ARD und Anne Will: Eine Minute Meinungsmache kostet tausende Euro

ARD und Anne Will: Eine Minute Meinungsmache kostet tausende Euro

ARD und Anne Will: Eine Minute Meinungsmache kostet tausende Euro

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Vertrauliche Dokumente geben Einblick in die Finanzierung der ARD-Talkshows Anne Will, Maischberger und Hart aber Fair, wie Medien berichten. Skandalös sind neben den genannten Summen vor allem die Inhalte, die damit zum Teil finanziert werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Gerade hatten wir in diesem Artikel die Art der Diskussionsleitung durch Anne Will kritisiert – Wills zum Teil sehr parteiisches Verhalten bei der Moderation ihrer Talkshow ist (neben der tendenziösen Auswahl der Gäste) inakzeptabel, weil es der Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einer ausgewogenen Berichterstattung widerspricht. Der Artikel mündete im folgenden Absatz:

Ich habe bisher den ÖRR und das wichtige Prinzip eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer verteidigt (etwa hier oder hier). (…) Aber die Vorstellung, diese Meinungsmache auch noch selber finanzieren zu müssen und sie dadurch mit möglich zu machen, wird immer unerträglicher.“

Zu diesem Thema der Finanzierung der in ARD-Talkshows produzierten Meinungsmache gibt es nun neue Informationen. Denn was die Sendung Anne Will und andere Talkshows die Gebührenzahler konkret kosten, war bislang unbekannt: Der öffentlich-rechtliche Sender hatte diese Informationen bisher nicht öffentlich gemacht.

Jetzt aber gewähren vertrauliche Dokumente einen Einblick in die Talkshow-Verträge der ARD, wie Medien in Bezug auf einen Bericht von Business Insider berichten. Es geht um Informationen zu den Kostenaufstellungen zu Anne Will, Maischberger – die Woche und Hart aber fair für die Jahre 2021 bis 2023. Weil einige der Berichte hinter der Bezahlschranke stehen, soll hier ausführlich zitiert werden. Unten folgt eine Einordnung.

Anne Will kostet die Bürger 4.100 Euro pro Sendeminute

Laut der vertraulichen Übersicht sei Anne Will in den vergangenen Jahren das teuerste der drei Talkformate im Ersten gewesen, heißt es etwa in einem Bericht in der Welt. Für diese Talkshow sei mit jährlichen Gesamtkosten von rund 7,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Das mache für jede der 30 Sendungen etwa 250.000 Euro – mehr als 4.100 Euro pro Minute. Als Produzent der Sendungen fungiere die Will Media GmbH, deren alleinige Gesellschafterin Anne Will ist. 2021 habe das Unternehmen einen Bilanzgewinn von rund 1,2 Millionen Euro ausgewiesen.

Die genauen Zahlen kenne aber noch immer kaum jemand, so die Medienberichte: Hinter jeder Produktion verberge sich „ein kompliziertes Geflecht aus diskreten Verträgen und detailreichen Absprachen“. Üblich sei zudem, dass die Talkmaster die Gesprächsrunden (wie im Fall Anne Will) über eigene Produktionsfirmen organisieren würden – und somit doppelt verdienen könnten. Ein Branchenkenner bezeichnet diese Konstruktionen in den Medienberichten als ein „Geschenk“ der öffentlich-rechtlichen Sender an ihre prominenten Moderatoren.

Auf Nachfrage hätten sich weder die für die Talkshows zuständigen ARD-Anstalten WDR und NDR noch die beteiligten Produktionsfirmen zu den Recherchen äußern wollen. Zusätzliche Aufmerksamkeit erfahren die internen Zahlen laut den Berichten dadurch, dass die Verantwortlichen in der ARD momentan die Zukunft der Polit-Talks und entsprechende Millionenverträge für die nächsten Jahre diskutieren würden: Anne Will gebe ihre Talksendung zum Jahresende auf. Sie hatte 2007 den Sendeplatz am Sonntagabend von Sabine Christiansen übernommen. Nun werde Caren Miosga ihre Nachfolgerin.

