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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Hilfe: Der Russe steht vor der Tür!!!!!
  2. 18, 5 Mrd Euro Mehreinnahmen – die Zeit der faulen Ausreden ist vorbei
  3. Ein-Euro-Jobs heben die Beschäftigungschancen nicht
  4. Im Westen stärkste Gewerkschaftsbindung
  5. Armut hält viele vom Zahnarzt ab
  6. Renten rauf, Steuern rauf
  7. Allianz Leben – 90 Prozent des Neugeschäftes ohne Garantiezins
  8. Die sparsame Ökonomie des Terrors
  9. Wirtschaftsweiser gegen Niedrigzinspolitik: “Es bauen sich Risiken auf”
  10. Verlass auf Beißhemmungen
  11. Schief la France
  12. Ein gespaltenes Land
  13. SPD-Spitzenpolitiker unterstützen Befürworter Gabriel gegen Parteilinke
  14. Das neue Direktorium
  15. Wir Primark-Studenten
  16. Gina-Lisa Lohfink: Hätten Sie gern Popcorn dazu?
  17. AfD bindet relativ viele NichtwählerInnen und Personen aus dem rechten Lager an sich
  18. Zu guter Letzt: Neues Zivilschutzkonzept: Deutsche sollen Körperfettreserven für zehn Tage anlegen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Hilfe: Der Russe steht vor der Tür!!!!!
    Wenn heute das Merkel-Kabinett tagt, wird wohl öfters ein Minister aufstehen und die Tür aufmachen, um zu sehen, ob der Russe schon davor steht. Im Sicherheitskonzept der Regierung ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein Thema. Generell geht es in dem Entwurf um das Szenario, dass Deutschland zum Beispiel im Rahmen von Nato-Einsätzen das Bündnisgebiet an dessen Außengrenzen verteidigen muss.
    Da es wohl nicht um Kanada, Mexiko und auch nicht um den Hindukusch geht, ahnen wir: Wie Jahrzehnte im Kalten Krieg steht wieder der Russe vor der Tür.
    Zu Recht sagte Michail Gorbatschow: „Sie sprechen nur über Verteidigung, aber im Grunde treffen sie Vorbereitungen für Angriffshandlungen… Von einem Kalten Krieg geht die Nato zu den Vorbereitungen für einen heißen Krieg über.“
    Der US-Imperialismus zündelt weiter an der russischen Grenze und die europäischen „Staatenlenker“ mit Merkel an der Spitze sind nicht in der Lage, Europas Interessen durchzusetzen: Frieden in Europa gibt es nur mit und nicht gegen Russland.
    Nicht vergessen. Die Nato gibt 13mal so viel Geld fürs Militär aus wie Russland.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
  2. 18,5 Mrd Euro Mehreinnahmen – die Zeit der faulen Ausreden ist vorbei
    Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen hatten im ersten Halbjahr nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 18,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Die Zeit der faulen Ausreden ist vorbei – die Bundesregierung muss liefern: Investitionen in Infrastruktur und das Gemeinwohl sind längst überfällig, erklärt Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE.
    Mit dem Milliarden-Überschuss muss Vizekanzler Gabriel seinen Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit jetzt Taten folgen lassen. Es wäre ökonomisch und politisch grundverkehrt, wenn die Bundesregierung nun die 18,5 Milliarden Euro einstreicht und weiter “business as usual” macht.
    Die Schwarze Null ist für die Entwicklung des Landes so sinnvoll wie ein Kropf – erst Recht in Zeiten von Negativ-Zinsen. Stattdessen gilt es, mutig in die Zukunft zu investieren. Falls SPD und Union nicht wissen, was man mit 18,5 Milliarden Euro Sinnvolles tut, helfen wir ihnen gern auf die Sprünge: Wir brauchen 100.000 Pflegekräfte in diesem Land und Hunderttausende bezahlbarer Wohnungen. Das wäre ein Anfang.
    Prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne befeuern die soziale Spaltung. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Die Kürzungspolitik, mit der Deutschland auf Verschleiß gefahren wird, muss begraben werden. Das Einzige was sich die Menschen hierzulande nicht mehr leisten können ist ein Bundesfinanzminister, der wider jede ökonomische Vernunft an der Kürzungsideologie festhält.
    Quelle: Die Linke.
