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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Nato bekommt neue Kommandostruktur
  2. EuGH erlaubt Schuften bis zum Umfallen
  3. “Was wird aus den Menschen?”
  4. Air Berlin-Mitarbeiter: In der Warteschleife
  5. Für mehr Gerechtigkeit: Wohngeld und Kindergeld reformieren
  6. Armut in Frankreich: Stagnation der Misere
  7. Gesundheit: Krankenhausärzte streiken in Griechenland
  8. Der nächste Software-Trick der Autohersteller
  9. Deutschlands Enthaltung bei Abstimmung über Glyphosat ist unverantwortlich
  10. Abschreckung im Vorfeld – Zur show of force des Staates bei Versammlungen
  11. Profiteure der High-Tech-Vergrenzung
  12. Von Genosse Gabriel ins offene Messer getrieben
  13. Zu guter Letzt: Die närrische Woche des Neoliberalismus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nato bekommt neue Kommandostruktur
    Die Nato verstärkt erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder ihre Kommandostruktur. Die Verteidigungsminister der Allianz hätten sich bei einem Treffen in Brüssel auf den Aufbau von zwei neuen Planungs- und Führungszentren geeinigt, teilte das Bündnis mit. Zuvor hatte bereits der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Nato, den Ausbau beschlossen.
    Eines der neuen Kommandozentren soll die schnellere Verlegung von Truppen innerhalb Europas verantworten. Das zweite soll Marineeinsätze im Atlantik steuern können, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa freizuhalten.
    Die Pläne sind eine Reaktion auf die vor allem von den östlichen Nato-Staaten als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands, unter anderem in der Ukraine. Viele Nato-Staaten diskutieren derzeit auch neue Rüstungsprojekte – die Bundeswehr aktuell über einen Nachfolger für die alternden “Tornado”-Kampfjets. (…)
    Die neuen Strukturen gelten als Teil einer Kehrtwende. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte die Nato ihre teure Abschreckungspolitik zunächst zurückgefahren, die Kommandostrukturen wurden eingestampft – von einst 33 Kommandozentren sind laut Nato nur noch sieben übrig. Die Personalstärke sank von 22.000 auf 6800. (…)
    Nun jedoch müsse die Struktur angepasst werden, damit das Verteidigungsbündnis “robust, wendig und voll einsatztauglich” bleibe, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. “Militärische Mobilität ist der Schlüssel zu Abschreckung und Verteidigung.”
    Mehrere Tausend Nato-Soldaten wurden zwar bereits im Baltikum und in Polen stationiert. Doch erschweren zahlreiche für Panzertransporte ungeeignete Straßen, Brücken und Gleiswege derzeit schnelle Truppenverlegungen nach Osteuropa. Die Nato fordert deswegen auch von der EU und der Privatwirtschaft eine stärkere Beteiligung an der Abschreckung. Parallel dazu hat die Bundeswehr in einer geheimen Studie aber auch ein politisches Szenario entwickelt, falls der Westen zerfällt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Auch diese Maßnahmen dürften die Sorgen vieler Menschen vergrößern: Soll ein Krieg vorbereitet werden?
    Bitte lesen Sie dazu erneut u.a.:

    1. Wolfgang Bittner: „Deutschland würde bei der Ausweitung eines solchen Krieges in Schutt und Asche fallen“
    2. „Wir müssen wieder lernen, den totalen Krieg zu führen“

