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  1. 1. September: Weltfriedenstag in einer Welt ohne Frieden
  2. „Ukraine nicht bedingungslos unterstützen“
  3. Material für den Krieg
  4. Außenministerin wandelt auf Spuren der ehemaligen Kolonialherren: Baerbock im Butterfass
  5. Ende der Herrlichkeit: Frankreich und Afrika
  6. Das BRICS-Treffen in Johannesburg war ein großartiger Erfolg: Vom Debattierclub zur Weltbewegung
  7. Noam Chomsky: Der Mainstream hat den Irakkrieg vergeben und vergessen
  8. Arbeit soll sich lohnen – Bei vielen Beschäftigten dürfte das Gegenteil ankommen
  9. Gewerkschaften geben nicht auf und fordern Referendum
  10. Sicherheitsrisiko Meer
  11. Energiepolitische Narrative: Schutz des Klimas oder Schutz der Monopole?
  12. Ein BGE ist in allen Modellen unsozial
  13. EU-Regeln für Big Tech in Kraft

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 1. September: Weltfriedenstag in einer Welt ohne Frieden
    Am 1. September 1939 überfiel Nazi-Deutschland Polen. In Erinnerung an diesen verhängnisvollen Schritt, der den Zweiten Weltkrieg einläutete, wurde der 1. September in Deutschland zum Weltfriedenstag, zunächst in der DDR und wenig später auch in der alten Bundesrepublik.
    Wir haben nichts zu feiern an diesem Tag, wohl aber ein Versprechen zu erneuern: Niemals wieder soll von Deutschland Krieg ausgehen, oder, wie es in der Präambel zum Grundgesetz heißt: Wir sind „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen.“
    Wie viele Tage des Friedens gab es eigentlich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges? In einer Veröffentlichung im Jahr 1987 hieß es, es wären nur 26 Tage gewesen, in denen es nicht irgendeine Form der bewaffneten Auseinandersetzung gab (und die kalkulierte den Kalten Krieg nicht ein). Und auch nach dem Ende des Kalten Krieges ging es kriegerisch weiter.
    Bis zum heutigen Tag ist der Weltfrieden nicht gesichert. Je nachdem, wie man Krieg definiert, variiert die Zahl der Staaten, die sich augenblicklich im Kriegszustand befinden, zwischen 14 und 32.
    In Somalia dauert das Unheil nun schon seit 1991, in Afghanistan seit 2001, im Irak seit 2003, in Libyen und Syrien seit 2011. Seit dem 11. September 2001 führen die USA den weltweiten Krieg gegen den Terror.
    Quelle: Petra Erler

    dazu auch: Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden
    Legitime Selbstverteidigung und das Streben nach einem gerechten und dauerhaften Frieden sind kein Widerspruch. Ein Verhandlungsvorschlag von Professor Dr. Peter Brandt, Professor Dr. Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Professor Dr. h. c. Horst Teltschik.
    Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022 führt die Ukraine einen legitimen Verteidigungskrieg, in dem es um ihr Überleben als Staat, ihre nationale Unabhängigkeit und Sicherheit geht. Diese Feststellung gilt unabhängig von der demokratischen und rechtsstaatlichen Qualität und der Verfassungsrealität, auch unabhängig von der sehr viel komplizierteren Vorgeschichte und dem ebenfalls komplizierteren weltpolitischen Zusammenhang des Krieges.
    Die Legitimität der bewaffneten Selbstverteidigung auf der Grundlage des Art. 51 der Uno-Charta entbindet die Regierung in Kiew und die sie unterstützenden Staaten allerdings nicht von der Verpflichtung – nicht zuletzt gegenüber dem eigenen Volk – Vernunft walten zu lassen, sich der Steigerung von Gewalt und Zerstörung nicht hinzugeben und die Erlangung eines gerechten und dauerhaften Friedens politisch zu befördern. Auch während des Krieges – und gerade währenddessen – darf das stete Bemühen um eine diplomatische Lösung nicht nachlassen.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus

  2. „Ukraine nicht bedingungslos unterstützen“
    Der frühere EU-Kommissar G. Verheugen wird in Brüssel mittlerweile ignoriert. Dabei hat er in seinem jüngsten Interview wichtige Dinge zur Ukraine-Politik gesagt. Wir kommen daher noch einmal darauf zurück.
