Die deutsche Luftwaffe muss „Siegfähigkeit“ mitbringen. Das sagte der Luftwaffenchef am Wochenende. In Frankreich meldet sich ein General zu Wort, der meinte: „Das Land muss bereit sein, seine Kinder zu verlieren.“ Und der Spiegel echauffiert sich in einem Leitartikel darüber, dass Trump seinen Friedensplan mit der „Brechstange durchsetzen“ will. Während hinter den Kulissen gerade über Frieden verhandelt wird, fokussiert man in Europa lieber auf Krieg. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
„Die Luftwaffe muss für den Verteidigungsfall auf Siegfähigkeit ausgerichtet werden“ – so lautet die Überschrift eines Spiegel-Interviews mit dem neuen Luftwaffeninspekteur Holger Neumann. Veröffentlicht wurde das Interview mit einem Foto, dass den Luftwaffenchef in Uniform vor einem Kampfjet stehend zeigt. Im Hintergrund sind Bäume und ein Haus zu sehen. Das Militär, visuell eingebettet nicht in ein Schlachtfeld, sondern in ein Stück Natur. An dieser Stelle geht das Problem schon los und springt einem förmlich aus der Überschrift in das Gesicht.
Da ist also die Rede von „Verteidigungsfall“ und von „Siegfähigkeit“.
Verteidigungsfall? Von welchem Verteidigungsfall ist hier die Rede? Wer soll einen NATO-Staat oder gar Deutschland angreifen? Wäre Journalismus bei einem solchen Interview handlungsleitend: Schon diese Fragen würden alles, was dann an Antworten zu erwarten ist, zum Zusammenstürzen bringen. Doch es geht weiter. Da ist auch von „Siegfähigkeit“ die Rede.
Siegfähigkeit? Was denn für eine Siegfähigkeit? Wer soll denn „besiegt“ werden?
Jeder, der das Gerede von der angestrebten deutschen Kriegstüchtigkeit mitbekommen hat, weiß, worum es geht. Natürlich geht es nicht um einen Angriff von Marokko oder darum, im Falle eines Angriffs von Thailand „siegfähig“ zu sein. Die Leinwand, auf der ein solches Interview gezeichnet wird, ist jene Leinwand, auf der auch die Mär vom „gefährlichen“ Russland zu finden ist.
Allein schon der Ausdruck „Siegfähigkeit“: Da gebraucht ein hochrangiger deutscher Militär einen Begriff, als ginge es um irgendein Spiel, bei dem man eben „verlieren“ oder „gewinnen“ kann. In Anbetracht des unermesslichen Leids, das Kriege mitbringen, „siegt“ bei einem Krieg niemand – auch nicht die deutsche Luftwaffe. Ist es denn von militärischen Verantwortungsträgern wirklich zu viel verlangt – nach all dem, was diese Welt an Kriegen gesehen hat –, zu erkennen, dass eine solche Sprache bereits den Weg in den Abgrund bedingen kann?
Im Wettlauf um den Feindbildaufbau liefern sich europäische Länder ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gerade stürmt Frankreich sogar etwas vor.
Das „Land muss bereit sein, seine Kinder zu verlieren“, sagte gerade der französische Generalstabschef im Hinblick auf einen möglichen Kriegsausbruch. Die Aussage sorgte für Empörung. Richtig so!
Auch hier wird die Sprache zum Zeugnis einer militärischen Denkweise, die unendlich viel Leid über diesen Planeten gebracht hat. Pathosgeschwängert spricht Fabien Mandon von einem „Land“, das „bereit“ sein müsse, „seine Kinder zu verlieren“.
Nur: Ein Land kann nichts verlieren. Menschen, Bürger, Mitbürger, die in einem Land leben, die können etwas verlieren – aber gewiss nicht ihre Kinder in einem Krieg, denn in einem Krieg werden keine Kinder „verloren“. Sondern: Auf Befehl der Politik werden im Kriegsfall Söhne und Töchter auf die Schlachtfelder geschickt, um zu kämpfen. Und diese Söhne und Töchter werden dann auf grauenvolle Weise ermordet. In so einem Fall haben Eltern nicht ihre Kinder „verloren“, sondern die Politik hat sie in den Tod geschickt.
Immerhin: Ein Teil der Bevölkerung und der Oppositionspolitik scheint das begriffen zu haben.
„Sind 51.000 Gedenkstätten für die Toten der Weltkriege in unseren Kommunen nicht genug?“, fragte etwa der linke Politiker Fabien Roussel in Frankreich. Das ist eine mehr als berechtigte Frage. Leider scheinen zu viele Funktionsträger vergessen zu haben, was es mit den Gedenkstätten für die Toten der Weltkriege auf sich hat.
Und da ist – mal wieder – auch der Spiegel. Gerade schreibt das Blatt in einem Leitartikel unter der Überschrift „Jetzt soll Europa für Trumps Probleme büßen“, dass der US-Präsident seinen 28 Punkte umfassenden Friedensplan „mit der Brechstange durchsetzen“ möchte.
Da geht die Zahl der getöteten, verstümmelten und traumatisierten Soldaten längst in die Millionen, und den Spiegel erzürnt es, dass ein Friedensplan mit Nachdruck forciert werden soll?
Das ist der Geist, der den Ukraine-Krieg, der mit einer echten Friedenspolitik niemals ausgebrochen wäre, erst hat entstehen lassen. In Europa fokussiert man lieber auf Krieg als auf Frieden – natürlich nur um des Friedens willen. Doch nein, so geht kein Frieden.
Titelbild: The Art of Pics/shutterstock.com