    dazu: Mehr Waffen aus Washington
    Als Donald Trump am Dienstag nachmittag (Ortszeit) mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Moon Jae-in vor die Presse trat, konnte er vor freudiger Aufregung kaum stillsitzen. Auf die eigentlich gar nicht an ihn gerichtete Frage nach den Plänen Seouls zum Kauf US-amerikanischer Rüstungsgüter verkündete er stolz, Südkorea werde »Ausrüstung im Wert von Milliarden von US-Dollar ordern«. Zu einigen Bestellungen, so Trump, »haben wir bereits unsere Zustimmung erteilt«. (…)
    Mit wüsten Drohungen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) hielt sich der US-Präsident zurück. Vor einigen Wochen hatte er noch mit der »totalen Vernichtung« des Landes gedroht, mit dem Südkorea sich formal – trotz eines am 27. Juli 1953 geschlossenen Waffenstillstands – noch immer im Krieg befindet. Am Dienstag hingegen ließ er verlauten, Seoul und Washington würden alle verfügbaren Mittel »unterhalb der Schwelle einer Militäraktion« nutzen, um den Konflikt mit Pjöngjang zu lösen. Gleichwohl betonte er im Hinblick auf die in Südkorea stationierten US-Truppen, man sei darauf vorbereitet, »uns und unsere Verbündeten nötigenfalls unter Zuhilfenahme aller unserer unvergleichlichen militärischen Fähigkeiten zu verteidigen«.
    In einer vor Trumps Besuch veröffentlichten Erklärung forderten fortschrittliche Organisationen aus Südkorea, Japan und den USA ein Ende der Sanktionen und Kriegsdrohungen gegenüber der DVRK. Moon solle sich, im Geiste der im Jahr 2000 verabschiedeten gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs Süd- und Nordkoreas, für den Dialog und die Kooperation mit dem Nachbarland einsetzen. Unterzeichnet wurde das Dokument unter anderem von beiden großen südkoreanischen Gewerkschaftsdachverbänden – der »sozialpartnerschaftlich« orientierten FKTU und der kämpferischen KCTU.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Es könnte der Eindruck entstehen, US-Präsident Trump habe insbesondere die Bedrohung durch Nordkorea inszeniert, um Waffen an die “Partner” vor Ort – Japan und Südkorea – “im Wert von Milliarden von US-Dollar” verkaufen zu können, oder? Vermutlich verstehen er und seine Administration das unter “America first”.

  2. EuGH erlaubt Schuften bis zum Umfallen
    „Dieses Urteil ist ein Angriff auf die Gesundheit der Beschäftigten, denn wer lange arbeitet, muss die Möglichkeit haben sich zu regenerieren“, kommentiert Jutta Krellmann, Expertin der Fraktion DIE LINKE für Arbeit und Mitbestimmung, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Arbeit bis zu zwölf Tage am Stück ohne finanziellen Ausgleich zuzulassen. Krellmann weiter:
    „Immer stärker bestimmen die Unternehmen mit Hilfe solcher Gerichtsurteile, wie und wann Beschäftigte zu arbeiten haben. Die Bedürfnisse der abhängig Beschäftigten werden ignoriert und ‚Work-Life-Balance‘ verkommt zur hohlen Phrase.
    Mit Blick auf die Situation in Deutschland kann ich die Arbeitgeberverbände nur davor warnen, die Arbeits- und Ruhezeiten weiter flexibilisieren zu wollen. Kürzung von Ruhezeiten und Ausdehnung des Arbeitstages – das geht gar nicht. Deshalb erwarte ich von der künftigen Bundesregierung nicht nur, dass sie die Finger vom Arbeitszeitgesetz lässt. Viel mehr brauchen die Beschäftigten zuverlässigen Schutz und mehr Mitsprache bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit.
    DIE LINKE fordert, dass die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit in einem ersten Schritt von 48 auf 40 Stunden pro Woche reduziert wird. Die Arbeitszeit muss sich auch an den Wünschen der Beschäftigten und nicht nur an den Ansprüchen der Unternehmen ausrichten. Psychische Belastungen müssen verringert und die Arbeit altersgerecht gestaltet werden. In diesem Sinne müssen Arbeits- und Gesundheitsschutz verbessert und um eine Anti-Stress-Verordnung ergänzt werden. Auch ist die betriebliche Mitbestimmung auszubauen.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  3. “Was wird aus den Menschen?”
    Dass sich Siemens ständig neu erfindet, ist eines der Naturgesetze des Konzerns. Die Streichungen in der Energiesparte jedoch machen vielen Mitarbeitern Angst.
    Man kann die Lage bei Siemens an diesem Tag an zwei Farblagern fest machen: schwarz-grau und rot. Rot sind die Plakate und Jacken der IG-Metaller, die schon morgens um acht Uhr vor der Konzernzentrale am Wittelsbacher Platz in München stehen und gegen die Kürzungspläne des Managements in der Kraftwerkssparte demonstrieren. Sie halten ein Plakat mit den Bildern von 600 Mitarbeitern hoch, auf dem steht: “Was wird aus den Menschen?”
    Schwarz und grau hingegen sind die Anzüge und Kostüme der Menschen, die um diese Zeit auf dem Weg in ihre Büros in der Firmenzentrale sind. Während die Schwarzgrauen über den Platz in Richtung Haupteingang gehen, schauen Sie manchmal in Richtung der roten Gruppe. Die aber stehen an diesem Tag für eine Seite des Siemens-Konzerns, der mit der schwarzgrauen wenig zu tun hat.
    In der Energiesparte soll massiv gestrichen werden, weil das Geschäft mit großen Kraftwerksturbinen in Zeiten der Energiewende nicht mehr läuft. Die Frage ist nur: Wie soll das gehen, wenn man eigentlich einen Beschäftigungspakt mit der Arbeitnehmerseite abgeschlossen hat? Und vor allem: Darf man das überhaupt bei einem Konzerngewinn von 6,3 Milliarden Euro und einem Umsatz von 83 Milliarden Euro?
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung JK: Die Frage ist ethisch einerseits richtig, andererseits ökonomisch falsch, da im neoliberalen Kapitalismus nur zählt, ob ein Mensch als Konsument oder als Arbeitskraft, im neoliberalen Neusprech als Human Resource, nutzbar ist. Trifft weder das eine noch das andere zu, ist der Mensch nach der neoliberalen Logik nicht existent. Da die Menschen aber bei Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht einfach aufhören zu existieren, darf da dann die Allgemeinheit aufkommen, ausgenommen diejenigen, die davon am meisten profitieren, diese verschieben ihre Profite und Vermögen lieber in die diversen Steueroasen, wie die Paradise Papers zum wiederholten Male gezeigt haben.

