In den Vereinigten Staaten vollzieht sich unter der Präsidentschaft von Donald Trump derzeit ein umfassender innen- und außenpolitischer Wandel. Im ersten Teil wurde die Auswirkung der Neuausrichtung der US-Außenpolitik auf die politische Agenda europäischer Staaten näher beleuchtet. In diesem zweiten Teil wird näher auf die Hintergründe und die Folgen der US-Wirtschaftspolitik eingegangen. Zudem stellt sich aufgrund ähnlicher gesellschaftlicher Herausforderungen in den USA und Europa die Frage, inwieweit die politische Entwicklung in den Vereinigten Staaten eine Blaupause für zukünftige Wahlausgänge in Europa ist. Von Karsten Montag.
Um es vorwegzunehmen: Die Frage im Titel, wer eigentlich der Verfassungsfeind ist, wird in diesem Beitrag nicht abschließend geklärt. Es deutet sich jedoch anhand einer näheren Betrachtung der Entwicklung von Vermögen und Haushaltsdefiziten in den USA und Deutschland an, wie man die Frage womöglich beantworten könnte.
Außenhandelsdefizit und Staatsschulden der Vereinigten Staaten
US-Präsident Donald Trump hat das Absenken des Außenhandelsdefizits und der Staatsausgaben zu den Hauptzielen seiner Wirtschaftspolitik gemacht. Er hat die Folgen des seit Jahrzehnten wachsenden Außenhandelsdefizit als „nationalen Notstand“ erklärt. Die bisherige Wirtschaftspolitik hätte zu einer Aushöhlung der US-Produktionsbasis geführt, kritische Versorgungsketten untergraben und die verteidigungsindustrielle Basis von ausländischen Gegnern abhängig gemacht. Das Ungleichgewicht zwischen Ein- und Ausfuhren habe Länder wie China gestärkt und Amerikas Mittelschicht und Kleinstädten geschadet, so das Weiße Haus. Mit Zöllen auf die Einfuhr von Waren und Dienstleistungen will Trump die internationale Wirtschaftsposition der Vereinigten Staaten stärken und amerikanische Arbeitnehmer schützen.
Die seit 2008 steigende Schuldenquote (Staatsschulden im Verhältnis zum BIP) der USA, die aktuell bei 124 Prozent liegt, hat bereits zu Abwertungen der Kreditwürdigkeit des Landes durch mehrere Rating-Agenturen geführt. Eine ähnlich hohe Schuldenquote in Kombination mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistungen hatte 2010 die griechische Staatsschuldenkrise ausgelöst. Die Rating-Agenturen hatten die Kreditwürdigkeit des Landes so weit heruntergestuft, dass sich die griechische Regierung nur noch gegen hohe Zinsen Geld leihen konnte. Es drohte der Staatsbankrott.
Die US-Regierung unter Trump hat im Haushaltsplan für 2026 eine Kürzung der Staatsausgaben in den Ressorts abseits der Landesverteidigung um 163 Milliarden Dollar vorgesehen. Dies entspräche einer Absenkung im Vergleich zum Haushalt für 2025 um 23 Prozent. Die Ausgaben für eine „schädigende woke, marxistische Agenda“ und für Auslandshilfen sollen radikal gekürzt werden, so die Worte des Weißen Hauses. Gleichzeitig sollen die Ausgaben für die Verteidigung um 13 Prozent und die Ausgaben für den Heimatschutz um 65 Prozent steigen. Ein wichtiges Element zur Senkung der Staatsausgaben ist die neu eingerichtete Kommission „Department of Government Efficiency“ (DOGE), die de facto von dem Multimilliardär Elon Musk geleitet wird.
Ein Blick auf die entsprechenden Kennzahlen zeigt zunächst, dass das Außenhandelsdefizit nur einen Bruchteil des Bruttoinlandsproduktes ausmacht und bei Weitem nicht in dem Maße angewachsen ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes.
