Geopolitik der Macht: Brasilien zwischen China und den USA

Geopolitik der Macht: Brasilien zwischen China und den USA

Geopolitik der Macht: Brasilien zwischen China und den USA

Ein Artikel von Alejandro Marcó del Pont

US-Präsident Trump droht Brasilien mit Importzöllen in Höhe von 50 Prozent. Er ignoriert dabei aber zwei Realitäten: Die brasilianische Wirtschaft ist widerstandsfähiger, als es scheint, mit China als Rückhalt. Und die BRICS-Staaten sind kein marginaler Club mehr, sondern ein wachsendes Gegengewicht zur von den USA angeführten internationalen Ordnung. Das selbstbewusste Auftreten Brasiliens kontrastiert dabei insbesondere mit der unterwürfigen Haltung der EU gegenüber der Trump-Regierung. Von Alejandro Marcó del Pont.

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Am 9. Juli kündigte US-Präsident Donald Trump einen Zoll von 50 Prozent auf brasilianische Importe an, der am 1. August in Kraft treten soll. Sollte diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt werden, wäre dies ein aggressiver Sprung gegenüber dem Grundzoll von zehn Prozent, den die USA im April, dem sogenannten Tag der Befreiung, verhängt hatten. Unter den Ländern, die entsprechende Briefe aus dem Weißen Haus erhielten, nimmt Brasilien eine Sonderstellung ein: Es ist das einzige Land, mit dem die USA seit 2009 einen durchgängigen Handelsüberschuss erzielt haben.

Doch damit war die Offensive nicht beendet. Das Büro des Handelsbeauftragten der USA leitete eine Untersuchung gemäß Abschnitt 301 des Handelsgesetzes von 1974 ein. Dieser berüchtigte Mechanismus wurde in der Vergangenheit zur Rechtfertigung von Strafmaßnahmen genutzt. Das erklärte Ziel war es, festzustellen, ob Brasilien im Handel mit den USA diskriminierend gehandelt hat. Dahinter verbarg sich jedoch eine umfassendere Agenda.

Trump drohte sogar, einen Zoll von zehn Prozent auf alle mit den BRICS verbundenen Länder auszuweiten, und warf dem Block vor, „anti-amerikanische Werte” zu befördern. Der Verweis, wenn auch vage, zielte direkt auf die Initiativen der Gruppe ab, ihre Abhängigkeit vom Dollar und vom SWIFT-System zu verringern.

Im Kern war Trumps Vorgehen gegen Brasilien nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern ein kalkulierter Schachzug, um das interne Gleichgewicht des südamerikanischen Landes neu zu konfigurieren. Durch den Schlag gegen Schlüsselsektoren – von der Industrie in São Paulo bis zur Agrarindustrie – wollte Washington den politischen Zusammenhalt Brasiliens zerstören und dessen Allianz mit den BRICS-Staaten schwächen. Diese Taktik ist nicht neu: Die USA haben Lateinamerika historisch gesehen immer als ihren Hinterhof behandelt, wenngleich Südamerika stets ein schwer zu fassendes Terrain war.

Brasilien mit seinen 215 Millionen Einwohnern, seiner 2,2 Billionen Dollar schweren Wirtschaft und Grenzen zu zehn der zwölf Länder der Region ist kein Akteur, den man ignorieren kann. Man verhandelt mit ihm oder man stellt sich ihm entgegen. Trump entschied sich für Letzteres.

Der Plan folgte einer mehrstufigen Logik. Zuerst kam der Druck über die Medien: Die Debatte wurde mit Warnungen vor einem „Zusammenbruch des Handels” und seinen angeblich verheerenden Folgen für Brasilien überschwemmt. Seltsamerweise wurden die Konsequenzen für die USA nie erwähnt, sollte Brasilien mit ähnlichen Zöllen reagieren. Ein vielsagendes Schweigen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Handelsüberschuss in den letzten 16 Jahren systematisch Washington zugutekam. Die Gleichung würde noch komplexer, wenn die BRICS-Staaten ins Spiel kämen.

Der zweite Schritt war, die internen Spaltungen auszunutzen. Die Zölle würden zwei Säulen der brasilianischen Wirtschaft direkt treffen: die Industrie in São Paulo, die traditionell pro-amerikanisch ist, und die zunehmend mit China verbundene Agrarindustrie. Beide Sektoren sind für die Beschäftigung und die Steuereinnahmen von zentraler Bedeutung. Die Idee war klar: einen Konflikt zwischen ihnen und der Regierung Lula zu provozieren und so ihre Position zu schwächen.

Schließlich noch die geostrategische Botschaft: Brasilien für seine Annäherung an die BRICS und vor allem für seine Beteiligung an Projekten zu bestrafen, die die Vorherrschaft des Dollars in Frage stellen.

Aber was würde passieren, wenn Brasilien beschließen würde, seinerseits Zölle in Höhe von 50 Prozent zu erheben? Die Folgen für die USA wären schwerwiegend. Im Jahr 2024 beliefen sich die US-Exporte nach Brasilien auf 49,671 Milliarden Dollar, die sich auf sensible Bereiche konzentrierten:

  • Flugzeuge (10 Milliarden US-Dollar). Boeing und andere Unternehmen würden in einem Schlüsselmarkt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
  • Kraftstoffe und Erdölderivate (8,57 Milliarden US-Dollar). US-Raffinerien wie Valero und Marathon sind vom brasilianischen Rohöl abhängig.
  • Maschinen und Technologie (5,87 Milliarden US-Dollar im Bereich Kernreaktoren, 4,42 Milliarden US-Dollar im Bereich elektronische Geräte). Unternehmen wie GE und Texas Instruments sähen ihre Lieferketten beeinträchtigt.
  • Pharmazeutische Industrie (2,47 Milliarden US-Dollar): US-amerikanische Labore importieren Wirkstoffe aus Brasilien.