    Einen willkommenen Anlaß bietet ein Artikel in „telepolis“. Er fasst Verheugens Positionen treffend zusammen. Besonders wichtig scheint mir folgende Passage:
    „Es ist doch offensichtlich, dass die Ukraine verzweifelt versucht, dass das Engagement des Westens und der Nato die Grenze zur direkten Intervention überschreitet“, sagte er: Das hätte die direkte Auseinandersetzung der großen Atommächte zur Folge und wäre der Schritt in den Abgrund.
    Quelle: Lost in Europe

    dazu: Günter Verheugen: Ukraine nicht mehr bedingungslos unterstützen
    SPD-Politiker drängt auf diplomatische Lösung. Vergleich mit Entspannungspolitik Willy Brandts. Wie er seine Positionen begründet.
    Angesichts der jüngsten Eskalation im Ukraine-Krieg hat der SPD-Außenpolitiker und ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen zu Frieden und Diplomatie aufgerufen. “Das Gemetzel muss beendet werden”, sagte der 79-Jährige im Interview mit dem Weser Kurier:
    “Ich bin sehr geprägt von der frühen Entspannungspolitik. Ich habe sie nicht nur miterlebt, sondern ich war daran beteiligt”, sagte er. Wenn Willy Brandts Position gewesen wäre, dass man mit dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, nicht reden kann, wäre der Kalte Krieg wohl noch heute nicht beendet.
    Quelle: Telepolis

    und: Über einen SPD-Mann, der Klartext spricht: Stimme der Vernunft
    In einem Interview mit dem Bremer „Weser Kurier“ hat der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) am Montag noch deutlicher als in vorangegangenen Stellungnahmen seinen Unmut über die westliche Kriegspolitik gegenüber Russland geäußert. […]
    Es ist die bisher klarste Stellungnahme Verheugens zu den Ursachen des Krieges und den Möglichkeiten, ihn zu beenden. Dabei bezeichnet der frühere FDP-Politiker durchaus Russland als Aggressor und erklärt sich ganz im Sinn der damaligen „Konterrevolution auf Filzlatschen“ zur BRD-„Entspannungspolitik“ der 60er Jahre: „Wenn ich möchte, dass sich die Verhältnisse in einem autoritären Staat ändern, erreiche ich das nicht mit militärischem Druck, sondern indem ich ein Vertrauensverhältnis schaffe.“ Das dürfte sich nach der jüngsten Erfahrung Russlands etwa mit den Minsker Abkommen nicht wiederholen lassen. Aber ähnlich wie vor 60 Jahren bieten die von Verheugen entwickelten Ansätze mit Russland fast die einzige Möglichkeit für Frieden. Er kennt die Kräfte, die Interesse an der Verlängerung des Gemetzels haben. Seine Beharrlichkeit ist umso höher zu achten.
    Quelle: Arnold Schölzel in unsere zeit

  3. Material für den Krieg
    Waffen, Munition, Logistik: Deutsche Lieferungen an Kiew.
    Mittwochs aktualisiert die Bundesregierung auf ihrer Internetseite die nebenstehend abgedruckte »Liste der militärischen Unterstützungsleistungen« für Kiews Armee. In dieser Woche, in der weltweit am Antikriegstag der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch den deutschen Faschismus am 1. September 1939 gedacht wird, sind unter anderem hinzugekommen: zehn »Leopard 1 A5«-Panzer, 16 »Vector«-Aufklärungsdrohnen und 13,12 Millionen Schuss Handwaffenmunition. An diese Aufstellung schließt sich eine Liste deutscher »Unterstützungsleistungen in Vorbereitung/Durchführung« an, die für den Abdruck auf dieser Seite zu lang ist. Angekündigt werden dort zum Beispiel weitere 60 »Marder«-Schützenpanzer, 90 »Leopard«-Kampfpanzer, sechs »Gepard«-Flakpanzer, 25.500 Schuss Artilleriemunition im NATO-Kaliber 155 Millimeter und 32 Radhaubitzen. Finanziert wird alles einschließlich Ausbildung durch die »Ertüchtigungsinitiative« der Bundesregierung, für die allein im Jahr 2023 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Für die Folgejahre sind bislang 10,5 Milliarden Euro vorgesehen. Die Bundesrepublik ist jetzt hinter den USA und Polen drittgrößter Waffenlieferant Kiews. Berlin nennt das militärische Hilfe »für die Ukraine«, obwohl Kiew die gelieferten Waffen nicht nur gegen russische Truppen, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung der Ostukraine einsetzt. Bis zum Februar 2022 kostete dieser 2014 von Kiew begonnene Krieg nach UN-Angaben mehr als 14.000 Menschenleben. Diese Opfer werden im Westen ignoriert.Kiew und seiner deutschen Lobby reicht die bisherige Militärhilfe nicht. Am Donnerstag verlangte Kiews Außenminister Dmitro Kuleba als Gast eines EU-Außenministertreffens im spanischen Toledo deutlich mehr, darunter »Kampfflugzeuge der neuesten Generation« und deutsche »TAURUS«-Marschflugkörper: »Sie helfen, den Krieg schneller zu beenden.« Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte zu: »Wir investieren hier in den Frieden Europas.« Am selben Tag vereinbarte Kiew mit dem größten britischen Rüstungsunternehmen BAE Systems gemeinsame Waffenproduktion. Der deutsche Konzern Rheinmetall gründete bereits im Mai in der Ukraine ein Gemeinschaftsunternehmen für Panzer. Die Lieferliste der Bundesregierung wird künftig erheblich umfangreicher sein.