Abbildung 1: BIP, Staatsschulden, Außenhandelsbilanz und Staatsausgaben USA in US-Dollar, Datenquellen: Weltbank, US-Bureau of Economic Analysis, US-Finanzministerium
Deutlich wird jedoch, dass seit der Finanzkrise 2008 die Staatsschulden der Vereinigten Staaten aus dem Ruder laufen, obwohl die Staatsausgaben – bis auf die Zeit der Corona-Krise – nur moderat angestiegen sind. Die US-Bundesregierung nimmt also weniger ein als sie ausgibt. Setzt man die Bundeshaushaltsbilanz der USA mit dem Vermögenswachstum in Verhältnis, wird deutlich, was der eigentliche Grund für das Defizit des US-Bundeshaushalts ist.
Abbildung 2: Vermögensänderung und Bundeshaushaltsbilanz USA in US-Dollar, Datenquellen: Federal Reserve, Congressional Budget Service
Die exorbitanten Vermögenszuwächse der reichsten US-Amerikaner gehen spätestens seit 2008 deutlich sichtbar einher mit einem steigenden staatlichen Haushaltsdefizit, das zu immer höheren Neuverschuldungen führt. Wenn die reichsten zehn Prozent der amerikanischen Gesellschaft nur auf einen Teil ihres Vermögensgewinns – nicht ihres Vermögens – verzichten würden, wäre der Staatshaushalt ausgeglichen. Ob unter Demokraten oder Republikanern, ob unter den US-Präsidenten Barack Obama, Donald Trump oder Joe Biden – die Vermögensgewinne der reichsten US-Bürger werden nicht in dem Maße besteuert, wie der Staat Geld benötigt.
Lag der Spitzensteuersatz in den Vereinigten Staaten Anfang der 1960er-Jahre noch bei 91 Prozent, ist er auf aktuell 37 Prozent gesunken. Überraschend ist auch, warum in der Zeit der größten Haushaltsdefizite, 2020 und 2021, die Vermögensgewinne ungewöhnlich hoch waren. Offenbar hat insbesondere die reichere Hälfte der US-Bürger von Spekulationen rund um die Pharmaindustrie sowie von staatlichen Maßnahmen zur Abfederung der Corona-Einschränkungen profitiert. Dass es sich bei den Vermögenszuwächsen größtenteils um Spekulationsgewinne handelt, wird auch anhand der kurzzeitigen extremen Verluste während der Finanzkrise und zu Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich.
Auch wenn entsprechende Daten nicht öffentlich zugänglich sind, ist davon auszugehen, dass die reichen US-Amerikaner ihre Vermögensgewinne zu einem signifikanten Teil in US-Staatsanleihen anlegen – also Gläubiger der Staatsschulden sind. Die Vereinigten Staaten sind demnach als Gesellschaft nicht am Rande der Pleite, wie die hohe Staatsverschuldung dies suggeriert. Stattdessen findet eine Machtverschiebung statt, denn der US-Staatshaushalt gerät in eine immer größere Abhängigkeit von der Bereitschaft der reichen US-Bürger, in Staatsanleihen ihres eigenen Landes zu investieren.
Laut dem Magazin Forbes gibt es derzeit (Mai 2025) circa 3.000 Dollarmilliardäre auf der Welt. Knapp ein Drittel davon ist in den Vereinigten Staaten ansässig. Von den 15 reichsten, die über ein Vermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar verfügen, kommen zwölf aus den USA. Neben US-Präsident Trump mit einem Vermögen von 5,1 Milliarden Dollar und Elon Musk mit einem Vermögen von 342 Milliarden Dollar finden sich im Umkreis der aktuellen US-Regierung weitere elf mutmaßliche Milliardäre. Diese hohe Konzentration von extrem reichen Menschen an der Spitze der US-Politik liefert eine Erklärung dafür, warum die Regierung die Konsolidierung des Staatshaushalts nicht mit einer höheren Besteuerung der exorbitanten Vermögensgewinne der reichen US-Bürger anstrebt. Denn damit würde ein Teil der Regierungsvertreter Politik gegen die persönlichen Interessen betreiben.
