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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT/WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Linke, vereinigt euch!
  2. Mitgliederentscheid über GroKo – SPD verschickt Wahlunterlagen
  3. Anspruch und Wirklichkeit
  4. Eine gefährliche Situation
  5. Die gefährliche Illusion des Grundeinkommens
  6. Die deutsche Erpressungspolitik gegen Griechenland geht weiter
  7. Einst Lehman-Banker, bald EZB-Vize
  8. Wieder nichts übrig für die Armen
  9. Opel-Chef will Arbeitskosten senken – „Werk für Werk“
  10. Reichtum verpflichtet!
  11. Nebeneinkünfte im Bundestag: Ulla Schmidts lukrative Arbeit nebenher
  12. Lateinamerika: Die Toleranz für Korruption schwindet
  13. Studie: Extreme Minderheit verantwortlich für Großteil von Hasskommentaren
  14. Der gekaperte Feminismus
  15. Wenn der Algorithmus das Ich angreift

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Linke, vereinigt euch!
    Um aus der Sackgasse des Neoliberalismus zu entkommen, müssen wir uns zusammentun. Sonst jubeln die Rechten.
    Brauchen wir eine Sammlungsbewegung der politischen Linken? Ja, wenn wir wollen, dass der Sozialabbau gestoppt wird, Löhne und Renten wieder steigen, in der Außenpolitik die Entspannungspolitik Willy Brandts wieder aufgenommen wird und die fortschreitende Zerstörung unserer Umwelt und das Artensterben beendet werden. Lange Zeit haben wir auf eine Regierung von SPD, Grünen und Linken gesetzt. Aber eine solche Regierung wurde 2005 und 2013 von der SPD verhindert. Und die letzten Jahre haben gezeigt: Die SPD hat seit der Agenda 2010 und ihrer Zustimmung zu Aufrüstung und Interventionskriegen mit der Partei Willy Brandts kaum noch etwas gemein, und die Grünen sind schon lange keine grüne Partei mehr, weil sie im Gegensatz zu ihrer Gründungszeit das umweltzerstörende Wirtschaftssystem nicht mehr infrage stellen.
    Die Bilanz der letzten Jahre kann man wie folgt zusammenfassen: Der Sozialstaat wurde abgebaut, ein großer Niedriglohnsektor ist entstanden, die Altersarmut wächst, die Renten wurden teilweise privatisiert, 40 Prozent der Bevölkerung haben heute real weniger Kaufkraft als vor zwanzig Jahren, die Politik der guten Nachbarschaft in Europa wurde beendet, deutsche Truppen stehen an der russischen Grenze, trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien steigt der -Ausstoß, und die jüngsten Meldungen zum Artensterben sind beunruhigend. Die Linke in Deutschland konnte diese Entwicklung nicht verhindern, obwohl es nach allen Umfragen in der Bevölkerung eine Mehrheit dafür gibt, die oben genannten Ziele zu erreichen. Sie muss sich daher neu aufstellen.Aber wer gehört überhaupt zur politischen Linken? Die Schaffung einer neuen Wirtschafts- und Sozialordnung, die es ermöglicht, den von der Bevölkerung erarbeiteten Wohlstand gerecht zu verteilen, Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte zu verhindern und die Zerstörung des Planeten zu stoppen, ist der archimedische Punkt für alle, die sich den Fehlentwicklungen der neoliberalen Ära entgegenstellen wollen.
    Quelle: Oskar Lafontaine in der Sächsischen Zeitung
  2. Mitgliederentscheid über GroKo – SPD verschickt Wahlunterlagen
    Mit dem Versand Hunderttausender Wahlunterlagen hat die SPD die heiße Phase des Mitgliedsentscheids über eine erneute Große Koalition eingeleitet. Vom Dienstag, dem 20. Februar, bis zum 2. März können alle Sozialdemokraten darüber abstimmen, ob die Partei eine Koalition mit CDU und CSU eingehen soll. Das Ergebnis soll am 4. März verkündet werden. Im Falle einer Zustimmung kann CDU-Chefin Angela Merkel vom Bundestag zur Kanzlerin gewählt werden.
    (…) Rund 463.000 Mitglieder können abstimmen. Es wird ein enges Rennen erwartet.