    Quelle: junge Welt
  4. Außenministerin wandelt auf Spuren der ehemaligen Kolonialherren: Baerbock im Butterfass
    Hätte die Bundesregierung funktionstüchtige Flugzeuge zur Verfügung, dann hätte Annalena Baerbock persönlich an ihr teilgenommen: an der Eröffnung der deutschen Botschaft in Suva, der Hauptstadt des pazifischen Inselstaates Fidschi, am 19. August. Die Außenministerin legt großen Wert darauf, im Pazifik Präsenz zu zeigen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres bereiste sie Palau, führte dort politische Gespräche – und vergaß kürzlich in einem Interview nicht, eigens darauf hinzuweisen, sie sei „als erste deutsche Außenministerin seit 120 Jahren“ dort gewesen. Nun, sich in direkte Kontinuität zur damaligen Reichsregierung zu stellen, das ist kein Fettnäpfchen mehr, sondern eher ein Butterfass: Palau fristete damals ein bitteres Dasein als deutsche Kolonie. Baerbock, selbsterklärte Nachfolgerin der Kolonialherren, hatte sich am 13. August auf den Weg nach Australien gemacht und wollte später nach Fidschi weiterreisen, als ihr Flugzeug bei einem Zwischenstopp in Abu Dhabi den Geist aufgab. Die Ministerin flog heim, die Botschaft wurde ohne sie eröffnet. Erst Palau, jetzt Fidschi: Die Bundesregierung sucht sich in einer Großregion festzusetzen, die immer heftiger in den Strudel der globalen Großmächterivalität gerät.
    Quelle: Jörg Kronauer in unsere zeit
  5. Ende der Herrlichkeit: Frankreich und Afrika
    Frankreichs Präsenz im zentralen Sahel ließe sich, so scheint es, nur mit einer Militärintervention in Niger behaupten, gegen die schon prophylaktisch Zehntausende in den Städten des Landes protestieren. Und nun auch noch der Putsch in Gabun, wo der Bongo-Clan seit 1967 ununterbrochen als eine der reichsten und loyalsten Stützen der Françafrique herrschte: Es geht, scheint es, den Pariser Seilschaften nicht mehr bloß in West-, sondern nun auch in Zentralafrika an den Kragen. (…) Bislang haben die gabunischen Putschisten noch keinerlei Schritte gegen die politische und militärische Präsenz Frankreichs eingeleitet. Eine Parallele zum Krieg im Sahel, der stark dazu beigetragen hat, in den dortigen Ländern den Hass auf Frankreichs Streitkräfte und seine Politik zu schüren, gibt es in Gabun nicht. In französischen Medien kann man hoffnungsvolle Äußerungen lesen, womöglich handle es sich bei dem Putsch nur um einen Machtkampf zwischen verschiedenen Familien der herrschenden Clans. (…) Kann Paris also seine Einflussnetzwerke in Gabun noch retten? Man wird sehen, wie stark der Unmut über die einstige Kolonialmacht nicht nur West-, sondern auch Zentralafrika erfasst hat. (…) Günstig für Frankreich verläuft die Entwicklung nicht. In Paris werden mittlerweile Stimmen laut, die dafür plädieren, den Verlust der Françafrique zu akzeptieren und sich statt dessen auf das Eigentliche zu besinnen – den europäischen Kontinent. Kurz: Truppen sollen stärker als bisher in Osteuropa stationiert werden. Ob Frankreichs Wirtschaftsinteressen in Afrika es zulassen, den anderen Krieg zu wählen, ist freilich noch längst nicht ausgemacht.