Auswirkungen der Zölle und der reduzierten Staatsausgaben auf die US-Wirtschaft
Dass Einfuhrzölle ein ungeeignetes Mittel sein können, um das US-Außenhandelsdefizit zu senken, wurde bereits vielerorts kommentiert. Eine übersichtliche Zusammenfassung, wie Zölle funktionieren und wie sich Handelsdefizite auswirken, findet sich auf dem Portal Whathappened. So können Einfuhrzölle das Ziel haben, die heimische Wirtschaft vor der Überproduktion anderer Länder zu schützen, insbesondere dann, wenn Letztere durch staatliche Subventionen gefördert wird. Die offizielle Intention hinter den US-Zöllen sei jedoch, die amerikanische Wirtschaft umzustrukturieren. Produktionen, die zuvor ins Ausland ausgelagert wurden, sollen wieder in den USA angesiedelt werden, indem ausländische Waren künstlich verteuert werden. Ausländische Unternehmen sollen dazu motiviert werden, in den Vereinigten Staaten zu produzieren. Am Ende soll das Land wieder im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig werden und mehr Waren und Dienstleistungen exportieren als importieren, so Whathappened.
Allerdings könnten Zölle auch Schäden anrichten, da global agierende Unternehmen über komplexe Wertschöpfungsketten verfügen. Produktionsfirmen in den USA seien auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Daher könnten Zölle auch die im eigenen Land hergestellten Produkte verteuern, argumentiert Whathappened. Zölle würden daher wie Steuererhöhungen wirken. Zudem sei das Handelsdefizit der USA entstanden, weil das Land mehr konsumiert, als es selber produzieren kann. Importe hätten daher tendenziell eine positive Auswirkung auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes. Letztendlich seien Zölle kein probates Mittel, um ein Handelsdefizit zu senken, da durch Gegenzölle der Export verringert werden kann.
Auch die Senkung der Staatsausgaben kann sich negativ auf die Wirtschaftsleistungen auswirken. Da die staatlichen Ausgaben in den USA sechs Prozent des BIP ausmachen, geht eine US-Wirtschaftsexpertin davon aus, dass bei einer Reduzierung der Staatsausgaben um die Hälfte das US-BIP um drei Prozent schrumpfen wird. Andere Wirtschaftsexperten stellen hingegen fest, dass hohe Staatsausgaben wiederum zu einer Verringerung der Wirtschaftsleistungen führen könnten.
Dass die Einschätzungen der negativen Auswirkungen der Zölle und der verringerten Staatsausgaben auf die US-Wirtschaft zutreffen könnten, zeigt die vom „Bureau of Economic Analysis“ dokumentierte Entwicklung des Wirtschaftswachstums des Landes. Für das erste Quartal 2025 geht die dem Wirtschaftsministerium unterstellte US-Behörde von einem Rückgang der realen Wirtschaftsleistungen von minus 0,3 Prozent aus – nach Jahren des konstanten Wachstums.
Eigentlicher Grund für die Zölle und Auswirkungen auf Europa
Da man davon ausgehen muss, dass auch der Trump-Regierung die möglichen negativen Folgen der Einfuhrzölle bewusst sind, hat dieses Vorgehen offenbar ein anderes Ziel, als die US-Wirtschaft und die heimischen Arbeitsplätze zu schützen. Bei den ursprünglichen Zolldrohungen gegen Mexiko, Kanada und China gibt das Weiße Haus sogar offiziell zu, dass man damit diese Länder zur Rechenschaft ziehen will, die illegale Einwanderung in die USA zu stoppen und den Zustrom von Drogen in das Land zu unterbinden.