    (…) An der Basis war bei den ersten Veranstaltungen spürbar, dass die Sorge groß ist und die Partei verunsichert
    Quelle: NTV

    Anmerkung WM: 463.000 Genossinnen und Genossen entscheiden über die Groko und damit über die deutsche Politik in den nächsten 4 Jahren, wenn die Groko denn so lange hält. Zusammen mit den Wahlunterlagen wurde jede Menge Werbung für Groko verschickt. Die Beeinflussung ist offensichtlich: die Mitglieder werden einseitig informiert und teilweise unter Druck gesetzt. Auch fast alle Medien werben für Groko.

    Dazu: Die wichtigsten Fakten zum SPD-Mitgliederentscheid
    Die SPD-Basis ist am Zug. Die Partei hat jetzt offiziell ihr mit Spannung erwartetes Mitgliedervotum über den erneuten Eintritt in eine große Koalition gestartet. Die wichtigsten Zahlen und Fakten dazu
    Quelle: Stern

  3. Anspruch und Wirklichkeit
    Auf dem Bonner Sonderparteitag hat der Parteivorstand einen eigenen Leitantrag [PDF] ein- und durchgebracht, in dem es im letzten Absatz heißt:
    „Unsere Basis entscheidet. Über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen wird ein verbindliches Mitgliedervotum eingeholt, an dem alle Mitglieder beteiligt werden. Das haben wir beschlossen, und das zeichnet uns als lebendige Mitglieder-Partei aus. Damit dieser Prozess innerhalb der Partei uns stärkt, ist uns wichtig, dass ein Abstimmungsverfahren angesichts der leidenschaftlichen Debatte in der Partei von besonderer Fairness gekennzeichnet ist. Zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens wird der Parteivorstand sicherstellen, dass im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, und vor allem auch im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen, die diskursive Bandbreite der Debatte abgebildet wird.“
    Ich habe die entscheidende Stelle mal markiert. Viele Genossen empfinden es nun zurecht als unfair, wenn der Parteivorstand mit einer dreiseitigen Werbebotschaft für die GroKo in die Abstimmung geht. „Wir als Verhandlungsteam empfehlen Dir aus Überzeugung mit JA zu stimmen!“, heißt es in dem Schreiben. Die Argumente der GroKo-Gegner im Sinne der „Abbildung einer diskursiven Bandbreite der Debatte“ werden in dem Begleittext aber offenbar nicht genannt.
    Quelle: TauBlog

    Anmerkung Christian Reimann: Das (innerparteiliche) Demokratieverständnis dieses SPD-Spitzenpersonals – insbesondere auch das von Frau Nahles – kann so sehr in Frage gestellt werden.

    Bitte lesen Sie dazu auch Wer kontrolliert Abstimmung und Auszählung bei der SPD-Mitgliederbefragung? Das ist inzwischen eine öffentliche und keine reine Partei-Angelegenheit.

  4. Eine gefährliche Situation
    Bei der Münchner »Sicherheitskonferenz« beklagte der russische Außenminister die aggressive Politik gegenüber seinem Land und rief zu mehr Zusammenarbeit auf
    (…) Man sollte meinen, dass die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Zerfall des Kontinents in der Epoche der Konfrontation zweier Lager den Völkern Europas für immer die Überzeugung vermittelt haben, dass es zur Errichtung eines »gesamteuropäischen Hauses« ohne Trennlinien, ohne die Scheidung seiner Bewohner in »unsrige« und »Fremde«, keine Alternative gibt. Aber selbst das Integrationsprojekt Europäische Union irgnoriert mittlerweile seine Wurzeln und vergisst das Bestreben seiner Gründungsväter, jegliche Konfrontationslogik, die den Kontinent nicht nur einmal in die Katastrophe gestürzt hat, auszuschließen.
    (…) Ungeachtet der uns in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegebenen Zusagen ist die NATO nach Osten vorgedrungen. An unseren Grenzen werden Kampfeinheiten stationiert, und die Allianz erweitert ihre Infrastruktur. Planmäßig entwickelt sie das Theater militärischer Übungen. In Osteuropa wird von den USA ein Raketenabwehrsystem errichtet, das die strategische Stabilität untergräbt. Es gibt zielgerichtete Propaganda, die darauf zielt, in den westlichen Gesellschaft ein feindselige Stimmung gegenüber Russland zu schüren. Im politischen Establishment vieler Länder gehört es mittlerweile fast zum guten Ton, entweder schlecht über unser Land zu reden oder sich zumindest nicht positiv zu äußern und zu schweigen.
