Ungarischer Militärexperte: Kiew ist stellvertretender Vollstrecker Washingtons

Ungarischer Militärexperte: Kiew ist stellvertretender Vollstrecker Washingtons

Ungarischer Militärexperte: Kiew ist stellvertretender Vollstrecker Washingtons

Ein Artikel von Éva Péli

Für den ungarischen Oberst István Resperger besteht die Chance auf Frieden in der Ukraine dann, wenn sie bankrottgeht. In einem Interview mit den NachDenkSeiten analysiert der Militärexperte die aktuelle Phase des russisch-ukrainischen-Konflikts, die Bedeutung der Waffenlieferungen für den Verlauf des Krieges und Ungarns Sonderposition zu dem Krieg und seine Sicherheitspolitik aus militärischer Sicht. Resperger ist Professor und Leiter des Szent-István-Sicherheitsforschungszentrums an der Ungarischen Universität für Agrar- und Biowissenschaften in Gödöllő. Das schriftliche Interview mit István Resperger führte Éva Péli.

Viele halten die NATO-Osterweiterung für die Ursache des Konflikts zwischen Russland und den Vereinigten Staaten beziehungsweise der NATO. Wie sehen Sie das?

Nach meiner Einschätzung stimmt es einerseits, dass sich der geopolitische Vorstoß der NATO nach Osten negativ auf die Sicherheitslage Russlands ausgewirkt hat. Mit dem Beitritt der Ukraine wäre Moskau etwa 400 bis 500 Kilometer von den Raketen in der Ukraine entfernt. Andererseits würde die sogenannte Pufferzone verschwinden, die die Russen zwischen der NATO und sich selbst aufrechterhalten wollten – wie Belarus und die Ukraine. Aus Russlands Sicht ist es wichtig, dass kein unmittelbares Nachbarland zu der Nordatlantischen Allianz gehört, und andererseits, dass die größeren NATO-Länder in diesen Gebieten keine strategischen Angriffsfähigkeiten haben, keine Raketen, Kampfflugzeuge und Flugabwehrraketensysteme stationieren können.

Die Situation wurde dadurch verschärft, dass die Sicherheitsbedenken Russlands selbst im Zusammenhang mit Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 beiseitegeschoben wurden. Niemand hat diese Bedenken als real angesehen.

Hinzu kommt, dass der NATO-Russland-Rat und der NATO-Ukraine-Rat es versäumt haben, die Lage besser zu analysieren und zu bewerten und nach entsprechenden Schlussfolgerungen eine politische Vereinbarung und eine Zusammenarbeit zur Förderung der Sicherheitsinteressen Russlands und der NATO zu erreichen.

Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemaliger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, ist der Ansicht, der Krieg hätte vermieden oder zumindest nach sechs Wochen beendet werden können. Warum wurde der Friedensvertrag Ihrer Meinung nach Anfang April 2022 nicht unterzeichnet?

General Kujat war Dozent auf dem deutschen Generalstabskurs, den ich in den Jahren 2002 bis 2004 besucht habe. Ich stimme dem General zu, dass der Krieg früher hätte beendet werden können. Auch der Leiter der ukrainischen Verhandlungsdelegation sagte, dass es möglich gewesen wäre, den bewaffneten Konflikt im März/April 2022 zu beenden, wenn die Ukraine den neutralen Status gewählt hätte. Die USA benutzen Kiew als stellvertretende Kriegspartei, um die geopolitischen Ambitionen Russlands, die russische Wirtschaft und das russische Militär in eine äußerst verwundbare Lage zu bringen. Daher sind die Vereinigten Staaten für die Fortsetzung des Krieges eindeutig verantwortlich.

In Ihrem Vortrag „Im Osten nichts Neues“ sprechen Sie von einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Sie verwenden eine Formulierung, die in den deutschen Medien selten zu hören ist: „Die Ukraine führt einen normalen Krieg gegen Russland.“ Bitte erklären Sie, was Sie damit meinen.

Ein Stellvertreterkrieg bedeutet, eine Organisation, eine terroristische Gruppe, eine bewaffnete Guerillagruppe, ein Land zu benutzen, um den eigenen nationalen Willen durchzusetzen. Die USA benutzen die Ukraine als Stellvertreter gegen die russischen Streitkräfte, um eine Konfrontation mit Russland selbst zu vermeiden. Die Ukraine hingegen ist eindeutig ein stellvertretender Vollstrecker der Vereinigten Staaten durch Land-, Luft-, See- und Cyber-Operationen, das heißt, sie führt den Krieg auf normale Weise gegen die Russische Föderation.

