Die JAPCC-Konferenzen der NATO befassen sich mit aktuellen Entwicklungen bei Konzeptionen der High-Tech-Kriegsführung. Diese Konferenz, bei der es um Kriegsvorbereitungen geht, verstößt gegen Artikel 26 Grundgesetz: Demzufolge sind Handlungen, die in der Absicht erfolgen, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verfassungswidrig. Gegen die kommende Konferenz in Essen ist Widerstand angekündigt. Von Bernhard Trautvetter.
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Vom 30. September bis zum 2. Oktober verhandeln einflussreiche Kräfte des militärisch-industriellen Komplexes auf der Konferenz Joint Air Power Competence Centre (JAPCC) in der für Großveranstaltungen ausgelegten Grugahalle in Essen über Krieg. Sie tun das unter dem Motto: „Die Zukunft der Luftüberlegenheit” – im englischen Titel der Einladung heißt es: „The Future of Air Superiority“.
Die JAPCC-Konferenzen der Kalkarer NATO-Strategieschmiede befassen sich mit aktuellen Entwicklungen für die Planung von Strategien beim verbundenen („joint“) Einsatz von Waffen und bei Konzeptionen der High-Tech-Kriegsführung. Die Luftwaffe gewinnt im Verbund mit Satelliten und Drohnen sowie Gleitflug- und Hyperschallraketen immer mehr an Bedeutung für das weit gefasste Kriegsgeschehen – nicht nur im zukünftigen Schlachtfeld, sondern auch im Cyberraum und in der psychologischen Kriegsführung. So berieten die Militärs auf ihrer Jahreskonferenz 2024 laut Tagungsmaterial über die Einsatzmöglichkeiten ihrer „Luft- und Raumfahrtstreitkräfte in der modernen Kriegsführung … für … Ziele auf dem Schlachtfeld.“
Ihr Begriff von ‚Schlachtfeld‘ umfasst nicht den Bereich zwischen Schützengräben, sondern den Lebensraum Erde generell. Das Konzept, das sie „Air-Land-Intergration”, kurz ›ALI‹ nennen, oder auch „Multi-Domain Operation“, verbindet Kampfhandlungen aller Waffengattungen: Es geht um die Überlegenheit beim Einsatz aller Angriffstechniken vom All aus, über die Luft, die Marine, das Heer und den Cyberraum.
„Zeit (…) kann bei Kriegsvorbereitungen noch entscheidender sein“
Der militärisch-industrielle Komplex, bestehend aus den Spitzen führender Rüstungskonzerne, der Armeeführungen und der Politik in NATO-Staaten, wird dieses Jahr in der Essener Strategiekonferenz eine besondere Aufwertung schon allein durch die Räumlichkeit genießen: Die Tagung findet dieses Jahr erstmals in der Grugahalle statt, wo laut Website u.a. bereits die Beatles, The Who, die Rolling Stones und Herbert Grönemeyer auftraten. Die Veranstalter schreiben dazu auf ihrer Konferenzwebsite:
„Um dem wachsenden Interesse gerecht zu werden, wird die Konferenz 2025 in der Grugahalle stattfinden, einem größeren und vielseitigeren Veranstaltungsraum, der neue Möglichkeiten für Teilnehmer, Sponsoren und Aussteller bietet.“ (Übersetzung: B.T.)
Laut Ankündigung auf der JAPCC-Website befasst sich die Konferenz dieses Jahr mit konkreten Abläufen bei der Vorbereitung von Kriegen:
„Zeit ist im Kriegsgeschehen ein ausschlaggebender Faktor, und (sie) kann bei Kriegsvorbereitungen noch entscheidender sein.“
Diese Konferenz, die sich mit Kriegsvorbereitungen befasst, verstößt gegen Artikel 26 Grundgesetz, dem zufolge Handlungen, die in der Absicht erfolgen, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verfassungswidrig sind.
Propaganda heißt jetzt „strategische Kommunikation“
Bereits 2014 hielten die Militärs in ihrer Tagungsunterlage Future Vector -2014- (S. 141) einen großen Krieg in Europa für wahrscheinlich; und auf Seite 70 ihrer Vorbereitungsmappe empfahlen sie dafür einen „angemessenen“ (‚appropriate‘) Mix nuklearer und konventioneller „Fähigkeiten“. Die Strategie umfasst also auch den Einsatz von nuklearen Arsenalen in Europa. Das wäre dann ein dritter Weltkrieg. Danach würde es Europa nicht mehr geben.
In ihrer 2015er-Konferenz berieten die Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes unter dem Thema „Strategic Communication”, wie sie eine maximale Unterstützung in der Öffentlichkeit durch Öffentlichkeitsarbeit erwirken können. Sie beklagten damals schon in ihrer Einladung, es gäbe Einheiten, die der NATO gegenüber feindlich eingestellt seien („entities hostile to NATO“) und die in der Bevölkerung erfolgreich Vorbehalte gegen Operationen der Militärs schüren. Damit könnte die Friedensbewegung gemeint sein, die seit ihrem Beginn in der Zeit Karl Liebknechts eine militärkritische Haltung verbreitet hat.
Falschaussagen von US-Präsident G. W. Bush zur Begründung des unprovozierten Angriffskrieges der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak hätten die NATO-Kritiker gestärkt (Tagungsmaterial von 2015, S. 44 f.). Bush hatte von Massenvernichtungswaffen gesprochen, die es allerdings im Irak gar nicht gab, wie die UNO-Waffeninspekteure erklärten. Die Autoren des Tagungsmaterials bedauerten, dass Bush versäumt hatte, von den Grausamkeiten der Staatsführung zu sprechen; dadurch hätte die öffentliche Unterstützung für den Krieg gelitten. Dass der Krieg ein Völkerrechtsbruch war, wurde im Konferenzdokument 2015 nicht thematisiert.