    (…) Bedauerlicherweise halten die Versuche der EU an, die Länder in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Russland, sei es im Raum der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) oder auf dem Balkan, vor die Wahl zwischen dem Westen oder dem Osten zu stellen. In der deutschen Tageszeitung Die Welt (6.2.2018) ist ein Artikel erschienen mit der Überschrift »EU oder Putin – wer bekommt den Westbalkan?« Und das ist nicht der einzige Fall von Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Geiste einer Philosophie von Freund und Feind.
    (…) Unserer Ansicht nach hat es die EU in den vergangenen Jahren nicht verstanden, die goldene Mitte im Verhältnis unserer Länder zueinander herzustellen. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahmen die EU-Staaten gegenüber Russland die Haltung eines Lehrers ein. Sie behandelten unser Land wie einen Schüler, der es nötig habe, in Sachen westlicher Standards belehrt zu werden….Russland hat seine Einstellung zur Zusammenarbeit mit der EU nicht geändert. Wir möchten uns eng mit ihr verbunden sehen, basierend auf den grundlegenden Interessen ihrer Mitgliedsländer.
    (…) Es ist im Interesse Russlands und von großer Bedeutung, dass Russland, die EU, die USA und China bei der Schaffung einer Sicherheitsarchitektur zusammenarbeiten…. Es ist an der Zeit… gemeinsam an der Erneuerung eines Systems internationaler Beziehungen auf fairer Basis zu arbeiten, gestützt auf die zentrale koordinierende Rolle der Vereinten Nationen und deren Charta. Russland ist offen für eine gleichberechtigte und respektvolle, auf einem Interessenausgleich basierende Zusammenarbeit mit der EU, für ein gemeinsames Vorgehen bei der Suche nach effektiven Antworten auf die Herausforderungen der heutigen Zeit. Auf den gleichen Prinzipien sind wir bereit, unser Verhältnis mit den USA und anderen Ländern zu gestalten.
    Quelle: Sergej W. Lawrow in der Jungen Welt

    Anmerkung WM: Eine eindeutige Rede von Lawrow: Russland reicht dem Westen erneut die Hand. Es wird endlich Zeit, sie zu ergreifen und mit Russland zusammen an einem Ende der Konfrontationen zu arbeiten. Die Nato ist auf dem falschen Dampfer.

    dazu: 12.000 deutsche Soldaten bei Übungen zur Russland-Abschreckung
    Die Bundeswehr wird sich 2018 mit dreimal so vielen Soldaten an Militärmanövern zur Abschreckung Russlands beteiligen wie im vergangenen Jahr. Für Übungen im östlichen und nördlichen Bündnisgebiet der Nato sind rund 12.000 Soldaten eingeplant, wie aus einer Aufstellung des Verteidigungsministeriums hervorgeht, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
    Die Kosten für die Teilnahme werden demnach auf rund 90 Millionen Euro geschätzt. 2017 hatte sich Deutschland lediglich mit 4000 Soldaten an Übungen zur Russland-Abschreckung beteiligt, die Kosten werden mit rund 50 Millionen Euro beziffert.
    (…) Mit der verstärkten Manöveraktivitäten im östlichen Bündnisgebiet reagieren Deutschland und die anderen Nato-Partner auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands. Vor allem Litauen, Lettland, Estland und Polen fühlen sich bedroht, seit der große Nachbar 2014 mit der Unterstützung pro-russischer Separatisten in der Ukraine begann und sich die Schwarzmeerhalbinsel Krim einverleibte.
    Quelle: Welt

    Anmerkung WM: Man bemerke den Kontrast zwischen den russischen Angeboten auf Zusammenarbeit und der Reaktion darauf auf Seiten der Nato Mitgliedsländer.

  5. Die gefährliche Illusion des Grundeinkommens
    Es würde die Arbeitnehmer schwächen und zum Abbau des Wohlfahrtsstaates beitragen.
    Milliardäre für das Grundeinkommen
    Das BGE steht immer stärker in der Kritik. Aber der Hype, es weltweit in Ländern und Städten ausprobieren zu wollen, ist ungebrochen. Dass diese Entwicklung gegenüber kritischen Stimmen immun zu sein scheint, ist bedenklich. Und die Tatsache, dass sich Radikale von beiden Enden des politischen Spektrums für das BGE stark machen, sollte eigentlich sämtliche Alarmglocken läuten lassen.
