Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenland
  2. Tarifeinheit verstößt gegen Grundgesetz
  3. Trotz Aufschwungs steigt die Armut
  4. Steuervermeidung und Steuerbetrugsbekämpfung – Hoffnung und Dornröschenschlaf
  5. Why Elizabeth Warren is declaring war on an obscure trade policy
  6. Hartz IV
  7. Eine Frage der Daseinsfürsorge
  8. Noch ein Genosse der Bosse
  9. Mehr Pfusch als früher
  10. Du kommst also aus dem Land, das unseren Propheten kränkt?
  11. Schuldenschnitt für 60.000 Kroaten
  12. Orwell 2.0
  13. Wie nah war der Verfassungsschutz den NSU-Mördern?
  14. Die Lüge von der Vereinbarkeit
  15. Führungsanspruch als Zitat
  16. Die Grünen: Parteiferne Anstiftung
  17. Paywall: Süddeutsche zieht im Internet Bezahlschranke hoch
  18. Die inszenierte Suchaktion

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenland
    1. “Ich kämpfe gegen dieses Troika-Regime und gegen diese ungeheuerliche nationale Arroganz!”
      Harald Schumann hat sich monatelang mit der Arbeit der Troika in den Euro-Krisenstaaten beschäftigt. Bei Jung & Naiv erklärt der Wirtschaftsjournalist, wie Troika-Beamte unkontrolliert arbeiten, wer von ihren Vorgaben profitiert und warum private in öffentliche Verschuldung umgewandelt wird. Ohne Schuldenschnitt macht es keinen Sinn, Griechenland neues Geld zu leihen, sagt (nicht nur) Schumann. (…)
      Dich hat der Erfolg der Arbeit der Troika interessiert?
      Man muss sich das so vorstellen: Da reisen Delegationen von Beamten aus drei verschiedenen Institutionen im Auftrag der Euro-Gruppe in diese Länder und überwachen dort die Regierungen und den Staatsapparat und sagen: Ihr müsst dieses und jenes tun, ihr müsst diese und jene Auflage erfüllen. Sie schreiben alle drei Monate Berichte darüber, mit langen Listen von noch zu erledigenden Aufgaben.
      Das Besondere an dieser Arbeitsweise ist, dass dort nicht-gewählte Beamte gewählten Regierungen sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben. Da wird ein grundlegendes Problem von demokratischer Berechtigung aufgeworfen: Ob die das überhaupt können und dürfen. Das Besondere an diesem Regime ist, man muss es wirklich eine Form von Regime nennen, dass diese Beamten niemanden rechenschaftspflichtig sind – außer den Finanzministern der Euro-Gruppe. Es gibt kein Parlament, das sie herbeizitieren und hinterher beschließen kann: Ihr dürft das und das tun und das dürft ihr nicht tun. Wir haben eine Gruppe von Beamten, die viel Macht ausüben, sich aber gegenüber keinem Parlament rechtfertigen und auch von dort keine Anweisungen entgegennehmen müssen. Übrigens werden sie auch von keinem Rechnungshof dahingehend kontrolliert, ob ihre Politik überhaupt sinnvoll ist und wirtschaftlichen Nutzen bringt oder Schaden. (…)
      Waren da keine deutschen Beamten dabei, die sagen: „Nö, bei uns würde das so auch nicht gehen!“?
      Doch. Zwei der drei Verhandlungsführer dieser drei Institutionen waren Deutsche. Für die EZB ein Mann namens Masuch und für die EU-Kommission ein Mann namens Mors.
      Die haben in den Ländern etwas durchgesetzt, was in Deutschland eigentlich undenkbar wäre?
      Ja, natürlich. Das mit dem Arbeitsmarkt ist nur ein Element. Ein anderes wichtiges Element: Sie haben in Griechenland durchgesetzt, dass die Ausgaben für das Gesundheitswesen insgesamt sechs Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes nicht überschreiten dürfen. Weißt du wie hoch das in Deutschland ist?
      Keine Ahnung.
      Zehn Prozent. Warum beschließen sie denn, dass es in Griechenland nur sechs Prozent sein dürfen? Mit welchem Recht?
      Quelle: Tilo Jung auf Krautreporter
    2. Populistische Stimmungsmache gegen Griechenland wächst
      Die heutige Abstimmung im Parlament über die “Griechenland-Hilfe” wird sie nicht beenden
      Eine ganz große Koalition stimmte am Freitag im Bundestag für die Verlängerung des sogenannten Hilfsprogramms für Griechenland. 542 Abgeordneten waren für den Antrag von Finanzminister Wolfgang Schäuble, das Programm, das morgen ausgelaufen wäre, bis Ende Juli zu verlängern. Dagegen waren 32 Mandatsträger; 13 enthielten sich. Die über 90prozentige Zustimmung zu dem Programm bedeutet aber nicht, dass es im Parlament eine große Einigung gäbe. Im Gegenteil: die Motivation bei den Abgeordneten, die zustimmten, war denkbar unterschiedlich.
      Dem großen Teil der Unionsabgeordneten ging es bei ihrer Zustimmung vor allem darum, die neue von der linkssozialdemokratischen Syriza-Regierung dominierte Regierung in das Korsett ihrer Austeritätspolitik zu zwängen und ihr und möglichen Nachahmern an der europäischen Peripherie deutlich zu machen, dass es in EU-Europa keine Alternative zum Troika-Diktat gibt. Es können höchstens die Namen der Institutionen geändert werden, die die ökonomischen Folterinstrumente vorzeigen. Für sie war das Wesentliche, dass die griechische Regierung nun zumindest formal die abgewählte Austeritätspolitik als Richtschnur ihrer Arbeit anerkannt hat.
      Der Wunsch, Griechenland weiter am Gängelband der Troika zu halten, hat verhindert, dass nicht noch mehr konservative Abgeordnete mit “Nein” zum Griechenlandpaket stimmten. Viele hoffen ganz offen, dass die derzeitige Regierung in Athen schnell scheitert und dann wieder eine EU-konforme Regierung an die Macht kommt. Das würde in der Union als großer Sieg der Demokratie, wie man sie dort versteht, gefeiert. Im Spiegel wurde die Stimmung im konservativen Lager so beschrieben:
      Das Misstrauen in die linksgeführte Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras ist enorm, der Ärger über die scharfen Töne aus Athen gegen das angebliche europäische Spardiktat groß. Die Zahl der CDU- und CSU-Abgeordneten, die den Griechen lieber heute als morgen den Geldhahn zudrehen wollen, wächst. “Das ist das letzte Mal” – diesen Satz hört man in diesen Tagen immer wieder von jenen, die sich noch mal zu einem Ja durchringen wollen.“ Wäre die FDP noch im Bundestag vertreten, wäre die Zahl der bürgerlichen Nein-Stimmen größer geworden. Noch in der alten Bundestagsfraktion gab es dort eine große Fraktion, die Griechenland aus dem Euro drängen wollte.