    Quelle: junge Welt

    dazu auch: Der nächste EU-Militäreinsatz in Westafrika
    Die EU plant einen neuen Militäreinsatz in Westafrika. Wie vor dem Treffen der EU-Außenminister am gestrigen Donnerstag in Toledo berichtet wurde, ist die Entsendung von Soldaten und Polizisten aus Europa in die nördlichen Regionen von insgesamt vier Staaten am Golf von Guinea (Côte d’Ivoire, Ghana, Togo, Benin) geplant. Auf diese Gebiete drohen die jihadistischen Aufstände überzugreifen, gegen die die Staaten der EU in Mali, Burkina Faso und Niger seit einem guten Jahrzehnt kämpfen – ohne jeden Erfolg. Der Einsatz zielt vor allem darauf ab, eine EU-Militärpräsenz im zentralen Sahel für den Fall zu sichern, dass Frankreich und die EU aus Niger abziehen müssen. Diese Forderung unterstützen starke Kräfte in der nigrischen Bevölkerung; sie wollen ab dem kommenden Sonntag unweit des französischen Stützpunkts in Niamey dafür demonstrieren. Die EU kooperiert bei ihrem geplanten neuen Einsatz mit Staaten, die eine Militärintervention zum Sturz der nigrischen Junta fordern. Berlin und die EU sind längst militärisch am Golf von Guinea präsent: Die EU entsendet Schiffe gegen Piraten, während Berlin Geld für die Ausbildung von Militärs für Auslandseinsätze bereitstellt.
    Quelle: German Foreign Policy

  6. Das BRICS-Treffen in Johannesburg war ein großartiger Erfolg: Vom Debattierclub zur Weltbewegung
    Die Wahl von sechs Staaten ist ein Kompromiss. Vor allem China, aber auch Russland wollten mehr, Indien, Brasilien und Südafrika standen eher auf der Bremse. Hier sind die innenpolitischen Konflikte und die Rücksichtnahmen gegenüber Washington besonders ausgeprägt. Geographisch gesehen dürften Ägypten und Äthiopien eine Verbeugung vor dem gastgebenden afrikanischen Kontinent sein und Argentinien den Wünschen Brasiliens entsprechen. Entscheidend ist aber die deutliche Verstärkung von BRICS im Bereich der Produktion und des Handels mit Fossilenergie. Vor allem durch die Fossilschwergewichte Saudi-Arabien, Russland, Iran, die VAE und China wird BRICS-11 zukünftig für etwa 48 Prozent der globalen Erdölproduktion stehen – BRICS und OPEC „verschmelzen“ in einem gewissen Grade. Ohne Öl keine moderne industrielle Produktion und Distribution. Da jeder Öl und Ölprodukte braucht und die Rechnungen mittlerweile in lokalen Währungen ausgestellt werden, bekommt damit die Entdollarisierung einen gewaltigen Schub. Dieses Momentum kann deutlich erhöht werden, wenn – was als wahrscheinlich gilt – auf dem im kommenden Jahr in Kasan stattfindenden 16. BRICS-Treffen weitere Beitrittskandidaten aufgenommen werden.
    Quelle: Klaus Wagener in unsere zeit
  7. Noam Chomsky: Der Mainstream hat den Irakkrieg vergeben und vergessen
    Zwanzig Jahre nach der Invasion im Irak erklärt Noam Chomsky, wie der Krieg nachträglich in eine humanitäre Intervention umgedeutet wurde.
    Es sind jetzt zwanzig Jahre seit dem Beginn des Kriegs im Irak vergangen. Wie hat sich der Krieg auf die US-Öffentlichkeit und -Kultur ausgewirkt?