Warum nimmt Ungarn im Vergleich zu vielen Ländern eine andere Position in Bezug auf die militärische „Hilfe“ für die Ukraine ein? Steht Ungarn damit allein da, und was sind die Folgen für das Land?

Unser Land hat den ungerechten, unerwarteten, brutalen und unverhältnismäßigen Angriff Russlands auf die unabhängige Ukraine seit dem ersten Tag des Krieges konsequent verurteilt. Die nationalen Interessen Ungarns verlangen jedoch, dass dem Krieg im Nachbarland mit erhöhter Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme auf die ungarische Minderheit in der Ukraine begegnet wird.

Ungarn hält seit Beginn des Krieges an seiner Verpflichtung fest, keine tödlichen Waffen an die Ukraine zu liefern und nicht zuzulassen, dass diese auf sein Territorium gebracht werden. Ungarn ist der Ansicht, dass der Konflikt auf diplomatischem Wege beigelegt und der Frieden in dieser Region aufrechterhalten werden sollte.

Grundsätzlich liefert Ungarn keine Waffen in Krisengebiete, da dies nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Es gibt aber noch einen Grund, warum wir die Waffenlieferungen nicht unterstützen. Der Transport durch von der ungarischen Minderheit besiedelten Gebiete könnte angegriffen werden und die Bevölkerung ebenfalls Verluste erleiden. Unsere ungarische Minderheit hat in der Ukraine in der 128. Gebirgsjägerbrigade viele Männer verloren.

Der Position von Budapest haben sich bereits mehrere Länder angeschlossen, wenn auch nicht sofort. Die Tschechische Republik und die Slowakei haben ebenfalls die Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt. Allerdings hat Ungarn sämtlichen EU-Sanktionen zugestimmt.

Was bedeuten aus militärischer Sicht die Waffenlieferungen an die Ukraine? Hätte es für den Westen eine andere Möglichkeit gegeben, die Ukraine zu unterstützen? Was hätte dies für den Verlauf des Krieges bedeutet?

Bezüglich der Waffenlieferungen kann man sagen, dass die Ukraine in den ersten zwei Wochen eine militärische Niederlage erlitten hätte, wenn sie nicht die volle geheimdienstliche Unterstützung der USA für den Krieg erhalten hätte.

Was die Waffen betrifft, so bin ich der Meinung, dass einerseits alte Ausrüstung aus sowjetischer Produktion an die Ukraine geliefert wurde, andererseits wurde nur ein kleiner Prozentsatz von acht bis zwölf Prozent der modernen westlichen Ausrüstung an die Ukraine geliefert. Was die Flugabwehrraketen betrifft, so konnte die Fähigkeit, kritische Infrastrukturen zu verteidigen, Truppen zu schützen und die Hauptstadt zu verteidigen, nur mit den modernen westlichen Abwehrraketensystemen gewährleistet werden.

Am Anfang war es nur möglich, die alte russische Ausrüstung zu liefern, um damit kämpfen zu können, oder die russische Ausrüstung mit der entsprechenden Munition der Flugabwehrraketensysteme vom Typ Haubitze auszurüsten.

Außerdem war die Ausbildungszeit war kurz. Die Soldaten konnten die Kampfeinsatzverfahren nicht vollständig erlernen. Der Einsatz westlicher Waffen erforderte eine Ausbildung in Westeuropa, wo die Panzersoldaten in der Regel fünf bis acht Wochen lang geschult wurden – in den USA dauert die Ausbildung in der Regel fast ein halbes Jahr (25 Wochen). Das Training für Flugabwehrraketensysteme dauerten zwei bis drei Monate, während in den USA am PATRIOT-System von einem halben Jahr bis elf Monate geübt wird. Die Ukrainer haben die Waffen auch deswegen nicht früher erhalten, damit die moderne Ausrüstung nicht zu früh in russische Hände fiel.

