Hinweise des Tages II

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  1. Versammlung gegen Corona-Politik unter Auflagen gestattet (Nr. 42/2020)
  2. Durchsetzung der Maskenpflicht nicht auf Zugbegleiter*innen abwälzen
  3. Pläne der EU-Kommission: Steuerzahler sollen Risiken der Impfstoffhersteller mittragen
  4. Rechnungshof wirft Scheuer vor, das Finanzministerium getäuscht zu haben
  5. 8,5 Millionen Haushalte brauchen sozialen Mietwohnraum
  6. Rechtsanspruch auf eine vollwertige Ausbildung muss endlich kommen
  7. Raus mit den Kindern und Jugendlichen? Also aus den Fallpauschalen, mit denen die Krankenhäuser finanziert werden? Die Bundesregierung sagt (derzeit): Nein
  8. Lebensmittelsicherheit: Kontrolleure proben den Aufstand gegen Klöckner
  9. Streit um die Türkeipolitik
  10. Mercosur-Abkommen und Europäische Union: Berlin setzt auf Verfahrenstricks
  11. Daten von Restaurantbesuchen einsehbar
  12. Personalstärke im Juli 2020: Erstmals seit 2013 wieder über 185.000
  13. Nach dem Putsch
  14. Bericht von Interpol zu Plastikabfällen: Die Müllmafia boomt
  15. Wende im Hohenzollern-Konflikt: Brandenburg für Vergleich mit Preußenprinz
  16. Annalena Baerbock besucht die CDU: Letzte Ausfahrt Schwarz-Grün?
  17. Wer ist regierungsfähig?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Versammlung gegen Corona-Politik unter Auflagen gestattet (Nr. 42/2020)
    Die 1. Kammer verneinte das Vorliegen einer nach dem Versammlungsgesetz für ein Versammlungsverbot zu fordernden unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei der geplanten Versammlung. Die von der Versammlungsbehörde angestellte Gefahrenprognose genüge nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Nach der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin seien Versammlungen grundsätzlich zulässig; hierbei nehme der Verordnungsgeber– wie die fehlende Obergrenze der Teilnehmerzahl zeige – aber ein erhöhtes Infektionsrisiko in gewissem Umfang in Kauf. Zwar müsse der Veranstalter einer Versammlung ein individuelles Schutz- und Hygienekonzept erstellen, das Tragen einer Nase-Mund-Bedeckung sei indes nur „erforderlichenfalls“ Teil eines solchen Konzepts. Vorliegend habe der Anmelder ein solches Konzept vorgelegt, und es sei nicht zu erkennen, dass er das Abstandsgebot bewusst missachten werde. Eine solche Prognose lasse sich weder aus dem Verlauf der Versammlung am 1. August 2020 noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Corona-Politik ableiten. Vielmehr habe der Anmelder u.a. durch die Bereitstellung von 900 Ordnern und 100 Deeskalationsteams hinreichende Vorkehrungen dafür getroffen, entsprechend auf die Teilnehmer einzuwirken. Unabhängig hiervon habe die Versammlungsbehörde Alternativen zum Versammlungsverbot nur unzureichend geprüft (etwa die Änderung der Örtlichkeit oder eine Begrenzung der Teilnehmerzahl).
    Quelle: Verwaltungsgericht Berlin
  2. Durchsetzung der Maskenpflicht nicht auf Zugbegleiter*innen abwälzen
    Unverantwortlich – so nennt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) das Vorhaben der Ministerpräsidenten, die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter für die Einhaltung der Maskenpflicht in Zügen verantwortlich zu machen. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Donnerstag vereinbart, zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Maskenpflicht in Zügen mit einem erhöhten Beförderungsentgelt geahndet werden könne.