    dazu: Siemens: Konzernumbau darf nicht zu Stellenabbau führen
    Es ist unerträglich und nicht hinnehmbar, dass Siemens trotz wie verlautbart ‚hervorragender Ergebnisse‘ des Gesamtunternehmens einen Stellenabbau plant. Von einem Konzern mit rund 114.000 Beschäftigten allein in Deutschland ist zu erwarten, dass eine Strukturveränderung ohne den Abbau von Arbeitsplätzen organisiert wird. Dies entspricht im Übrigen auch dem Abkommen zur Standort- und Beschäftigungssicherung, das Siemens, die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat 2010 verlängert haben“, kommentiert Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, den drohenden Stellenabbau bei Siemens.
    Quelle: die Linke im Bundestag

    dazu auch: Deutsche-Bank-Chef stellt erheblichen Stellenabbau in Aussicht
    „Wir beschäftigen 97.000 Leute. Die meisten großen Wettbewerber haben eher halb so viele“, sagt Deutsche-Bank-Chef John Cryan. Und erklärt auch, was an die Stelle der qualifizierten Mitarbeiter treten wird: qualifizierte Maschinen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Ah ja, so sieht die “Überauslastung” der deutschen Wirtschaft aus.

  4. Air Berlin-Mitarbeiter: In der Warteschleife
    Die Pleite von Air Berlin hat Mitarbeiter zurückgelassen, die nun alle Angst um ihre wirtschaftliche Existenz haben. Besonders schwierig ist es absurderweise für jene, die bisher nicht gekündigt wurden. Das deutsche Arbeitsrecht macht es möglich. […]
    Über zwanzig lange Jahre arbeitete Markus Menslin im Qualitätsmanagement der Bodenabfertigung von Air Berlin. Seine Ehefrau Romy, auch eine Kollegin, Flugbegleiterin, fast 16 Jahre lang. Doch nach der Einstellung des Flugbetriebs ist nun natürlich alles anders.
    Eine unsichere Übergangsphase – vor allem für die ehemalige Flugbegleiterin. Denn sie gehört zu jenen Mitarbeitern, die erst einmal nur eine widerrufliche Freistellung bekommen haben, keine Kündigung. Arbeitsrechtlich eine Art Warteposition. Rein formell besteht das Arbeitsverhältnis fort, das Beschäftigungsverhältnis ist jedoch beendet: […]

    “Widerrufliche Freistellungen erleben wir sehr selten, und insbesondere auch in Insolvenzverfahren. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum ein Unternehmen das macht. Mein Eindruck von Air Berlin ist, dass der Grund für eine widerrufliche Freistellung der ist, dass intern die Gespräche mit den Personalvertretungen noch gar nicht abgeschlossen sind. Über Sozialplanmaßnahmen und dergleichen. Und das würde eine unwiderrufliche Freistellung, eine Kündigung, dann erst ermöglichen.”

