Die völkerrechtswidrige US-Blockade gegen Kuba und die widersprüchliche Haltung der Bundesregierung

Die völkerrechtswidrige US-Blockade gegen Kuba und die widersprüchliche Haltung der Bundesregierung

Die völkerrechtswidrige US-Blockade gegen Kuba und die widersprüchliche Haltung der Bundesregierung

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Seit 1992 verurteilt die UN-Vollversammlung jährlich das völkerrechtswidrige US-Embargo gegen Kuba – bisher ohne Konsequenzen. Auch dieses Jahr stimmten 187 Länder, darunter Deutschland, gegen die US-Blockade und forderten deren sofortige und bedingungslose Aufhebung. Lediglich die USA und Israel stimmten gegen diese Resolution. Vor diesem Hintergrund fragten die NachDenkSeiten, was die Bundesregierung konkret tut, um ihrem Votum Nachdruck zu verleihen und die seit Jahrzehnten anhaltende Verletzung des Völkerrechts durch den Wertepartner in Washington zu stoppen. Zudem wollten die NDS wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift, um den von illegalen US-Zwangsmaßnahmen im Zuge des Embargos betroffenen deutschen Unternehmen, Banken und Vereinen in Deutschland, auch eingedenk des geleisteten Amtseids, zu helfen. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Resolutionen gegen die US-Blockade, die die UN-Generalversammlung regelmäßig verabschiedet, sind im juristischen Sinne nicht bindend, besitzen aber einen hohen symbolischen Wert und erzeugen politisch-diplomatischen Druck. Sie zeigen auf, dass sich Washington zumindest in dieser Angelegenheit komplett isoliert hat. Der Umgang mit der Resolution beweist aber auch, dass sich die USA bisher ohne jede weitere Konsequenz über dieses eindeutige Votum der Weltgemeinschaft hinwegsetzen konnten.

Im Falle der seit 62 Jahren anhaltenden völkerrechtswidrigen US-Blockade zeigt sich zudem eine rational kaum erklärbare und geradezu infantile Unerbittlichkeit und Obsession gegenüber der sozialistischen Karibikinsel. Verwiesen sei hierzu exemplarisch auf ein Zitat des einstigen US-Staatssekretärs für Auswärtige Angelegenheiten, Lester Malory, der sich bereits 1960 für die Verhängung einer Blockade gegen Kuba aussprach und dies wie folgt begründete:

„Die einzige Möglichkeit, der (kubanischen) Regierung die Unterstützung im Inland zu entziehen, besteht darin, Enttäuschung und Entmutigung durch wirtschaftliche Unzufriedenheit und Nöte zu provozieren (…) Es sollte sofort jedes mögliche Mittel eingesetzt werden, um das Wirtschaftsleben zu schwächen (…) Kuba Mittel und Lieferungen zu verweigern, um die nominalen und realen Gehälter zu senken, mit dem Ziel, Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu provozieren.“

Doch die Komplettblockade schädigt nicht nur massiv die kubanische Bevölkerung in allen Lebensbereichen, sondern hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf deutsche und europäische Unternehmen, Banken, Vereine und Privatpersonen.

Jede Transaktion, jeder Handel mit Kuba kann von Washington, genauer gesagt vom US-Finanzministerium und dem ihm unterstellten OFAC, dem US-Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen, mit der Verhängung von horrenden Strafsummen geahndet werden. Diese sind zwar vollkommen illegal, aber vor die Entscheidung gestellt, diese zu zahlen oder den Zugang zum US-Markt zu verlieren, entscheiden sich natürlich fast alle Unternehmen und Banken zu entsprechenden „Strafzahlungen“. Daneben haben diese Strafzahlungen vor allem eine präventiv-abschreckende Wirkung auf Drittstatten. Potenzielle und interessierte Investoren, Wirtschaftspartner, Banken, Versicherungen und Unternehmen sehen angesichts der drohenden US-Zwangsmaßnahmen davon ab, sich überhaupt in Kuba wirtschaftlich zu engagieren. Befragt, was die Bundesregierung tut, um deutsche Unternehmen und Banken vor diesen skizzierten US-Willkürmaßnahmen zu schützen, gab sich das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) ahnungslos, man wisse angeblich nichts von solchen Fällen:

Wir helfen dem Sprecher des BMWK natürlich gerne und dokumentieren anbei eine kleine Auswahl der erfolgten Strafzahlungen, Kontosperrungen oder anderer Zwangsmaßnahmen gegen deutsche und europäische Unternehmen, Banken, Vereine, aber auch Einzelpersonen aus den letzten zehn Jahren:

2013:

  • Die deutsche Heavy-Metal-Band COR sammelte über eine Spendenplattform im Internet etwa 8.000 Euro für eine Tour nach Kuba. Doch PayPal, mit Verweis auf die US-Blockade, sperrte das Konto und fror die Hälfte der eingegangenen Spenden ein.
  • Die italienische Bank Intesa Sanpaolo muss drei Millionen Dollar an die USA zahlen, weil sie von 2004 bis 2008 insgesamt 53 Geldüberweisungen nach Kuba vorgenommen hatte.
  • Das Schweizer Unternehmen Weatherford International Ltd. soll 252 Millionen US-Dollar an die USA zahlen wegen „Verstößen“ gegen die US-Blockade. Es hatte Ausrüstungsgüter für die Erdöl- und Erdgasgewinnung nach Kuba geliefert.

2014:

  • Das US-Finanzministerium forderte von der französischen Großbank BNP Paribas eine Rekordstrafe von zehn Milliarden US-Dollar wegen Geschäften mit Kuba ein.
  • Im selben Jahr verhängte die US-Regierung gegen die Commerzbank wegen deren Kuba-Geschäft eine Strafe in Höhe von 650.000 US-Dollar.
  • Der deutsche Verein Netzwerk Cuba will für eine internationale Veranstaltung einen Spendenbetrag in Höhe von 4.000 Euro an ein Konto der britischen CSC (Cuba Solidarity Campaign) nach London überwiesen. Die Überweisung wird von der Postbank mit dem Hinweis verweigert, dass die einzubeziehende US-Korrespondenzbank das Geld wegen des Kubabezugs einbehalten werde.

2015:

  • Die französische Bank Crédit Agricole wird aus dem gleichen Grund zu einer Strafzahlung in Höhe von 787 Millionen US-Dollar genötigt.
  • Ebenfalls 2015 sollte die Commerzbank, bei der die Bundesregierung 15 Prozent Anteile hält, sage und schreibe 1,71 Milliarden Dollar „Strafgebühr“ zahlen.

2017:

  • Im Herbst 2017 wollte der deutsche Verein „Netzwerk Cuba“ umfangreiche Spenden nach Kuba überweisen, die zur Behebung der durch Hurrikan „Irma” verursachten massiven Schäden dienen sollten. Die Postbank lehnte dies erneut mit Verweis auf die Folgen durch das (illegale) US-Embargo ab.

2018:

  • 2018 verhängten die USA gegenüber der französischen Geschäftsbank Societé Generale eine Strafzahlung in Höhe von 1,34 Milliarden US-Dollar.

2019:

  • Die Uni Crédit Group wird von den USA zur Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar wegen des angeblichen Verstoßes gegen die anti-kubanische US-Blockade genötigt.

2022:

  • Die Westfalen AG sah sich gezwungen, einen Vertrag über die Lieferung eines sogenannten Kapnographiemonitors, eines Gerätes zur Messung des Kohlendioxidgehalts in der Ausatemluft von beatmeten Patienten, aufzukündigen. Hintergrund war die Drohung, auf die Schwarze Liste der USA gesetzt zu werden, was bedeutet hätte, dass die Westfalen AG den US-Markt für Im- und Exporte verloren hätte.
  • Ebenfalls 2022 kündigte die Bayer AG unter anderem einen Großvertrag zur Lieferung von Tierarzneimitteln nach Kuba. Hintergrund: Bayer hatte zuvor mit einem US-Konsortium fusioniert und musste in Folge die kompletten Handelsbeziehungen zu Kuba abbrechen.
  • Auch die Brüel & Kjær Vibro GmbH, ein deutsches Unternehmen, das die Technologie für Systeme zur Schwingungsüberwachung der thermischen Turbinen liefert, die vom staatlichen kubanischen Energieunternehmen „UNE“ verwendet werden, hat 2022 vor dem Hintergrund von Strafandrohungen durch das sogenannte Helms-Burton-Gesetz der USA auf eine weitere Zusammenarbeit verzichtet.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die USA bestimmen de facto darüber, ob deutsche und EU-Unternehmen und Banken Geschäfte mit einem Drittstaat wie Kuba machen dürfen. Bei Nichtachtung werden wie dargelegt teilweise horrende Strafzahlungen in Milliardenhöhe erzwungen. Ebenso erdreisten sich die USA, Transaktionen innerhalb der EU zu verhindern, nur weil im Überweisungsbetreff „Kuba“ steht.