Jens Berger hat bereits Mitte April in einem Beitrag auf den NachDenkSeiten darauf hingewiesen, dass die Zölle dazu dienen könnten, die US-Partnerländer zu Verhandlungen um bilaterale Handelsabkommen zu zwingen. Eine Bestätigung dieser Einschätzung zeigt sich in dem Anfang Mai vereinbarten Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien. Zur Absenkung der US-Einfuhrzölle auf britische Fahrzeuge und Flugzeugmotoren musste das Vereinigte Königreich seinen Markt für amerikanische Agrarprodukte öffnen und Flugzeuge vom US-Hersteller Boeing kaufen. Zudem musste die britische Regierung zur Befreiung von Zöllen auf Aluminium- und Stahlexporte in die USA strikte Sicherheitsanforderungen der US-Stahl- und Pharmaindustrie akzeptieren. Der Hintergrund ist offenbar, China aus strategischen Lieferketten anderer Länder auszuschließen. Auch die EU hat den USA bereits angeboten, zur Beilegung des Zollstreits zukünftig vermehrt Erdgas und Agrarprodukte aus den Vereinigten Staaten abzunehmen.
Ganz offensichtlich geht es US-Präsident Trump primär weniger darum, ausgelagerte Produktionsstätten zurück ins eigene Land zu holen, sondern stattdessen die eigene Überproduktion im Ausland abzusetzen – und damit die Gewinne amerikanischer Unternehmen zu steigern. Ein weiteres Ziel könnte es sein, mit „Basiszöllen“ von zehn Prozent einen Teil der Gewinne ausländischer Unternehmen abzuschöpfen, um damit die US-Staatsausgaben zu finanzieren und weitere Steuererleichterungen für die reichen US-Amerikaner zu ermöglichen. Schlussendlich scheint es, dass angesichts der Vereinbarungen mit Großbritannien auch geopolitische Zwecke mit der Zollpolitik verfolgt werden. Eine derartige Politik stimmt deutlich eher mit dem hohen Anteil von Milliardären in der US-Regierung überein als das Versprechen, die heimischen Arbeitsplätze zu schützen.
Ähnliche Entwicklung bei den Staatsschulden und den Vermögensgewinnen der reichsten zehn Prozent in Deutschland
Deutschland steht hinsichtlich seiner Staatsschulden und seiner Handelsbilanz zwar derzeit noch deutlich besser da als die Vereinigten Staaten.
Abbildung 3: BIP, öffentliche Schulden, Außenhandelsbilanz, Staatsausgaben Deutschland in Euro, Datenquellen: Statistisches Bundesamt
Aufgrund der Schuldenbremse konnte Deutschland seine Staatsschulden sogar eine Zeit lang senken. Setzt man jedoch die Vermögensentwicklung mit der Verschuldung der öffentlichen Haushalte ins Verhältnis, ist seit 2020 ein ähnlicher Trend wie in den USA erkennbar.
Abbildung 4: Vermögensänderung und Bilanz des öffentlichen Haushalts Deutschland in Euro, Datenquellen: Europäische Zentralbank, Statistisches Bundesamt
Während die oberen zehn Prozent der deutschen Bürger enorme Vermögenszuwächse verzeichnen können, verharren die unteren 50 Prozent annähernd auf dem gleichen Niveau. Insbesondere seit 2017 haben sich die Gewinne des oberen Dezils enorm gesteigert und erreichten einen Rekordwert ausgerechnet in der Corona-Krise, als die Bilanz der öffentlichen Haushalte deutlich negativ war. Wie in den USA hat offenbar auch die reichere Hälfte der deutschen Bürger von Spekulationen rund um die Pharmaindustrie sowie von staatlichen Maßnahmen zur Abfederung der Corona-Einschränkungen profitiert.