    Auch das Unternehmen Air Berlin verweist auf noch laufende Verhandlungen mit den Personalvertretungen, erst dann könne eine Kündigung erfolgen. Wahrscheinlich aber noch im November. Für Romy Menslin bedeutet jedoch jeder Tag unter dem Status der widerruflichen Freistellung kein Geld – kein Lohn, kein Arbeitslosengeld und es werden auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Weshalb sie sich in dieser Woche nun doch arbeitslos gemeldet hat. Die meisten Arbeitsrechtler halten diesen Schritt für richtig. Die Flugbegleiterin hofft, dass ihr dadurch aber keine weiteren Nachteile entstehen, etwa bei späteren Abfindungsfragen.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

  5. Für mehr Gerechtigkeit: Wohngeld und Kindergeld reformieren
    Geringverdienende unterstützen und Kinderarmut bekämpfen
    Schattenseiten im “Wohlfühl-Land”: Im reichen Deutschland liegt die Armutsquote bei fast 20 Prozent, für viele Menschen wird Wohnen zum Luxus. Daran muss sich dringend etwas ändern – zum Beispiel durch schnelle und massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und Reformen bei Wohn- und Kindergeld.
    Armut in einem reichen Land
    Steigende Beschäftigung, sinkende Arbeitslosigkeit – trotzdem gelten in Deutschland 16 Millionen Menschen als arm. Und obwohl immer mehr Alleinerziehende arbeiten, ist das Armutsrisiko in Ein-Eltern-Familen besonders hoch: Die Hälfte aller Kinder in Armut lebt bei Alleinerziehenden, zu 90 Prozent Mütter.
    Offenbar sind Löhne und Sozialleistungen heute häufig zu niedrig, um wirksam vor Armut zu schützen. In Mehrpersonenhaushalten können auch Mindest- und Tariflöhne nicht immer sicherstellen, dass ein Haushaltseinkommen erreicht wird, das ein Leben unabhängig von Hartz IV ermöglicht. Dazu kommt, dass der Kinderzuschlag nach geltendem Recht bei vielen Familien, die dringend Unterstützung brauchen, nicht ankommt – und dass das Wohnen in vielen Städten immer teurer wird.
    Reformvorschläge des DGB
    Der DGB fordert deshalb, kinderbezogene Leistungen und das Wohngeld grundlegend zu reformieren und zu verbessern. Das Ziel: Kein Haushalt mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwebstätigkeit soll Hartz IV beziehen müssen, nur weil er Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind.
    Quelle: DGB

    Anmerkung Christian Reimann: Hier können Sie die Vorschläge des DGB nachlesen: Geringverdienende unterstützen, Kinderarmut überwinden: DGB-Reformvorschläge für ein verbessertes Kindergeld und Wohngeld.

