Guter Cop, böser Cop – die Aufregung über Trumps NATO-Äußerungen und die US-Ukraine-Gelder ist geheuchelt

Guter Cop, böser Cop – die Aufregung über Trumps NATO-Äußerungen und die US-Ukraine-Gelder ist geheuchelt

Guter Cop, böser Cop – die Aufregung über Trumps NATO-Äußerungen und die US-Ukraine-Gelder ist geheuchelt

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Deutschlands Meinungsmacher sind mal wieder in heller Aufregung. Es sei unklar, ob die USA die Ukraine weiter unterstützen. Angeblich habe dann auch noch Donald Trump auf einer Wahlkampfrede die Beistandspflicht der USA innerhalb der NATO in Frage gestellt. Man sollte Trumps Äußerungen jedoch eher unter „Wahlkampfrhetorik“ verbuchen. Neu sind sie im Kern nämlich nicht. Paradoxerweise liegen sie in ihrer Konsequenz auch vollkommen auf der Linie der deutschen Falken – die USA sollen ihre militärischen Aktivitäten auf den ostasiatischen Raum konzentrieren, der Stellvertreterkrieg gegen Russland soll Sache der Europäer werden. Letztlich will Trump vor allem Deutschland materiell und finanziell in die Verantwortung nehmen. Das wollen die deutschen Falken und Meinungsmacher auch. Warum also die ganze Aufregung? Von Jens Berger.

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Es wird ja immer behauptet, die USA seien der größte Unterstützer der Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland. Das ist falsch. Mit 133,2 Milliarden Euro haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten der Ukraine fast doppelt so viel Geld überwiesen wie die USA, die auf 71,4 Milliarden Euro kommen.

Quelle: Ukraine Support Tracker, ifW Kiel

Auch wenn zurzeit vor allem in Deutschland lebhaft darüber diskutiert wird, ob „Trumps Republikaner“ das nächste Finanzierungspaket der USA im Repräsentantenhaus platzen lassen, ist dies bei unaufgeregter Betrachtung eher unwahrscheinlich. Präsident Biden mag stellenweise senil wirken, dumm ist er aber nicht. Er hat das 60-Milliarden-US-Dollar-Paket für die Ukraine, von dem allein 20 Milliarden US-Dollar gar nicht für die Ukraine bestimmt sind, sondern das US-Arsenal um die bereits an die Ukraine gelieferten Waffen wieder aufstocken sollen, in ein buntes Paket mit anderen imperialen Budgetpositionen geschnürt und dem Senat und dem Repräsentantenhaus nun zur Abstimmung vorgelegt. In Summe umfasst das Paket nun 95,3 Milliarden US-Dollar und beinhaltet auch 14,1 Milliarden US-Dollar für Israel, 2,4 Milliarden US-Dollar für den jüngsten US-Krieg gegen die jemenitischen Huthi und weitere zwei Milliarden US-Dollar für Waffenlieferungen an Taiwan. Das ist nicht ungeschickt. Auch wenn der „Trump-Flügel“ der Republikaner die Kosten des Ukraine-Kriegs liebend gerne den Europäern überlassen würde, so gehört dieser Flügel doch auch zu den fanatischen Unterstützern Israels und Taiwans.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass gerade der „Trump-Flügel“ Waffenlieferungen an Israel und Taiwan aus wahltaktischen Gründen blockiert. Im Senat wurde das Paket mit 70 zu 29 Stimmen mit sehr breiter Mehrheit angenommen. 22 republikanische Senatoren stimmten dafür, drei Demokraten dagegen, weil sie Israels Krieg in Gaza kritisieren. Im Repräsentantenhaus dürfte die Mehrheit zwar knapper sein – dass sie kommt, ist jedoch höchst wahrscheinlich. Das Paket sichert die Finanzierung bis zum 30. September 2025, also weit bis in die nächste Präsidentschaft hinein.

Und selbst wenn man rein hypothetisch ein Scheitern des Finanzierungspakets einmal in Betracht zieht – glaubt irgendwer ernsthaft, dass die EU und ihre Mitglieder bis in den Herbst 2025 keine zusätzlichen 40 Milliarden US-Dollar aufbringen würden, um die Lücke zu schließen? Die „Zeitenwende“ in den Gehirnen von Regierung und Leitartiklern scheint schon zu weit fortgeschritten zu sein, als dass man sich durch eine sinkende finanzielle Beteiligung der USA von seinen Kriegsphantasien verabschieden würde.

Das gilt unisono auch für die größere militärische Konfrontation mit Russland. Wer hierzulande den Eindruck erweckt, eine Präsidentschaft Trumps könnte die fortschreitenden militärischen Planungen im neuen Ost-West-Konflikt nachhaltig stören, der lügt. Trump sagt im Wahlkampf das, was er auch während seiner Präsidentschaft schon gesagt hat. Die USA wollen ihre Mittel auf den kommenden „Großkonflikt“ mit China auf den pazifischen Raum konzentrieren, und das „Schlachtfeld Europa“ soll vor allem Sache der europäischen Partner – oder nennen wir sie lieber Vasallen – werden. Dafür sollen die Europäer ihre Militärausgaben massiv erhöhen und militärische Strukturen aufbauen, die auch ohne US-Beteiligung zu einem neuen Rüstungswettlauf in Europa führen und Russland als Großmacht neutralisieren; alles verbunden mit der sehr realen Gefahr, dass aus dem Säbelrasseln im neuen kalten Krieg auch ein heißer Krieg werden kann.

Entspricht dies nicht eins zu eins den Forderungen der deutschen und vor allem osteuropäischen Falken? Forderte nicht erst gestern der CDU-Falke Roderich Kiesewetter eine Aufstockung des Bundeswehr-Sondervermögens von 100 auf 300 Milliarden Euro? Wollen die Ampelparteien nicht, dass Deutschland „kriegstüchtig“ wird? Und worin genau unterscheiden sich diese Forderungen eigentlich von den Forderungen Trumps? Auch er will, dass Länder wie Deutschland ihren Militäretat massiv aufstocken und kriegstüchtig werden.

Im Endeffekt laufen die außen- und militärpolitischen Doktrinen von Biden und Trump auf das Gleiche hinaus, und beide sind letztlich voll und ganz kompatibel mit den Aufrüstungsplänen der deutschen Falken. Die ganze Aufregung wirkt daher gespielt und erinnert eher an das Prinzip „Guter Cop, böser Cop“. Wenn wir diesen Wahnsinn stoppen wollen, sollten wir nicht nur nach Washington schauen, sondern auch und vielleicht vor allem nach Berlin und Brüssel.

Titelbild: Rubanitor/shutterstock.com

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