Mit Friedrich Merz als Bundeskanzler ist kaum zu erwarten, dass sich dieser Trend umkehrt. Obwohl er sich selbst zur „gehobenen Mittelschicht“ zählt, gehört er aufgrund seiner jährlichen Einkünfte von bis zu einer Million Euro sowie einem Vermögen von zwölf Millionen Euro eindeutig zu den reichsten 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung. Trotz der noch mit dem alten Bundestag beschlossenen historischen Neuverschuldung von circa einer Billion Euro sind im Koalitionsvertrag keine höheren Steuern auf Kapitalerträge, kein höherer Spitzensteuersatz und keine Vermögenssteuer vorgesehen.
Auswirkungen der US-Zölle auf Deutschland
Angesichts der sich ständig ändernden Position der US-Regierung zur Erhebung von Einfuhrzöllen fällt es aktuell schwer, zu erfassen, welche Zölle für den Export deutscher Waren in die USA gelten. Zunächst einmal erheben die Vereinigten Staaten schon seit Langem Zölle auf den Import von Waren aus dem Ausland. Diese sind derzeit im „Harmonized Tariff Schedule of the United States“ (HTS oder auch HTSUS) geregelt. Die Höhe der Zölle ist abhängig von der Warengruppe. Im Durchschnitt lag der Zollsatz in den vergangenen 30 Jahren zwischen einem und drei Prozent.
Zusätzlich zu den im HTSUS geregelten Zöllen erheben die Vereinigten Staaten seit dem 5. April 2025 einen generellen Einfuhrzoll (Basiszoll) von zehn Prozent – unabhängig vom Herkunftsland. Ausgenommen sind persönliche Gegenstände und Spenden gemäß Titel 50 U.S. Code § 1702(b), Waren, die unter den Abschnitt 232 des Trade Expansion Acts von 1962 fallen oder zukünftig fallen können, Kupfer, Pharmazeutika, Halbleiter und Holzartikel sowie Goldbarren, Energie und andere Mineralien, die in den Vereinigten Staaten nicht verfügbar sind.
Abschnitt 232 des Trade Expansion Acts erlaubt es dem US-Präsidenten, Zölle zu erheben, wenn „ein Artikel in solchen Mengen oder unter solchen Umständen in die Vereinigten Staaten eingeführt wird, dass er die nationale Sicherheit bedroht oder beeinträchtigt“. Donald Trump nutzt dieses Gesetz, um außerordentliche Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium sowie Automobile und Autoteile zu erheben. Diese Zölle werden nicht zusätzlich zum Basiszoll von zehn Prozent berechnet, sondern stattdessen.
US-Präsident Trump hat zudem angekündigt, Produkte aus den EU-Staaten generell mit 20 Prozent zu verzollen statt mit den bereits geltenden zehn Prozent. Allerdings hat er den erhöhten „Basiszoll“ auf EU-Produkte bis zum 9. Juli 2025 ausgesetzt, da die EU Gegenzölle angedroht hat. Die EU hat wiederum ihre Gegenzölle bis 14. Juli 2025 ausgesetzt, um eine Verhandlungslösung mit den USA zu finden.
Die US-Einfuhrzölle könnten insbesondere Deutschland treffen. 20 Prozent des deutschen Stahlexports geht in die USA. Damit ist Deutschland für ein Viertel der EU-Stahlexporte in das Land verantwortlich. Im Gegensatz zum Stahl exportieren die deutschen Aluminiumhersteller nur zwei Prozent ihrer Produktion in die Vereinigten Staaten. Die Exporte in das Land haben sich in den letzten zehn Jahren bereits annähernd halbiert. Trotzdem warnt der Verband Aluminium Deutschland vor den Folgen der neu erhobenen Zölle. Denn US-Unternehmen würden nun Aluminiumschrott, der von den Zöllen ausgenommen ist, zu Höchstpreisen in Europa aufkaufen. Dies würde zu einer Verknappung des Rohstoffs in Deutschland und Europa führen. Eine Simulation des Kiel Institut für Wirtschaft geht hingegen davon aus, dass sich die USA mit den Zöllen auf Stahl und Aluminium hauptsächlich selbst schaden. Die EU hätte praktisch keine negativen Folgen zu befürchten.