Viele der Kosten tragen die Gebührenzahler

Auch Summen zu anderen Talkshows im von den Bürgern finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) werden in den aktuellen Medienberichten genannt: So würden die Gesamtkosten für Hart aber fair in den internen Papieren mit 6,6 Millionen Euro im Jahr angesetzt, Maischberger – die Woche habe in der Kalkulation mit 4,7 Millionen Euro jährlich zu Buche geschlagen.

Auffällig sei bei beiden ARD-Sendungen, dass, trotz der Millionenverträge für die Firmen von Maischberger und Plasberg, diese Formate bei den ARD-Anstalten beträchtliche Kosten verursachen würden. Denn während die Fernsehstars als Unternehmer hauptsächlich für die Redaktion verantwortlich seien, würden die eigentlichen Produktionskosten größtenteils bei den Anstalten hängenbleiben, so die Medienberichte. Hohe Anteile übernähmen bei den Talks die federführenden Sender, also WDR und NDR, doch der Rest werde innerhalb der ARD aufgeteilt. Für Hart aber fair seien das jährliche Kosten von 1,7 Millionen Euro. Bei Maischberger – die Woche würden sich die Beträge für Kamera und Ton, Ü-Wagen, Veranstaltungstechnik oder Reisekosten auf 1,6 Millionen Euro im Jahr summieren, so Medien.

Der Rundfunk beschädigt sich selber

Einschränkend möchte ich betonen, dass ich es als Laie nicht abschließend beurteilen kann, ob die hier genannten Summen einer wichtigen TV-Hochglanzproduktion angemessen sind. Das liegt auch daran, dass solche Kosten im öffentlich-rechtlichen Bereich (wie bisher von der ARD) teils nicht transparent kommuniziert werden und darum ein Bezugsrahmen fehlt. Vielleicht gibt es Leser der NachDenkSeiten, die im Bereich der öffentlich-rechtlichen TV-Produktion Erfahrungen bezüglich der Kosten sammeln konnten und das einordnen können? Verschwendung und Korruption müssen verhindert werden, aber ich denke auch, dass zentrale Polit-Talkshows eine gewisse gehobene Präsentation verdienen – zumindest prinzipiell gesprochen.

Der Skandal entsteht für mich darum nicht automatisch aus den nun in vielen Medien genannten hohen Summen, die sich im Vergleich möglicherweise(!) relativieren. Problematisch erscheinen auch einige formale Regelungen zwischen ÖRR und den jeweiligen Produzenten. Der zentrale Skandal liegt für mich aber vor allem darin, dass dieses Geld der Gebührenzahler oft genutzt wird, um die politische Ausgewogenheit, zu der der ÖRR und seine Moderatoren verpflichtet sind, zu verletzen. Zur Erinnerung an diese Verpflichtung, die Mitarbeiter des ÖRR stärker zur Neutralität mahnt als solche von Privatmedien, sei hier die Bundeszentrale für politische Bildung zitiert (Hervorhebung von mir):

Der öffentliche-rechtliche Rundfunk ist zur Ausgewogenheit verpflichtet, um Meinungspluralität zu erzeugen. Geboten ist insofern stets eine unabhängige, sachliche und überparteiliche Berichterstattung. Die vermittelten Informationen müssen aktuell, nachhaltig, abgesichert und glaubwürdig sein. (…) Um eine Ausgewogenheit zu erzielen, heißt es auf der praktischen Ebene etwa, dass Kommentare und Meinungen von Nachrichten getrennt gesendet bzw. Kommentare als solche kenntlich gemacht werden. Außerdem gilt es, in politischen Talkshows die Gäste möglichst so auszuwählen, dass sie alle für den Konflikt oder das Themenfeld relevanten Gruppen und zugehörigen Positionen repräsentieren.“

Man könnte meinen, das Ansehen des ÖRR sollte momentan von manchen seiner eigenen Mitarbeiter vorsätzlich beschädigt werden. Ganz so, als wolle man den Gegnern des ÖRR bei den privaten Konzernmedien Futter geben – etwa, wenn man zusätzlich zu vielen tendenziösen Inhalten noch an die bekannt gewordenen Zustände beim RBB denkt.

Ich finde dieses Verhalten verantwortungslos. Denn das Prinzip des ÖRR ist sehr wichtig – wie soll man es aber angesichts der realen Zustände und Inhalte noch verteidigen?

Titelbild: Screenshot – Tagesschau