    Dazu erklärt der kommissarische Vorsitzende der EVG, Klaus-Dieter Hommel:
    „Es ist unverantwortlich, den Beschäftigten in den Zügen diese zusätzliche Aufgabe aufzubürden. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Anschlag und sind bereits jetzt extrem belastet. Wir erleben seit Wochen, dass die Pöbeleien und Übergriffe gegenüber den Zugbegleiter*innen zunehmen, wenn sie nur auf die Maskenpflicht in Zügen hinweisen. Wenn sie jetzt von Maskenverweigerern ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen sollen, würde das das Konfliktpotenzial noch einmal vervielfachen. Weder gibt es ausreichend Beschäftigte in den Zügen noch sind diese auf solche Situationen vorbereitet und ausgestattet. Wir können die Ministerpräsident*innen nur davor warnen, diesen Beschluss umzusetzen. Wir stehen zur Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, die wir selbst gefordert haben. Sie kann aber nur von der Bundespolizei durchgesetzt werden.“
    Quelle: EVG

    Anmerkung André Tautenhahn: Die Stellungnahme der EVG zeigt noch mehr, als es zunächst den Anschein hat. Ausgesprochene Verbote, angeordnete Bußgelder oder wie hier ein erhöhtes Beförderungsentgelt als Sanktionsidee funktionieren nur, wenn man es auch durchsetzen kann. Aber daran scheitert nicht nur das Unternehmen Bahn, sondern auch der Staat, der schwarze Nullen in allen öffentlichen Haushalten so furchtbar klasse findet. So dürfte auch die Bundespolizei aufgrund von Überstunden und Personalmangel kaum Willens und in der Lage sein, die Einhaltung einer Maskenpflicht in Zügen flächendeckend zu überprüfen, was vermutlich auch der Grund für die Idee eines erhöhten Beförderungsentgelts war. Ähnliches gilt für die Ankündigung, die häusliche Quarantäne intensiv kontrollieren zu wollen. Welches Personal steht denn dafür zur Verfügung? Unabhängig von den Infektionszahlen und der Frage, was sie bedeuten, bleibt einfach festzuhalten, dass das Krisenmanagement der Bundesregierung aus reinem Aktionismus besteht. Statt nach immer härteren Maßnahmen im Kampf gegen Maskenmuffel zu rufen, müsste sich eine breite kritische Öffentlichkeit eigentlich mehr für das traurige Ergebnis jahrelanger neoliberaler Politik interessieren. Die Corona Pandemie hat die Mängel bei öffentlichen Leistungen und Infrastruktur noch einmal deutlich sichtbarer gemacht.

  3. Pläne der EU-Kommission: Steuerzahler sollen Risiken der Impfstoffhersteller mittragen
    Ob Curevac oder AstraZeneca: Pharmakonzerne wagen im Wettlauf bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen viel – können aber auch scheitern. Die Risiken hierfür soll nach Plänen der EU auch die Allgemeinheit tragen. […]
    Die EU-Staaten und damit die Steuerzahler der Union wollen im Wettlauf um einen wirksamen Corona-Impfstoff einen Teil des Haftungsrisikos der Hersteller übernehmen. Die Staaten seien bereit, “bestimmte Risiken der Firmen finanziell abzudecken, damit Impfstoffe tatsächlich für EU-Bürger zur Verfügung stehen und die öffentliche Gesundheit geschützt wird”, teilte die EU-Kommission mit.
    Quelle: DER SPIEGEL
  4. Rechnungshof wirft Scheuer vor, das Finanzministerium getäuscht zu haben
    Verkehrsminister Scheuer will Funklöcher mit einer neuen Bundesgesellschaft schließen. Der Rechnungshof fühlt sich hintergangen und verlangt eine neue Prüfung.
    Quelle: Handelsblatt
  5. 8,5 Millionen Haushalte brauchen sozialen Mietwohnraum
    Obwohl seit Jahren klar ist, dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, wird der Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland immer schlimmer. Und: Die Einkommenssituation vieler Haushalte hat sich durch die Corona-Krise weiter verschärft, während die Mieten weiter steigen. Es braucht deshalb unter anderem eine Bauoffensive für preisgünstige Wohnungen und einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten. Der DGB-klartext.