Deutlich stärker könnte Deutschland von den US-Zöllen auf Automobile und Fahrzeugteile betroffen sein. Der Wirtschaftsdienstleister Deloitte geht davon aus, dass die deutschen Autoexporte in die USA bei einem Einfuhrzoll von 25 Prozent um 28 Prozent zurückgehen könnten. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet mit erheblichen Folgen für die deutsche Automobilindustrie und die deutsche Wirtschaft. Die Autoindustrie stehe für fast 22 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren in die USA. Der Verband der deutschen Automobilindustrie weist darauf hin, dass die Vereinigten Staaten der wichtigste Exportmarkt für die deutsche Autoindustrie sind. Fast jeder vierte Porsche sei in den USA verkauft worden, bei BMW und Mercedes soll der Anteil jeweils bei gut 16 Prozent, bei Audi und der Marke VW bei acht bis zwölf Prozent liegen.
Ähnliche Probleme – ähnliche politische Entwicklung
Die innenpolitischen Änderungen in den USA unter Donald Trump haben zwar keine direkten Auswirkungen auf Deutschland und Europa, sie liefern jedoch Hinweise, wie sich die politische Stimmung hierzulande entwickeln könnte und mit welchen Positionen sich zukünftig Wahlkämpfe gewinnen lassen. Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Gallup zufolge war die Wirtschaftslage der USA für 52 Prozent der Wähler bei der Präsidentschaftswahl 2024 das wichtigste Thema. Auf den weiteren Plätzen lagen die Demokratie in den USA (49 Prozent), Terrorismus und nationale Sicherheit (45 Prozent), die Auswahl der obersten Bundesrichter (45 Prozent) sowie die Einwanderungspolitik (41 Prozent). Die Beziehungen zu Russland hielten 27 Prozent für extrem wichtig, den Klimawandel 21 Prozent und die Rechte von Transsexuellen 18 Prozent.
Für Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild. Eine Umfrage von ARD-Deutschlandtrend im Januar ergab, dass 37 Prozent der Befragten Zuwanderung und Flucht für das wichtigste Problem halten, 34 Prozent die Wirtschaft, 14 Prozent bewaffnete Konflikte, Frieden und Außenpolitik. Das Thema Umweltschutz und Klimawandel lag mit 13 Prozent auf dem vierten, innere Sicherheit, Kriminalität und Terror mit acht Prozent auf dem siebten Platz. Zwar wird die Aufarbeitung der Corona-Krise bei der Wahlforschung häufig ausgeklammert, einer NDR-Umfrage zufolge fordern jedoch fast zwei Drittel der Befragten „eine stärkere politische Aufarbeitung der Corona-Pandemie“.
Donald Trump hat im Wahlkampf mit dem Slogan „Make America great again“ die Verbesserung der Wirtschaftslage ins Zentrum gestellt. Zudem hat er öffentlichkeitswirksam versprochen, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Für seine harte Haltung in der Einwanderungspolitik war er bereits in seiner ersten Amtszeit bekannt. Des Weiteren hat Trump mit Robert Kennedy, einem anfänglichen Mitbewerber um das Präsidentenamt, einen bekannten Kritiker der Corona-Maßnahmen und der COVID-19-Impfungen ins Boot geholt und nach der Wahl zum Gesundheitsminister ernannt. Schlussendlich hat er den „Tiefen Staat“ seines Landes kritisiert und mit Tulsi Gabbard eine Kritikerin der Verfehlungen der US-Geheimdienste der letzten 25 Jahre zur Direktorin der Nationalen Geheimdienste ernannt.