      Quelle: Telepolis
    3. ARD und ZDF machen unbeirrt weiter mit Fehlinformationen über Athen
      Als ich müde von der Arbeit nach Hause kam und gegen meine Gewohnheit schon die “Heute”-Nachrichten einschaltete, traute ich meinen Ohren nicht. Yanis Varoufakis habe damit geprahlt, dass die REFORMLISTE, die er nach Brüssel geschickt habe, absichtlich vage gewesen sei, um die Abstimmungen in den Parlamenten nicht zu gefährden. Eine Korrespondentin, Nicole Diekmann, berichtete das nochmal länglich aus Athen und dabei geizte nicht mit scharfsinniger, gehässiger Analyse. Daraufhin schaute ich mir um 20 Uhr auch noch die Tagesschau an. Dort, inhaltlich das Gleiche, wenn auch nicht so ausgeschmückt.
      Ich hatte den Tag über die Nachrichtenagenturen verfolgt und war im Glauben, Varoufakis habe gesagt, dass die VEINBARUNG MIT DER EUROGRUPPE, absichtlich vage gehalten worden sei, weil die Finanzminister das so wollten, um die Einigung zu Hause leichter verkaufen zu können.
      Vielleicht habe ich mich ja verlesen, und das Finanzministerium, über deren Sprecherin ich mich im vorangegangenen Blog mokiert habe, hat Varoufakis in etwas widersprochen, was dieser gar nicht gesagt hat. Also googelte ich nochmal, auf deutsch und auf englisch.
      Hier beispielhaft für viele Fundstellen auf Englisch, die alle unmissverständlich das Gleiche sagen, die griechische Enikos:
      “The Greek government’s agreement with the Eurogroup was intentionally vague because that is what the EU partners wanted in order to ensure that they would be able to ratify the deal in their parliaments, Finance Minister Yanis Varoufakis said on Friday. “We are very proud of the level of vaguenessness…[European] officials asked for abstract concepts in the text we delivered in order for them to receive parliamentary approval,” Varoufakis told ANT1 TV, adding that this is the reason no numbers were included in the Eurogroup deal.”
      Die Erklärung der Finanzminister wurde absichtlich auf Wunsch der Partner vage gehalten, sagte Varoufakis nach diesen Quellen.
      Sucht man auf deutsch, nach “Varoufakis”, “absichtlich”, “vage”, sieht es plötzlich ganz anders aus. Hier ein typisches Beispiel von vielen aus Focus online, erschienen schon vor der Bundestagsabstimmung:
      “Am Tag der Bundestagsabstimmung
      Varoufakis provoziert: Haben Reformliste absichtlich vage formuliert
      Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis ist sich der Zustimmung des Deutschen Bundestages offenbar so sicher, dass er die Geldgeber schon wieder provozieren kann. Die Reformliste, die sein Land nach Brüssel gesendet habe, sei absichtlich vage formuliert.”
      Quelle: Norbert Häring
    4. Syriza gewinnt Zeit und Raum
      Ist die griechische Linke vor der EU eingeknickt? Für ein endgültiges Urteil ist es zu früh. Doch eine alternative Lesart ist möglich.
      Wenn man den Schlagzeilen einiger Zeitungen glauben soll, sei also Athen vor den Forderungen der Eurogruppe in die Knie gegangen (La Repubblica) und mache bereits den Schritt zurück zur Fortsetzung der Austeritätspolitik (The Guardian). Auch nach Ansicht einiger führender Mitglieder der linken Fraktion von Syriza habe der Mut nicht weit gereicht, und die Selbstverleugnung habe schon begonnen …
      Die griechische Regierung hat tatsächlich „nachgegeben“, aber dies nur, um Zeit und Raum zu gewinnen. Das heißt, um der neu entstandenen Chance in Europa zu erlauben, bis zu den nächsten Terminen (darunter die Wahlen in Spanien) durchzuhalten, bis es auch den Vertretern der neuen Politik gelungen ist, mehr Raum zu erobern.
      Damit dieser Prozess an Kraft gewinnt, muss er sich in den kommenden Monaten auf verschiedenen Ebenen weiterentwickeln. Es braucht zur Stärkung der Autonomie soziale Kämpfe und Bürgerinitiativen, neue Verhaltensweisen und eine andere Geisteshaltung der Bevölkerungen, Aktionen der Regierungen und der zivilen Gegenmacht. Auch wenn wir anerkennen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, was Syriza derzeit unternimmt und was Podemos auf institutioneller Ebene zu tun beabsichtigt, müssen wir auch deren Grenzen betonen…
      Darum sind Mobilisierungen wie die Bewegung Blockupy aus Anlass der Einweihung des neuen EZB-Sitzes am 18. März in Frankfurt so wichtig. Das ist eine Gelegenheit, der Stimme des europäischen Volkes zur Unterstützung der griechischen Regierung Gehör zu verschaffen. Abgesehen von der unbedingt notwendigen Verurteilung des Finanzkapitals und der postdemokratischen Macht (Habermas) ist dies auch eine Bewährungsprobe für das Erstarken der alternativen Kräfte, ohne die alles Handeln von Regierungen und Parteien gegen die Austerität zur Ohnmacht verurteilt wäre.
      Quelle: Étienne Balibar, Sandro Mezzadra in der taz
  2. Tarifeinheit verstößt gegen Grundgesetz
    Das ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und Arbeitsministerin Andrea Nahles: Beim Tarifeinheitsgesetz dürfte in Karlsruhe Endstation sein. Jetzt soll es turbulente Tage zu den Plänen in Berlin geben.
    Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit wird nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages gegen das Grundgesetz verstoßen. Das Gesetz, über das am Donnerstag erstmals im Plenum beraten wird, stelle einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit dar, heißt es laut Berliner „Tagesspiegel“ (Montag) in der Expertise. Alles in allem seien verfassungsrechtliche Bedenken nicht von der Hand zu weisen. „Der Grundrechtseingriff dürfte nicht gerechtfertigt sein.“
    Quelle: Handelsblatt

    Dazu: Klatsche für die Regierung
    Rund fünf Jahren haben die Arbeitgeber dafür gekämpft, jetzt kommt das geplante Gesetzt über die Tarifeinheit in den Bundestag. Doch es gibt Gegenwind. Das Gesetz stellt einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit dar, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das dem Tagesspiegel vorliegt. Alles in allem seien verfassungsrechtliche Bedenken nicht von der Hand zu weisen (…), dieser Grundrechtseingriff dürfte nicht gerechtfertigt sein”. Am kommenden Donnerstag ist die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag. Die Regierung will künftig in Betrieben, wo mehrere Tarifverträge für identische Beschäftigtengruppen gelten, dem Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern Vorrang geben. Da dadurch aber die Möglichkeiten der kleineren Gewerkschaften erheblich eingeschränkt werden, sieht der Wissenschaftliche Dienst die Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 (3) Grundgesetz betroffen.