  3. Ein-Euro-Jobs heben die Beschäftigungschancen nicht
    Zuletzt waren im Juli 2016 knapp 400.000 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet. Nicht weil sie einen verlängerten Urlaub im Sommer machen oder gar „Geld fürs nichts tun erhalten wollen“, wie manche Politiker phantasieren. Vielmehr sind sie aufgrund des niedrigen Wirtschaftswachstums, der nicht ausreicht, um den anhaltend starken Zustrom auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen, ohne Arbeit. Die Pensionsreform, der starke Zuzug ausländischer Arbeitskräfte aus den EU-Ländern sowie der Arbeitsmarktzugang von Asylberechtigten verschärfen die Situation weiters. Derzeit kursieren Vorschläge, wie die Einführung von Ein-Euro-Jobs, deren arbeitsmarktpolitische Auswirkungen hinterfragt werden müssen. (…)
    Vorurteile, Falschinformationen bis zur Hetze dominieren Debatten über arbeitslose Menschen, die angeblich nicht arbeitswillig sind. Arbeitslosigkeit, die damit einhergehende Verarmung und soziale Ausgrenzung werden nicht als Auswirkung des fehlenden Wirtschaftswachstums und der damit einhergehenden Arbeitsmarktprobleme gesehen, sondern vielmehr als Folge individueller Defizite. Betroffene werden für ihr Schicksal verantwortlich gemacht, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und marginalisiert. Dementsprechend fallen auch die Handlungsempfehlungen aus, sie betreffen mehrfach die Arbeitslosen und nicht den Arbeitsmarkt. (…)
    Die offizielle Bezeichnung für Ein-Euro-Jobs in Deutschland lautet: „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“. Es handelt sich hierbei um eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Maßnahme zur Eingliederung der Empfänger von Arbeitslosengeld II (auch Harz IV genannt) in den Arbeitsmarkt. Wobei es sich bei diesen Jobs nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt. Arbeitslosengeld II ist in Deutschland die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Personen. Betroffene müssen während dem Arbeitslosengeld-Bezug Ein-Euro-Jobs annehmen, wobei ihnen für diese Tätigkeit eine Mehraufwandsentschädigung im Ausmaß von 1,00 Euro und 2,50 Euro pro Stunde ausbezahlt wird. Davon müssen die Ein-Euro-Jobber allerdings auch ihren Mehraufwand, wie z.B. Arbeitskleidung oder Fahrtkosten, bestreiten. Wenn sie krank sind, können sie zwar zu Hause bleiben, wenngleich sie dann keine Mehraufwandsentschädigung erhalten.
    Dieses Modell ist für Ein-Euro-Jobber mit vielfachen Nachteilen verbunden. Zum einen will man Arbeitslose auch gegen ihren Willen zu Tätigkeiten verpflichten. Wer sich weigert, einen Ein-Euro-Job anzunehmen, muss mit Sanktionen rechnen – dann wird die Grundsicherung entweder gekürzt oder ganz gestrichen. Zum anderen erhalten die Erwerbslosen in den Maßnahmen keinen Arbeitsvertrag, das heißt, sie gelten auch nicht als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne, was wiederum Auswirkungen auf ihre Rechte und Pflichten hat. Und sie erwerben keine Ansprüche in der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung, obwohl sie ganz normal arbeiten.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
  4. Im Westen stärkste Gewerkschaftsbindung
    Im Westen Deutschlands ist die Bindung der Arbeitnehmer an Gewerkschaften am stärksten. Der höchste Organisationsgrad sei regional in den Bundesländern Saarland (28,2 Prozent) und Bremen (24,8 Prozent) festzustellen, berichtet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer am Montag veröffentlichten Studie.
    IW-Tarifexperte Hagen Lesch wies auf die öffentlich-rechtlichen Arbeitskammern in Bremen und im Saarland hin, in denen Arbeitnehmer automatisch Mitglied sein müssen. Sie führen zwar keine Tarifverhandlungen und dürfen auch nicht streiken, arbeiten aber eng mit den Gewerkschaften zusammen. Dies dürfte die Beitrittsneigung steigern, schrieb Lesch.
    Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (17,9 Prozent) und im VW-Stammland Niedersachsen (19,3 Prozent) waren zum Jahresende 2014 überdurchschnittlich viele Menschen Mitglied in einer der acht Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der Bundesschnitt lag bei 15,9 Prozent.
    Quelle: Ihre-Vorsorge.de
  5. Armut hält viele vom Zahnarzt ab
    Armut sieht man an den Zähnen. Und das betrifft offenbar immer mehr Menschen: Knapp die Hälfte (48,3 Prozent) derjenigen, die im Jahr 2014 auf einen notwendigen Zahnarztbesuch verzichteten, tat dies aus finanziellen Gründen – das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Laut der amtlichen Haushaltsbefragung »Leben in Europa« spielten für die anderen 43,6 Prozent andere Gründe eine Rolle, nicht zum Zahnarzt zu gehen – unter anderem: zu lange Wartezeiten, zu weite Wege zum Zahnarzt, Angst vor Ärzten und medizinischen Behandlungen. Die Linkenpolitikerin Sabine Zimmermann forderte mit Blick auf die Zahlen, die Zuzahlungen abzuschaffen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte sie: »Die Eigenanteile für medizinisch notwendigen oder höherwertigen Zahnersatz können viele Menschen nicht aufbringen. Selbst die Regelversorgung ist für viele nicht erschwinglich. Das Zuschusssystem beim Zahnersatz sorgt dafür, dass man einkommensschwache Menschen am Zustand ihrer Zähne erkennt.« Die Vizevorsitzende der Linken im Bundestag forderte, »medizinisch notwendiger Zahnersatz in guter Qualität muss für die Patientinnen und Patienten kostenfrei sein«. Dass dies derzeit nicht so sei, sei für eines der reichsten Länder der Erde beschämend.
    Quelle: Neues Deutschland
  6. Renten rauf, Steuern rauf
    Der Sozialverband Deutschlands will der Altersarmut begegnen und schlägt dazu ein Milliardenprogramm vor. Zahlen sollen es die Reichen
    Hunderttausenden droht die Altersarmut, warnt der Sozialverband Deutschlands (SoVD). Arbeiter und Angestellte, die nun prekär beschäftigt sind, würden später nur kleine Renten erhalten. Oft werde nicht einmal das Niveau der Grundsicherung erreicht. Am Dienstag stellte der SoVD in Berlin sein Programm zur »Bekämpfung von Altersarmut« vor. Nötig sei eine Anhebung des Rentenniveaus wie auch der Mindestlöhne.