Die Propaganda für Krieg hat die NATO seither allerdings professionalisiert, sodass nun selbst die Stationierung hochgefährlicher Mittelstreckenraketen wie Dark Eagle nicht mehr auf den adäquat breiten Widerstand stößt, den die Stationierung der Offensivraketen vom Typ Pershing II noch vor 40 Jahren erfahren hatte.
Das Vorwort des bereits zitierten Tagungsmanuskripts der 2015er-Konferenz schrieb der JAPCC-Executive Director Generalleutnant Joachim Wundrak, der nach seiner ehrenhaften Verabschiedung mit großem Zapfenstreich in der 20. Legislaturperiode vier Jahre lang für die AfD im Bundestag saß. Dieser Zusammenhang wird von den Militärs ausgeblendet, um das Image der Bundeswehr nicht zu gefährden.
Sensationelle Gewinne für die Rüstungsschmieden
Für 2026 planen Militärstrategen, Rüstungsindustrielle und die Messe Essen, die JAPCC-Jahreskonferenz mit einer großen Eurodefense-Rüstungsmesse zu verbinden, für die die weiträumigen Messehallen ideal sind. Die Sponsoren der JAPCC-Konferenz werden ihre Möglichkeiten nutzen, weitere Milliarden für die Hochrüstung aus den Zeitenwende-Mitteln der NATO einzunehmen. Zu den aktuellen Sponsoren der JAPCC-Konferenz dieses Jahres zählen die größten Rüstungskonzerne der USA, auch jene für die Atomrüstung, sowie große Rüstungskonzerne weiterer NATO-Staaten, darunter Rheinmetall, Airbus Defense, Diehl, Hensoldt und der französische Atomkonzern Thales.
Diese Konzerne erzielen seit der ‚Zeitenwende‘-Rede von Olaf Scholz sensationelle Rekordgewinne, da sie die NATO-Anteile an der Eskalation der Spannungen im Vorfeld des Ukrainekrieges komplett übergehen und mit der Fake News, Russland sei überraschend und unprovoziert aus imperialistischen Gründen in den Krieg gezogen, operieren. Dies behaupten sie wider besseren Wissens, wie die JAPCC-Konferenz von 2014 andeutet und wie es die Aussagen von NATO-Generalsekretär Stoltenberg am 7. September 2023 im EU-Parlament explizit offenbarten, als er betonte, die NATO habe an der Stelle nicht nachgegeben; somit sei Russland in den Krieg gezogen.
Die Öffentlichkeit wird zudem dafür manipuliert, der Rekordhoch- und Atomrüstung unter Verweis auf die von Russland ausgehende Gefahr für die NATO zuzustimmen, obwohl die NATO lange schon mehr als die Hälfte aller Weltrüstungsausgaben verantwortet. Die Propaganda von der Gefahr aus dem Osten erzielt durch die Anwendung der strategischen Kommunikation immer wieder Erfolge, wie man zum Beispiel an den geringen Zahlen junger Menschen auf Friedensdemonstrationen sieht.
Konflikte mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag
Die Strategieschmiede JAPCC erhält Unterstützung aus dem Bundeshaushalt: Im Einzelplan 1403 des aktuellen Haushalts befindet sich der Posten ‚Deutscher Anteil JAPCC‘. Dadurch verstößt die Bundesregierung gegen das Friedensgebot des Grundgesetzes und gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag über die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Dort heißt es in Artikel 3:
„(1) …Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen. Sie erklären, daß auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten wird. Insbesondere gelten die Rechte und Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 für das vereinte Deutschland fort.
(2) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat in vollem Einvernehmen mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik am 30. August 1990 in Wien bei den Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa folgende Erklärung abgegeben: ‚Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich, die Streitkräfte des vereinten Deutschland innerhalb von drei bis vier Jahren auf eine Personalstärke von 370 000 Mann (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu reduzieren. Diese Reduzierung soll mit dem Inkrafttreten des ersten KSE-Vertrags beginnen. Im Rahmen dieser Gesamtobergrenze werden nicht mehr als 345 000 Mann den Land- und Luftstreitkräften angehören, die gemäß vereinbartem Mandat allein Gegenstand der Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa sind.
Die Bundesregierung sieht in ihrer Verpflichtung zur Reduzierung von Land- und Luftstreitkräften einen bedeutsamen deutschen Beitrag zur Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa. Sie geht davon aus, daß in Folgeverhandlungen auch die anderen Verhandlungsteilnehmer ihren Beitrag zur Festigung von Sicherheit und Stabilität in Europa, einschließlich Maßnahmen zur Begrenzung der Personalstärken, leisten werden. (…)“
Demo gegen die NATO-Konferenz in Essen
Für die Demonstration der Friedensbewegung, die für den Eröffnungstag der Konferenz am 30. September geplant ist (PDF), konnten die Friedenskräfte bisher Zusagen folgender Redner erhalten: Michael Müller (SPD, Bundesvorsitzender der Naturfreunde und Manifest-Mitautor), Karl Wilhelm Koch (Unabhängige Grüne Linke), Anne Rieger (Bundesausschuss Friedensratschlag) und Bernhard Trautvetter (Essener Friedensforum, Friedensversammlung Rhein-Ruhr).
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