    dazu: Armutsbekämpfung: Gewerkschaftsbund fordert mehr Kinder- und Wohngeld
    Die Gespräche zwischen den Parteien zur Bildung einer möglichen Jamaika-Koalition gestalten sich schwierig – nun versuchen die Gewerkschaften, mit eigenen Ideen den Fortgang der Sondierungen zu beeinflussen. Um die nach wie vor weit verbreitete Armut im Land wirkungsvoll zu bekämpfen, müssten die Leistungen für Familien mit Kindern und das Wohngeld grundlegend reformiert werden, heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), das am Donnerstag veröffentlicht werden soll und dieser Zeitung bereits vorliegt.
    „Ein höheres Kindergeld für Geringverdiener ermöglicht mehr soziale Teilhabe und kann vielfach den Gang zum Jobcenter vermeiden helfen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Ihr Vorstandskollege Stefan Körzell ergänzte, die künftige Bundesregierung und die Länder müssten schnell und massiv in den sozialen Wohnungsbau investieren und die Mietpreisbremse verschärfen. Bis die Wohnungsnot behoben ist, sollte ein verbessertes Wohngeld bezahlt werden, damit mehr Menschen eine bezahlbare Wohnung finden können. (…)
    In Bezug auf das Wohngeld fordert der DGB, die Anrechnung von Erwerbseinkommen zu entschärfen: Zusätzlich zum bestehenden pauschalen Abzug der Werbungskosten von 1.000 Euro pro Jahr sollte analog zu den Hartz-IV-Regeln ein Freibetrag für Erwerbstätige von 2.600 Euro eingeführt werden. Dies werde dazu führen, dass der Anspruch auf Wohngeld im Vergleich zum geltenden Recht erst später erlischt und zusätzliche Haushalte Anspruch auf Wohngeld erhalten. „Bei bereit bestehenden Ansprüchen auf Wohngeld führt die geringere Anrechnung von Erwerbseinkommen dazu, dass ein höherer Wohngeldbetrag ausgezahlt wird“, schreibt der DGB.
    Die jährlichen Mehrausgaben aufgrund der Reformvorschläge beziffern die Gewerkschaften auf 3,7 Milliarden Euro. Die Vorschläge seien somit zielgenauer und günstiger als die von der Union geforderte Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro sowie eine entsprechende Anhebung der Kinderfreibeträge. In diesem Fall würden zusätzliche Kosten in Höhe von sechs Milliarden Euro entstehen, heißt es in dem Papier.
    Quelle: Berliner Zeitung

  6. Armut in Frankreich: Stagnation der Misere
    Der Bericht der französischen Caritas-Organisation Secours catholique: Keine auffallenden Ausschläge, aber stetige Verschlechterungen am armen Rand der Gesellschaft
    Am aktuellen Bericht der französischen Caritas-Organisation Secours catholique zeigt sich ein Aufmerksamkeitsproblem. Wie kann man der Öffentlichkeit eine Misere nahebringen, wenn die Quoten nicht, wie man es aus Politik, Wirtschaft, Unterhaltung oder Sport gewöhnt ist, keine auffallenden Ausschläge anzeigen, weder animierende Verbesserungen noch einen katastrophale Krisenausschlag nach unten? Wie kann man die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass mit der Politik gegen die Armut etwas nicht stimmt, wenn sich die aufeinanderfolgenden Jahresberichte derart ähneln?
    Auch wenn sich die Situation nicht verschlechtert, sie verbessert sich auch nicht, fasst Le Monde das Ergebnis des Secours catholique-Berichts zum Stand der Armut in Frankreich 2017 im Vergleich zum Vorjahresbericht zusammen. Schon im November letzten Jahres war zum Beispiel von 9 Millionen die Rede, die arm sind (siehe dazu: Frankreich: Die Armut wächst). Die Armutsschwelle liegt in Frankreich bei 1.015 Euro monatlich.
    Der vorherige Bericht verzeichnete 1,4 Millionen “Personen in Schwierigkeiten”, die sich 2015 hilfesuchend bei der Organisation gemeldet haben. Der aktuelle Bericht verzeichnet 1,5 Millionen. Das sind Hunderttausend mehr, aber anscheinend nicht spektakulär genug. Auch wenn deren Medianeinkommen mit lediglich 548 Euro monatlich angegeben wird und dessen Steigerung mit 3 Euro in sechs Jahren.
    Auch der Anteil der Haushalte ohne Einkommen steigt, wie der Bericht ermittelt. Jeder fünfte Haushalt, von dem die Caritasvereinigung 2016 über die Hilfesuchenden Kenntnis erhielt, habe keine “Ressourcen”. 2015 waren es 0,5 Prozent weniger und im Jahr davor 1,2 Prozent weniger.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Vermutlich werden die Macron-“Reformen” die Situation nicht verbessern. Zu befürchten ist vielmehr, dass Armut zunehmen wird, wenn die Veränderungen, die zulasten der Arbeitnehmerschaft in Frankreich sind, wirken – ähnlich in Deutschland.