    »Altersarmut beginnt nicht erst mit dem Renteneintritt, sie nimmt ihren Lauf, wenn man jung ist«, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Deshalb würden im Positionspapier nicht nur Forderungen nach höheren Renten erhoben. Vielmehr gehe es dem Sozialverband darum, schon während der Erwerbstätigkeit anzusetzen. Hier wolle man gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorgehen. »Bereits seit Anfang der 1990er Jahre« – also noch vor dem Inkrafttreten der sogenannten Hartz-Reformen – habe es in der Bundesrepublik eine Ausweitung des Niedriglohnsektors gegeben. Seitdem hätten Leiharbeit, befristete Verträge und Minijobs weiter zugenommen. Der niedrige Lohn in diesem Bereich würde maßgeblich zu den geringen Rentenansprüchen beitragen, die viele Bezieher im Alter hätten. Steuere man nun nicht gegen, würden viele Beschäftigte in »diese Falle« getrieben.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Von Protest gegen Rentenpolitik keine Spur
    Die Jugendorganisationen der Parteien zeigen sich langmütig. Wichtig ist: Das Niveau der Altersbezüge darf nicht weiter sinken
    Bis zu einer Viertelmillion Menschen gingen im vergangenen Herbst in Berlin gegen TTIP auf die Straße, viele von ihnen junge Leute. Dabei wären die Auswirkungen des transatlantischen Freihandelsabkommens für viele im Alltag gar nicht groß wahrnehmbar. Vollkommen langmütig verhält sich Deutschlands Jugend dagegen gegenüber einem politischen Projekt, das nahezu jeden im Laufe des Lebens tangieren wird: die Rentenpolitik der großen Koalition. Diese Gleichgültigkeit oder Lethargie umfasst auch die Jugendorganisationen der im Bundestag vertretenen Parteien, obwohl deren Mitglieder, meist jünger als 35 Jahre, die Suppe auf die eine oder andere Weise auslöffeln werden müssen.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers T.G.: Interessante und richtige Beobachtung der WELT, natürlich mit falschen Prämissen und Schlussfolgerungen

  7. Allianz Leben – 90 Prozent des Neugeschäftes ohne Garantiezins
    Die Allianz Leben setzt mittlerweile 90 Prozent der Neuverträge mit neuen Lebens- und Rentenversicherungen um, die keinen Garantiezins mehr bieten. Das erklärte Thomas Wiesemann, Vorstand des Maklervertriebs bei Deutschlands größtem Lebensversicherer, im Interview mit Focus Online. Darüber hinaus gewährte der Allianz-Vorstand Einblicke, wie der Versicherer in Zeiten des Niedrigzinses sein Geld anlegt.
    Klassische Lebensversicherung ade! Die Allianz Leben, Deutschlands Marktführer in der privaten Lebens- und Rentenversicherung, vertreibt im Neugeschäft kaum noch Policen mit Garantiezins, wie Thomas Wiesemann, Chef des Maklervertriebs, bestätigt.„Wir empfehlen die klassische Lebensversicherung nicht mehr“
    Thomas Wiesemann, Mitglied im Vorstand der Allianz Leben. Quelle: Screenshot Youtube / Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften der Uni Ulm „Wir haben die klassische Lebensversicherung zwar noch, aber wir empfehlen sie nicht und weisen die Kunden darauf hin, dass wir neue Formen der Lebensversicherung geschaffen haben“, sagt Wiesemann in einem Interview mit Focus Online. Und ergänzt: “90 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge in der privaten Altersvorsorge gehen in diese neuen Formen.“ Diese bieten die Garantie, dass mindestens die eingezahlten Beiträge zum Rentenbeginn erhalten bleiben – bei einem „höheren Anteil chancenorientierter Anlagen“.
    […]
    Welche Anlagen bevorzugt dann aber die Allianz Leben? Wiesemann spricht in diesem Zusammenhang von „Substanzwerten“. Damit seien nicht nur Aktien gemeint, sondern auch Immobilien und Infrastruktur-Projekte. Schon früh habe die Allianz begonnen, neue Anlageklassen zu erschließen, erklärt der Vorstand. Und gibt einen kleinen Einblick, welche das sind.
    Die Allianz Leben partizipiere zum Beispiel an den Einnahmen aus den Parkuhren in Chicago und sei der größte Finanzinvestor weltweit in erneuerbaren Energien. „Wir haben über 50 Windkraftanlagen in Europa. Wir finanzieren Autobahnen in Frankreich und den USA, wir haben die Raststättenkette Tank & Rast erworben, wir haben Gaspipelines und wir finanzieren den neuen Abwasserkanal in London, der 25 Kilometer lang sein wird“. All das verspreche höhere Renditen.