Auch im Bereich der Logistik gibt es zahlreiche Mängel. Siehe die Panzerhaubitze 2000, die in den ersten Tagen zerstört wurde, weil zu viele Geschosse abgefeuert wurden und ihre Software versagte.

Das nächste Problem mit der abgegebenen Ausrüstung ist, dass die westlichen Länder keine Simulationssysteme für die Ausbildung zur Verfügung gestellt haben – damit die Soldaten die Techniken und Methoden an diesen Geräten noch schneller und präziser erlernen können. Dies ist heute bei Panzern, Artillerie, gepanzerten Mannschaftstransportern und Flugabwehrgeräten undenkbar.

In Deutschland wird der Ukraine-Krieg häufig in Verbindung mit dem Adjektiv brutal verwendet: „Russland führt einen brutalen Krieg gegen die Ukraine.“ Ist dieser Krieg unmenschlicher und brutaler als andere Kriege?

Wir befinden uns jetzt in der Phase 5 des Krieges, im sogenannten Zermürbungskrieg. Der dauert schon sehr lange an, und die Frontlinien haben sich kaum bewegt. Die ukrainische Gegenoffensive ist ins Stocken geraten, die Hauptrolle spielen die Artillerie- und Luftangriffe sowie die Raketenangriffe der russischen Seite. Kiew versucht, ihre Langstreckenraketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern aus dem Westen und ihre Raketen der HIMARS-Serie (Anm. der Red.: ein leichtes Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem auf Lastwagenfahrgestell des Herstellers Lockheed Martin) mit einer Reichweite von 80 Kilometern einzusetzen.

Das Wort brutal bezieht sich eindeutig auf die Zahl der Opfer und die Qualität der Verluste. Dieser Krieg fordert oft 600 bis 1.000 Tote pro Tag, nimmt damit nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg sowie dem Vietnamkrieg den vierten Platz bei den täglichen Verlusten ein. Das zeigt die Unmenschlichkeit und Brutalität dieses Krieges.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wollte „Russland ruinieren“. Heute ist Russlands Armee viel stärker als vor 2022. Auch seine Wirtschaft ist trotz der Sanktionen stärker geworden. Gab es eine realistische Grundlage für diese Aussage Baerbocks?

Nach den Erfahrungen der Weltgeschichte erreichten Sanktionen wie die gegen den Iran, den Irak oder Nordkorea ihre Ziele nicht. Das sanktionierte Land hat in der Regel durch ein drittes Land die Instrumente erhalten, die es zum Überleben in dem Konflikt braucht, um seine militärischen Ziele zu erreichen.

Russland haben die Sanktionen wirtschaftlich keineswegs ruiniert. Seine Erdöl- und Erdgasexporte, die aus Europa verdrängt wurden – Letztere sind im letzten Jahr um 84 Prozent zurückgegangen –, konnten auf neue Märkte in Indien, China, Pakistan beziehungsweise in andere Länder über Indien und andere Wege exportiert werden. Es war nicht realistisch, dass Russland vernichtet werden könnte. Es produziert immer noch 100 Panzer, 60 bis 100 Raketen pro Monat und setzt monatlich 150 bis 200 Artilleriegeschütze an der Frontlinie ein. Es zeigt, dass Russlands Wirtschaft die Sanktionen während des Krieges überstanden und seine eigene Rüstungsindustrie angekurbelt hat.

Ende August sagten Sie in einem Fernsehinterview in Ungarn, dass „dieser Krieg für alle verloren ist. Laut Experten wird es ab September einen Waffenstillstand geben.“ Dies ist nicht eingetreten. Wie sehen Sie die Situation jetzt?

Basierend auf bisherigen Erfahrungen im Krieg, auf den operativen Fähigkeiten der Kriegsparteien, ihren Mobilisierungsfähigkeiten, schätzte ich als Experte Ende September als das Datum ein, an dem die Parteien angesichts des Wetters, des Personals und der zur Verfügung gestellten technischen Ausrüstung nicht in der Lage sein werden, eine größere Offensive durchzuführen. Ich könnte dies auch damit begründen, dass die Ukraine bis zum Ende der großen Gegenoffensive 290 Quadratkilometer an Territorium gewonnen hat, während Russland mit seinen verschiedenen kleineren Gegenoffensiven 350 Quadratkilometer an neuem Territorium gewonnen hat. Russland hat nun 17,84 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt (98 Prozent der Oblast Luhansk, 72 Prozent der Oblast Donezk, 73 Prozent der Oblast Saporischschja und 76 Prozent der Oblast Cherson).

