Wir weigern uns, an der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mitzuwirken – Friedenspreis für Eugen Drewermann

Wir weigern uns, an der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mitzuwirken – Friedenspreis für Eugen Drewermann

Wir weigern uns, an der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mitzuwirken – Friedenspreis für Eugen Drewermann

Ein Artikel von Bernhard Trautvetter

Der Erfolg der Meinungsmache im Sinne der Militärs wird unter anderem daran sichtbar, dass die Zustimmungsrate zur Erhöhung des Militäretats und der Stärke der Bundeswehr seit 2012 in Umfragen von circa 18 bis 19 Prozent auf mehr als das Dreifache 2022 angestiegen ist. Boris Pistorius ist der beliebteste Politiker in Deutschland, und dies, nachdem er einen „Mentalitätswechsel“ hin zur von ihm so genannten „Kriegstauglichkeit“ dieses Landes einforderte, zu dem er sagt: „Ein solcher Bewusstseinswandel brauche Zeit, sei aber schon im Gange“. Dem stehen vergangene Aussagen von Politikern der Entspannungspolitik wie Ex-Bundespräsident Heinemann und Ex-Kanzler Brandt gegenüber: Heinemann sprach davon, dass der Frieden der Ernstfall sei, in dem wir uns alle zu bewähren haben. Von Bernhard Trautvetter.

Ein anderer, einst in diesem Land viel beachteter Vertreter des Friedens ist Eugen Drewermann. Er erhielt Mitte dieses Monats den Habenhauser Friedenspreis am 15. November in Bremen.

Dieser Preis bezieht sich auf einen Friedensschluss, der über 350 Jahre zurückliegt, als „die damalige Großmacht Schweden, eine der Siegermächte des 30-jährigen Krieges, und die Freie Reichsstadt Bremen einen Vergleich schlossen, der als Friede von Habenhausen oder Habenhauser Friede eine erhebliche Bedeutung für die damalige weitere Entwicklung gewann. Heute wird der ‚renommierte Kirchenkritiker‘ in den Medien eher als Unterstützer des kriegführenden Russland und als Verschwörungstheoretiker diskreditiert.

Dabei wird seine Argumentation über den Kontext von Kriegen, der hinter den augenscheinlichen Eruptionen tiefer liegenden Wurzeln der Gewalt liegt, ausgeblendet.

In seiner Osnabrücker Rede zum 380 Jahre zurückliegenden »Westfälischen Frieden« erklärte Drewermann: „Erst wenn Konfliktparteien einander zuhörten, könnten sie die jeweiligen Beweggründe der Aggression verstehen. Gewalt – ob persönlich oder zwischenstaatlich – sei ‚Symptom eines ungelösten inneren Konflikts, über den man nicht sprechen kann‘.“ Die NATO hatte im Vorfeld der Invasion Russlands in die Ukraine russische Forderungen nach Sicherheitsgarantien im Zusammenhang mit der NATO-Ostexpansion gefordert, die Texten der europäischen Friedensarchitektur wie dem Zwei-plus-vier-Vertrag und der Sicherheitscharta von 1999 entsprachen, die die NATO abgelehnt hatte. Sie hatte darüber mit Russland das Gespräch verweigert. So kam es dazu, dass etwa der sozialdemokratische Spitzenpolitiker Klaus von Dohnanyi erklärte, dass Russland für die Eröffnung der Gewalthandlungen verantwortlich sei und die NATO für den Großteil der Spannungseskalation im Vorfeld.

Am 20. November dieses Jahres berichtete der Weser-Kurier in einem Bericht über die Preisverleihung ziemlich objektiv über Eugen Drewermanns Haltung zur Frage von Krieg und Frieden: Dabei spannt er den Bogen weit vom Ersten und Zweiten Weltkrieg bis zum aktuellen Kriegsgeschehen: „(…) Man kann das Böse nicht bekämpfen, wenn man mit denselben Mitteln antwortet.“ Er spricht von den Bombennächten in Hamburg von 1943 mit Blick auf die Ukraine von heute und fragt: „Wann soll Schluss sein? Begreifen Sie, dass wir uns selbst verlieren?“ Es müsse vielmehr Schluss sein, wenn festgestellt werde, dass man das Böse nicht bekämpfen könne. „Ist es nicht vernünftiger, miteinander zu reden?“, fragt er. „Das Böse überwinden mit Güte? Kann man damit Politik machen?“ Man müsse es sogar machen, denn: „Wie lange wollen wir weitermachen mit dem Massenmord?“ Alles, was dem Bürger verboten werde, sei das Gebot auf dem Kasernenhof. „Und die Wahrheit ist: Man kann das Böse nur verstehen, wenn man den Gründen nachgeht.“

Für Eugen Drewermann steht fest: „Der wichtigste Kriegsgrund ist das Geld. Ein ganzes Wirtschaftssystem basiert auf Konkurrenz und Wachstum.“ Doch für ihn sei Geld kein Besitz, sondern ein Geschenk, „dazu bestimmt, es weiterzugeben an die, die es brauchen.“ Und: „Wir brauchen für den Fortschritt ein Nein auf dem Kasernenhof. (…)“

Ekkehard Lentz erinnerte für das Bremer Friedensforum in seiner Laudatio für Eugen Drewermann anlässlich der Preisverleihung:

„Lohnt der Friede, auch wenn er in dieser Welt scheinbar ‚utopisch‘ ist, weil er keinen Ort auf Erden im Verwaltungsgebiet der Machthaber haben soll, ein derartiges Opfer? Ist er das wert: das eigene Leben? Die Frage ist falsch gestellt. Sie lautet eigentlich: Kannst du, willst du wirklich mit dem Krieg weiterleben? Kein Staat der Erde hat das Recht, die Worte außer Kraft zu setzen, die Gott uns in das Herz geschrieben hat und die ganz einfach und kategorisch sagen: Du sollst nicht töten. „Wir weigern uns, mit unseren Herrschern zusammenzuarbeiten, wenn sie unsere Lebensinteressen gefährden. Das ist passiver Widerstand.“ (Gandhi)“

In seiner schon erwähnten Rede zum Westfälischen Frieden erklärte Eugen Drewermann, dass wir uns versöhnen, indem wir in uns selbst die Gründe entdecken, die andere im Konflikt zu ihrem Verhalten gebracht haben. Er wandte sich im Zusammenhang mit dem Krieg in Osteuropa dagegen, Russland aus der Gemeinschaft der Völker Europas auszugrenzen, und verwies auf kulturelle Beiträge zum Erbe der Zivilisation Europas wie die von Dostojewski und Mussorgski. Er berichtete Dostojewskis Rat, ehe jemand zu Gericht über seine Brüder geht, sich selbst zu fragen, ob derjenige vielleicht ein anderer wäre, wenn wir selbst ein anderer Mensch wären. Er endete mit einem Ausschnitt aus Ingeborg Bachmanns Gedicht „Alle Tage“:

(…die Auszeichnung der armselige Stern der Hoffnung über dem Herzen. …)

Er wird verliehen
für die Flucht vor den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.