    Wie Daniel Zamora argumentiert, ist dies eine Idee, deren Zeit gekommen ist – aber nicht, weil sie gut oder praktikabel wäre, sondern weil sie dem Zeitgeist entspricht. Er schreibt: „Während die Politik nach rechts driftet und die sozialen Bewegungen in die Defensive geraten, ist das BGE auf dem Vormarsch … nicht als Alternative zum Neoliberalismus, sondern als eine Kapitulation vor ihm.“
    Wir müssen, wie auch fast alle seiner Befürworter, davon ausgehen, dass ein solches Grundeinkommen nur sehr niedrig sein könnte….Dies bedeutet, dass Menschen, die nicht arbeiten können, zusätzliche Zahlungen erhalten müssten…
    Was das Grundeinkommen zu bieten hätte, wäre lediglich eine geringfügige Erhöhung der Grenze, oberhalb derer dann weitere – von Bedingungen abhängige – Zuwendungen erforderlich wären. Und sogar dafür würden wir, um es bezahlen zu können, massive Steuererhöhungen benötigen. Kurz gesagt: „Ein bezahlbares BGE würde nicht ausreichen und ein ausreichendes BGE wäre nicht bezahlbar.“
    Quelle: IPG
  6. Die deutsche Erpressungspolitik gegen Griechenland geht weiter
    Unter Altmaier setzt sich fort, was Schäuble begonnen hat: eine Einmischungs- und Aufpasserpolitik, die das Aufkommen von Rechten in Kauf nimmt.
    (…) Die Bevölkerung in Griechenland macht schließlich seit 2015 die Erfahrung, wie das Diktat einer von ihr nicht gewählten EU-Troika unter der Federführung Deutschlands ihre Lebensbedingungen entscheidend verschlechtert. Dabei hatte eigentlich eine Mehrheit der griechischen Bevölkerung durch Wahlen und ein Referendum ein “Oxi”, also Nein, zu dieser Politik deutlich gemacht.
    Doch die Troika zog die Daumenschrauben an und erreichte mit der Erpressung, dass der einst linkssozialdemokratische Ministerpräsident Tsipras das Gegenteil der Politik umsetzte, für die er ins Amt gewählt wurde. Mittlerweile ist es selbst Teilen der sozialdemokratischen Schwesternparteien peinlich, wie billig Tsipras und seine Partei ihre postulierten Grundsätze aufgegeben hat.
    (…) Nach Schäuble spielt Altmaier den deutschen Aufpasser in Griechenland
    Doch die Hoffnungen auf eine Milderung des Troika-Drucks nach Schäubles Rückzug vom Wirtschaftsministerium erweisen sich als verfrüht. Vor den Finanzministertreffen der EU in Brüssel, auf dem über weitere Hilfstranchen für Griechenland beraten wurde, machte Kanzleramtsminister Peter Altmaier deutlich, was er vom griechischen Protektorat erwartet.
    Griechenland müsse alle Reformauflagen erfüllen, um weitere Gelder zu bekommen. Aber der deutsche Protektor belässt es nicht bei allgemeinen Appellen, sondern wird sehr konkret: Deutschland pocht vor allem darauf, dass die griechische Regierung ein System für Zwangsversteigerungen von Häusern und Wohnungen im Internet schafft…
    Quelle: Telepolis
  7. Einst Lehman-Banker, bald EZB-Vize
    Neuer Vizepräsident der Europäischen Zentralbank soll ein Spanier werden: Nachdem Irland seinen Kandidaten zurückgezogen hatte, sprachen sich die Eurofinanzminister für Luis de Guindos aus.
    (…) Luis de Guindos ist studierter Wirtschafts- und Betriebswissenschaftler. Mitte der Neunzigerjahre ging de Guindos in die Politik, arbeitete unter dem konservativen Regierungschef José Maria Aznar im Wirtschaftsministerium und stieg dort bis zum Staatssekretär auf. Als 2004 die Sozialisten die spanische Parlamentswahl gewannen, wechselte de Guindos in die Wirtschaft. Er wurde Spanien-Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers, deren Untergang als Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise gilt.
    Quelle: Tagesschau
  8. Wieder nichts übrig für die Armen
    Für Hartz-IV-Empfänger hat die SPD erneut nichts zu bieten. Kein Wunder bei diesem Personal. Und die Presse interessiert das Thema auch nicht.