    Die BDA arbeitet seit fünf Jahren an einer gesetzlichen Regelung. Im Jahr 2010 hatte das Bundesarbeitsgericht das Prinzip der Tarifeinheit aufgegeben zugunsten der Tarifpluralität. In der Folge befürchten die Arbeitgeber, aber auch große Teile des DGB, dass sich Berufs- oder Spartengewerkschaften mit ihren speziellen Interessen bilden und es zunehmend zu Tarifkonflikten in den Betrieben kommt. Die Arbeitgeber sprechen in diesem Zusammenhang gerne und mit Blick auf Dauerstreiks in Großbritannien von englischen Verhältnissen. Dazu schreibt nun der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, für die befürchteten Überbietungswettbewerbe und eine Vervielfachung von Arbeitskämpfen fehlen empirische Hinweise. Göhner wiederum erklärt die ausbleibenden Arbeitskämpfe damit, dass sich potenziell neu auftretende Berufsgruppen und Spezialisten, etwas Werksfeuerwehren, noch zurückhielten und abwarteten, was der Gesetzgeber mache.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich, wie wenig Instinkt die SPD wie auch der DGB in dieser Frage an den Tag legen. Da mühte sich die Arbeitgeberseite bereits in schwarz/gelben Zeiten ab, dieses Gesetz zu bekommen, aber weder bei der SPD noch beim DGB schrillten wie früher ganz selbstverständlich die Alarmglocken. Früher wussten Arbeitnehmer und ihre Vertreter genau, wie mit den Wünschen der Arbeitgeber umzugehen war – mit größten Vorbehalten. Wie sich jetzt der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vor die Ministerin wirft, müsste eigentlich dieser und den DGB-Spitzen die Schamesröte in das Gesicht steigen.

  3. Trotz Aufschwungs steigt die Armut
    Immer mehr Bundesbürger gelten als arm. Wie passt das zum Aufschwung? Beschäftigungsforscher sagen: Der Boom war nur möglich, weil so viele in die Armut getrieben wurden
    Vollbeschäftigung ist nicht nur ein großes Wort, sondern auch ein großer Traum vieler Wirtschafts- und Sozialpolitiker. Vor ein paar Wochen erst träumte der Chef der Bundesagentur für Arbeit ganz laut davon. Für Frank-Jürgen Weise liegt die Vollbeschäftigung in Deutschland ganz nah. Schließlich staunen halb Europa und der Rest der Welt über das neue deutsche Jobwunder, das allen Krisen trotzt. Die Wirtschaft boomt, und die Beschäftigtenzahl nimmt von Jahr zu Jahr zu. 42,6 Millionen Menschen haben Arbeit, das ist Rekord.
    Und dann das: Nicht nur Bruttoinlandsprodukt und Einkommen steigen – sondern auch die Armutsquote, mahnt jetzt ein Bericht des Paritätischen Gesamtverbands. Mit 12,5 Millionen Menschen hierzulande gelten so viele als arm wie noch nie. Es sind 15,5 Prozent der Bevölkerung, die laut Bericht unterhalb der Armutsgrenze leben; und das im viertreichsten Land der Welt, das mit 5,4 Prozent zudem die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Europa hat. Nur im angeschlagenen Griechenland, in Bulgarien, Italien und Portugal leben noch mehr arme Menschen als hier.
    Wie passt das zusammen? Eine erste Erklärung ergibt sich aus der Statistik selbst: Als “arm” gelten per Definition all diejenigen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. In Deutschland ist das der Fall, so schlüsselt der Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes auf, wenn Alleinlebende weniger als 979 Euro im Monat zum Leben haben und ein Vier-Personenhaushalt weniger als 1.873 Euro.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Jetzt ist diese Erkenntnis von den Billigjobs auch bei der ZEIT angekommen, hurra. Und welche angebliche Qualitätszeitung hat Hartz IV, Lohnzurückhaltung für mehr Wettbewerbsfähigkeit und den Niedriglohnsektor mit herbeigeschrieben und schämt sich bis heute kein bisschen?
    Ganz armselig wird es übrigens dort, wo die “relative Armut” wieder einmal zum Statistikphänomen umgedeutet wird. Immerhin wird festgestellt, dass die Schlechtverdiener noch weniger bekommen als früher, also auch unter den Armen die Armut zugenommen hat. Im Übrigen ist eine Einzelperson in Hamburg, Köln, München, Stuttgart… mit 979 Euro netto im Monat einfach bettelarm, kaum in der Lage, eine Wohnung zu finden und kaum ausreichend ernährt.

    Anmerkung unseres Lesers M.: Leider etliche der üblichen Kommentare, die relative Armut gegen absolute Armut ausspielen, bzw. ‘reiche Arme’ gegen ‘Dritte-Welt-Arme’. Aktuell auch die gängige konservative Wahlkampfmelodie hier in Spanien, das vom ‘Modell Deutschland’ (und den G20) seinerseits als ‘modellhaft’ in bzw. nach seiner ‘Reform’ propagiert wird. Aktuell bedeutet dies, die deutsche Tendenz noch übertrumpfend, dass die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden stagniert bzw. zurückgeht, und nur 8% (!) aller neu geschaffenen Arbeitsplätze unbefristet und in Vollzeit sind. Die übrigen 92% sind prekär, befristet (z.T. wochenweise) und in Teilzeit.
    Bei aller berechtigten kritischen Analyse sog. Armutsindustrie, Armut ist und bleibt relativ und relativ im Rahmen des jeweiligen (speziell sozialstaatlichen) Gemeinwesens, und somit immer ein Problem der Verteilung bzw. Teilhabe (sozial, materiell, politisch), so dass mittels des relativen Armutskonzepts korrekterweise verdeutlicht wird, wie sich die Wohlstandsentwicklung verteilt und sich das Problem der Teilhabe entwickelt. Verteilte sich die Wohlstandsentwicklung gleichmäßig, bliebe auch der Anteil der relativ Armen und das Problem der Teilhabe gleich. Nimmt der Wohlstand zu, doch ungleichmäßig wie in letzter Zeit, so steigt der Anteil der relativ Armen, und ist diese Entwicklung für eine demokratisches und sozialstaatliches Gemeinwesen (der Teilhabe) sehr wohl ein grundsätzliches und kein Luxus-Problem.

  4. Steuervermeidung und Steuerbetrugsbekämpfung – Hoffnung und Dornröschenschlaf
    Bis vor kurzem waren die Bemühungen der Politik zur Bekämpfung von Steuervermeidung und –hinterziehung trotz der enormen Steuerausfälle eher als bescheiden einzustufen. Während die Offenlegung von Steuerdeals der Großkonzerne durch „Luxemburg-Leaks“ den Druck auf die Politik erhöht hat, die Gesetzgebung im Bereich der Gewinnsteuern und ihre Durchführung in Richtung einer gerechteren Verteilung der Steuerlast grundlegend zu überdenken, fehlt eine entsprechende Dynamik im Bereich der Umsatzsteuer. Hier also Hoffnung, dort Dornröschenschlaf.
    Offenlegung der Steuerdeals von Großkonzernen bringt frischen Wind in Steuervermeidungsdebatte
    Mit „Lux-Leaks“ sind die Steuertricks, die Deals und zahlreiche vertrauliche Geschäftsbeschreibungen der Kunden des Beratungshauses PWC öffentlich zugänglich gemacht worden. Willige Helfer dieser Deals sind einerseits die großen Steuerberatungskanzleien (die „Big Four“, also Deloitte, Ernst&Young, PwC und KPMG), die nicht nur den großen Konzernen wie Starbucks, Google, Apple, Amazon etc helfen Steuern vermeiden. Mit im Spiel der aggressiven Steuerplanung sind andererseits auch die nationalen Steuerbehörden (vor allem in Luxemburg, Irland, Niederlande), die mit „tax rulings“ die Steuerminimierung ermöglichen.
