Stimmen aus der Ukraine: Wie meine Heimat wegen des neuen Mobilisierungsgesetzes zum Ghetto wird

Stimmen aus der Ukraine: Wie meine Heimat wegen des neuen Mobilisierungsgesetzes zum Ghetto wird

Stimmen aus der Ukraine: Wie meine Heimat wegen des neuen Mobilisierungsgesetzes zum Ghetto wird

Ein Artikel von Maxim Goldarb

Das wichtigste Ereignis der letzten Zeit, sowohl für Millionen ukrainischer Bürger in der Ukraine als auch für Millionen ukrainischer Flüchtlinge in anderen Ländern, ist die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die Mobilisierung. Jeder kompetente Jurist wird Ihnen, werte NachDenkSeiten-Leser, erklären, dass ihm in der juristischen Ausbildung immer beigebracht wurde, das Gesetz in seiner Tiefe zu betrachten: die Logik des Gesetzgebers zu verstehen und dessen Ziele bei der Schaffung des Gesetzes. Die von den Behörden offiziell erklärten Ziele, „die Registrierung der wehrpflichtigen Ukrainer in Ordnung zu bringen, die Lücken in der Gesetzgebung zur militärischen Registrierung zu schließen und mit den verfügbaren Humanressourcen umzugehen“, erscheinen bei der Zielanalyse jedoch zweitrangig. Das Hauptziel ist die Maximierung der zynischen Formel: Tausche das Leben von Abertausenden Ukrainern gegen Geld und Waffen aus dem Westen. Von Maxim Goldarb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Das ukrainische Volk verrichtet die Art von Drecksarbeit, die wir hier in den Vereinigten Staaten niemals tun wollen würden.“
– Mark Esper, ehemaliger US-Verteidigungsminister

Es ist kaum ein Zufall, dass fast unmittelbar nach der Unterzeichnung des Mobilisierungsgesetzes durch Wolodymyr Selenskyj die US-Behörden die seit einem Jahr ungeklärte Frage der Militärfinanzierung für die Ukraine in Höhe von 61 Milliarden US-Dollar sehr schnell lösten.

Aber kommen wir zum Kern der Sache. Das neue „Mobilisierungsgesetz“, das am 18. Mai dieses Jahres in Kraft tritt, verschärft die Regeln für die Zwangsmobilisierung drastisch. Das Gesetz führt eine strengere Registrierung der wehrpflichtigen Personen ein und verpflichtet fast jeden Mann zwischen 18 und 60 Jahren – egal, wo er sich aufhält und wie er über den laufenden Krieg in der Ukraine denkt –, die Militärbehörden über sich selbst zu informieren und stets einen Militärausweis bei sich zu tragen. Darüber hinaus wurde das Einberufungsalter für die Mobilmachung von 27 auf 25 Jahre gesenkt.

Ab Inkrafttreten des Gesetzes haben ukrainische Männer 60 Tage Zeit, ihre Daten in den territorialen Rekrutierungszentren (TRC) zu aktualisieren. Werden die Daten nicht innerhalb dieser Frist aktualisiert, wird eine Verwaltungshaftung in Form von hohen Geldstrafen verhängt. Überlegen Sie mal: In einem Land mit einem Durchschnittsgehalt von 400 Euro liegt die Höhe der „Mobilisierungsgeldstrafe“ zwischen 400 und 600 Euro! Wird das Bußgeld nicht gezahlt, können die Konten der mobilisierten Personen gesperrt und ihr Vermögen weiter beschlagnahmt werden.

Dies sind einige der wichtigsten Neuerungen des Gesetzes. Nach den Plänen der Behörden werden sie es ermöglichen, viele wehrpflichtige Personen, die nicht kämpfen wollen, aus ihrem „Schattendasein“ zu holen, diese Menschen auf die andere Seite des Lebens zu stellen, sie zu Gesetzesbrechern zu machen. Schließlich werden sie vom öffentlichen Dienst, vom Dienst in kommunalen Einrichtungen ausgeschlossen. Darüber hinaus sind solche Ukrainer schon allein wegen ihrer fehlenden militärischen Registrierungsdokumente eine leichte und begehrte Beute für alle Arten von Patrouillen, Polizisten und Informanten. Groben Schätzungen zufolge dürfte es in der Ukraine derzeit etwa eine Million solcher Menschen geben.