    Es mag derzeit nicht so wirken, aber eigentlich hat die SPD allen Grund zum Feiern: Niemand redet mehr über Gerhard Schröders Agenda-Politik. Das war vergangene Woche gut zu beobachten. Die Presse sezierte jedes Satzzeichen im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD – ohne sich freilich daran zu stören, dass 6,2 Millionen Menschen darin gar nicht adressiert werden.
    Das Thema Hartz IV kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Das brutale Sanktionsregime, die nicht existenzsichernden Sätze, all das interessiert Union und SPD nicht. Da wirkt es fast zynisch, das Regierungsprogramm mit „Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ zu überschreiben.
    Ebenso zynisch wirkt in diesem Zusammenhang der kolportierte Kampf der SPD-Familienministerin Katarina Barley gegen Kinderarmut, der unter anderem durch eine Erhöhung des Kindergelds und des Kinderzuschlags gewonnen werden soll. Beides wird bei Hartz-IV-Empfängern mit deren Regelbetrag verrechnet beziehungsweise nicht gewährt – eine alleinerziehende Mutter in ALG II und deren armutsgefährdete Kinder gehen leer aus.
    Nicht einmal die zaghaften Korrekturankündigungen des ehemaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I zu verlängern und das Schonvermögen für ALG-II-Empfänger zu erhöhen, haben es in das Regierungsprogramm geschafft.
    Quelle: TAZ
  9. Opel-Chef will Arbeitskosten senken – „Werk für Werk“
    Rüsselsheim: Beim Umbau des kriselnden Autobauers Opel steht inzwischen jeder einzelne Standort auf dem Kostenprüfstand. Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit sind nach Ansicht des Opel-Chefs Michael Lohscheller die Voraussetzung für Investitionen.
    „Wir müssen unsere Arbeitskosten senken und wir wollen das sozial verträglich lösen. Wir müssen für jeden Standort individuelle Lösungen finden“, beschreibt er die Lage ein gutes halbes Jahr nach der Übernahme durch den französischen PSA-Konzern und hundert Tage nach Vorstellung des Sanierungsplans „Pace“. Unter dem vorherigen Eigentümer General Motors (GM) hatte Opel seit 1999 keine Gewinne mehr erzielt.
    Die im Dezember begonnenen Verhandlungen mit der IG Metall zur Zukunft der deutschen Standorte Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach mit rund 19.000 Beschäftigten sind Lohscheller zufolge noch nicht abgeschlossen. „Wir haben mit unseren Sozialpartnern sehr schnell kurzfristige Maßnahmen wie Kurzarbeit und Vorruhestandsregelungen verabredet und dazu einen strukturierten Prozess, wie wir weiter vorgehen wollen. (…) Der Opel-Chef verwies auf den spanischen Standort Saragossa, wo eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer für einen Fünf-Jahres-Zeitraum flexiblere Arbeitszeiten, geringere Zuschläge und Lohnsteigerungen unterhalb der Inflation akzeptiert hat.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Eigentlich schwer vorstellbar, wie man im Lohndumpingland Nummer 1 die Löhne noch weiter senken will, aber gut… Andererseits müsste sich niemand angesprochen fühlen, da die Opel-Mitarbeiter dank Mega-Fachkräftemangel leicht den Arbeitgeber wechseln und woanders deutlich mehr verdienen können – oder etwa nicht?

  10. Reichtum verpflichtet!
    Höhere Mindestlöhne für Arbeitnehmer, höhere Steuersätze für Reiche – für einen Unternehmer vertritt Ernst Prost ungewöhnliche Positionen. Vielleicht liegt das daran, dass er seine Karriere als Kfz-Mechaniker begann.