    Quelle: Versicherungsbote

    Anmerkung unseres Lesers S.N.: Halten wir einmal fest: Die umlagefinanzierte Gesetzliche Rente wurde abgebaut, weil sie angeblich marode war. Private Vorsorge und Kapitaldeckung sollten alle Probleme lösen (ob das billiger ist, interessiert bis heute keinen). Nun gibt die private Vorsorge keine Garantiezinsen mehr und wälzt das gesamte Kapitalmarktrisiko auf den Kunden ab – chancenorientiert ist eine nette Umschreibung für “risikokreicher”. Lediglich eine Beitragsgarantie gibt es noch. Die Gesetzliche Rente hat nach wie vor eine Rendite von 2-3% auch für jüngere Jahrgänge und gewährt soziale Komponenten ohne Gesundheitsprüfung.
    Und obendrein gibt die Allianz einen Einblick, dass sie weiterhin in Infrastrukturprojekte investieren möchte. So ein Zufall aber auch, dass unsere Regierung eine Wohnungsgesellschaft nach der anderen verramscht und die Planungen für eine Privatisierung von Autobahnen und Bundesstraßen weiter vorantreibt.

  8. Die sparsame Ökonomie des Terrors
    Wer heute ins Geschäft kommen will, der braucht möglichst wenig Kostenfaktoren. Ein Büro reicht oft schon, Werkshallen, Verwaltungsangestellte und eine Kantine braucht man nicht. Ja, nicht mal zu verrichtende Arbeit ist zwingend notwendig. Jemand anders kann die Arbeit ja haben und erteilen. Und dann erteilt man seiner stillen Leiharbeiterreserve nur noch Marschbefehl. Alles ist outsourcbar, alles haben andere parat. Selbst muss man nichts mehr mitbringen. Nicht mal besonders Know-How, wenn man ehrlich ist. Man klingelt nur mal schnell durch, sagt man hat da jemand an der Hand und verdient spartanisch ausgestattet seinen Lebensunterhalt. So geht Ökonomie heute. Man spult sie billig und ohne hohen Einsatz ab, sie gibt sich effizient und bar von jeder Verantwortung. Feste Mitarbeiter braucht man keine. Man entleiht. Mehrwerte schaffen ohne etwas herzustellen. Das ist hochgradig arbeitsteilig. Ist die Hyperarbeitsteilung unserer Zeit. Keiner trägt mehr Verantwortung, die leidige Kosten verursacht. Alles ganz unverbindlich und kostenminimiert. Das ist modern. Das ist mondän.
    Viviane Forrester nannte diese Entwicklung einst einen »Terror der Ökonomie«. Damit meine sie Sozialabbau, Untergrabung von Arbeitnehmerrechten, ja diese ganze effektive Sparzwangwirtschaft. Das hat sich nun gleich noch verkehrt, denn es gibt nun ganz offenbar auch eine »Ökonomie des Terrors«, die sich ganz nach den Leitlinien dieser schönen neuen Arbeitswelt ausrichtet.
    Quelle: ad sinistram
  9. Wirtschaftsweiser gegen Niedrigzinspolitik: “Es bauen sich Risiken auf”
    Die Kritik an der lockeren Geldpolitik der EZB wird vehementer. Jetzt greift auch ein Wirtschaftsweiser Linie von Mario Draghi an – die Währungshüter würden “mehr und mehr Teil des Problems”. […]
    Zuvor hatte auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan vor “fatalen Folgen” der Niedrigzinspolitik gewarnt. Die lockere Geldpolitik richte inzwischen mehr Schaden an als dass sie nutze, schreibt der Chef der Deutschen Bank. Die EZB habe in der Krise viel dafür getan, Europa zu stabilisieren. “Inzwischen aber wirkt die Geldpolitik den Zielen entgegen, die Wirtschaft zu stärken und das europäische Bankensystem sicherer zu machen”, heißt es in einem Gastbeitrag von Cryan für das “Handelsblatt”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Soll das ein Witz sein? Die Niedrigzinspolitik der EZB ist eine direkte Folge der Bankenkrise von 2007. Ausgelöst von Figuren wie Cryan. Und die Frage ist, welchen Schaden Cryan meint. Er hat dabei sicher nicht die Interessen der Allgemeinheit im Hinterkopf.