    Die Großkonzerne machen in Europa Milliardenumsätze und zahlen dafür niedrige bis gegen Null tendierende Gewinnsteuern. Die Kommission prüft nun – spät, aber doch – in allen Mitgliedstaaten die Praxis derartiger Steuervorentscheidungen. Mit höchster Dringlichkeit, heißt es. Es besteht nämlich der Verdacht, dass diese nicht nur der Rechtssicherheit dienen, sondern zum Vorteil von Großkonzernen missbraucht worden sind.
    Glasnost für Steuerdeals ist also angesagt. Ein Untersuchungsausschuss im Europäischen Parlament wurde aber von den Mehrheitsfraktionen verhindert.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
  5. Why Elizabeth Warren is declaring war on an obscure trade policy
    Populist crusader Massachusetts Sen. Elizabeth Warren has picked her next big fight, and this one could create real problems for the Obama Administration.
    Her beef is with a piece of the massive Trans-Pacific Partnership trade deal that the Obama Administration is promoting. It’s called investor-state dispute settlement, and it gives a foreign corporation the power to fight a government outside of the normal judicial system.
    “The name may sound mild, but don’t be fooled,” Warren wrote in a Washington Post op-ed. “Agreeing to ISDS in this enormous new treaty would tilt the playing field in the United States further in favor of big multinational corporations. Worse, it would undermine U.S. sovereignty.”
    Quelle: Vox
  6. Hartz IV
    1. Immer weniger Hartz-IV-Bezieher schaffen es
      Nur einer Minderheit gelingt der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt
      Die Zahl der Hartz-IV-Bezieher, die einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt finden, ist seit Jahren rückläufig.
      Als Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im vergangenen November ein »Paket gegen Langzeitarbeitslosigkeit« für 2015 ankündigte, da zeigten sich Medien, Opposition und Sozialverbände skeptisch. Zu klein das Budget, zu groß das Problem. Dabei ist das Problem offenbar noch größer, als bislang angenommen. Dies geht aus den entsprechenden Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, die die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (LINKE) bei der Behörde abgefragt hatte. Die Statistiken, die dem »nd« vorliegen, machen deutlich, dass viele Betroffene aus der behördlichen Erfassung verschwinden, ohne eine Arbeit aufzunehmen. 2014 ging demnach über die Hälfte derer, die ihre Langzeitarbeitslosigkeit beendeten, in die »Nichterwerbstätigkeit«, also etwa in die Rente. Nur rund jeder achte Betroffene schied aus der Statistik aus, weil er eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt fand. Da die Statistik jene nicht mitzählt, die Maßnahmen durchlaufen oder krank geschrieben sind, in den vergangenen Jahren betraf das zwischen 600 000 und 700 000 Menschen, wird das Zahlenwerk vollends unübersichtlich. Ihr Anteil an den Zugängen liegt konstant um die 45 Prozent. Somit ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen größer als die offiziell verlautbarte eine Million.
      Quelle: neues deutschland
    2. Langzeitarbeitslose: Wer sich engagiert, wird bestraft
      Aktueller Hinweis der Redaktion: Uns erreichen über Telefon, E-Mail und Facebook viele Reaktionen auf den Bericht über Jessica und Rosa, die beiden Frauen, denen das Jobcenter die Leistungen gestrichen haben, nachdem sie eine Ausbildung begonnen haben. Viele Zuschauer wollen den beiden helfen. Das freut uns, aber wir können die Kontaktdaten von Jessica und Rosa natürlich nicht veröffentlichen. Wer also helfen möchte, egal ob mit Rat oder Geld, der schreibe uns bitte eine E-Mail an [email protected], Betreff: “Jobcenter”. Wir melden uns zurück!
      Georg Restle: „Zunächst zu der Erfolgszahl des Tages – 3,02 Millionen. Das ist der niedrigste Arbeitslosenstand in einem Februar seit 1991. Klingt toll, was aber nicht erzählt wird, es ist eine verlogene Statistik. Kranke, Alte, Ein-Euro-Jobber, sie alle tauchen darin nämlich nicht auf. Insgesamt beziehen über 6 Millionen Menschen in Deutschland Sozialleistungen. Und viele von ihnen würden alles dafür tun, um aus dieser Armut herauszukommen. Aber wehe, sie engagieren sich zu viel oder kümmern sich sogar um einen Berufsabschluss. Dann nämlich droht ihnen alles genommen zu werden – Hartz IV machts möglich. Dorothe Dörholt und Achim Pollmeier haben zwei Frauen getroffen, die das gerade bitter erfahren müssen.“
      Das ist die Geschichte von Jessica und Rosa. Zwei Frauen, die viel gemeinsam haben. Beide sind alleinerziehend, beide waren jahrelang arbeitslos, in Hartz IV. Und beide machen jetzt ihre erste Ausbildung. Masseurin, um danach Physiotherapeutin zu werden. Ein festes Ziel.
      Quelle: Monitor
    3. In der Transferfalle
      Immer weniger staatliche Förderung des Einstiegs ins Erwerbsleben. ARD-Bericht: Wer Ausbildung anfängt, wird mit Streichung von Hartz IV bestraft
      Zehn Jahre nach dem »Rekordhoch« vom 1. März 2005 konnte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag ein neues »Rekordtief« bei den Erwerbslosenzahlen vermelden. »Nur« noch 3,017 Millionen Menschen waren offiziell als arbeitslos registriert. Am 1. März 2005 waren es 5,216 Millionen gewesen, so viele wie noch nie seit dem Kriegsende. Wie Arbeitsmarktforscher später ermittelten, waren damals sogar 6,267 Millionen Personen ohne Job.
      Die aktuellen Zahlen rechnet sich die Politik weiter als Erfolg an – insbesondere die SPD verweist gern auf die unter ihrer Führung vor zehn Jahren in Kraft gesetzten Hartz-Gesetze. Deren offizieller Slogan lautete: fördern und fordern. Die »aktivierende« Wirkung der damaligen »Reformen« war in der Tat durchschlagend, betrachtet man nur die amtliche Statistik: Die Zahl der als erwerbstätig eingestuften Menschen ist mit 42,5 Millionen so hoch wie noch nie. Allerdings werden in dieser Statistik auch all jene mitgezählt, die sich in geförderten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen befinden. Außerdem wird den Erwerbstätigen jeder zugeordnet, der mehr als eine Wochenstunde (!) eine entlohnte Tätigkeit ausübt. Wenn nach wie vor mehr als sechs Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen beziehen, dann ist das ein Beleg dafür, dass viele von ihrer Berufstätigkeit nicht leben können. Vieles spricht außerdem dafür, dass eine große Zahl von Menschen ihren Anspruch auf Transferzahlungen nicht wahrnehmen – auch, weil sie die immensen bürokratischen Hürden fürchten.