    “Ein Unternehmer trägt Verantwortung nicht nur für den Inhalt seines eigenen Geldbeutels, sondern auch für die Menschen, die seinen Geldbeutel regelmäßig wieder füllen. Das Vermögen, das ich erarbeitet habe, habe ich zum großen Teil auch meinen Leuten zu verdanken. Diese 835 Menschen bei Liqui Moly haben mich durch ihre Arbeit reich gemacht. Und so ist es nur billig und recht, wenn diesen Menschen dann auch über Gewinnprämien, über vernünftige Löhne und Gehälter ein Teil des Gewinnes zufließt.” … “Ich wäre schon zufrieden, wenn viele deutsche Unternehmen, vor allem die Großkonzerne, sich an die Spielregeln halten würden. Die da heißen: Vernünftige, den Leistungen und dem Kostenniveau des Arbeiters angepasste Löhne und Gehälter zu bezahlen. Da wird getrickst, da werden nach allen Regeln der Kunst Gewinne verschoben, die dann auch dem Staat in Form von Steuern fehlen. Da wird mit Mindestlöhnen gearbeitet. Kein Mensch kann von einem Mindestlohn leben, geschweige denn eine Familie unterhalten. Da sind wir doch schon beim Existenzminimum angelangt.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Nebeneinkünfte im Bundestag: Ulla Schmidts lukrative Arbeit nebenher
    Sie hat die Praxisgebühr erfunden, die Arbeitgeber kräftig bei der Finanzierung des Gesundheitswesens entlastet und den vollen Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten eingeführt: Kein Wunder, dass Ulla Schmidt bei vielen Sozialdemokraten nicht sonderlich beliebt ist. Zu Kopfschütteln dürften nun auch die Nebeneinkünfte der früheren SPD-Gesundheitsministerin führen.
    Im Jahr 2017 verdiente die Bundestagsabgeordnete, die bis Oktober 2017 auch als Vizepräsidentin amtierte, zwischen 136 000 Euro und 242 000 Euro hinzu. Der Großteil davon wurde ihr von dem Schweizer Pharmaunternehmen Siegfried Holding AG überwiesen, in dem Schmidt als Verwaltungsrätin tätig ist.
    Monatlich bekommt sie dafür Einkünfte zwischen 3500 und 7000 Euro. Ferner gewährte ihr die Firma ein „Zusatzhonorar“ von 75 000 Euro bis 100 000 Euro. Die genaue Summe lässt sich nicht nennen, da Parlamentarier ihre Nebeneinkünfte innerhalb von zehn Stufen angeben, die Einnahmen von mehr als 1000 Euro im Monat bis zu mehr als 250000 Euro im Jahr abbilden.
    Schmidt zählt zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften.
    (…) Spitzenreiter ist der AfD-Abgeordnete Enrico Komning. Er gibt der Bundestagsverwaltung Nebeneinkünfte von mehr als einer Viertelmillion Euro an. Aus einem einzigen Mandat bezieht der Anwalt Einnahmen von mehr als 250 000 Euro, bei fünf weiteren nennt er „Stufe 1“ (zwischen 1000 und 3500 Euro) und einmal „Stufe 3“ (zwischen 7000 Euro und 15 000 Euro). Auf beachtliche Extraeinnahmen kommen auch die als Unternehmer tätigen Abgeordneten Hans Michelbach (CSU), Hans-Georg von der Marwitz (CDU) und Uwe Kamann (AfD). (…) Heikel ist auch die Vortragsrednerei, mit der schon Ex-Finanzminister Peer Steinbrück viel Geld verdiente. Nun ist es FDP-Chef Christian Lindner, der damit auffällt. Seit Oktober 2017 erzielte er mit acht Vorträgen und einem „Kamingespräch“ Einnahmen von mindestens 52 500 Euro.
    Quelle: Stuttgarter Nachrichten

    Anmerkung unserer Leserin E.H.: Müßten wir nicht einige Illusion aufgeben, daß wir es bei den Parteien, auch bei der SPD mit Volksvertretern zu tun haben? Sondern eher mit Wirtschaftsvertretern im Kostüm des Volksvertreters. Wie sonst könnte sich die Drehtür so schnell drehen: Hannelore Kraft (SPD) zu RAG, Garrelt Duin (SPD) ehem. Wirtschaftsminister NRW, zu Thyssen Krupp, . Deshalb wird es auch keine Änderung geben. Eine Veränderung, ein Aufbruch, ein Gefühl für Zukunftsfragen ist bei solchen „Politikern“ doch jenseits ihres Horizonts. Alle Empörung, Enttäuschung und Fassungslosigkeit wie die SPD im Moment agiert, können wir uns doch sparen. Wir sollten mal definieren, was eigentlich ein Politiker ist. Und sowas wie bei den Trennbanken einführen: Politiker als Wirtschaftsvertreter und Politiker als Volksvertreter, vielleicht zwei Namen für die verschiedenen Kategorien finden – vielleicht haben da andere Ideen…. Elitist und Populist paßt wohl nicht so gut. Die Elitisten verkleiden sich nun auch prima als Populisten in der AFD, aber eben auch in der SPD. Bei der CDU erwartet man ja nichts anderes.