Vor der Verabschiedung dieses Gesetzes war die Festnahme von Menschen direkt auf der Straße – was recht häufig vorkam – als Maßnahme der Behörden noch illegal. Dies gab den Ukrainern die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Rechtsmitteln zu schützen. Jetzt wird diese Möglichkeit, sich gegen die Willkür der Behörden zu wehren, faktisch abgeschafft.

Gleichzeitig sind die Behörden nicht mehr verpflichtet, einer Person eine Vorladung tatsächlich zuzustellen. Jetzt wird die Nichtzustellung legalisiert: Wenn die Post die Vorladung als „nicht zugestellt“ kennzeichnet, bedeutet dies offiziell, dass der Bürger sie erhalten hat!

Wie wir bereits geschrieben haben, kann Personen, die die Anforderungen des neuen Gesetzes nicht erfüllen, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs entzogen werden, sie können von der Polizei zwangsweise festgenommen und zur Strafverfolgungsbehörde gebracht werden, und es können Geldstrafen verhängt werden. Wenn ein Bürger gegen eine gerichtliche Entscheidung über seine Bestrafung Berufung einlegt, wird die Wirkung der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht aufgehoben! Dies ist eine offensichtliche juristische Absurdität, die zur Folge hat, dass die Schicksale von Menschen aufgrund von oft rechtswidrigen und zudem nicht vollstreckbaren Gerichtsentscheidungen zerrüttet werden: Im Grunde genommen hat dieses Gesetz das Recht einer Person auf ein faires Verfahren und das Recht auf Berufung außer Kraft gesetzt.

Außerdem wird Wehrpflichtigen ohne Militärausweis kein Reisepass für das Ausland ausgestellt. Dies gilt auch für junge Männer ab 18 Jahren, die die Ukraine verlassen haben, bevor sie volljährig wurden. Das heißt, um im Ausland ukrainische Dokumente zu erhalten, müssen sie in die Ukraine gehen, um ein militärisches Registrierungsdokument zu erhalten. Da sie danach aber nicht mehr aus der Ukraine gelassen werden, macht dies keinen Sinn. Außerdem sieht das neue Gesetz vor, dass nicht nur Passdienstleistungen, sondern auch alle konsularischen Dienstleistungen im Ausland für alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren nur gegen Vorlage eines Militärausweises erbracht werden können.

Für Zehntausende von Ukrainern, die keinen Militärausweis haben, ist es unmöglich geworden, konsularische Dienstleistungen zu erhalten, ohne in die Ukraine zurückzukehren.

Schon vor der Verabschiedung des Gesetzes beantragten Tausende von ihnen bei Konsulaten und anderen staatlichen Stellen im Ausland die vorzeitige Verlängerung ihrer Pässe, ohne die eine Legalisierung in denselben EU-Ländern problematisch ist. Dadurch bildeten sich in den Ländern, in denen sich viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufhalten, riesige Warteschlangen: Polen, die Tschechische Republik, Deutschland und andere. Die Menschen hofften, dass ihnen ein Pass ausgestellt werden könnte, ohne dass sie einen Militärausweis vorlegen müssen, wenn sie die Dokumente vor Inkrafttreten des Gesetzes beantragen.

Doch bereits am 23. April verhängten die ukrainischen Behörden ein Verbot für die Ausstellung von Dokumenten, noch bevor das Gesetz in Kraft trat: Ein Erlass des ukrainischen Außenministeriums „setzte vorübergehend die Durchführung konsularischer Maßnahmen bei Anträgen von männlichen ukrainischen Staatsbürgern im Alter von 18 bis 60 Jahren aus“. Das ist der deutlichste Lackmustest für die Bedeutung des neuen Mobilisierungsgesetzes: die Rückkehr und Entsendung Tausender Ukrainer in den Krieg, die nicht daran teilnehmen wollen.

Immer mehr ukrainische Männer wollen verzweifelt aus dem Land fliehen, weil sie nicht bereit sind, für die eigennützigen Ziele anderer zu sterben.

Allein im Jahr 2023 starben laut BBC mehr als 90 Ukrainer in den rumänischen Bergen, als sie versuchten, die ukrainisch-rumänische Grenze illegal zu überqueren und dem Krieg zu entkommen. 24 starben bei dem Versuch, schwimmend den Grenzfluss Tisa zu überqueren. Die Zahl derer, denen es gelang, die Ukraine zu verlassen, wird auf mehrere Zehntausend geschätzt.