Eigentlich wäre es Aufgabe der EU-Mitgliedsstaaten, ihre Bürger und Unternehmen vor solchen unilateralen und willkürlichen Vorgaben und damit einhergehenden Verletzungen von EU-Recht zu schützen. Dafür gibt es sogar eine sogenannte „Council Regulation“ der EU-Kommission (Nummer 2271/96) unter dem Titel „Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung der von einem Drittland erlassenen Rechtsvorschriften und der darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“. Das heißt, zumindest auf EU-Ebene liegen durchaus Instrumente gegen diese US-Willkürmaßnahmen vor. Nur ist die EU-Kommission, insbesondere unter der aktuellen Chefin Ursula von der Leyen, nicht gewillt, diese einzusetzen. Auch in Deutschland gäbe es durchaus Möglichkeiten, die USA mit ihren illegalen exterritorialen Maßnahmen in die Schranken zu weisen.

Dass die USA das Handeln von EU-Bürgern und Wirtschaftsunternehmen maßgeblich fremdbestimmen können und damit massiv EU- und Völkerrecht ohne jede Konsequenz brechen, ist schlicht und ergreifend skandalös. Es stellt sowohl Deutschland als auch der EU als Ganzes ein Armutszeugnis aus und führt die proklamierte politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit als angebliche internationale „Führungsmacht“ komplett ad absurdum. Eine selbstbewusste und ihrem Amtseid verpflichtete Bundesregierung müsste hier eigentlich aktiv werden, die Verstöße systematisch sammeln, vor ein Schiedsgericht bringen und die Betroffenen der illegalen US-Maßnahmen entsprechend unterstützen. Eigentlich …

Protokollauszug von der Bundespressekonferenz am 8. November 2023:

Frage Warweg
Seit 31 Jahren verurteilt die UN-Vollversammlung regelmäßig das völkerrechtswidrige US-Embargo gegen Kuba. Auch vergangene Woche stimmten 187 Staaten, darunter auch Deutschland, gegen die US-Blockade und forderten deren sofortige Aufhebung. Lediglich die USA und Israel stimmten dagegen.

Vor diesem Hintergrund meine Frage: Was tut die Bundesregierung ganz konkret, um diesem Votum vom 3. November Nachhall zu verschaffen? Gibt es konkrete Maßnahmen, um den regelmäßigen Bruch des Völkerrechts durch den Wertepartner in Washington zu stoppen?

Stellvertretende Regierungssprecherin Hoffmann
Die Bundesregierung hat sich in der Abstimmung so verhalten, wie sie sich verhalten hat. Das ist die Ansicht der Bundesregierung. Mehr ist dazu im Moment nicht zu sagen.

Zusatzfrage Warweg
Deutsche Unternehmen, Banken, Vereine, NGO und Privatpersonen sind regelmäßig Opfer von US-Stellen, die sie zur Zahlung wirklich horrender Strafsummen auffordern, weil sie angeblich dem völkerrechtswidrigen US-Embargo widersprochen bzw. es übergangen hätten.

Meine Frage geht insbesondere an das BMWK. Welche Hilfsmaßnahmen der deutschen Bundesregierung gibt es, um insbesondere den betroffenen Banken und Unternehmen zu helfen, auch eingedenk des Amtseids?

Dr. Säverin (BMWK)
Ich muss ehrlich sagen, dass ich die Fälle nicht kenne, von denen sie sprechen. Von den, wie Sie sagen, horrenden Strafsummen ist mir nichts bekannt, sodass es mir schwerfällt, jetzt etwas dazu zu sagen. Vielleicht können Sie, wenn das geht, die Quelle offenlegen, in der diese Information enthalten ist. Dann können wir uns darum bemühen, etwas nachzureichen.

Zusatz Warweg
Das ist eigentlich Allgemeingut. Ich glaube, fast jedes deutsche Wirtschaftsunternehmen, das einmal Kontakt mit Kuba hatte, könnte Ihnen Fälle nennen, ebenso Vereine, NGO und Privatpersonen. Schon ein kleiner Ein-Mann-Rumvertrieb hat ein Problem, wenn die US-Finanzbehörde auf ihn aufmerksam wird. In dem Sinne fände ich es gut, wenn Sie mir dazu etwas nachliefern könnten.

Dr. Säverin (BMWK)
Voraussetzung wäre, dass Sie mir vielleicht ein paar konkrete Fälle nennen. Dann will ich dem gern nachgehen.

Zusatz Warweg
Dann liefere ich die konkreten Fälle gern nach.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 08. November 2023