Da die ukrainische Gegenoffensive ins Stocken geraten ist, sehe ich keine realistische Möglichkeit, dass die Ukraine mit neuen Kräften die 20 bis 40 Kilometer tiefen russischen Verteidigungslinien durchbrechen kann. Die Ukraine ist zwar in der Lage, kleinere Brückenköpfe in vom Russland besetzten Gebiet zu errichten, aber die zehn bis zwölf im Westen für die Offensive ausgebildeten Brigaden hat sie bereits aufgebraucht. Sie hat keine zusätzlichen Kräfte, um den Gegenangriff zu beleben oder die Verteidigungsanlagen zu durchbrechen.

In den letzten Wochen haben Sie gesagt: „Jetzt drückt Amerika ein Auge zu, wenn russisches Gebiet angegriffen wird.“ Nach Ansicht von General a.D. Kujat ist dies der Punkt, an dem die Situation wieder eskalieren könnte und die westlichen Kriegsparteien sowie die Ukraine sich zurückhalten sollten. Deutschland will jedoch die Hilfe für die Ukraine 2024 verdoppeln. Wie beurteilen Sie das?

Offensichtlich wird die Ukraine mit den Waffen angreifen, die ihr zur Verfügung stehen. Sie greift laufend die Halbinsel Krim, die Brücke von Kertsch und die Gebiete um Belgorod-Kursk auf russischem Territorium an, versucht, militärische Ziele in der Tiefe zu zerstören und hat mehrfach zivile Infrastrukturen getroffen und die Zivilbevölkerung gefährdet. Das Recht, dies in einem Krieg zu tun, hat sie, da Russland mit seinen neuen Raketensystemen das gesamte Gebiet der Ukraine angreift. Zuvor hatten die USA nur Angriffe auf ukrainischem Gebiet erlaubt. Die Ukraine kann mit dem HIMARS-System russische Kommandoposten und logistische Zentren in einer Reichweite von 80 Kilometern, mit STORMSHADOW-Raketen bis zu 150 und mit den ATACMS-Systemen Ziele in bis zu 300 Kilometern Entfernung zerstören.

Doch: Da nicht viele dieser Geräte zur Verfügung stehen, wird dies den Kriegsverlauf nicht verändern, denn 20 Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern auf einer Frontlinie von 1.000 Kilometern können den Kriegsverlauf nicht entscheidend verändern. Daneben hat die Ukraine vor allem Selbstmorddrohnen – Unterwasser- und Überwasserdrohnen – erhalten, um auf russischer Seite entlang ihrer fast 900 Kilometer langen Küstenlinie im Asowschen Meer vor der Halbinsel Krim, Marinestützpunkte und Marineschiffe anzugreifen.

Ich denke, dass aus Deutschland eher Panzer des älteren Typs Leopard 1 A5 an die Ukraine geschickt werden. Eine größere Hilfe, wie das PATRIOT-System, ist eher unwahrscheinlich.

General a.D. Kujat hat den Eindruck, dass dies die letzte Phase ist, „bevor die Ukraine westliche Truppen und westliche Waffensysteme anfordert“. Teilen Sie diese Ansicht?

Meines Erachtens kann die Ukraine mit der Menge an Waffen, die sie erhielt, den Krieg nicht auf eine höhere Eskalationsstufe bringen, auch nicht mit den zukünftigen F-16-Kampfflugzeugen. Aus meiner Sicht würden weder die NATO noch ein NATO-Land der Ukraine eigene Truppen zur Verfügung stellen: Dazu wäre ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates erforderlich, der aber wegen des russischen Vetos nicht gefasst werden kann.

Was sind die Kosten eines Krieges? Können Sie einige Beispiele nennen? Und wer bezahlt sie?

