Der Wandel in der UN-Generalversammlung

Der Wandel in der UN-Generalversammlung

Der Wandel in der UN-Generalversammlung

Ein Artikel von amerika21

Seit 33 Jahren spricht sich eine überwältigende Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten für die Beendigung der US-Blockade gegen Kuba aus. Doch gelockert wurde das Sanktionsregime nicht – im Gegenteil. Die USA, die sich selbst als Hüter der Demokratie verstehen, setzen sich mit ihrem Vetorecht Jahr für Jahr über den klaren Willen der Weltgemeinschaft hinweg. Da sich die Zustimmung bei den Abstimmungen kaum noch steigern lässt, lohnt ein Blick auf die Wortmeldungen der Delegationen: Das Lob für die kubanische Außenpolitik ist nicht länger zu überhören. Kubanische Ärzteteams in Krisenregionen, Vermittlung in Friedensprozessen, jahrzehntelanger Einsatz gegen die Apartheid – immer entschiedener bekennen sich Staaten, allen voran der Globale Süden, zur Solidarität mit Kuba. Von Kurt Terstegen.

Die USA wurden im Kontext der Blockadepolitik zunehmend isoliert, wie es die Debatten der Generalversammlung verdeutlichen. Denn während sich die Staaten in ihrer Ablehnung bereits 1992 einig waren, melden sie sich auch zunehmend zu Wort – allen voran der Globale Süden. Seit dem Ende der Militärdiktaturen haben sich die Redebeiträge lateinamerikanischer Staaten bis heute verdoppelt.[1]

Kritik an der kubanischen Regierung dominierte im Jahr 1992 die Debatte. Heute beschränkt sie sich auf die Delegation der USA. In der Generalversammlung von heute erfährt Kuba vor allem eines: Zustimmung. Bolivien, Nicaragua und Venezuela erklären die kubanische Revolution zum Vorbild für die eigene politische Führung.[2] „¡Que viva Fidel! ¡Que viva Cuba!” (Es lebe Fidel! Es lebe Kuba!) erklärte der Sprecher der bolivianischen Delegation im Jahr 2016.[3]

Die Solidarität wächst – auch in der direkten Nachbarschaft. Besonders die karibischen Nachbarinseln wehren sich auf internationaler Ebene gegen die Blockade und kritisieren die US-Politik. Von Havanna hingegen sprechen sie in den höchsten Tönen.[4] Die kubanische Auslandshilfe sei unerlässlich – ganz besonders im Gesundheitssektor und im bildungspolitischen Bereich.[5] Die Repräsentantin von Saint Kitts und Nevis berichtete im Jahr 2022 sogar von ihrer Augenoperation in Kuba.[6

Bereits 2010 erklärte die Vertreterin der Bahamas, die Entwicklung ihres Landes sei untrennbar mit der Zukunft Kubas verknüpft, und forderte im Namen der gesamten Region ein Ende der Blockade.[7] Während Washington auf militärische Macht setzt, setzt Kuba auf Solidarität und Internationalismus. Alphabetisierungskampagnen in über 30 Ländern, Tausende Medizinstipendien, Augenoperationen für über 2,5 Millionen Menschen – und das alles trotz einer grausamen Blockade.

Der ehemalige US-Außenpolitiker Lester Mallory sprach die Intention der Blockade ganz offen aus. Sie soll „Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung herbeiführen”[8]. Eine Blockade, die die kubanische Revolution seit über 60 Jahren zu Fall bringen soll – erfolglos. Dennoch trifft sie nahezu jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens in Kuba.

Ein Mangel an wichtigen Rohstoffen, Abhängigkeit von Importen in vielen industriellen Sektoren, die aufgrund der Sanktionen gegenüber Drittstaaten weitestgehend ausbleiben. Teure Preise, die weit über denen des Weltmarktes liegen, und ein Mangel an Produkten sind die spürbaren Konsequenzen für die kubanische Bevölkerung.

Kuba verfügt über eines der fortschrittlichsten Gesundheitssysteme Lateinamerikas, und doch fehlt es an Medikamenten, da die Blockade ihre Einfuhr verhindert. Der erzeugte Mangel an Kraftstoff führt zu langen Wartezeiten bei Bushaltestellen und verursacht Stromausfälle, da die alte Strominfrastruktur nicht erneuert werden kann – ebenso wie die maroden Straßen und die einsturzgefährdeten Gebäude.

Als ob das noch nicht genug wäre, unterstützen die USA zudem Destabilisierungskampagnen und dulden terroristische Gruppen auf ihrem Territorium. Besonders die 1970er- und 1990er-Jahre sind von Terroranschlägen, teilweise auch in Kenntnis der CIA, geprägt. 1976 verübte der Exilkubaner Luis Posada Carriles einen Bombenanschlag auf eine Maschine der Cubana Airlines. Verurteilt wurde er in den USA dafür allerdings nie.