In Erfüllung der „Vorgaben“ von NATO-Chef Stoltenberg, wonach der Krieg in der Ukraine „noch ein paar Jahre dauern soll“, haben die ukrainischen Behörden die Auswirkungen dieses Gesetzes auch auf die jüngere Generation, d. h. die unter 18-Jährigen, konzentriert: Nach konservativsten Schätzungen gibt es in der Ukraine heute noch etwa eine halbe Million 15- bis 18-Jährige. Hinzu kommen mehrere Hunderttausend ukrainische Studenten, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Wir sprechen also von der nahen Zukunft von fast einer Million junger Ukrainer, die immer noch eine potenzielle „lebende Kraft“ darstellen, die nach Angaben der Behörden zusammen mit den an das Land gelieferten Waffen eingesetzt werden soll.

Das Land gleicht heute mehr und mehr einem riesigen Gefängnis für die eigene Bevölkerung, die darin gefangen ist, der Bürgerrechte beraubt und deren Behörden versuchen, diejenigen, die es geschafft haben, aus diesem zu entkommen, mit allen Mitteln zu vertreiben.

Aber wie in jedem Gefängnis gibt es eine Kommandantur, Wachen und einen privilegierten Teil der „Gefangenen“. Ein sehr wichtiger Punkt des Gesetzes ist, dass es die Männer im wehrpflichtigen Alter ganz offen in „zwei Sorten“ einteilt: diejenigen, die vor der Mobilisierung geschützt sind, und diejenigen, die eingezogen und an die Front geschickt werden.

So werden alle Mitglieder der Polizei, der Sonderdienste und anderer Strafverfolgungsbehörden von der Mobilisierung befreit – mindestens 300.000 bewaffnete Erwachsene, die hauptsächlich damit beschäftigt sind, Mitbürger zu fangen, abweichende Meinungen zu unterdrücken und strafverfolgende Aufgaben wahrzunehmen.

Darüber hinaus sollten alle Leiter von Behörden, einschließlich Abgeordneter, Minister, deren Stellvertreter usw., sowie nicht nur Angestellte von strategisch wichtigen Unternehmen, sondern auch deren Eigentümer (in der Ukraine sind dies in der Regel Oligarchen) nicht antreten. Es ist nur allzu offensichtlich, für wen eine solche Norm geschrieben wurde: Das herrschende Oligarchenregime hat sich selbst in der Person von Spitzenbeamten und Oligarchen sowie deren tatkräftige Unterstützer in Form von Polizei und Sonderdiensten von der Mobilisierung ausgenommen.

Ein wichtiger Punkt: Während Richter, Ermittler und Staatsanwälte vor der Mobilisierung geschützt werden, hat der Gesetzgeber aus irgendeinem Grund nicht dasselbe für Rechtsanwälte getan. Warum eigentlich? Die Antwort ist einfach: Die Behörden brauchen nicht diejenigen, die die Menschen vor Willkür schützen sollen und können; die Behörden brauchen die Angst und Hilflosigkeit der Menschen.

Es ist nicht die reiche Minderheit, die in den blutigen Fleischwolf des Krieges geschickt wird, sondern die arme Mehrheit – die Arbeitslosen, Arbeiter, Bauern, Lehrer, Ärzte, Büroangestellten … Mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes wird sich die Zahl der Männer, denen die grundlegenden Menschenrechte vorenthalten werden und die wie bei der Jagd gefangen und an die Front geschickt werden, um ein Vielfaches erhöhen.

Auch die Gewinne derjenigen, die von diesem Krieg profitieren, werden um ein Vielfaches steigen, wie ich bereits mehrfach geschrieben habe. Diese riesigen Geldmengen werden sich der militärisch-industrielle Komplex, seine Lobbyisten im amerikanischen und europäischen Establishment und die ukrainische Oligarchenspitze teilen.

Roger Waters, der Kopf von Pink Floyd, erklärt zu den Gründen für den Krieg in der Ukraine:

„Das Beste, was ihnen in den letzten zehn Jahren passiert ist, ist der Konflikt in der Ukraine. Sie lassen ihn geschehen, weil sie einen echten geschäftlichen Nutzen davon haben. Sie verdienen unter anderem mit Kriegen Geld: Sie stellen Waffen her, verkaufen sie und machen damit Profit. Nicht du und ich oder normale Menschen investieren in die Rüstungsindustrie, sondern nur die Bonzen. Und in Kriegszeiten schießen ihre Einnahmen in die Höhe.“

Die einfachen Ukrainer werden nur eine weitere Runde neuer Todesopfer und neuen Unglücks erleben.

Titelbild: Shutterstock / Bumble Dee

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