Die Kosten des Krieges werden auf 300 bis 350 Millionen US-Dollar pro Tag geschätzt. Eine Javelin-Panzerabwehrrakete kostet 70 Millionen Forint (ca. 183.000 Euro), ein Stück Munition für den HIMARS-Raketenwerfer 60 Millionen Forint (ca. 157.000 Euro). Diese Preise zeigen, dass eine ganze Menge Geld ausgegeben werden muss. Die Versorgung von fast 350.000 Soldaten auf beiden Seiten mit Lebensmitteln, Trinkwasser, medizinischer Versorgung, Treibstoff und logistischen Hilfsgütern für einen Tag ist für beide Seiten eine Belastung. Bislang hat die Ukraine 347 Milliarden US-Dollar an Hilfe erhalten. Davon entfielen 94,7 Milliarden auf militärische Hilfe. 60 Prozent der Militärhilfe wurde von den USA bereitgestellt. Ich glaube, dass es auf Dauer nicht tragbar ist, dies beizubehalten, wenn sich die USA auf Taiwan und den Gazastreifen konzentrieren.

Sicherheit bedeutet mehr als militärische Verteidigung. Angesichts des massiven Anstiegs der Rüstungsproduktion scheint Sicherheit heute jedoch fast ausschließlich unter militärischen Gesichtspunkten betrachtet zu werden. Was ist der Grund für die Konzentration auf das Militär und die Rüstungsindustrie? Was bedeutet Ihrer Meinung nach Sicherheit?

Unter Sicherheit verstehe ich auch, dass wir in allen Dimensionen – politisch, wirtschaftlich, finanziell, cyber, militärisch – eine ausgewogene Rolle anstreben müssen, die es uns ermöglicht, den Interessen der Bevölkerung des Landes zu dienen. Dies erfordert eine militärische Kraft, die Ungarn ebenfalls aufzubauen beginnt, eine professionelle, junge militärische Kraft. Wir haben bereits 2016 begonnen, militärische Ausrüstung zu beschaffen, hauptsächlich aus Deutschland – wie den Leopard 2 A7 HU-Panzer, den Lynx-Schützenpanzer, die Panzerhaubitze 200, den Airbus Helikopter H-145M und H-245. Darüber hinaus ist Ungarn auch an der Produktion dieser Ausrüstungen interessiert. Rheinmetall hat im August 2023 seine neue Schützenpanzer-Fabrik in Zalaegerszeg eröffnet. In der hochmodernen Produktionsstätte wird zukünftig der Schützenpanzer Lynx hergestellt, einer der modernsten Schützenpanzer der Welt. Wir haben in Ungarn erreicht, dass wir zwei Prozent des BIP für die Streitkräfte und davon 30 Prozent für die Beschaffung ausgeben können. Wenn diese konsequent umgesetzt werden, kann die ungarische Armee einen Teil der militärischen Sicherheit gewährleisten, und in den anderen Bereichen muss der Staat dafür sorgen, dass alle Einwohner Ungarns in Sicherheit leben können.

Militärtechnische Anlagen in Ungarn – Quelle: Fáy (2021): i. m. 26.

Wie schätzen Sie die Chancen für einen Frieden ein, der nach vorliegenden Informationen bereits sechs Wochen nach dem Einmarsch der Russen möglich war?

Die Chancen für einen Frieden sind derzeit eher gering. Mittelfristig wäre ein Waffenstillstand ab März/April 2024 vorstellbar. Dem würden lange Verhandlungen folgen, während der Konflikt mit geringer Intensität, aber sehr starken Artillerieeinschlägen auf beiden Seiten weitergeht. Die Chance auf Frieden besteht dann, wenn die Ukraine bankrottgeht und niemand mehr die ukrainischen Militär- und Staatsausgaben finanziert. Auf russischer Seite, wenn sich die Lage an der Front deutlich ändert, aber das ist derzeit nicht absehbar.

Prof. Dr. István Resperger ist seit 2023 Professor und Leiter des Szent-István-Sicherheitsforschungszentrums der Ungarischen Universität für Agrar- und Biowissenschaften in Gödöllő.

Oberst Resperger hat eine militärische Laufbahn vom Panzerkommandanten bis hin zum Bataillonskommandeur. Von 2002 bis 2004 absolvierte er an der Hamburger Führungsakademie den Generalstabslehrgang, wo unter anderen General a. D. Harald Kujat Dozent war. In zahlreichen Vorträgen äußert er sich zu Fragen über die regionale und globale Sicherheitspolitik.

Die Grafiken sind von Prof. Dr. István Resperger.

Titelbild: Quelle – Prof. Dr. István Resperger