      Quelle: junge Welt
    4. Gierige Anwälte – Das Geschäft mit Hartz IV
      Anwälte gibt es wie Sand am Meer. Manche unter ihnen scheinen gesichtslos, immer auf der Suche nach dem schnellen Geld. Eine Methode: Gegen jeden Hartz-IV-Bescheid vorgehen. Denn das Wort Widerspruch ist schnell geschrieben und an die Behörde gefaxt. Mit so einem Anwalt sieht sich Wilfried Reihl vom Jobcenter Gifhorn konfrontiert: Eines Morgens kamen 630 Widersprüche durch sein Fax. Sie kamen alle von von ein und demselben Rechtsanwalt. Seit dem überflutet er die Behörde der Kleinstadt mit mehreren Tausend Widersprüchen Jahr für Jahr.
      Quelle: plusminus

      Anmerkung WL: Siehe dazu allerdings „Helga Spindler: Polemik gegen „Hartz IV-Anwälte“ diskreditiert die Durchsetzung sozialer Rechte hier und hier.

  7. Eine Frage der Daseinsfürsorge
    Wenn die Lokführer streiken, schimpfen alle auf die Gewerkschaften. Aber warum nicht auf den Staat? Der wäre eigentlich zuständig.
    Vor einigen Tagen bin ich mit dem Auto von Berlin nach München gefahren. Stellenweise herrschte Nebel, in Franken lag noch ziemlich viel Schnee. Glatteisgefahr. Nicht angenehm, aber die Lokführer hatten mal wieder mit Streiks gedroht. Dann fügt man sich halt seufzend ins Unvermeidliche und schimpft abends auf die Gewerkschaft.
    Wieso schimpft eigentlich niemand auf den Staat? Ist doch sonst ein beliebtes Thema. Und der wäre in diesem Fall auch die richtige Adresse für Unmutsäußerungen.
    Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hat erklärt, die Tarifautonomie in Deutschland sei ein „hohes Gut“, sie sollte seiner Ansicht nach „allerdings nicht zu Lasten der Daseinsvorsorge ausgenutzt werden“. Er meinte damit, dass viele Pendler auf die Bahn angewiesen sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Wer es ernst meine mit der Entwicklung des ländlichen Raums, so Schmidt, der dürfe „die Pendler nicht auf den Bahnsteigen stehen lassen.“
    Recht hat er. Aber was will der Minister uns damit sagen? Was immer die Aufgabe von Gewerkschaften ist: Die Entwicklung des ländlichen Raums gehört nicht dazu. „Daseinsvorsorge“ übrigens auch nicht. Würden sich Gewerkschaften – weil sie einfach nett sein wollten – darum kümmern, dann könnte man ihnen die Verschwendung von Mitgliedsbeiträgen vorwerfen.
    Quelle: taz
  8. Noch ein Genosse der Bosse
    Eine von Sigmar Gabriel einberufene Kommission will große Teile der Infrastruktur privatisieren. Ist das Werbung für seine Kanzlerschaft?
    Geht es nach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), werden große Teile der Infrastruktur in Deutschland privatisiert. Um diese öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) durchzusetzen, hat Gabriel im Sommer 2014 eine Expertenkommission eingesetzt. Der taz liegt nun der Entwurf des Abschlussberichts der Gabriel-Kommission in Auszügen vor.
    Weil die Werbedarstellung von ÖPP als effizientes und kostengünstiges Modell nicht mehr überzeugend wirkt – alle Rechnungshöfe kritisieren das Instrument als für die Steuerzahler extrem nachteilig –, möchte Gabriel das Vorhaben verschleiern. Gegenüber der taz weigerte sich sein Ministerium im Dezember, Fragen zu beantworten, warum er ÖPP fördern will. Bei diesen Modellen profitierten bislang fast nur die beteiligten Konzerne.
    Der Entwurf belegt nun, dass Gabriel die Schaffung einer „Bundes-Autobahnen Infrastrukturgesellschaft“ anschieben will. Diese soll „sämtliche Kompetenzen im Bereich der Straßeninfrastruktur in einer Hand bündeln und verfügt über Schnittstellen zu Staat und Bauwirtschaft sowie privaten Anlegern“. Es gehe dabei um eine „konsequente Umsetzung einer Nutzerfinanzierung“ durch Mautgebühren – die Autofahrer sollen für die Autobahnen zahlen. Der Vorteil liege für die Investoren in „lang laufenden Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger“.
    Gabriel möchte den Versicherungskonzernen, die in seiner Kommission prominent vertreten sind, in Zeiten niedriger Zinsen Anlagemöglichkeit verschaffen. Die hocken auf rund 1,4 Billionen Euro. Deswegen ist Gabriel bereit, die Infrastruktur in Form von Anlageprodukten zu veräußern. Über dieses Modell will er den bestehenden Investitionsstau verringern. Der wird im Bericht auf 7,3 Milliarden Euro geschätzt. Allein der Bedarf für die Bundesfernstraßen wird auf jährlich 1,3 Milliarden Euro beziffert.
    Quelle: taz

    Anmerkung CR: Auch das hat Herr Gabriel offenbar von Gerhard Schröder gelernt: Die Nähe zu Versicherungskonzernen.
    Die NachDenkSeiten haben sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch zu den PPP-Projekten geäußert; hier lediglich drei Beispiele:

    1. Irrweg PPP – eine Kampagne von attac
    2. PPP und andere Grausamkeinten: Schauen Sie Ihren Kommunalpolitikern/innen auf die Finger!
    3. Die Aushebelung von Grundrechten durch die Übertragung staatlicher Leistungen auf Private im Rahmen der PPP
  9. Mehr Pfusch als früher
    Elektrogeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke gehen schneller kaputt als noch vor einigen Jahren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Umweltbundesamt (UBA) in Kooperation mit dem Öko-Institut am Sonntag veröffentlich hat. Demnach hat sich der Anteil von Haushaltsgroßgeräten, die innerhalb von fünf Jahren defekt sind, von 2004 bis 2012 mehr als verdoppelt. Das Fazit: Es gibt zwei Ursachen für den Austausch von Geräten. Die eine liegt beim Kunden selbst. “Heute werden mehr Elektro- und Elektronikgeräte ersetzt, obwohl sie noch gut funktionieren”, sagt Rainer Grießhammer vom Öko-Institut. Verantwortlich dafür seien häufig Technologiesprünge, etwa bei Fernsehgeräten. Verbraucher kaufen sich einen größeren Apparat oder einen mit höherer Auflösung oder mehr Funktionen, obwohl der alte keinen Defekt hat. Laut der Studie wurden im Jahr 2012 mehr als 60 Prozent der – funktionierenden – Flachbildfernseher durch ein neueres Gerät ersetzt. Das ersetzte Gerät war dabei im Schnitt fünfeinhalb Jahre alt. Die durchschnittliche Erstnutzungsdauer bei Röhrenfernsehern lag dagegen zwischen 2005 und 2012 noch zwischen zehn und zwölf Jahren.
    Doch nicht immer ist der Konsument schuld. Der zweite Grund für den Neukauf sind Probleme mit dem Gerät. “Wir stellen fest, dass der Anteil der Haushaltsgroßgeräte, die nicht mal fünf Jahre durchhalten und aufgrund eines Defekts ausgetauscht werden müssen, angestiegen ist”, sagt Grießhammer. Und zwar von dreieinhalb Prozent im Jahr 2004 auf gut acht Prozent im Jahr 2012. Durchschnittlich 13 Jahre sind Haushaltsgroßgeräte heute in Benutzung – im Jahr 2004 waren es noch gut 14 Jahre. – Inwieweit geplante Obsoleszenz – also der gezielte Einbau von Schwachstellen seitens der Hersteller in die Geräte – für die kürzere Nutzungsdauer verantwortlich sein könnte, wollen Umweltbundesamt und Öko-Institut im zweiten Teil der Studie klären. Die Ergebnisse sollen gegen Ende des Jahres veröffentlicht werden.