Auch die digitalen Unternehmen würden nicht davonkommen. Amazon, Microsoft und Google könnten mit ihren Cloud- und E-Commerce-Aktivitäten in Brasilien mit regulatorischen Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert werden, insbesondere wenn Brasilien die Einführung von BRICS Pay, einem alternativen Zahlungssystem zu Visa und MasterCard, beschleunigt.

Die inflationäre Wirkung in den USA wäre unmittelbar. Brasilien liefert mehr als 50 Prozent des Orangensafts (637 Millionen Dollar) und 30 Prozent des Kaffees (1,9 Milliarden Dollar), die die US-Amerikaner konsumieren. Ein Anstieg der Preise für diese Grunderzeugnisse würde direkt an die Verbraucher weitergereicht werden. Die Schätzungen legen nahe, dass Zölle die Inflation in den USA um 2,3 Prozent erhöhen, wobei Brasilien 0,32 Prozentpunkte dazu beitragen würde. In Bezug auf die Beschäftigung würde der Verlust durch brasilianische Zölle bei rund 45.900 Arbeitsplätzen liegen, eine nicht zu vernachlässigende Zahl.

Der brasilianische Agrarsektor exportierte 2024 im Wert von zwölf Milliarden Dollar in die USA – eine beachtliche Summe, aber sie verblasst angesichts der 48,6 Milliarden Dollar, für die China allein Soja und Fleisch gekauft hat. Trumps Zölle träfen Produkte wie Kaffee, Rindfleisch, Orangensaft und Leder, aber die brasilianische Landwirtschaft hat ein Polster: den asiatischen Riesen.

Faktisch kam der Handelskrieg zwischen den USA und China Brasilien bereits zugute. Der Anteil Chinas an den brasilianischen Sojaexporten stieg von 46 Prozent im Jahr 2016 auf 76 im Jahr 2024. Sollte Washington versuchen, Brasilia zu strangulieren, ist Peking mehr als bereit, dies auszugleichen.

Die am wenigsten erwartete Auswirkung von Trumps Maßnahme war die vorübergehende Einigung der brasilianischen Wirtschaft. Der Industrieverband CNI, der traditionell den USA nahesteht, hat die Zölle offen kritisiert und sie als „politisch und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt” bezeichnet. Selbst Bolsonaros Verbündete sahen sich gezwungen, sich der Regierung Lula anzunähern, um eine gemeinsame Antwort zu koordinieren.

Das Paradox ist offensichtlich: Der Druck von außen hat die internen Spaltungen vorübergehend gemildert. Und statt Brasilien von den BRICS zu entfernen, hat er ihre Bedeutung gestärkt. Lula reagierte mit einer deutlichen Rede: „Die Welt will keinen Kaiser”, erklärte er und bekräftigte die Notwendigkeit, die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern.

Die wirkliche Angst Washingtons sind nicht die Zölle, sondern der allmähliche Niedergang des Dollars als Weltwährung. 2024 importierten die USA Waren im Wert von über 600 Milliarden Dollar aus den BRICS-Ländern. Ein Zoll von zehn Prozent auf diese Handelsströme würde ihre Unternehmen und Verbraucher jährlich zwischen 35 und 56 Milliarden Dollar kosten.

Der härteste Schlag würde aber von BRICS Pay kommen, einem blockchainbasierten digitalen Zahlungssystem, das SWIFT und damit die Dominanz des Dollars umgehen soll. Obwohl es noch keine globale Alternative ist, ist sein Potenzial enorm: Die BRICS-Staaten machen fast die Hälfte der Weltbevölkerung aus und haben ein BIP, das mit dem der G7 konkurriert.

Wenn es dem Block gelingt, dieses System zu verbreiten, wird der Dollar einen Teil seiner Hegemonie verlieren. Heute werden 88 Prozent der weltweiten Finanztransaktionen in Dollar abgewickelt. Wenn die BRICS diese Macht dezentralisieren, verlieren die USA eine ihrer wirksamsten Waffen: die Wirtschaftssanktionen.

Es ist möglich, dass Trump Brasilien unterschätzt hat. Es ist noch nicht klar, ob er es mit Zöllen unter Druck setzen kann, aber mit Sicherheit hat er zwei Realitäten ignoriert:

  1. Die brasilianische Wirtschaft ist widerstandsfähiger, als es scheint, mit China als Rückhalt.
  2. Die BRICS-Staaten sind kein marginaler Club mehr, sondern ein wachsendes Gegengewicht zur von den USA angeführten internationalen Ordnung.

Brasilien muss sich nicht zwischen Washington und Peking entscheiden. Seine Strategie muss pragmatisch sein: mit allen verhandeln, von keinem abhängig sein. Wie Lula sagte: „Brasilien gehört den Brasilianern.“ Und in einer multipolaren Welt ist das die einzige Losung, die zählt.

Der Artikel erschien bei El Tábano Economista – aus dem Spanischen übersetzt von Marta Andujo.

Titelbild: Shutterstock / hapelinium

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