    Der Irakkrieg wurde problemlos in das System einer mächtigen Doktrin absorbiert. Diese Entwicklung bestätigt, was George Orwell vor achtzig Jahren bemerkte, nämlich dass in freien Gesellschaften unbequeme Fakten auch ganz ohne Gewaltanwendung unterdrückt werden können. Zwanzig Jahre nach Kriegsbeginn hat man es schwer, im Mainstream auch nur einen Satz zu finden, der das Offensichtliche aussagt: Die Invasion des Iraks durch die USA und Großbritannien ist das schlimmste Verbrechen des laufenden Jahrhunderts – ein Verbrechen, für das Nazis in Nürnberg gehängt worden wären. Ja, man hört keinen einzigen Satz, der auch nur zugibt, dass der Krieg überhaupt ein Verbrechen war. Der Krieg wurde umgedeutet in einen wohlwollenden Versuch, das irakische Volk von einem schrecklichen Diktator zu befreien und ihm das Geschenk der Demokratie zu bringen; und dieser Versuch sei leider gescheitert.
    Einige unbequeme Fakten, die sich leicht verdrängen lassen, werden einfach nicht erwähnt. Zum Beispiel, dass die USA zuvor Saddam Hussein unterstützen, als er seine schlimmsten Verbrechen verübte, sogar während des Giftgas-Massakers von Halabdscha im Jahr 1988. Diese Liebesbeziehung hielt bis in die erste Bush-Regierung hinein an, die sogar noch eine hochrangige Senatsdelegation entsandte, um Saddam die guten Wünsche des Präsidenten zu übermitteln und ihm mitzuteilen, dass er die Kritik der offensichtlich außer Kontrolle geratenen US-Presse ignorieren solle.
    Quelle: Jacobin
  8. Arbeit soll sich lohnen – Bei vielen Beschäftigten dürfte das Gegenteil ankommen
    Die Kritik aus der CDU an der deutlichen Erhöhung des Bürgergeldes ist wohlfeil. Der Anstieg basiert auf einem Gesetz, dem die Partei selbst zugestimmt hat. Dennoch sendet der Aufschlag ein heikles Signal: Den bald fälligen Beweis, dass Heils Reformen fruchten, dürfte er erschweren.
    Arbeitsminister Hubertus Heil erhöht das Bürgergeld von 502 auf 563 Euro – ein Plus von zwölf Prozent. Auftritt Jens Spahn: „Wenn jetzt das Bürgergeld stärker steigt als die Löhne von vielen Millionen Beschäftigten, ist das das falsche Signal“, kritisiert der CDU-Fraktionsvize.
    Die Signalwirkung schätzt Spahn zwar korrekt ein. Seine Kritik jedoch ist wohlfeil: Die an die steigenden Lebenshaltungskosten gekoppelte Fortschreibung der Regelsätze im Bürgergeld zum Jahresbeginn steht im entsprechenden Gesetz – dem hatten auch Spahn und seine Partei im Herbst letzten Jahres zugestimmt.
    Heil erklärt die Erhöhung folgendermaßen: „Die Regelbedarfe werden nach einem klaren Verfahren auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelt.“ Der Mechanismus zur jährlichen Anpassung sei nun „inflationsfester, und somit krisenfester“.
    Die aktuelle Preisentwicklung spiele eine stärkere Rolle als früher. Berechnet werde die Erhöhung über einen Mischindex, der sich aus der Preisentwicklung (70 Prozent) und der Lohnentwicklung (30 Prozent) zusammensetze.
    Abgesehen davon, dass Heil damit nur die Formel, nicht aber die einzusetzenden Zahlen liefert, bedeutet das: Die staatlichen Leistungen für Nicht-Arbeit sind also an die Entwicklung der Löhne für Arbeit gekoppelt. Das wirft Fragen auf.
    Die Begründung wiederum, dass die Inflation Menschen mit wenig Geld härter trifft, stimmt. Auch, dass die 449 Euro im Monat, die bis Ende 2022 ausgezahlt wurden, angesichts der Teuerung überholt waren, ist jedem klar, der sich mit der Auflistung dessen, was der Regelsatz abdecken soll, beschäftigt hat.