    Quelle: taz
  10. Du kommst also aus dem Land, das unseren Propheten kränkt?
    Die Attentate von Kopenhagen wurden in einem Land verübt, dessen Einwanderungspolitik seit fünfzehn Jahren immer restriktiver wird. Im Mutterland der Mohammed-Karikaturen löst sich dabei die Grenze zwischen Satire und Hetze auf. – Dänische PolitikerInnen gehörten zu den schlimmsten Demagoginnen und Hetzern in Europa, sagt Carsten Jensen. Die Politik Kopenhagens sei «zwei Jahrzehnte lang zielgerichtet auf eine Konfrontation zugesteuert». Wenn ein Land nach einer Ansteckungsquelle für den einheimischen Terrorismus suche, dann müsse es erst einmal bei sich selbst anfangen, fordert der Schriftsteller. … Die Politik, die Dänemark betrieben habe und immer noch betreibe, sowie das Klima, das dadurch im Land entstanden sei, hätten nun einmal einen Preis, gibt der Journalist Ellegaard zu bedenken. Offenbar vermöge für einen «marginalisierten Muslim» etwa der IS eine Perspektive zu bieten. Es ist deshalb vermutlich kein Zufall, dass laut der dänischen Sicherheitspolizei aus Dänemark (zusammen mit Belgien) im Verhältnis zur Bevölkerung am meisten Staatsbürger als IS-Kämpfer nach Syrien und in den Irak gezogen sind. Auch Omar Abdel Hamid el-Hussein scheint sich – nach seinen Äusserungen in sozialen Medien zu schliessen – als eine Art IS-Kämpfer gefühlt zu haben.
    Quelle: WOZ

    Dazu: Dänemark nach dem Terror
    Regierung setzt auf teures Antiterrorpaket, die rechte “Dänische Volkspartei” ist im Aufwind
    Letzte Woche wurde unter großer Anteilnahme Finn Nørgaard begraben, der Filmemacher, der am 14. Februar von dem palästinensischstämmigen Attentäter Omar Abdel Hamid El-Hussein in dem Kopenhager Kulturzentrum Krudttønden erschossen wurde (Kopenhagen: Anschlag auf Meinungsfreiheitskonferenz [3. Update]).
    Nach der Trauerphase wendet sich Dänemark nun der Sicherheitspolitik zu. Sowohl die rechte “Dänische Volkspartei” wächst an Popularität wie die sozialdemokratische Premierministerin Helle Thorning-Schmidt. Doch Mängel an den Sicherheitsvorkehrungen vor Krudttønden könnten zum großen Thema werden.
    Ein 970 Millionen dänische Kronen (rund 130 Millionen Euro) teures Maßnahmenpacket gegen den Terror hat die Regierung bereits entworfen. Von der Summe sollen 450 Millionen Kronen für das Aufspüren und Analysieren von möglichen terroristischen Bedrohungen aus dem Ausland ausgegeben werden. Auch würden jüdische Einrichtungen und Menschen besser geschützt, der vermutliche Täter erschoss einen Wachmann vor einer Synagoge.
    Noch im Januar, vor dem Anschlag, wurden hauptsächlich vorbeugende Maßnahmen von fast allen Parteien verabschiedet, die auf allein 8,1 Millionen Euro veranschlagt worden waren (PegidaDK – nicht weit weg vom “Mainstream”). Für Diskussionsstoff sorgen noch die 150 aus Dänemark ausgereisten Personen, die für den Islamischen Staat in Syrien und Irak kämpfen: Was soll bei ihrer Rückkehr mit ihnen geschehen?
    Bislang scheint es so, dass die rechte “Dänische Volkspartei” aus der derzeitigen Verunsicherung politisches Kapital schlagen kann. In aktuellen Umfragen liegt sie bei 21,7 Prozent, bei der Parlamentswahl 2011 erzielte sie lediglich 12,3 Prozent. Die Sozialdemokraten stehen gerade mal 22 Prozent – die Beliebtheit der Premierministerin strahlt nicht auf die Partei aus.
    Quelle: Telepolis

  11. Schuldenschnitt für 60.000 Kroaten
    Kritisch beäugt von ausländischen Kommentatoren entschuldet Kroatien seine ärmsten Bürger
    Wie der sozialdemokratische Premier, Zoran Milanovic, erklärte, könne man mit der Anfang Februar angelaufenen Entschuldungsaktion “Zehn von Tausend” kroatischen Familien helfen. Das Programm wurde mit Banken, Steuerbehörden, staatlichen Unternehmen und Telekommunikationsanbietern ausgehandelt. Rund 27 Millionen Euro an privaten Verbindlichkeiten dürften gestrichen werden. Das ist allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
    Agenturberichten zufolge können kroatische Bürger bis Mai einen Erlass ihrer Schulden beantragen. In den Genuss der Aktion “Neuer Anfang” sollen Bürger kommen, deren Konten seit über einem Jahr gesperrt sind. Die Schulden dürfen nicht mehr als 35.000 Kuna (ca. 4.550 EUR) betragen und das Monatseinkommen nicht höher als 2.500 Kuna (ca. 325 EUR) liegen. Es dürfe kein Vermögen zur Begleichung der Verbindlichkeiten vorhanden sein.
    Der Schuldenschnitt wurde von der Regierung mit Banken, Kommunen, staatlichen Unternehmen, Steuerbehörden und Telekommunikationsunternehmen ausgehandelt. Bis zu 27.3 Millionen Euro könnten gestrichen werden. Im Vergleich zu den Gesamtschulden der Kroaten ist dieser Betrag allerdings verschwindend niedrig. Insgesamt werden die privaten Verbindlichkeiten der Kroaten auf etwa vier Milliarden Euro geschätzt, berichtet die österreichische Nachrichtenagentur APA. Weitere 260.000 Privatkonten blieben weiterhin gesperrt, zumal ihre Inhaber die Voraussetzungen für einen Schuldenschnitt nicht erfüllen würden.
    Quelle: Brigitte Zarzer auf Telepolis
  12. Orwell 2.0
    1. Der Neoliberalismus, das Internet und wir – Pathologien der Freiheit
      “Pathologien der Freiheit” zeichnet den kritischen Netzdiskurs nach – von den 1980er-Jahren bis heute – und zeigt, wie im zweiten Anlauf aus der Asche der Dot.com-Krise und der Twin Towers das neoliberale Internet entsteht, in dem Staaten, Geheimdienste und Unternehmen vor allem Kalkulierbarkeit und Kontrolle der Individuen anstreben. Erfüllt sich hier eine Befürchtung des französischen Philosophen Michel Foucault? Der warnte bereits in den 1970er-Jahren vor einer Gesellschaft, die auf den “homo economicus” baut, ein Subjekt, das sich gezwungen sieht, sich ständig selbst zu optimieren und sich dabei in einer “Freiheitsfalle” verheddert.