  10. Verlass auf Beißhemmungen
    In Deutschland empörte sich pflichtschuldig die CDU, die CSU schäumte und die FDP schäumte mit. Außerhalb der deutschen Grenzen freilich hielt sich die Aufregung in Grenzen. Das Strafverfahren der EU gegen die Mitgliedsländer Spanien und Portugal wegen ihrer Haushaltssünden endet ohne Bestrafung der Sünder. Ein Affront für Konservative und Liberale, die über Finanz- und Geldpolitik lieber moralisieren, anstatt nachzudenken. Die beiden Euro-Staaten hatten im Vorjahr die Defizitmarke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich verfehlt – mit 5,1 beziehungsweise 4,4 Prozent Neuverschuldung. Deshalb eröffnete die EU-Kommission ein Strafverfahren. Nach den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts wären nun Bußgelder in Höhe von 0,2 oder sogar 0,5 Prozent des BIP fällig gewesen – im günstigsten Fall also 2,1 Milliarden Euro für Spanien und 358 Millionen für Portugal. Die EU-Kommission hatte – mit Blick auf die am 26. Juni neuerlich anstehende Parlamentswahl in Spanien und die mühsame wirtschaftliche Regeneration beider Länder – jedoch schon im Juni Milde walten lassen. […]
    Als während der Weltfinanzkrise 2008/09 alle Euroländer Konjunkturprogramme auflegten und mit zusätzlichen Schulden finanzierten, hagelte es Defizitverfahren, zeitweilig angestrengt gegen 23 Mitgliedsländer der Union. Vor zwei Jahren hat die Kommission die letzten dieser Tranche – sie liefen noch gegen sechs Staaten – eingefroren. Tatsächlich sind noch nie Strafzahlungen verhängt worden. Dass Spanien und Portugal zum Nulltarif davonkommen, kann insofern niemanden überraschen. Und genau das, was die neoliberalen Doktrinäre aller Parteien und Staaten beklagen, ist das Gute an dieser Entscheidung: Sie zeigt, dass ökonomische und politische Umstände wichtiger sein können als völlig willkürlich und falsch gesetzte Regeln des Maastricht-Vertrages beziehungsweise des Stabilitätspaktes. EU-Kommission und sogar die Euro-Finanzminister haben den Schein gewahrt, aber den famosen Pakt und dessen Regeln weiter aufgeweicht. […]
    Wie das Leben so spielt, mehren sich zwischenzeitlich die Stimmen, die das ganze Konzept der Austerität, Kernstück eines neoliberalen Weltbilds, in Zweifel ziehen. Sie bedenken die neoliberalen Patentrezepte mit wachsender Skepsis. Selbst Christine Lagarde, die Chefin des IWF, hat in jüngster Zeit mehrfach ihre Vorbehalte gegenüber einem harten Austeritätskurs im Fall Griechenland artikuliert. Die deutschen Austerianer fühlten sich davon nicht sonderlich beglückt.
    Nun haben einige der führenden IWF-Ökonomen in einer hochoffiziellen Publikation des Währungsfonds nachgelegt, betitelt mit: Neoliberalismus: überschätzt? Die Kritik an den Säulen neoliberaler Wirtschafts- und Finanzpolitik, an der (Kapital-)Marktliberalisierung und der Haushaltskonsolidierung durch Schuldenabbau auf Teufel komm raus ist nicht neu. Sie wurde seit der Asienkrise in den 90er Jahren oft geäußert, intendiert aber keinen prinzipiellen Politikwechsel des IWF, wie dessen Chefökonom Maurice Obstfeld sich zu versichern beeilt.
    Und doch wird zusehends offenbar, wie aufgeklärte Mainstream-Ökonomen (keine Ideologen), die nicht empirier-resistent sind, über zentrale Dogmen der Austeritätspolitik denken. Sie halten die namentlich bei Merkel und Schäuble beliebte Idee, es gebe eine Einheitsversion von ein für allemal gültigen Regeln, die man nur strikt genug anwenden müsse, für verheerend und töricht. Eine empirisch gut begründete Einsicht, die sich aus dem Verlauf der Eurokrise ergibt und weiter herumzusprechen scheint. Nur nicht in deutschen Regierungskreisen.
    Quelle: Der Freitag
  11. Schief la France
    Frankreich will sich um jeden Preis bedroht sehen. Dabei verliert es sich selbst.
    „Eine merkwürdige, oppressive Stimmung hat sich über Frankreich gelegt, eine Art erstickende, alles umfassende Verzweiflung, durchmischt mit Funken von Aufbegehren,“ schreibt Michel Houellebecq in seinem Bestseller-Roman von 2015 „Die Unterwerfung“. Der Roman zeichnet ein schauriges Bild von Frankeich: Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 schließen sich die bürgerlichen Parteien der rechten und linken Mitte mit der Muslimbruderschaft zusammen, um einen Wahlsieg des rechtsextremem Front National (FN) zu verhindern – und handeln sich damit die Islamisierung Frankreichs ein, finanziert durch die Saudis. Inzwischen ist man geneigt, dem Roman, der zwischen Ironie und Zynismus changiert, durchaus eine ernsthafte Portion gesellschaflichen Spürsinns zu attestieren. Frankreich ist möglicherweise vom Houellebecq’schen Szenario nicht mehr so weit entfernt, wie man glauben möchte.
    Das Land hat sich verkrampft, fast verkeilt, in einen Kampf gegen den Terror, der Sicherheit zum wichtigsten, fast einzigen Wahlkampftthema macht, über das sich die französische Gesellschaft noch mobilisieren, gar einen läßt. Sicherheit wird damit zum einzigen patriotischen Ventil – und alles wird dementsprechend ausgelegt. Dabei ist beim Amoklauf in Nizza vom Juli die Urheberschaft des „Islamischen Staates“ (IS) bis heute nicht erwiesen.
    Die Tat des Mörders von Nizza ist natürlich abscheulich und unentschuldbar. Aber war es wirklich Terror? Frankreich hält in Medien- und Berichterstattung hartnäckig daran fest, von Terror zu sprechen. Es will sich offensichtlich „angegriffen“ fühlen. Braucht Frankreich den „Terror“, um sich als Nation zu spüren? Oder braucht es ihn, um nicht hinschauen zu müssen, was aus der Grande Nation geworden ist? Ein gespaltenes Land nämlich, in Arm und Reich, Stadt und Land, Franzosen und Muslime, FN-Wähler und solche, die den FN fürchten. Dazwischen befinden sich verunsicherte Mittelschichten, eine desillusionierte (und kaum vernehmbare) Jugend und eine ebenso zerstrittene wie entmutigte Linke, die erst kürzlich mit den Nuits debouts eine kraftlose Revolte wagte, die mittlerweile im Sande verlaufen ist.