  7. Gesundheit: Krankenhausärzte streiken in Griechenland
    Die griechischen Krankenhausärzte sind in einen 24-stündigen Streik getreten. Wie ihre Gewerkschaft OENGE mitteilte, protestieren sie damit gegen ein neues Gesetz, mit dem ihre Arbeitszeit von heute höchstens 48 Stunden auf bis zu 60 Stunden in der Woche erhöht werden kann. Zudem protestieren sie gegen die Kürzungen ihrer Gehälter und fordern die Einstellung von mehr Ärzten und Krankenhauspersonal. Wegen der schweren Finanzkrise wurden in den vergangenen sechs Jahren kaum neue Ärzte und Krankenhauspersonal in Griechenland eingestellt.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Verhältnisse wie in der Dritten Welt, made by Merkel, Schäuble & EU-Kommission. Aber anscheinend hat man sich an die Schreckensnachrichten aus Griechenland schon zu sehr gewöhnt, als daß sie noch so skandalös erschienen, wie sie sind.

  8. Der nächste Software-Trick der Autohersteller
    Das neue Prüfverfahren WLTP soll bei Autos für realistischere Verbrauchsangaben sorgen. Doch die Hersteller werden damit keineswegs gezwungen, sparsamere Pkw zu bauen. Es gibt nämlich einen Rechentrick. […]
    Eine solche Anpassung finde auch tatsächlich statt, so Mock. Ein Softwareprogramm namens “CO2-MPAS” werde dazu benutzt. Allerdings komme das Programm zu einem für die Autoindustrie weitaus großzügigerem Ergebnis: “Der Umrechnungsfaktor gestattet den Herstellern durchschnittlich 15 oder 20 Prozent höhere Emissionen”.
    Im Klartext: Durch die Umrechnung profitieren die Hersteller letztendlich vom dem strengeren Testverfahren WLTP. Laut Mock könnte nach der Anpassung ein Grenzwert von 119 CO2 g/km statt 95 g/km entstehen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Jens Berger: Na das ging ja schnell. Erst vorgestern haben wir auf den NachDenkSeiten vor genau diesen Manipulationen gewarnt. Interessant ist auch der Umstand, dass auch das neue Testverfahren trotzt „Software-Trick“ noch 20 Prozent über dem realen Verbrauch und damit unter den realen Emissionen liegt. So rechnen sich die Hersteller ihre Umweltbilanz schön, aber der Umwelt ist damit kein Jota geholfen.

  9. Deutschlands Enthaltung bei Abstimmung über Glyphosat ist unverantwortlich
    „Dass sich auch für den Kompromissvorschlag der EU-Kommission für eine verkürzte Wiederzulassung von Glyphosat von fünf Jahren keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten gefunden hat, zeigt die weiter bestehenden großen Zweifel an der Unbedenklichkeit des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels. Die erneute Enthaltung der Bundesregierung widerspricht dem Vorsorgeprinzip und ist unverantwortlich“, kommentiert Kirsten Tackmann, Mitglied der Bundestagsfraktion DIE LINKE, die heutige Abstimmung im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF). Tackmann weiter:
    „Statt die Hängepartie immer wieder zu verlängern, hätte Deutschland längst mehr dazu beitragen müssen, die Kenntnislücken zu schließen und endlich für ein Zulassungsverfahren zu sorgen, das konzernunabhängig und transparent den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Natur und Umwelt sichert. Das wäre auch im Interesse von Landwirtinnen und Landwirten, die beim Pflanzenschutz auf verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen angewiesen sind. Sie brauchen zudem mehr wissenschaftliche Unterstützung für wirtschaftliche Alternativen zu Glyphosat.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag

    dazu: Wieviel Krebs darf’s denn sein?
    Die EU will am Donnerstag entscheiden, ob das meistverkaufte Pestizid weiter gespritzt werden darf. Es gibt Hinweise, dass das Mittel krebserregend ist.
    Das wichtigste Argument der Glyphosat-Gegner ist, dass die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) das Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Dabei hat sich die Agentur insbesondere auf jeweils zwei Versuche mit Mäusen und Ratten berufen, die Tumore entwickelten, nachdem sie Glyphosat gefressen hatten.
    Dass in manchen Experimenten mit dem Wirkstoff gefütterte Tiere statistisch bedeutend mehr Krebs als normal bekamen, ist unumstritten. Doch die EU-Chemikalienbehörde Echa beispielsweise hält diese Ergebnisse für nicht aussagekräftig genug, um auf eine Gefahr für Menschen zu schließen und deshalb Glyphosat zu verbieten.
    Quelle: taz