  12. Lateinamerika: Die Toleranz für Korruption schwindet
    Ermittlungen der brasilianischen Justiz haben inzwischen einen riesigen Skandal um Bestechungsgelder von Firmen an Politiker ans Licht gebracht. Er reicht bis nach Peru, Argentinien und in viele andere Länder Lateinamerikas. Korruption ist dort ein tief verwurzeltes Übel. Doch die Toleranz sinkt.
    Der peruanische Präsident Pedro Pablo Kuczynski im vergangenen Dezember. Wegen seiner geschäftlichen Verbindungen zum brasilianischen Baukonzern Odebrecht, der in ganz Lateinamerika Politiker bestach, enthebt das Parlament den Präsidenten kurz vor Weihnachten fast seines Amtes.
    Cristina Kirchner, argentinische Ex-Präsidentin. Gegen Kirchner sind vier Verfahren in der Justiz anhängig, illegale Bereicherung und Geldwäsche werden ihr unter anderem vorgeworfen.
    Sergio Moro bekanntestes Gesicht der Korruptionsbekämpfung in Brasilien. Im Rahmen der Operation Lava Jato, der Aufklärung des bisher größten Korruptionsskandals der brasilianischen Geschichte, hat Moro mehr als hundert Politiker, Funktionäre und Manager zu Gefängnisstrafen verurteilt.
    (…) Korruption ist ein in Lateinamerika weitverbreitetes und tief verwurzeltes Problem…. Die Toleranz ist gesunken. Der Mega-Skandal ‘Lava Jato, bei dem es um Bestechungsgelder des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht und anderer Firmen geht, wirkte wie ein Katalysator: Er hat die Korruption grenzüberschreitend zu einem der Hauptthemen der öffentlichen Diskussion und der Medienberichterstattung gemacht.
    (…)
    Peru gehört neben Brasilien zu den Ländern Lateinamerikas, die vom Lava Jato-Skandal am stärksten aufgerüttelt wurden. (…) Der ehemalige Präsident Ollanta Humala und seine Ehefrau sitzen in Untersuchungshaft, weil sie illegale Wahlkampf-Spenden von Odebrecht und der Baufirma OAS erhalten haben sollen. Noch gravierender sind die Vorwürfe gegen Ex-Präsident Alejandro Toledo….
    (…) Perus amtierenden Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski hätten seine Verbindungen zu Odebrecht fast sein Amt gekostet.
    (…) “Die Lavo Jato-Kommission ist keine Untersuchungs-, sondern eine Vertuschungskommission. Bestimmte Politiker, die unter Korruptionsverdacht stehen, wie Keiko Fujimori oder Ex-Präsident Alan García, lässt sie in Ruhe. Die Kommission wird von Abgeordneten dominiert, die lediglich ihre politischen Feinde aufs Korn nehmen, aber die Handlungen ihrer eigenen Parteichefs vertuschen wollen.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  13. Studie: Extreme Minderheit verantwortlich für Großteil von Hasskommentaren
    Für viele Hass-Kommentare im Internet ist einer Analyse zufolge eine verschwindend kleine Minderheit der Nutzer verantwortlich. Das zeige eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung von hunderten Diskussionen in sozialen Netzwerken, die dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg vorliegt.
    Danach geht die Hälfte der Likes bei Hass-Kommentaren auf Facebook auf nur fünf Prozent der Accounts zurück. In dieser lautstarken Minderheit gebe es außerdem einen extrem aktiven Kern. So lassen sich der Analyse zufolge 25 Prozent der Likes auf nur ein Prozent der Profile zurückführen. Diese sehr aktiven Nutzer gingen oft gemeinsam vor, zumindest bei Diskussionen, in denen Hass-Inhalte eine Rolle spielen. Dagegen seien sie bei anderen Themen oft weitgehend passiv.
    Quelle: Berliner Zeitung
  14. Der gekaperte Feminismus
    Die Blockade des rechten »Frauenmarsches« am Samstag in Berlin war sicher für einige Linke ein Erfolgserlebnis im Kampf gegen die Instrumentalisierung des Feminismus durch AfD, Pegida und »Identitäre« – dies waren ja nur rund 450 Personen, während Antifa, Linkspartei, Jusos und andere bis zu 3.000 mobilisiert hatten. Männer waren auf beiden Seiten gut vertreten.
