »demokratisch« sich gerierende Diktatur zu bilden. Interesse daran haben alle Koalitionspartner mit ihren jeweiligen Partikularinteressen, vor allem aber Benjamin Netanjahu, der mit dieser »Reform« die Annullierung seines Prozesses wegen Korruption, Betrugs und Veruntreuung erreichen könnte. (…) Zum anderen muss aber auch gefragt werden, worum es der zweifellos beeindruckenden, seit Monaten gegen den Staatsstreich mit großer Emphase agierenden Protestbewegung geht. (…) Wie bei den vorangegangenen großen Protestwellen (2011 gegen die Lebenshaltungskosten und 2020 gegen Netanjahu) ist ein Thema tabu – die Okkupation der palästinensischen Gebiete. Der Vorwand lautet, man möchte die Bewegung nicht politisch spalten. Aber um welche Demokratie wird dann gekämpft, wenn die entscheidende Manifestation ihrer Unterwanderung, die staatlich praktizierte Knechtung eines anderen Volkes, mit Vorbedacht ignoriert wird?
    Quelle: Moshe Zuckermann in junge Welt
  10. »Die Überlebenden werden die Toten beneiden«
    Die USA setzten vor 78 Jahren Atombomben gegen Japan ein – bis heute verfolgen sie eine atomare Erstschlagstrategie.
    Und heute?
    Es gibt reichlich seriöse Untersuchungen und Simulationen der Folgen eines Atomkriegs – die Ergebnisse stimmen überein. Nur wenige Menschen würden überleben, viele langsam und qualvoll dahinsiechen. Ein »begrenzter« Atomschlag der USA und der NATO gegen Ziele in Rußland würde schlagartig in ein unvorstellbares atomares Inferno umschlagen und die Menschheit weitgehend dezimieren. Die schwarze Asche und der Rauch, die in die Atmosphäre aufstiegen, würden den Planeten bis zu zehn Jahre lang von der Sonnenwärme abschirmen. Die Menschen würden durch Explosionen, Strahlung und insbesondere folgende Dürre- und Hungerkatastrophen elend zugrunde gehen. Besonders die Menschen in Europa einschließlich Rußland, in China und in Nordamerika wären betroffen. Eindrucksvoll hat der Arzt Ralf Urban (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung – IPPNW) für Hamburg die hoffnungslose Situation beim Einschlag einer Atombombe geschildert: »Wir Ärztinnen und Ärzte werden euch nicht helfen können!« Es gäbe keine Ärzte, Krankenpfleger oder Krankenhäuser mehr. Die Atomkriegsgefahr spitzt sich dramatisch zu. Die USA haben in den letzten Jahren fast alle relevanten Abrüstungs- und Kontrollverträge einseitig aufgekündigt. Beim jüngsten NATO-Treffen in Vilnius wurde der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen erneut als unvereinbar mit der NATO-Strategie bestätigt. Die USA beschleunigen die Modernisierung ihrer in Europa stationierten taktischen Atomwaffen. Der deutsche Luftwaffengeneral Ingo Gerhartz, der den spontanen Jagdfliegereinsatz bis an die Grenze Rußlands »ohne Vorwarnung« propagiert, erklärte, man brauche »sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen«.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  11. Die Jobcenter und das Geld von oben: Auf dem Papier werden 500 Millionen Euro für 2024 gestrichen, 2025 sollen es sogar 900 Millionen Euro sein. Das „Bürgergeld“-System in Theorie und (monetärer) Praxis
    Seit dem 1. Januar 2023 ist das „Hartz IV“-System beseitigt. Also auf alle Fälle semantisch wurde es liquidiert. Es ist zum „Bürgergeld“ weiterentwickelt bzw. umetikettiert worden. Mit dem Umbau des alten Hartz IV- zum neuen Bürgergeld-System einher gingen keine fundamentalen Veränderungen bei den so oft im Mittelpunkt der öffentlichen Debatten stehenden Regelleistungen, also dem Geld, das die „Regelleistungsberechtigten“ monatlich ausgezahlt bekommen. Viele werden sich noch an den Jahresanfang erinnern: Mit der Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wurde der Regelsatz für eine alleinstehende Person auf 502 Euro angehoben, um 11,8 Prozent – um die hohen Inflationsraten auszugleichen. Und man erinnert sich vielleicht auch noch daran, dass nunmehr beispielsweise Inflationsentwicklungen, wie wir sie in den vergangenen Monaten haben erleben müssen, deutlich schneller berücksichtigt werden (was nach einem Urteil des BVerfG auch gemacht werden muss). Eine substanzielle Anhebung der Regelleistungen darüber hinaus, wie von vielen Sozialverbänden gefordert, hat es nicht gegeben und auch der (angebliche) Inflationsausgleich wurde als nicht ausreichend gelungen kritisiert (vgl. dazu den Beitrag Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem, der hier am 5. Januar 2023 veröffentlicht wurde.
