„Aus meiner Sicht war von Anfang an klar, dass dieser Krieg höchstwahrscheinlich durch eine Verhandlungslösung beendet werden wird“ – das sagte gerade Johann Wadephul in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Auch wenn die Worte richtig sind: Sie klingen in Anbetracht von Hunderttausenden Soldaten, die ihr Leben gelassen haben, wie blanker Hohn. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Da sagt also der neue deutsche Außenminister etwas, was seit Beginn des Krieges die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Dass der Krieg in der Ukraine durch Verhandlungen zu beenden sein wird, haben alle vernünftigen Leute von Anfang an betont – als Lumpenpazifisten und gefallene Engel aus der Hölle wurden sie beschimpft. Das Problem: Seit über drei Jahren ist eine Politik zu bestaunen, die den Eindruck erweckt, die Ukraine könnte den Krieg gewinnen.
Wadephul sagte Folgendes: „Aus meiner Sicht war von Anfang an klar, dass dieser Krieg höchstwahrscheinlich durch eine Verhandlungslösung beendet werden wird.“ Das klingt vernünftig – vordergründig. Bei Lichte betrachtet können diese Worte als blanker Hohn aufgefasst werden. Längst haben hunderttausende Soldaten ihr Leben auf dem Schlachtfeld gelassen, sind verstümmelt und schwer traumatisiert. Und dann erdreistet sich ein deutscher Außenminister plötzlich, den Begriff „Verhandlungslösungen“ in den Mund zu nehmen und so zu tun, als sei das ohnehin eine Binsenweisheit – während im April die CDU in Anbetracht der Trump’schen Bemühungen um einen Frieden noch vor einem „Diktatfrieden“ gewarnt hat.
Die gesamte deutsche Politik, aber auch die der anderen NATO-Staaten, lautete seit Beginn des Krieges: Ukrainer kämpft! Selbst unter Berücksichtigung dessen, was bisweilen von der Politik zu hören war, nämlich dass es gälte, die Ukraine militärisch zu unterstützen, um sie bei Verhandlungen in eine Position der Stärke zu führen, hat Wadephuls Aussage mehr als nur einen schalen Beigeschmack.
So, wie von Anfang klar war, dass der Krieg durch Verhandlungen beendet werden muss, so klar war noch etwas anderes, nämlich: Die angeblich angestrebte Position ukrainischer Stärke würde nie so weit erreicht werden können, dass Russland von seinem Primärziel abrückt. Egal, wie stark die Ukraine auch hochgerüstet würde: Die Eskalationsdominanz lag und liegt bei Russland.
Zur Erinnerung: Die russische Regierung will die Ukraine nicht in eine Position gelangen lassen, die der NATO einen militärischen Vorteil direkt vor ihrer Haustür bringt.
Anders gesagt: Die gesamte nach außen hin kommunizierte politische Strategie, mit der die deutsche Regierung samt ihrer Verbündeten Russland eine Niederlage zufügen wollte, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie konnte und musste daran scheitern, dass Russland die von ihm gesetzte rote Linie nicht zur Disposition stellen würde. Jedem politischen Analysten musste klar gewesen sein: Der Verhandlungsspielraum würde zu keiner Zeit des Krieges ein anderer sein, als es schon vor dem Krieg der Fall war. Eine NATO-Mitgliedschaft ist die rote Linie für Russland. Und: Offene oder verdeckte politische oder gar militärische Einflussnahmen innerhalb der Ukraine, um Russland zu schaden, würde das Land nicht akzeptieren.
Deshalb sind Wadephuls Worte als Hohn zu verstehen. Mussten erst so viele Soldaten ihr Leben lassen, um nun von einer „Verhandlungslösung“ zu sprechen, die kaum signifikant von Lösungen abweichen dürfte, die auch schon 2022 im Raum standen?
Wadephul sagte auch: „Denn eines stimmt schon – dass eine komplette Niederlage im Sinne einer Kapitulation des atomar bewaffneten Russlands nicht erwartet werden konnte. Insofern haben wir uns jetzt ein wenig ehrlicher gemacht“.
„Ehrlicher gemacht“? Das nutzt den toten Soldaten auch nichts mehr.
Titelbild: Screenshot NDR