    Quelle: IPG Journal

    dazu: Wahlkampf mit Wiedereinführung der Wehrpflicht
    Wehrpflicht, Reservistenarmee, Nationalgarde: In Frankreich werden diese möglichen Antworten auf die Terrorbedrohung derzeit viel diskutiert – und zwar nicht gerade mit sorgfältig formulierten Argumenten. Im Wahlkampf geht es einzig darum, beim verängstigten Volk Zustimmung zu finden. Besonnene Stimmen haben immer größere Mühe, gehört zu werden.
    Quelle: Deutschlandfunk

  12. Ein gespaltenes Land
    Der Generalverdacht gegen alles sichtbar Muslimische vergiftet das gesellschaftliche Klima in Frankreich. Der Laizismus des Landes ist gescheitert. […]
    Die Szene vom Strand in Nizza ist ein Sinnbild für das Scheitern des französischen Laizismus. Denn das Burkini-Verbot gilt nur an öffentlichen Stränden. Was an den vielen Privatstränden an der französischen Riviera geschieht, entzieht sich staatlichem Zugriff. Sommerfrischler vom Golf, die dort Villen besitzen, können dort weiter im Burkini oder gar Schleier baden. Eine ähnliche Spaltung gilt für das Bildungssystem. An Frankreichs staatlichen Schulen herrscht ein striktes Kopftuchverbot; die Religion soll außen vor bleiben. Doch wohlhabende religiöse Eltern schicken ihre Kinder auf konfessionelle Privatschulen. Mit anderen Worten: Wer es sich leisten kann, darf seine Religion frei ausleben. Wer, wie viele französische Muslime, sozial marginalisiert ist und abgedrängt in den Banlieues lebt, dem wird signalisiert, dass er mitsamt seiner Religion unerwünscht ist. Das führt zu einem religiösen Zweiklassensystem und verschärft soziale Konflikte, indem es sie mit einem Kulturkampf vermengt.
    Quelle: taz
  13. SPD-Spitzenpolitiker unterstützen Befürworter Gabriel gegen Parteilinke
    Im Streit um das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen erhält SPD-Chef Gabriel Rückendeckung aus mehreren Landesverbänden.
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu: Thorsten Schäfer-Gümbel: „Ceta ist eben nicht TTIP“
    Herr Schäfer-Gümbel, nachdem das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP in weite Ferne gerückt ist, konzentriert sich der Protest der Nichtregierungsorganisationen auf das Abkommen Ceta mit Kanada. Ein breites Bündnis fordert den sofortigen Stopp der Verhandlungen. Verstehen Sie den massiven Widerstand?
    Ich halte diese Fundamentalkritik nicht für richtig. Aber es gibt ein berechtigtes Unbehagen an der bisherigen Art der Globalisierung. Damit sie wirklich allen Menschen Chancen eröffnet, muss es Veränderungen geben. Die Einwände von Gewerkschaften sowie Umwelt- und Sozialverbänden sind dazu richtige Fingerzeige.
    Quelle: FR Online

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Das wird nichts mehr. Die EU-Kommission wird CETA vorläufig in Kraft setzen und die nationalen Parlamente (allen voran der Bundestag), so sie denn zuständig sind, werden dem Vertragswerk zustimmen. Selbst einzelne Ablehnungen werden die Karawane nicht aufhalten. Beim Parteikonvent wird man noch ein wenig Text-Kosmetik betreiben und die großen Industriegewerkschaften – damit auch der DGB – haben schon genickt. Schäfer-Gümbel hat den Unterschied zwischen Freihandel und fairem Handel nicht verstanden, sonst hätte er sich der vernünftigeren Vokabel bedient. Und wie will eine SPD, die dem Merkantilismus frönt, sich jetzt auch glaubwürdig neu positionieren? Da werden weiterhin die selbstgeschaffenen Sachzwänge dilettantisch verwaltet.

  14. Das neue Direktorium
    Nach dem Treffen des informellen neuen EU-“Direktoriums” Merkel/Hollande/Renzi am Montag setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel am heutigen Donnerstag ihre Europa-Rundreise zur Vorbereitung einer Neustrukturierung der EU fort. Äußerer Anlass ist der bevorstehende Austritt Großbritanniens, der Verschiebungen bei den Machtverhältnissen innerhalb des Staatenbundes zur Folge hat. Dazu gehört, dass Berlin die bisherigen exklusiven Absprachen mit Frankreich durch ein deutsch-französisch-italienisches Dreier-“Direktorium” zu ersetzen sucht. Zugleich setzt die Kanzlerin mit ihrer aktuellen Reisediplomatie darauf, die zerstrittenen EU-Staaten in Interessengruppen aufzuspalten und diese jeweils getrennt in die Neustrukturierung einzubinden. Diesem Ziel dienen etwa die morgigen Treffen mit den Staaten der Visegrad-Gruppe und anschließend mit den EU-Mitgliedstaaten aus Nordeuropa. Die strukturellen Umbrüche werden von Berlin mit einer weiteren Verschärfung bei der äußeren Militarisierung und der inneren Repression verbunden. Vorbild der Aufrüstung, die neben dem Militär auch die Geheimdienste betrifft, sind die USA.