      Quelle 1: WDR Dok 5 (dort auch das Manuskript zur Sendung zum Download)
      Quelle 2: Podcast
    2. Verfassungsschutz setzt „stille SMS“ ein
      Der Verfassungsschutz möchte in Zukunft vermehrt „stille SMS“. Die sind umstritten, da damit Telefone geortet und Bewegungsprofile erstellt werden können.
      Der Verfassungsschutz greift zur Überwachung verdächtiger Personen immer stärker auf eine heimliche Handy-Ortung zurück. Im zweiten Halbjahr 2014 versendete der deutsche Inlandsgeheimdienst rund 142.000 sogenannte „stille SMS“ an die Mobiltelefone von Verdächtigen und damit fast drei Mal so viele wie in den ersten sechs Monaten. Dies geht aus einer Reuters vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken-Abgeordneten Andrej Hunko und Jan Korte hervor, aus der zuvor der „Spiegel“ aus seiner neuen Ausgabe berichtet hatte. Das Bundeskriminalamt (BKA) mit knapp 27.000 solcher SMS-Überwachungen und die Bundespolizei mit rund 39.500 fuhren ihre Aktivitäten in diesem Bereich hingegen zurück.
      Quelle: Handelsblatt
  13. Wie nah war der Verfassungsschutz den NSU-Mördern?
    Die Aufklärung des NSU-Mordes in einem Kasseler Internetcafé 2006 könnte viele offene Fragen zur Terrorserie beantworten. Bisher unveröffentlichte Dokumente bringen Hessens Verfassungsschutz in Not.
    Es kommt nicht oft vor, dass Polizisten einen Verfassungsschützer abhören. Doch genau das taten Ermittler der Kasseler Mordkommission Ende April 2006 über Monate. Ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen stand unter Mordverdacht. Am 6. April 2006 hatte sich der Beamte Andreas Temme in einem Internetcafé in Kassel aufgehalten, als dort der Besitzer Halit Yozgat mit zwei Kopfschüssen ermordet wurde.
    Es war der neunte Mord der Serie, die dem NSU, dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, zugeschrieben wird. Trotz eines laufenden Strafprozesses in München und mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse sind die Hintergründe der Anschläge bis heute nicht vollständig geklärt.
    Eine Schlüsselrolle im NSU-Komplex spielt offenbar der Verfassungsschützer, den die Fahnder im April 2006 im Visier hatten. Nach der Tat meldete er sich erstaunlicherweise nicht bei der Polizei als Zeuge. Und angeblich verlor er auch in seinem Amt kein Wort darüber, dass er am Tatort eines Mordes gewesen war – zwei Wochen lang, bis ihn die Polizei anhand von Computer-Daten identifizierte.
    Die “Welt am Sonntag” kann jetzt den Ablauf der Ereignisse vor und nach dem Mord in Kassel rekonstruieren und sich dabei auf Vermerke und Akten aus dem hessischen Innenministerium stützen, die bislang öffentlich nicht bekannt waren. Vor allem abgehörte Telefonate, die erst jetzt ausgewertet werden konnten, lassen den Mord von Kassel in einem anderen Licht erscheinen.
    Diese Protokolle und weitere, bislang unbekannte Details, werden in mehreren Beweisanträgen aufgeführt, die die Anwälte der Hinterbliebenen des Opfers Halit Yozgat, Thomas Bliwier, Bilsat Top, Doris Dierbach und Alexander Kienzle, am vergangenen Freitag beim Oberlandesgericht in München eingereicht haben.
    Quelle: Die Welt
  14. Die Lüge von der Vereinbarkeit
    Auch wenn stets das Gegenteil behauptet wird: Die totale Mobilisierung beider Geschlechter für das Arbeitsleben lässt nicht genug Zeit für Kinder. Die Vollzeit arbeitende Gesellschaft zehrt von der Substanz.
    Die Vereinbarkeit ist allgegenwärtig. Sie fehlt in kaum einer Pressekonferenz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles oder Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Und in Personalabteilungen redet man ohnehin von fast nichts anderem mehr.
    Arbeit und der Rest des Lebens sollen miteinander vereinbar sein. Das finden alle gut und richtig, ob Staat, NGO oder Unternehmen. Und die arbeitenden Männer und Frauen sowieso.
    Roland Berger hat vor kurzem eine Studie präsentiert, mit deren Hilfe man eine „neue Vereinbarkeit“, also einen „Qualitätssprung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ fordert. Das klingt natürlich besonders fortschrittlich.
    Drei Dinge stellen die Autoren heraus: Unternehmen nehmen wahr, dass auch Väter ein Familienleben haben möchten; Berufseinsteiger erwarten, dass der Job sich nach der Lebensplanung richtet; Eltern wünschen sich, beide „vollzeitnah“ zu arbeiten und Familienarbeit fair zu teilen. (…)
    Die illusionäre Behauptung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat nicht nur den vordergründigen Zweck, Menschen, die unter keinen Umständen auf die Gründung einer Familie verzichten wollen, dennoch als Vollzeitarbeitskräfte zu motivieren. Sie vernebelt auch einen unbequemen Zusammenhang in modernen Industriegesellschaften, nämlich den zwischen der Produktivität und der Reproduktivität.
    Quelle: WirtschaftsWoche
  15. Führungsanspruch als Zitat
    Hofberichterstattung im Deutschlandfunk
    Klaus Remme – früher Korrespondent des Deutschlandfunks in Washington, heute für den Sender v.a. in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik zuständig – hat einen guten Draht ins Außenministerium und zu den wichtigsten außenpolitischen Think-Tanks. Er ist damit ein gutes Beispiel für die immer häufiger kritisierte Verquickung zwischen Medien und Politik und die daraus resultierende unkritische Berichterstattung.
    Als Beispiel und konkreter Ort (für diese Verquickung wird immer wieder die Münchner Sicherheitskonferenz genannt (Journalisten als politische Lobbyisten?) und tatsächlich scheinen auch die Verbindungen zwischen Remme und Konferenzleiter Ischinger gut zu sein. Jedenfalls zitiert ersterer gerne letzteren. Kurz vor der diesjährigen Sicherheitskonferenz etwa am 18. Januar mit der Einschätzung, wonach es “ein Wunder oder jedenfalls viel Glück” wäre, wenn Deutschland vor terroristischen Anschlägen verschont bliebe, um anschließend über neue Vorstöße zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu berichten. Wenige Tage später berichtete Remme dann “mit einem Blick hinter die Kulissen” über die Sicherheitskonferenz selbst. Auch hier kommt Ischinger zu Wort und wird ihm sogar das letzte Wort überlassen, in dem er diejenigen, die draußen demonstrieren, als “ewig Gestrige” bezeichnet, “die sich an ihrem Feindbild von vorgestern erfreuen”.
    Wenn Remme hier außerdem berichtet, dass sich auf der Konferenz “in den unteren Fluren … Akteure und Beobachter” mischen, dann liefert er damit eigentlich eine ganz gute Beschreibung seiner Arbeit in der Diskursmaschine.
