Wie die EU-Kommission zahme Klima-„NGOs“ päppelt

Wie die EU-Kommission zahme Klima-„NGOs“ päppelt

Wie die EU-Kommission zahme Klima-„NGOs“ päppelt

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Laut Medienberichten fördert die EU-Kommission „heimlich“ handzahme Klima-„NGOs”. Wenn das zutrifft, ist es sehr problematisch. Es gibt aber noch andere – mutmaßlich mächtigere – Lobby-Strukturen, die in dem Zusammenhang ebenso betont werden müssen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Welt am Sonntag (WamS) hat in aktuellen Artikeln schwere Vorwürfe bezüglich der Praxis der Finanzierung von „Nichtregierungsorganisationen“ (NGOs) durch die EU-Kommission erhoben. So heißt es in diesem Beitrag:

Die EU-Kommission schmiedete heimlich eine Allianz mit NGOs, um ihre Ziele durchzusetzen. In Geheim-Verträgen legte die Behörde fest, wie die Aktivisten Kohlekraft und Handelsabkommen torpedieren sollten – und zahlte viel Geld dafür.

Und in diesem Artikel heißt es:

Die Europäische Kommission hat im Verborgenen Umweltverbände für Klagen und Kampagnen gegen deutsche Unternehmen bezahlt. (…) Wie aus bislang geheimen Unterlagen hervorgeht, bezahlte die EU-Kommission Umweltorganisationen für fragwürdige Lobbyarbeit – auch mit Geld deutscher Steuerzahler. Auch deutsche Firmen wurden zum Ziel der NGOs.

Die Europäische Kommission hat laut Medienberichten Vorwürfe zurückgewiesen, wonach sie „geheime Verträge“ mit Umwelt-NGOs zur Förderung der Klimapolitik der Union unterzeichnet habe:

Entgegen den Medienberichten gibt es keine geheimen Verträge zwischen der Europäischen Kommission und NGOs“, sagte ein Sprecher der Kommission zu euronews. „Die Kommission übt ein hohes Maß an Transparenz aus, wenn es um die Finanzierung von NGOs geht.“

„Die Zivilgesellschaft“

Der Vorgang ist Anlass zu einigen prinzipiellen Gedanken über Lobbyismus. Einerseits: Es ist sehr befremdlich, dass sich hier Teile „der Zivilgesellschaft“ mit einem mächtigen politischen Gremium in Europa mutmaßlich heimlich verabreden, um die Bürger und die Industriepolitik im Verborgenen (so die WamS) zu beeinflussen. Der eigene Anspruch, zu dieser Einflussnahme berechtigt zu sein, weil man ja zu „den Guten“ gehört, illustriert eine inakzeptabel arrogante Haltung. Angesichts der von der WamS unterstellten Heimlichkeit der Absprachen stellt sich auch die Frage nach dem „offenen Visier“, das sonst von dieser Seite oft von politischen Gegnern eingefordert wird. Nicht zuletzt ist festzustellen, dass die Forderung nach Transparenz noch keine Kampagne gegen die Klima-„NGOs“ darstellt.

Außerdem führt der Ausdruck „Zivilgesellschaft“ zweifach in die Irre. Zum einen können von staatlichen Geldern abhängige Initiativen sich in meinen Augen nicht als „unabhängig“ deklarieren – das ist Etikettenschwindel. Zum anderen: Was ist das für eine „Zivilgesellschaft“, die ganz überwiegend die aktuelle Militarisierung der Gesellschaft duldet oder gar unterstützt? Und ist es vorstellbar, dass eine tatsächlich militarismus-kritische „NGO“ ebenso gefördert würde wie einige Klima-„NGOs“?

Und: Wer legt denn fest, wer „die Guten“ sind, die mutmaßlich heimlich gepäppelt werden dürfen?

Der „Lobbyismus“ des Mietervereins

Aber: Es gibt eben verschiedenste Lobbygruppen. Und manche sich großen Konzernen verbunden fühlende Akteure, die jetzt bei den Klima-„NGOs“ eine „Transparenz“ einfordern, pflegen höchstwahrscheinlich ihr ganz eigenes intransparentes System des versteckten Lobbyismus – und das möglicherweise mit erheblich mehr finanziellen Mitteln im Hintergrund.

Man sollte zusätzlich sehr wachsam sein, wenn zum Beispiel Immobilienkonzerne die Arbeit der Mietervereine als Lobbyismus diffamieren wollen. Diese Definition trifft zwar einerseits zu, aber das Eintreten für bezahlbare Mieten ist doch etwas ganz anderes als die Praxis, mit Milliarden im Rücken und mit hochbezahlten Anwälten auf Regierungsebene laschere Regeln für die eigenen Konzerne durchzuboxen.

In diesem Sinne muss ich dem grünen EU-Abgeordneten Daniel Freund teilweise recht geben, wenn er laut Medien sagt, dass „Unternehmen aus der Tech-Branche oder der Industrie Millionenbeträge für die politische Interessenvertretung aufwenden können“, während die Budgets von NGOs eine derartige Präsenz häufig nicht möglich machen würden. In diesem Beitrag auf X tritt er auch der Darstellung der WamS bezüglich einer angeblichen Geheimhaltung teilweise entgegen.

Wir sind „die Guten“!

Prinzipiell sollte aber, wie gesagt, endlich darauf verzichtet werden, staatlich geförderte Gruppen als „unabhängige Zivilgesellschaft“ zu bezeichnen. Transparenz ist von allen Lobbygruppen einzufordern. Erhebliches Misstrauen sollte außerdem entstehen, wenn sich politische Akteure selber als „die Guten“ einordnen, und damit dann erzieherisches Verhalten rechtfertigen wollen.

Titelbild: metamorworks / Shutterstock