    Quelle: German Foreign Policy
  15. Wir Primark-Studenten
    Morgens stürmen wir die Bibliothek, kloppen uns nicht um Kleidung, sondern um Bildung. Möglichst billig soll die sein, aber für den Moment hübsch anzusehen. Es ist 9.50 Uhr, vor mir eine Menschenmasse. Punkt zehn öffnet sich die Tür, der Schwarm rennt, stürzt ins Gebäude. Schaulustige filmen die Szene mit ihrem Handy. Nein, hier wird kein neuer Primark eröffnet, der von Tausenden Teenies gestürmt wird, die die neuesten Billigklamotten kaufen wollen. Es ist ein Sonntag mitten in der Klausurenphase und hundert Studenten kämpfen mit mir um die Arbeitsplätze in der Bibliothek.
    Unser Kennzeichen ist nicht die braune Papiertüte, wir tragen die durchsichtigen Plastikbeutel der Bib. Eine Freundin hat mir vor Kurzem ein Video geschickt. Es ist nur 16 Sekunden lang. Zwei Jungs prügeln sich um einen Arbeitsplatz in der Bibliothek, am Ende fliegt ein Laptop durch die Luft, das Sicherheitspersonal kommt. Wut, Verbissenheit, Aggression. Warum?
    Wir Primark-Studenten kloppen uns nicht um Kleidung, sondern um Bildung. Wir brauchen möglichst viel davon, so billig wie möglich, trotzdem hübsch im Lebenslauf anzusehen.
    Quelle: Zeit Campus

    Anmerkung JK: Hier bewahrheitet sich wieder das alte Bonmot: Ein Student ist eine Ware, die denkt, die heute mehr denn je an der neoliberalen Verwertungslogik ausgerichtet ist. Das ist schrecklich, aber man kann dies den jungen Menschen nur bedingt zum Vorwurf machen, kennen diese nur noch die neoliberale Agenda, der “unternehmerischen Hochschule”, dass der ” Markt”, der einzige lebensbstimmende Imperativ ist. Kritisches Denken und die Reflektion der gesellschaftlichen Verhältnisse in denen man lebt, ist das Letzte was in der “marktkonformen” Demokratie gewünscht wird.

    dazu: Exzellente Entqualifizierung: Das neue akademische Prekariat
    Der Herr im Jobcenter – mein „Arbeitsvermittler“ – schüttelt mir freundlich-abwartend die Hand. Möglicherweise ist er etwas nervös angesichts meines Doktortitels, den er auch sofort pflichtschuldig ausspricht (woran mir überhaupt nichts liegt). Er weiß, dass er mir außer Zwangsmaßnahmen, Callcenter und Saisonarbeit (Erdbeeren pflücken) nichts zu bieten hat. Wir beide wissen – und wissen, dass der andere es weiß –, dass er von seinen Vorgesetzten darauf angesetzt wurde, die in der „Tagesschau“ verkündete Arbeitsmarktstatistik zu exekutieren, die sich selbst und der Welt vorgaukelt, dass Deutschland Vorreiter in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei. Deutschland Superland, Land der Ideen und der Forschung, engagiert im „Wettbewerb um die besten Köpfe“, Bildungsrepublik, Wirtschaftsmacht, Exportweltmeister, historisch niedrige Arbeitslosenquote (und Fußball-Macht natürlich auch noch). In der medial geprägten Buzzword-Rhetorik von „Brand Germany“ spiegelt sich die neoliberale Exzellenz-Logik, die alle Relationen aus dem Blick verloren hat, unter anderem die, dass man sich in einer stark gebeutelten europäischen und globalen Umgebung trefflich als Hoffnungs-Leitwolf inszenieren kann, nicht nur in dem, was beharrlich „Flüchtlingskrise“ genannt wird (als wären die Flüchtlinge daran schuld).
    Wenn sich aber der (scheinbar nur) Einäugige von den Blinden zum König machen lässt, zeigt sich darin eher ein allgemeiner Realitätsverlust denn eine Erfolgsgeschichte. Doch auch Akademikerinnen wachen erst auf, wenn sie an die Decke stoßen, und selbst die vermögen gerade sie, herangezogen in der unhinterfragten Selbstverständlichkeit ihres Privilegs zu lernen und zu lehren, oft noch lange ungläubig zu ignorieren.
    Tatsächlich hat sich die Decke aber längst immer weiter gesenkt, und sie bietet immer weniger Luftlöcher. Mein Arbeitsvermittler, so zeigt sich schnell, kann und soll nicht wirklich mehr etwas für mich tun. Es geht nicht mehr um Fördern, sondern nur noch um Fordern – und also um die Verletzung schon des ersten Kapitels des SGB II (Grundsatz Fördern und Fordern). Gleichzeitig zeigt sich das unmittelbar anhängende Problem eines nicht vorhandenen akademischen und eingebrochenen alternativen Arbeitsmarktes für Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen. Es offenbart sich der eigentliche Druck, unter dem der neoliberalisierte Staat operiert. Das Ziel ist die Erfüllung einer imaginären Arbeitslosenstatistik ohne entsprechende Grundlage. Das aber funktioniert im Fall von Akademikerinnen nur noch, indem sich die Arbeitsvermittlerinnen als berufsmäßige Entqualifizierer betätigen. Damit wird es zunehmend kafkaesk.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