    Quelle: Telepolis
  16. Die Grünen: Parteiferne Anstiftung
    In der Ukraine-Krise prägen Teile der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung ein gutes Stück des Außenbildes der Grünen. Dabei treten wieder sehr spezielle transatlantische Haltungen und Verbindungen hervor, die eine lange Geschichte haben […]
    Ich bin da, um als außenpolitischer Sprecher meiner Fraktion amerikanischen Interessenten Auskunft zu geben. Schon bei ihrer Begrüßung liefert die Böll-Büroleiterin[2] mich ans Messer. “Er gehörte zu denen, die die Nato abschaffen wollten.” Das ist zwar ebenso dumm wie falsch, verfehlt aber nicht seine Wirkung. Der Vertreter des “American Enterprise Institute” fällt über mich her. Laut, ungehobelt, pöbelnd. Ein Parteigänger der Fundamentalistentruppe rund um das Weiße Haus. Das also waren George W. Bushs außenpolitische Berater. Die Böll-Stiftung hat, aus Angst, des Antiamerikanismus geziehen zu werden, ihre Dialogstrategie sehr weit nach rechts ausgeweitet.::Ludger Volmer[3]
    Kurz zuvor, im September 2004, hatte der neokonservative Think Tank “Project For The New American Century” (PNAC), einen “Brief der Einhundert über die Demokratie in Russland” veröffentlicht. Vorsitzender des PNAC, das sich seinerzeit im selben Gebäude wie das bereits erwähnte “American Enterprise Institute” befand, war der bekannte Neokonservative William Kristol, Mitbegründer unter anderem der Berater von George W. Bush jr. Richard Perle, Mitglieder unter anderen die neokonservativen Vordenker Francis Fukuyama und Robert Kagan, sowie aus der Bush-Administration Dick Cheney, Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz. Das Besondere dieses Briefes ist nicht die übliche ideologische Überhöhung (“At this critical time in history when the West is pushing for democratic change around the world”) des neokonservativen Programms einer “Pax Americana” mit aggressiv-offensiven militärischen Mitteln – mit den heute allseits bekannten desaströsen Folgen (siehe: Irak) -, das Besondere sind seine Unterzeichner und der Zeitpunkt.
    Quelle: Robert Zion auf Telepolis
  17. Paywall: Süddeutsche zieht im Internet Bezahlschranke hoch
    Die Süddeutsche Zeitung will ihre Inhalte künftig nur noch begrenzt kostenlos online freigeben. Nutzer können dann einige Artikel einsehen, bevor sich die Bezahlschranke senkt. Davor können sie aber fast alle Artikel der gedruckten Zeitung online lesen.
    Eine Bezahlschranke auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung soll ab Ende März dafür sorgen, dass pro Nutzer nur noch eine begrenzte Zahl an Artikeln kostenlos einsehbar ist. Das berichtet der Spiegel und erklärt, die Süddeutsche setze damit auf das sogenannten “metered model”, das die New York Times populär gemacht hat. Auf sueddeutsche.de sollen demnach anfangs pro Nutzer und Woche voraussichtlich zehn Texte kostenlos abrufbar sein. Weitere gebe es nur bei Abschluss des Digital-Abos “SZ plus” (für monatlich 30 Euro) oder nach dem Kauf eines Tagespasses (1,99 Euro). In Zukunft solle die Zahl frei verfügbarer Artikel noch sinken.
    Quelle: heise online

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Auf der einen Seite wollen und müssen die Zeitungsverlage Geld verdienen, aber wir entwickeln uns in das Informationszeitalter vor dem Internet zurück, mit den bezahlten Presseberichten für die oberen 30% des Einkommens. Die Informationsfreiheit des Internets wird durch die Bezahlschranken für den Normalnutzer nicht mehr bezahlbar und wir entwickeln uns mehr und mehr zu einer geteilten Informationsgesellschaft, in der jene die über ausreichend freie Mittel verfügen, sich umfangreich informieren können und der überwiegende Teil unserer Gesellschaft uninformiert oder einseitig durch die Funkmedien informiert wird, ohne echte Möglichkeit eines Gegen-Checks.
    Bei einer allgemeinen Bezahlschranke im Internet, würden auch Systeme, wie Google News oder Portal, wie die NachDenkSeiten ausgehebelt, da nicht mehr auf die angezeigten Artikel zugegriffen werden kann. Man könnte sagen, die fast unbegrenzte Informationsfreiheit soll zu Gunsten der Gewinne eingeschränkt werden. Der gelenkte Kommentarbereich in der SZ war hier ein deutlicher Fingerzeig. War das freie Internet nur eine kurze Episode und soll die Mehrzahl der Bürger informativ wieder in alte Zeiten vor dem Internet gedrängt werden oder ist die Bezahlschranke nur die Antwort auf die Forderungen nach einem zweigeteilten Internet in anderer Form?

  18. Die inszenierte Suchaktion
    Israel gilt als einzige Demokratie im Nahen Osten. Dennoch beeinflusst sie die Berichterstattung der Medien: durch Nachrichtensperren und Zensur…
    Zwei Wochen lang durchsuchen Tausende Soldaten das Westjordanland. Zwei Wochen lang schüren israelische Medien die Hoffnung von Millionen Menschen, dass die drei Talmudschüler unversehrt gefunden werden. Und das, obwohl viele der großen Zeitungen, Fernseh- und Radiostationen schon früh wussten, dass die Teenager wahrscheinlich bereits zu Beginn der Entführung ermordet wurden. Doch darüber durften Journalisten in Israel nicht berichten. Das Oberste Gericht verhängte auf Antrag der Polizeibehörde eine sogenannte Gag-Order – eine Nachrichtensperre.
    Wie zweifelhaft die Rolle der Regierung und der Medien in dieser Angelegenheit war, weiß Aluf Benn, der Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung Haaretz. Das Problematischste sei nicht die Nachrichtensperre gewesen, auch wenn sie “äußerst umfassend” gewesen sei. Sondern die Tatsache, dass die Medien eine Geschichte erfanden. Und zwar die, dass die Jungs leben und zurückgeholt werden können. “Es war eine Inszenierung, wie in einem Theaterstück. Die Medien wussten genau, dass die Geschichte nicht stimmt.” …
    In diesen zwei Wochen griff noch ein zweites Instrument der israelischen Regierung, um Berichterstattung zu beeinflussen: die Zensur. Seit der Staatsgründung existiert in Israel dafür eigens eine Behörde. Sie ist dem Militär angegliedert, unterliegt nach eigenen Angaben aber ausschließlich dem Obersten Gericht und arbeitet unabhängig von anderen Sicherheitsbehörden. 40 Zensoren bekommen dort alle Artikel zu militärischen oder geheimdienstlichen Belangen vor ihrer Veröffentlichung auf den Schreibtisch. Pro Monat sind das Tausende von Texten. Ein Sprecher sagt gegenüber der taz: “Wir lesen sie und entscheiden, ob sie so veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Wir treffen uns mit den Journalisten dabei meistens in der goldenen Mitte.” Über 80 Prozent der eingereichten Stücke würden nicht beanstandet, der Rest lediglich an “bestimmten Stellen”….
    Bislang hielt sich die NYT immer an Nachrichtensperren. Das sei, “wie sich an Verkehrsregeln zu halten”, so die Chefin des Israel-Büros.
    Quelle: taz

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