    Nur: Heil löst den offensichtlichen Widerspruch nicht auf, dass eine Erhöhung von zwölf Prozent auf dem Lohnzettel für die meisten Arbeitnehmer in weiter Ferne liegt. Die Anpassung bei Einführung des Bürgergeldes mit einberechnet, steht innerhalb von zwei Jahren unter dem Strich ein Plus von fast 24 Prozent bei den Regelsätzen.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein wohltuend unaufgeregter Artikel, der sogar anerkennt, dass die Erhöhung der Regelsätze angesichts der hohen Inflationsrate dringend notwendig war und ist. Und dann doch wieder die seltsame Volte zurück zu den Arbeitseinkommen: zunächst einmal haben alle Arbeitnehmer mehr Geld als ein Hartz-IV-Betroffener (Bürgergeld-Bezieher), selbst wenn er auf Hartz IV aufstocken muss. Und dass sich für einen Single, der 2.000 oder 2.500 Euro netto bekommt, im Vergleich zum Bürgergeld-Höchstsatz von 502 Euro plus Wohnung (in München vielleicht 1.100 Euro netto) “Arbeit nicht lohnen” würde, ist doch Blödsinn. Zweitens sind natürlich die Hubertus Heil und die SPD mit der “Agenda 2010”, an der sie heute noch festhalten, an den niedrigen Löhnen und den mickrigen Renten schuld. Drittens kann ich jede/n verstehen, die oder der nicht für 100 Euro mehr als das Bürgergeld arbeiten gehen will – solche Löhne sind indiskutabel, steigen aber nicht, wenn das Bürgergeld sinkt oder stagniert. Viertens aber ist Heil tatsächlich nicht für Lohnerhöhungen zuständig; darum müssen sich die Arbeitnehmer selber kümmern oder ggf. eine Gewerkschaft, von der sie sich vertreten lassen. Und wem die Lohnerhöhungen 2022 und 2023 – für mich absolut nachvollziehbar – zu niedrig sind, der ist seiner Gewerkschaft nicht fest genug auf die Füße getreten. Den Hartz-IV-Betroffenen das Bürgergeld zu kürzen, bringt auf jeden Fall keinem Arbeitnehmer mehr Geld – ganz im Gegenteil, es würde zu noch mehr Lohnsenkungen führen. Es ist tragisch, dass ein Großteil der Arbeitnehmer das nach 20 Jahren Hartz IV immer noch nicht verstanden hat.

  9. Gewerkschaften geben nicht auf und fordern Referendum
    »Rentenreform« in Frankreich tritt mit 1. September in Kraft.
    Die »Rentenreform«, die Präsident Emmanuel Macron zu einem Hauptvorhaben seiner Amtszeit gemacht hatte, tritt am heutigen 1. September und damit exakt zu dem von ihm langfristig angepeilten Datum in Kraft. Die Streiks und Protestaktionen, die über Monate liefen und an denen sich mehrere Millionen Menschen beteiligten, haben am Zeitplan nichts und am Inhalt der »Reform« kaum etwas geändert. Damit sieht sich Macron mit seiner Überzeugung bestätigt, wonach die verbreitete Meinung, Frankreich sei nicht reformierbar, falsch ist, und daß man – anders als es die meisten seiner Amtsvorgänger taten – nur hart und ausdauernd genug sein muß, um Änderungsvorhaben durchzusetzen. Als Macron am Mittwoch die führenden Vertreter der im Parlament vertretenen Parteien zu einem Gespräch eingeladen hat, um gemeinsam Themen für den politischen Kalender der nächsten Monate besprechen und so der Amtszeit des Präsidenten nach den Auseinandersetzungen um die »Rentenreform« einen neuen Auftrieb zu verschaffen, wollte er damit Kooperations- und Kompromißbereitschaft signalisieren. Doch als die linken Parteien und Bewegungen das wörtlich nahmen und ein Referendum über die Rentenreform forderten, reagierte Macron kühl und hat das Ansinnen als völlig abwegig vom Tisch gewischt. Eine solche Geste kann sich der Sieger leisten. Für ihn ist die »Rentenreform« bereits Geschichte. Dagegen wird für die Franzosen jetzt vieles anders. Ab sofort rückt das Rentenalter für jeden dafür in Frage kommenden Jahrgang um drei Monate hinaus. Die neuen Regeln gelten für alle Franzosen, denn die rund vier Dutzend Sonderrentenregime für einzelne Berufsgruppen – von den Eisenbahnern der Staatsbahn SNCF über die vereidigten Schreiber der Notariate bis zu den Tänzerinnen der Pariser Oper – laufen aus. In ihren Genuß kommt nach der »Großvaterregel« nur, wer schon Mitglied ist, denn ab heute wird niemand mehr neu aufgenommen.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  10. Sicherheitsrisiko Meer
    In der Nord- und Ostsee lagern mehr als 1,6 Millionen Tonnen Bomben und Granaten, die dort nach den Weltkriegen versenkt wurden. Die Politik nimmt sich des Themas nur widerstrebend an.