  10. Abschreckung im Vorfeld – Zur show of force des Staates bei Versammlungen
    Die Mühlen des Rechts mahlen langsam, aber gerecht. Zu dieser Abwandlung eines berühmten Sprichworts mag derjenige greifen, wer das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Versammlungsrecht liest. Am 25.10.2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht über den Tornado-Einsatz vom G8-Gipfel in Heiligendamm – über zehn Jahre, nachdem die damaligen Bundessprecher*innen der GRÜNEN JUGEND Jan Philipp Albrecht und Paula Riester gegen den Einsatz geklagt hatten. Gerade weil sich die staatliche Praxis im Umgang mit Versammlungen in jüngster Zeit immer stärker militarisiert und zugleich präventiv ausgerichtet hat, kommt dem leider in der Öffentlichkeit nicht hinreichend rezipierten Urteil (Pressemitteilung des BVerwG zu 6 C 45.16) eine grundsätzliche Bedeutung zu. (…)
    Obschon sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit einem bereits zehn Jahre zurückliegenden Sachverhalt beschäftigt, ist es gerade aufgrund der aktuellen Entwicklung staatlicher Machtdemonstrationen bei Versammlungen umso mehr von grundsätzlicher Bedeutung. Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden zum Beispiel SEK-Einheiten eingesetzt, um auf angebliche Gefahren zu begegnen, die von Personen aus einem Haus im Schanzenviertel ausgingen. Mittlerweile wird immer deutlicher, dass die Polizeieinsatzleitung die genannten Gefahren keineswegs beweisen kann und der Einsatz des SEK offensichtlich eine Machtdemonstration darstellte, um den aus Sicht der Polizei außer Kontrolle geratenen Protesten entgegenzuwirken (hierzu ein Interview mit dem Protestforscher Peter Ullrich). Der SEK-Einsatz in Hamburg hatte offenbar auch eine normalisierende Wirkung auf diese verfassungswidrige Praxis. Nur kurze Zeit danach wurde eine linke Demonstration im sächsischen Wurzen, ohne konkreten Anlass, durch ein SEK begleitet. Johannes Franke hat auf dem Juwiss-Blog diesen Einsatz ebenfalls überzeugend als eine grundrechtswidrige show of force diskutiert.
    Die heutigen Polizeistrategien verlagern sich immer stärker ins Vorfeld. Präventive Maßnahmen verkürzen dabei regelmäßig den Schutz der Versammlungsfreiheit, weil die Teilnehmer*innen oft mit der geballten Macht der Staatsapparate konfrontiert sind. Eine freie Kommunikationsentfaltung, die den Kern der Versammlungsfreiheit ausmacht, ist somit kaum möglich. Die Gerichte mögen sehr spät über den Tornado-Einsatz entschieden haben, aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte dennoch zur richtigen Zeit. Ob die Exekutive die Aufforderung zu einem grundrechtssensiblen Umgang mit Versammlungen anerkennt, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
    Quelle: Verfassungsblog
  11. Profiteure der High-Tech-Vergrenzung
    Mauern, Zäune und Stacheldraht haben gegenwärtig Konjunktur. Als Gründe hierfür werden meist implizit die sog. „Flüchtlingskrise“ einerseits und der „Rechtspopulismus“ andererseits angenommen. Dabei wird jedoch übersehen, dass es sich bei diesen Mauern und Zäunen nur um die banalsten Elemente jener „Festung Europa“ handelt, die bereits seit einem guten Jahrzehnt mit Unsummen aufgebaut wird. Zentrale Akteure und Profiteure sitzen dabei in jenen Ländern und Institutionen, die öffentlich gerne die Abschottungstendenzen „rechtspopulistischer“ Regierungen kritisieren. Während Mauern und Zäune zwischen Bulgarien und der Türkei, Ungarn und Serbien Menschen vom Zutritt zur EU abhalten sollen, setzen diese Maßnahmen – oft in Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen – bereits in den Herkunfts- und Transitstaaten an. (…)