    (…) Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Ist die AfD so raffiniert, oder haben Linke es ihr bisher nur zu leicht gemacht, den Feminismus zu kapern?
    Die These muss erlaubt sein: Letzteres. Denn natürlich ist das »feministische« Angebot der AfD erbärmlich: Es beschränkt sich auf den Schutz deutscher Frauen vor männlichen Migranten und einen rassistischen Generalverdacht. Für Frauen ohne eigenständiges Aufenthaltsrecht, die Gewalt in der Ehe besonders schutzlos ausgeliefert sind, fordert die AfD im Zuge ihrer allgemeinen Abschottungs- und Abschiebeprogrammatik sowieso nur weitere Verschlechterungen. Die Partei, die sich so viel auf ihre »Islamkritik« einbildet, braucht in Wahrheit den islamischen Fundamentalismus, um das Frauen- und Familienbild der 1950er Jahre als kleineres Übel zu verkaufen. Frei nach dem Motto: Wir wettern zwar gegen Gleichstellungsbemühungen und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, wir drohen Alleinerziehenden mit dem Entzug von Sozialleistungen, aber dafür schützen wir euch vor Männern, die euch zwingen wollen, ein Kopftuch zu tragen. Seid uns dankbar und verlangt nicht zu viel Freiheit.
    (…) Kritikwürdig ist vielmehr, dass deutsche Linke Frauenhass, patriarchale und sexualisierte Gewalt nicht konsequent als Politikum behandeln. Jedenfalls nicht gleichwertig mit anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. »Deutsche Linke« muss hier betont werden, weil kurdische Linke das Thema sehr viel ernster nehmen.
    (…) Was bisher auf der Strecke bleibt, ist ein sichtbares linkes Angebot an Frauen, die sich ein Leben ohne Angst und Gewalt wünschen, aber seit einiger Zeit merken, dass im öffentlichen Raum das Klima rauer und sexistischer geworden ist. Linke sagen meistens nur, was der falsche Weg wäre, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen – zum Beispiel flächendeckende Massenüberwachung. Die Frage ist aber, was richtig wäre.
    Als Alternative zum Ruf nach dem starken Staat bieten autonome Feministinnen zwar seit Jahrzehnten immer mal wieder kostenlose Selbstverteidigungskurse für Mädchen und Frauen an – wahrgenommen wird dies aber meist nur in der eigenen Szene. Ausgerechnet Frau Weidel forderte im Herbst solche Kurse als flächendeckendes, steuerfinanziertes Angebot – natürlich im Zusammenhang mit »nichtdeutschen Sexualstraftätern«.
    Sich nicht zurückzuholen, was die AfD einmal »besetzt« hat, wäre ganz sicher der falsche Weg.
    Quelle: junge Welt
  15. Wenn der Algorithmus das Ich angreift
    Computerprogramme berechnen, wie wir wählen, was wir kaufen, sie werten Bewerbungen aus und ermitteln anhand unserer Daten, wie fit wir sind: Wie gefährlich die Zerlegung des menschlichen Verhaltens in nackte Zahlen ist, beschreibt die US-Amerikaniern Cathy O’Neil in ihrem packenden Buch “Angriff der Algorithmen”.
    (…) …die Washingtoner Schulbehörde hatte ein Beratungsunternehmen beauftragt, einen Algorithmus für die Bewertung des Unterrichtserfolgs zu erstellen: Der erwies sich – wie so viele andere auch – als Black-Box, deren Urteil die Betroffenen wehrlos ausgeliefert sind. Deshalb bezeichnet die in Harvard promovierte Autorin, die als eine der profiliertesten Kritikerinnen der Digitalbranche gilt, solche Programme als “Weapons of Math Destruction” – als Mathevernichtungswaffen:
    “Heute mikromanagen schlecht konzipierte mathematische Modelle die Wirtschaft, angefangen bei der Werbung bis hin zur Verwaltung von Gefängnissen. (…) Sie sind undurchschaubar, werden nicht infrage gestellt, sind niemandem Rechenschaft schuldig und operieren in einem Maßstab, der groß genug ist, um Millionen Menschen zu kategorisieren, ins Visier zu nehmen oder zu ‘optimieren’.”
    Quelle: Deutschlandfunk