    Allein auf dem Meeresgrund der deutschen Nord- und Ostsee lagern geschätzt mehr als 1,6 Millionen Tonnen Bomben, Minen und Granaten. Manche enthalten chemische Kampfstoffe, zusammen mehrere tausend Tonnen. Was daraus wird, ist bis heute weitgehend ungeklärt. Das Problem dürfte noch Generationen beschäftigen.
    Die Rede ist von Munitionsaltlasten zweier Weltkriege, die langsam vor sich hin rotten und eklatante Gefahr bedeuten für Menschen auf und an den Meeren, für Fischerei, Sportschiffahrt und Tourismus und vor allem für die Meeresumwelt (siehe Kasten). Zwar wird seit Jahrzehnten und immer lauter wirksames Entsorgungshandeln gefordert. Tatsächlich wird das Problem politisch und administrativ aber bis heute verschleppt, verharmlost oder geleugnet. Erst in diesem Jahr hat die Bundesregierung die Entwicklung von Lösungskonzepten beauftragt, die 2024/25 zu ersten Bergungsversuchen führen sollen – Ende offen.
    Es ist unstrittig, dass dieses marine Altlastenproblem ein globales ist, die größten Anteile der in nordeuropäischen Gewässern lagernden Spreng- und Giftstoffe aber aus deutscher Produktion stammen.
    Quelle: junge Welt
  11. Energiepolitische Narrative: Schutz des Klimas oder Schutz der Monopole?
    Energiepolitik wird seit den 1990er Jahren unter dem Label Klimaschutz diskutiert. Diese Umbenennung verschiebt die Debatte von konkreten energiepolitischen Auseinandersetzungen hin zu abstrakten Modellen, die viel Interpretationsraum eröffnen und reale Interessenkonflikte unsichtbar machen. Stattdessen wird Klimaschutz seither als Last diskutiert, die Einschränkungen und hohe Kosten erfordert. Dabei wären ökologisch und volkswirtschaftlich viele Gewinner möglich – doch das erfordert die Konfrontation mit den Energiemonopolen.
    Vor wenigen Wochen fanden zwei G20-Treffen in Indien statt. Doch weder die Runde der Energieminister noch der Kreis der Umwelt- und Klimaminister konnte sich auf eine gemeinsame Linie zum Klimaschutz einigen. Es war einmal mehr der Versuch, die weltweiten ökologischen Krisen durch einen globalen Vertrag lösen zu wollen. Und es hat einmal mehr nicht funktioniert.
    An dieser Vorgehensweise arbeiten sich die Staats- und Regierungschefs nun seit der ersten Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1995 in Berlin ab. Das Prozedere ist immer das gleiche: In langen Verhandlungsrunden wird diskutiert, welche Länder welche Emissionseinsparungen erzielen sollen. Viele Staats- und Regierungschefs nutzen Vermeidungsstrategien, um sich den Vorgaben zu entziehen oder sie zumindest abzuschwächen. Der Grund ist, dass sie wirtschaftliche Nachteile für ihr jeweiliges Land fürchten, denn die politischen Instrumente, die diskutiert und angewendet werden, zielen darauf ab, den Energieverbrauch zu erschweren oder zu verteuern. Das passiert über Preiserhöhungen oder mengenmäßige Beschränkungen. Diese Ansätze finden sich im Emissionshandel, bei Budgetierungen oder CO2-Fußabdrücken, die alle finanziell oder ordnungspolitisch den Energieverbrauch drosseln sollen.