    Die Luna-Drohne von EMT wurde von der Bundeswehr auch in Afghanistan eingesetzt. Das Fraunhofer IOSB mit Sitz in Karlsruhe hat basierend auf diesen Einsatzerfahrungen im Auftrag des Verteidigungsministeriums die Bildauswertungssysteme optimiert. Mit diesen ausgestattet nutzt mittlerweile auch die Schweizer Luftwaffe die Drohne für Einsätze im Auftrag der Polizei – u.a. gegen Einbruchskriminalität im Bodenseeraum und – zumindest temporär – zur Überwachung der Grenze nach Italien.
    Die Fraunhofer Gesellschaft, zu der das IOSB gehört, gilt nach Rechnungen des Rechercheprojektes Security for Sale als jene private Institution, die am umfangreichsten von den Forschungsprogrammen der EU profitierte.[6] Zu diesen 68 Mio. Euro innerhalb von zehn Jahren kamen demnach noch 50 Mio. aus dem deutschen Programm zur Sicherheitsforschung. Unter den Unternehmen, die am umfangreichsten profitierten, belegten Thales (31.5 Mio.) und Airbus (15 Mio.) den ersten bzw. dritten Platz. Beide Firmen führten im Rahmen der Sicherheitsforschung ihrerseits eng verwobene Projekte mit dem Fraunhofer IOSB durch: Die Klassifikation von Flüchtlingsbooten durch Mustererkennung in Aufklärungsdaten von Satelliten- (Airbus) und Drohnensystemen (Thales). Ein drittes IOSB-Projekt beschäftigte sich gemeinsam mit Airbus und der Carl Zeiss AG mit der Detektion entsprechender Boote durch Sensorbojen auf See.
    Der staatlich finanzierte Boom zivil-militärischer Überwachungstechnologie ist an den Firmensitzen auch baulich sichtbar: Thales in Ditzingen direkt an der A81 etwa hat in den vergangenen Jahren immens ausgebaut, keine zwei Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Autobahn befindet sich ein Neubau des IT-Konzerns ATOS, der Platz fünf unter den am umfangreichsten von der EU durch Forschungsgelder geförderten Unternehmen einnimmt.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  12. Von Genosse Gabriel ins offene Messer getrieben
    Das Urteil des Ex-SPD-Chefs Gabriel über seinen Nachfolger Schulz erinnert Roberto De Lapuente an selbstherrliche Pickelhaubenköppe
    Ach, was waren das für goldene Zeiten der Sozialdemokratie, als Sigmar Gabriel ihr noch vorstand. Zwischen 23 und 25 Prozent riss man sich bei den Sonntagsfragen unter den Nagel. Dann kam der Absturz, dann kam Martin Schulz, faselte die »soziale Gerechtigkeit« auf die Agenda – nur sozialdemokratisch-original mit den Anführungszeichen! – und flugs legte man bei der Bundestagswahl Ende September eine Bauchlandung hin: 20,5 Prozent. Alles was Gabriel nach Schröder so mühselig aufgebaut hatte, war für die Katz’. So liest sich jedenfalls die Einschätzung des Ex-Chefs der Sozis von letzter Woche. Fast konnte man meinen, er habe seinem Nachfolger eine intakte, eine vor Kraft und Gesundheit strotzende Partei hinterlassen.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  13. Zu guter Letzt: Die närrische Woche des Neoliberalismus

    Unser Gesprächskreis vergibt die „Goldene Blendgranate 2017 – International“ an die US-Präsidentin in spe a.D., Hillary Clinton für ihre Wahlkampfmanipulation im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016/17. Hillary Clinton manipulierte ihren Vor-Wahlkampfsieg gegen Bernie Sanders. Und als sie anschließend gegen Trump verlor, lenkte sie die Aufmerksamkeit auf „russische Hacker“. Sie verdeckte damit ihre Chancenlosigkeit gegen Trump und ihren Betrug an ihrem Konkurrenten Bernie Sanders.
    Quelle: NachDenkSeiten Gesprächskreis Region Hamburg

    Hinweis: Ab heute vergibt der Hamburger Leserkreis der NachDenkSeiten vier Satirepreise für neoliberale Propaganda in Politik und Medien. Nähere Informationen zu der Aktion finden Sie hier.