  16. Gina-Lisa Lohfink: Hätten Sie gern Popcorn dazu?
    Für viele ist klar: Gina-Lisa hat sich vor Gericht als Opfer inszeniert. Dabei haben Journalisten ihren Teil zur “Gina-Lisa-Show” beigetragen. Und so ein abschreckendes Beispiel für andere Frauen geschaffen. […]
    Plötzlich sind alle Experten und Expertinnen für den Fall Lohfink. Sie betonen, dass es ja wohl äußerst merkwürdig sei, dass Lohfink mit einem der Beschuldigten auch einvernehmlichen Sex gehabt habe – eine “Ungereimtheit”. Auch ein im Gericht geladener Sachverständiger, ein Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie, bezog sich auf diese Tatsache. Eigentlich sollte er klären, ob Lohfink K.-o.-Tropfen bekommen hatte. Das sei mit hoher Wahrscheinlichkeit – allerdings nicht hundertprozentig – ausgeschlossen, befand er, aber er äußerte sich auch dazu, dass es zuvor einvernehmlichen Sex gegeben habe und der Mann demnach davon ausgehen konnte, dass das wieder so sein werde. Als würde ein Mensch nach einmaligem Sex jeder weiteren Penetration durch diese Person zustimmen. Als könnte es Vergewaltigung nicht sogar in Beziehungen geben, in denen vorher sehr vieles gut lief. Und als würden Vergewaltigungen nicht in den meisten Fällen im sozialen Nahbereich passieren und nicht wie im Vorabendkrimi nach dem Modell “Opfer läuft nachts nach Hause, Täter springt hinter Baum hervor”. Doch auch Menschen, die in Gerichten arbeiten, sind nicht frei von den Stereotypen.
    Wir sind in dem auffällig widersprüchlichen Zustand, dass Frauen seit ihrer Schulzeit lernen, wie sie sich verhalten sollen, damit sie nicht vergewaltigt werden – nicht zu viel trinken, nicht zu kurzer Rock, nicht zu einsamer Heimweg – aber wenn es ihnen passiert, müssen sie nicht selten hören, dass sie sich alles nur ausdenken oder übertreiben. Staatsanwältin Corinna Gögge erklärte in ihrem Plädoyer, falsche Verdächtigungen kämen häufiger vor als gedacht. In der derzeitigen Debatte gießt man mit derart diffusen Äußerungen Öl ins Feuer: Wer ohnehin schon dachte, Falschbeschuldigen seien ein häufiges Phänomen und ein eigenartiges Hobby rachsüchtiger, aufmerksamkeitsgeiler Frauen, kann jetzt denken, es sei eigentlich noch viel schlimmer.
    Quelle: Margarete Stokowski auf Spiegel Online
  17. AfD bindet relativ viele NichtwählerInnen und Personen aus dem rechten Lager an sich
    Studie auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels: Die Alternative für Deutschland (AfD) findet zunehmend Zuspruch im rechten politischen Lager und bei NichtwählerInnen – AnhängerInnen geben an, unzufrieden mit der Demokratie zu sein und sich um Zuwanderung zu sorgen
    Die Alternative für Deutschland (AfD) zieht derzeit vor allem Männer, BürgerInnen in den neuen Bundesländern, Personen mit geringer und mittlerer Bildung, ArbeiterInnen und Arbeitslose sowie junge Personen unter 30 Jahren an. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) hervor. DIW-Experte Martin Kroh hat dafür gemeinsam mit Karolina Fetz vom Berliner Institut für Empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt-Universität die im SOEP erfragte Parteibindung untersucht. Diese bildet längerfristige Trends in der Unterstützung von Parteien ab und ist nicht mit einer konkreten Wahlabsicht oder -entscheidung zu verwechseln, die auch auf kurzfristigen Einflüssen und Erwägungen beruhen kann. Kroh und Fetz fanden heraus, dass sich das Anhängerprofil der AfD seit der Parteigründung verändert hat. „Die AfD bindet der Befragung zufolge immer mehr frühere NichtwählerInnen und WählerInnen rechtsextremer Parteien an sich sowie Personen, die sich auch tatsächlich als politisch rechts oder sehr rechts verorten. Aber auch aus dem Kreis ehemaliger FDP- oder Linken-WählerInnen gewinnt sie AnhängerInnen“, sagt Fetz. „Zudem scheint sie zunehmend für jüngere Menschen attraktiv zu sein.“
    Quelle: DIW
  18. Zu guter Letzt: Neues Zivilschutzkonzept: Deutsche sollen Körperfettreserven für zehn Tage anlegen
    Berlin (dpo) – Wie gut sind Deutschlands Bürger auf den Ernstfall vorbereitet? Diese Frage will die Bundesregierung nicht dem Zufall überlassen: In einem neuen Leitfaden rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) jedem Deutschen dazu, persönliche Körperfettreserven für mindestens zehn Tage anzulegen.
    Die Behörde empfiehlt einen Body-Mass-Index von mindestens 30, um im Ernstfall bis zu zehn Tage ohne Nahrung auszukommen. “Körperfett ist viel effizienter als das Anlegen von Vorräten”, erklärt BBK-Präsident Christoph Unger. “Man hat es immer bei sich, es verdirbt nicht und es kann einem nicht weggenommen werden.” Nicht ohne Grund spreche der Laie bei Fettpolstern auch von “Rettungsringen”.
    Quelle: Der Postillon