Die UN-Mitgliedsstaaten verurteilen den durch die US-Blockade verursachten Schaden zunehmend deutlich. Es gibt kaum eine Rede, in der er nicht zur Sprache kommt. Im Zentrum vieler Wortmeldungen steht das Recht Kubas auf eine unabhängige, souveräne Entwicklung. Mehr und mehr wird die Debatte um die Blockade auch zur Debatte um Menschenrechte.[9]

Jedes Jahr legt Havanna einen Bericht vor, der die Menschenrechtsverletzungen durch die US-Blockade dokumentiert: totkranke Kinder, die wegen der Sanktionen keine angemessene Behandlung bekommen; Familien, die aufgrund der US-Reisebeschränkungen voneinander getrennt leben; alte Menschen, die zu Fuß laufen müssen, weil das Benzin fehlt. Ist das Demokratieförderung? Laut Washington schon.

Das sogenannte Helms-Burton-Gesetz aus dem Jahr 1996 erklärte, die Sanktionen zur Demokratieförderung weiter auszuweiten. In diesem Zusammenhang wurde die Blockade auch auf Drittstaaten ausgeweitet. Demnach dürfen US-Importe keine kubanischen Rohstoffe enthalten, und Staaten, die mit Kuba kooperieren, müssen Sanktionen fürchten: eine klare Einschränkung der Souveränität aller Staaten.

Schon im Jahr der Verabschiedung kritisierten zahlreiche Länder in der UN-Generalversammlung, darunter auch Südafrika, dass das Helms-Burton-Gesetz die Prinzipien des freien Handels und der UN-Charta offen missachte.[10] Selbst EU-Mitgliedsstaaten lehnen das Gesetz ab und verteidigen die kubanische Resolution gegen die Blockade – nicht zuletzt, weil auch europäische Unternehmen von US-Sanktionen betroffen sind.[11]

„Wir stehen in direktem Kontakt mit einem großen Teil der kubanischen Zivilgesellschaft und unterstützen das kubanische Volk dabei, seine eigene Zukunft selbst zu bestimmen.”[12] Diese Aussage des Vertreters der USA bei der 85. UN-Generalversammlung im Jahr 2021 wirkt geradezu zynisch, wenn man sich die offengelegten Ziele der Blockade anschaut.

Das Helms-Burton-Gesetz legt nämlich zusätzlich die Bedingungen für das Ende der Blockade fest. So müsste eine freie Marktwirtschaft, das Recht auf Privateigentum und eine Auszahlung der enteigneten Großgrundbesitzer erfolgen, damit die USA das Embargo aufheben. Es geht also um das Ende der Revolution.

Von einem Ende der kubanischen Revolution kann keine Rede sein – im Gegenteil. Trotz aller Schwierigkeiten schreitet Kuba weiter voran: ein russischer Technologiepark auf der Isla de la Juventud, weitere chinesische Investitionen, ein erfolgreiches Reisanbauprojekt mit Vietnam und Jahr für Jahr wachsender Zuspruch bei den Vereinten Nationen. Die Revolution geht weiter, getragen von internationaler Unterstützung und dem unbeugsamen Willen des kubanischen Volkes. Kuba ist nicht allein.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: Lev Radin / Shutterstock


[«1] Terstegen, K. (2024). Kubas Weg aus der internationalen Isolation: eine Analyse der Debatten zum US-Embargo in der UN-Generalversammlung (1992-2022) (Doctoral dissertation, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg). S. 36.

[«2] Ebd. S. 37

[«3] United Nations General Assembly (UNGA). (2016). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 71th Sess. 32th Meeting. A/71/PV.32 S. 10

[«4] Terstegen, K. (2024). S.36

[«5] Ebd.

[«6] United Nations General Assembly (UNGA). (2022). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 77th Sess. 28th Meeting. A/77/PV.28 S. 3

[«7] United Nations General Assembly (UNGA). (2010). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 65th Sess. 36th Meeting. A/65/PV.36 S. 4

[«8] Ebd. S. 19.

[«9] Terstegen, K. (2024). S. 32.

[«10] United Nations General Assembly (UNGA). (1996). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 52th Sess. 57th Meeting. A/51/PV.5 S. 13

[«11] United Nations General Assembly (UNGA). (2016). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 71th Sess. 32th Meeting. A/71/PV.32 S. 22 f.

[«12] United Nations General Assembly (UNGA). (2021). Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba, U.N. GAOR, 75th Sess. 85th Meeting. A/75/PV.85 S. 21

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