Zwei renommierte Politikwissenschaftler fordern in einem Gastbeitrag in der FAZ, das höchst knappe Ergebnis der Bundestagswahl durch Neuauszählung zu überprüfen, da die aktuelle Bundesregierung bei korrekter Stimmenzählung möglicherweise gar keine Parlamentsmehrheit hätte. Dieser Schritt ist absolut überfällig – solange er nicht vollzogen ist, steht das aktuelle Parlament meiner Meinung nach unter schwerem Vorbehalt. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Professor Eckhard Jesse (TU Chemnitz) und Professor Uwe Wagschal (Universität Freiburg), zwei ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft, fordern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Neuauszählung der Bundestagswahl, da die aktuelle Bundesregierung bei korrekter Stimmenzählung möglicherweise gar keine Parlamentsmehrheit hätte. Eine Überprüfung sei „dringend geboten“. Sie schreiben:
„Die Politikwissenschaft und die Rechtswissenschaft verharren in merkwürdigem Schweigen. Doch geht es um das Vertrauen in den demokratischen Verfassungsstaat. Die zentrale Frage lautet, nicht nur für die Partei: Hat das BSW einen Stimmenanteil von fünf Prozent erreicht? Eine bundesweite Neuauszählung ist angesichts des knappen Ausgangs und vieler Ungereimtheiten nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend geboten. Sollte das Ergebnis für das BSW weiterhin unterhalb der Marge von fünf Prozent liegen, ist dessen Korrektheit über jeden Zweifel erhaben – Raum für Verschwörungsmythen bleibt dann nicht. Im anderen Fall wäre das Resultat mandatsrelevant. Das BSW zöge in den Bundestag ein, und die schwarz-rote Koalition verlöre ihre Mehrheit. Ob man das gut findet oder nicht: Einem akkuraten Auszählen gebührt jenseits aller anderen Erwägungen der Vorrang.“
Zwischenzeitlich habe das Bundesverfassungsgericht den Bundestag für die lange Untätigkeit bei der Wahlprüfung gerügt und der Bundestag habe immerhin Stellungnahmen aller Landeswahlleiter eingeholt, berichtet Norbert Häring. Das Bundesverfassungsgericht hatte demnach den Bundestag in seiner negativen Entscheidung über eine BSW-Verfassungsklage gemahnt, sich mit der Prüfung einer BSW-Beschwerde nicht zu lange Zeit zu lassen.
„Es besteht ein öffentliches Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments“
In einer Erklärung des BSW zu diesen erwähnten Stellungnahmen der Landeswahlleiter werde festgestellt, dass das Gericht seine Mahnung am 13. August – aus Anlass der ebenfalls negativen Entscheidung über den Einspruch eines Bürgers – zu einer sanften Rüge hochgestuft habe. Denn der Bundestag hatte erst am 26. Juni, kurz vor der Sommerpause, die Mitglieder des Wahlausschusses bestimmt, der sich mit dem BSW-Einspruch zu befassen hat. Das Gericht schrieb dazu laut Häring:
„Die Gründe dafür, dass der Bundestag die für die Wahlprüfung erforderlichen Schritte nicht unverzüglich nach seiner Konstituierung eingeleitet hat, erschließen sich nicht ohne Weiteres. (…) Es besteht ein öffentliches Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments. (…) Daher schließt das Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise eine Wahlprüfungsbeschwerde auch ohne vorangehende Entscheidung des Deutschen Bundestages nicht aus, wenn dieser über den Wahleinspruch nicht in angemessener Frist entscheidet.“
Das BSW teilt in der erwähnten Stellungnahme weiter mit:
„Wir sehen uns durch die Stellungnahmen der Wahlbehörden in unserem Wahleinspruch bestärkt. Keines unserer vorgebrachten Argumente wird durch die Erläuterungen der Landeswahlleiter entkräftet. Teilweise stärken sie unseren Wahleinspruch sogar. Die meisten Wahlleiter räumen ein, dass es Auszählungsfehler gab. Zum Teil wird sogar praktisch zugegeben, dass das amtliche Endergebnis nach wie vor offensichtliche Fehler enthält.“
Außerdem stellt das BSW laut Häring fest, dass es auch ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl weiterhin an Transparenz in Bezug auf die zwischen vorläufigem und endgültigem Endergebnis getätigten Korrekturen auf Wahlbezirksebene mangele. Von manchen Landeswahlleitern sei nicht einmal die Zahl der Wahlbezirke, in denen es zu Nachzählungen gekommen ist, bekannt gegeben worden. Insgesamt sieht sich das BSW in seinen Argumenten für die Notwendigkeit einer Neuauszählung von keinem der Landeswahlleiter widerlegt.
Als Sachverständiger, der das ebenso sehe, zitiere das BSW den bekannten Statistikprofessor Gerd Bosbach. Weitere Infos zur Debatte um die Neuauszählung und zum FAZ-Artikel finden sich etwa in diesem Beitrag auf X des BSW-EU-Abgeordenten Fabio De Masi.
Neuauszählung ist überfällig
Der Schritt der Neuauszählung der letzten Bundestagswahl ist angesichts der schweren Indizien für mandatsrelevante Unregelmäßigkeiten meiner Meinung nach überfällig.
Dass Grüne, die sich selber zum „Team Habeck“ zählen, auf die Forderung der Klärung der Unregelmäßigkeiten mit Hass und Hetze reagieren, könnte zusätzliche Motivation sein:
„Nein ihr seit raus und ihr bleibt draußen, wir brauchen keine Putin Arschlecker! #FCKBSW”
Titelbild: Alexandru Nika / Shutterstock
Wahlrecht absurd: Der Umgang mit dem BSW bleibt demokratiefeindlich und unfair
„Chancen sind da“ – O-Töne zum BSW-Einspruch gegen Ergebnisse der Bundestagswahl