    Im Zentrum der Debatte steht also die Frage, wer sich wie stark einschränken müsse. Es geht um eine möglichst gerechte Verteilung der Lasten, auch bezeichnet als „burden sharing“. Die politischen Konfliktlinien verlaufen entlang dieser Vorstellung von Lasten: Flexibilität versus Verbindlichkeit, längere Zeitfenster versus Tempo, finanzielle Subventionierung versus Verbote…
    Quelle: Mulitipolar
  12. Ein BGE ist in allen Modellen unsozial
    In regelmäßigen Abständen erscheinen Beiträge über das sogenannte »Bedingungslose Grundeinkommen«, kurz BGE. Dieses solle jeder bekommen, so die Anhänger dieser Bewegung, ob Armer oder Reicher, ob als einziges Einkommen oder zusätzlich zur Lohntüte. Finanziert werden soll es, nach dem beliebtesten der diskutierten Modelle, über eine massiv erhöhte Mehrwertsteuer. Einer Steuer also, die von jenen kassiert wird, die das BGE bekommen sollen. Durch dieses Verfahren behält der Empfänger sicherlich, egal welch prekärer Arbeit er nachgehen muß oder ob er arbeitslos ist, ein Mindestmaß an Kaufkraft, was den Unternehmer freut, dessen Profite ihm erhalten bleiben und sogar noch steigen, da er dem arbeitswilligen BGE-Empfänger nun einen noch schlechter bezahlten Job anbieten kann. Die Mehrwertsteuer aber kann nicht zwischen Bedürftigen und Reichen unterscheiden, von denen letztere einen wesentlich geringeren Teil ihres Einkommens zur Lebenshaltung reinvestieren müssen. Die vordergründige Armut würde tatsächlich zurückgehen, weil die Grundsicherung gewährleistet ist, jedoch würde auf der anderen Seite der Wohlstand der Ausbeuter noch stärker steigen. Arbeiter und sozial Benachteiligte wären aber dann im Bezug auf soziale Kämpfe ruhiggestellt, obwohl sich an ihrer Situation nichts Wesentliches ändern würde. (…) Keinesfalls aber erreicht wären mit einem BGE eine Verbesserung der Arbeitsqualität, eine Verkürzung der Wochen- und Lebensarbeitszeit und damit eine insgesamt soziale Verbesserung der arbeitenden Menschen.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  13. EU-Regeln für Big Tech in Kraft
    »Digital Services Act« soll Macht von Internetmonopolisten einschränken und erweitert Möglichkeiten der politischen Zensur.
    Am vergangenen Freitag ist in der EU nun der Digital Services Act (DSA) für die sehr großen Plattformen und zwei sehr große Suchmaschinen in Kraft getreten, er soll dieses Treiben in geordnete Bahnen lenken. Und ist, was politische Zensur angeht, mit einem bedrohlichen Machtzuwachs für die Behörden verbunden. Bei der Erarbeitung der Vorschriften hat sich die EU-Kommission erstaunlich lobbyresistent gezeigt. Die betroffenen Konzerne haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Regeln zu verwässern, wie etwa die lobbykritischen Organisationen Corporate Europe Observatory und Lobby Control mehrfach aufgezeigt haben. Auch der wiederholte Versuch, Big-Tech-Vertreter in den Konsultationen als Repräsentanten kleiner und mittlerer Unternehmen zu tarnen, hat nicht verfangen. Das Gros der geplanten Regeln hat den Prozess überstanden. Und seit Freitag gelten sie für 19 Internetkonzerne in vollem Umfang. Das sind jene, die den DSA-Schwellenwert von monatlich 45 Millionen aktiven Nutzern überschreiten und deshalb als Very Large Online Platform (VLOP) oder Very Large Online Search Engine (VLOSE) eingestuft werden. Neben Alphabet und Meta gehören dazu auch Apple, Tiktok, Booking.com und Bing. Die Shoppingplattformen Amazon und Zalando haben gegen ihre VLOP-Einstufung Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingelegt.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Soziale Netzwerke: Radikalisiert Youtube seine Nutzer?
    Youtube schlägt neue Videos vor, wenn eins angeschaut wurde. Gelangen Nutzer so auch zu extremistischen Inhalten? Was eine aktuelle Studie dazu sagt.
    Soziale Netzwerke stehen seit Jahren im Ruf, ihre Nutzer zu radikalisieren und die Gesellschaft zu spalten. Die Algorithmen, mit denen sie Videos oder Nachrichten vorschlagen, sollen die Nutzer zunehmend, aber unmerklich an extreme Inhalte heranführen.
    In der Wissenschaft wird dies als Rabbit-Hole-Effekt bezeichnet und ist an das Kinderbuch Alice im Wunderland” angelehnt. Dort folgt die Protagonistin einem weißen Kaninchen und gelangt durch dessen Bau in eine andere Welt. In ähnlicher Weise, so der Verdacht, könnten soziale Netzwerke aus normalen Bürgern politische Extremisten machen.
    Seit Jahren untersuchen Wissenschaftler den Algorithmus der Videoplattform Youtube, der den Nutzern neue Videos vorschlägt. Sie fragten sich, ob es sich dabei um eine Radikalisierungsmaschine handelt.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers W.K.: Irgendwie wundert es mich nicht, dass eine Studie wie diese genau jetzt veröffentlicht wird, nachdem gerade neue gesetzliche Einschränkungen für Plattformen im Netz verabschiedet wurden.

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