    Aber die Ausgaben für das nun „Bürgergeld“ zu nennende Hartz IV-System umfassen noch weitaus mehr als die Regelleistungen, die den Betroffenen monatlich ausgezahlt werden. So werden die angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen, es werden Beiträge an Sozialversicherungsträger wie die Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt, hinzu kommen Gelder für Eingliederungsmaßnahmen. Wir sprechen hier mit Blick auf die Gesamtausgaben für Leistungen nach dem SGB II – also nicht nur das bisherige Arbeitslosengeld // bzw. Sozialgeld – von einer wirklich großen Hausnummer: Fast 50 Milliarden Euro fließen hier – pro Jahr. Und die Jobcenter als die letzten Außenposten des Sozialstaats müssen das organisieren und abwickeln.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  12. Zur Wirkung der Corona-Maßnahmen – Was die „StopptCOVID“-Studie des RKI sagt – und was nicht
    Mit dem Forschungsprojekt „StopptCOVID“ untersuchte das Robert-Koch-Institut die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus. Doch die Studie enttäuscht, da sie aufgrund massiver methodischer Mängel keine belastbaren Aussagen liefert. […]
    Allerdings wirft eine tiefergehende Analyse dieser Studie einige schwerwiegende Ungereimtheiten auf: Die Änderung des R-Wertes tritt bereits vor der Implementierung einer Maßnahme auf, was durch das RKI mit einer vorzeitigen Verhaltensanpassung der Bevölkerung an die jeweilige Verordnung begründet wird. Die eigentlich interessierende Wirkung der Maßnahmen auf die spätere Veränderung der Infektionszahlen kann hingegen nicht belegt werden. Auch gibt es erklärungsbedürftige Teilergebnisse: So führt beispielsweise der Einsatz von Masken im öffentlichen Nahverkehr und in Verkaufsräumen in mehreren Altersgruppen zu einer Erhöhung des R-Wertes und damit zu einem weiteren paradoxen Ergebnis, das auch seitens des RKI als solches anerkannt wird.
    Was ist hier geschehen? Eine eingehende Untersuchung des vom RKI verwendeten Studiendesigns macht deutlich, dass es die Frage nach der Wirksamkeit der Maßnahmen überhaupt nicht beantworten konnte. Es liefert die falsche Antwort auf die richtige Frage! Zunächst ist diese Studie – bereits von ihrem Konzept her – nur in der Lage zu beurteilen, ob das Infektionsgeschehen nach der Einführung einer Maßnahme geringer war. Jedoch kann sie keinesfalls die Frage beantworten, ob die Maßnahme auch verantwortlich für diese Verringerung war, da die Ergebnisse empirisch nicht mit einem möglichen Rückgang des Infektionsgeschehens ohne Interventionen verglichen werden. Es lässt sich also aus dem Studiendesign selbst heraus gar nicht beantworten, ob die Maßnahmen für den Rückgang verantwortlich waren.
    Quelle: Cicero
  13. Klimafreundliche Lkw: Zweifelhafte Versuche mit Oberleitungen
    Sie sollten den Lastverkehr auf Deutschlands Straßen umweltfreundlich und klimaneutral machen: Lkw mit Oberleitungen. In drei Bundesländern gibt es Teststrecken. Doch eine Zwischenbilanz fällt eher nüchtern aus. […]
    Der Hessische Rundfunk hat bei Behörden Akten angefordert, ausgewertet und Erkundigungen eingeholt. Deutlich wird, dass es absehbare Anfangsprobleme gab, überraschende Schwierigkeiten und dauerhaft technische Probleme. Die Isolatoren an den Masten mussten getauscht werden. Die Übertragung der Daten von den Lastern zur wissenschaftlichen Auswertung klappte lange nicht zuverlässig.
    Die Wartung von Oberleitung und Lastern ist aufwändig. Auf den Teststrecken fahren die Wagen oft ohne Oberleitungsstrom: Weil die GPS- Steuerung ungenau ist, werden die Stromabnehmer zu spät automatisch ausgefahren und zu früh eingeholt. Nach verzögerter Erweiterung der Teststrecke, langwieriger Abnahme und zuletzt Kabelschaden durch einen Bagger ist der Strom auf der hessischen Strecke in einer Richtung seit Jahresanfang, in der anderen seit April abgestellt.
    Quelle: tagesschau
  14. Endstation Asphalt
    In Deutschland sterben jedes Jahr viele Millionen Tiere auf den Straßen. Doch niemand weiß genau, wie der Verkehr das Wildleben beeinflusst.
    Auf dem Standstreifen liegt ein platter Haufen aus grau-bräunlichem Fell. „Das hat auch mal gelebt.“ Michael Huth bremst langsam ab und bringt den kleinen Transporter am Straßenrand zum Stehen. Daneben donnert ein LKW nach dem anderen über den Berliner Ring. Huth öffnet die Fahrertür, in die Kabine schwappt tosender Autobahnlärm. Er schaut über die Schulter, steigt aus, holt eine Schaufel aus dem Anhänger und kratzt den Fell-Fladen vom Asphalt. Mit dem Kadaver auf der Schippe steigt Michael Huth über die Schutzplanke, überquert den Grünstreifen am Straßenrand und hebt das tote Tier vorsichtig über den Maschendrahtzaun. Zurück im Wagen greift er wortlos nach einer kleinen Tastatur, die mit dem Bordcomputer verbunden ist, und tippt: Marder.
    Michael Huth ist Streckenwart, seit mehr als 30 Jahren arbeitet er bei der Autobahnmeisterei Rangsdorf bei Berlin. Jeden Tag kontrolliert er mit einem Kollegen Streckenabschnitte in seinem Zuständigkeitsbereich. Insgesamt 170 Kilometer hin und zurück, plus Auf- und Ausfahrten. „Der eine lenkt, der andere denkt“, sagt Huth. Im Bordcomputer werden Schäden aufgenommen: Verbeulte Schutzplanke, Loch im Zaun, verbogenes Straßenschild, Hitzeblasen auf dem Asphalt – und tote Tiere. Wenn Letztere am Straßenrand liegen, haben sie in der Regel einen brutalen, oft auch qualvollen Tod hinter sich.
    Quelle: taz