Trump wurde bereits im Wahlkampf für seine erste Amtszeit vorgeworfen, von Russland unterstützt zu werden – unter anderem auch von den US-Geheimdiensten. Nachdem er 2017 seine erste US-Präsidentschaft angetreten hatte, wurde das Thema weiter von den etablierten Medien in den USA und anderen westlichen Ländern aufgebauscht, obwohl es sich im Nachhinein als Fake News herausgestellt hat. Diese Form einer politisch geleiteten Berichterstattung hat zumindest in den Vereinigten Staaten zu einem großen Vertrauensverlust in die etablierten Medien geführt. In seiner zweiten Amtszeit geht Trump gegen diese Medien vor. So hat die US-Regierung beispielsweise die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) von der Berichterstattung aus dem Weißen Haus und dem Präsidentenflugzeug ausgeschlossen. Schlussendlich hat die politische Opposition versucht, mittels juristischer Verfahren die Wiederwahl Trumps zu verhindern.
Zur Politik Donald Trumps sowie zum Umgang der Opposition mit ihm gibt es in den beiden wichtigsten EU-Staaten, Deutschland und Frankreich, auffällige Parallelen. In Frankreich ist es das Rassemblement National (RN), in Deutschland vertritt am ehesten die AfD die politischen Positionen des aktuellen US-Präsidenten. Beide Parteien wollen die Zuwanderung stark einschränken, eine diplomatische Lösung des Konflikts in der Ukraine, eine Fortsetzung der Energielieferungen aus Russland und eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik. Die AfD fordert eine Reform der öffentlich-rechtlichen Medien sowie eine „Entpolitisierung der Justiz und Sicherheitsbehörden“.
Der AfD wie dem RN werden enge Verbindungen zum Kreml sowie Unterstützung aus Russland vorgeworfen. In Deutschland erfolgt diese Kritik an der AfD hauptsächlich von den öffentlich-rechtlichen und den etablierten privaten Medien – größtenteils ohne handfeste Belege. Eine INSA-Umfrage hat ergeben, dass nur 34 Prozent der Befragten die politische Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien für ideologisch ausgewogen halten. Eine Studie der Universität Mainz bestätigt, dass sich die etablierten Medien in Deutschland politisch links der Mitte positionieren.
In Frankreich ist das RN aus der letzten Parlamentswahl als stärkste Einzelpartei hervorgegangen. In Deutschland ist die AfD bei der letzten Bundestagswahl zweitstärkste Kraft geworden. In Umfragen liegt die Partei derzeit auf Augenhöhe mit der Union. Die langjährige Parteichefin und Präsidentschaftskandidatin des RN, Marine Le Pen, die zudem in Umfragen derzeit vorne liegt, wurde aufgrund einer Verurteilung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder von der nächsten Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. In Deutschland wird bereits seit Längerem ein Verbot der AfD diskutiert und die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet. In anderen europäischen Ländern haben Parteien, die ähnliche politische Positionen wie US-Präsident Donald Trump vertreten, bereits parlamentarische Mehrheiten erlangt – so zum Beispiel in Österreich, in den Niederlanden und in Belgien.
Da diese Parteien allesamt eine rechtskonservative Politik verfolgen, ist – wie in den USA – kaum zu erwarten, dass sie das womöglich größte und möglicherweise auch vielen aktuellen weltweiten Krisen zugrunde liegende Problem angehen werden: die beschleunigt wachsende Ungleichverteilung von Vermögen und den immer größer werdenden Einfluss einer kleinen, extrem reichen Gesellschaftsschicht auf die politischen Entscheidungen ihrer Länder. Die Interessen dieser „elitären“ Schicht stehen nicht repräsentativ für den demokratischen Willen eines Volkes. Ihr wachsender Einfluss auf Politik und Medien höhlt die demokratische Grundordnung aus und treibt eine Refeudalisierung an – mit allen negativen Konsequenzen wie Massenarmut und die Kanalisierung innenpolitischer Spannungen in außenpolitische Konflikte.
Titelbild: Below the Sky/shutterstock.com