    Obwohl seit Jahren klar ist, dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, wird der Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland immer schlimmer: Eine neue Studie des Pestel-Instituts im Auftrag der IG BAU zeigt auf, dass im vergangenen Jahr 8,5 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland armutsgefährdet und somit auf eine preisgünstige Wohnung angewiesen waren. Das sind rund zehn Prozent mehr als 2012. Der große Niedriglohnsektor und die abnehmende Tarifbindung tragen dazu bei, dass trotz positiver Beschäftigungsentwicklung die Anzahl armutsgefährdeter Haushalte steigt.
    Quelle: DGB klartext
  6. Rechtsanspruch auf eine vollwertige Ausbildung muss endlich kommen
    Azubis dürfen nicht als Billigarbeitskräfte ausgebeutet werden. Zudem sollte sich keiner wundern, wenn angesichts der Mängel in der Ausbildungsqualität in einigen Branchen und Betrieben Ausbildungsplätze leer bleiben“, erklärt Birke Bull-Bischof, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der heutigen Veröffentlichung der Ergebnisse des Ausbildungsreports der DGB-Jugend. Bull-Bischoff weiter:
    „Fast 40 Prozent der Azubis wissen im letzten Lehrjahr noch nicht, ob sie übernommen werden. Daneben bleiben häufig junge Menschen mit höchstens einem Hauptschulabschluss auf der Strecke. Vor Ausbruch von COVID-19 waren schon über zwei Millionen junge Menschen unter 35 Jahren ohne Ausbildung und damit von prekären Arbeitsbedingungen oder Arbeitslosigkeit betroffen. Ein Rechtsanspruch auf eine vollwertige Ausbildung muss endlich kommen.
    DIE LINKE fordert eine Beschäftigung, die nicht über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht, die Einrichtung von Beschwerdestellen, die ein niedrigschwelliges und barrierefreies Beschwerdemanagement ermöglichen, sowie einen geeigneten Betreuungsschlüssel von Ausbildern und Azubis.
    Es wird deutlich, dass die Corona-Krise auf bereits lang bestehende massive Probleme auf dem Ausbildungsmarkt trifft und hier wie ein Brandbeschleuniger zu wirken droht. Eine Konsequenz aus der derzeitigen Situation muss daher sein, eine solidarische Umlagefinanzierung von Ausbildungsplätzen einzuführen, um die Ausbildungskapazitäten zu stärken, den Ausbildungsmarkt krisensicherer zu machen. Und es muss zudem verhindert werden, dass die Krise dazu genutzt wird, hart erkämpfte Schutzrechte für Auszubildende zugunsten von Arbeitgebern zu minimieren und damit die Ausbildungsbedingungen dauerhaft zu verschlechtern.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  7. Raus mit den Kindern und Jugendlichen? Also aus den Fallpauschalen, mit denen die Krankenhäuser finanziert werden? Die Bundesregierung sagt (derzeit): Nein
    »Der Wettbewerb im Gesundheitswesen trifft die Schwächsten. Davon sind Kinder- und Jugendärzte überzeugt. „Die Sorge, aus finanziellen Gründen bald keine Kinderstation mehr in der Nähe zu haben, ist berechtigt“, sagt Professor Norbert Wagner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin«, so der Artikel Kinderärzte schlagen Alarm. Und deshalb haben zahlreiche kinder- und jugendmedizinischen Verbände die gemeinsam getragene Aktion „Rettet die Kinderstation“ gestartet. Dazu aus einem Interview mit Norbert Wagner unter der Überschrift „Die Öko­nomi­sierung der Medizin fordert ihre ersten Opfer“ und mit Blick auf die stationäre Krankenhausversorgung der Kinder: »Die stationäre Pädiatrie hat enorme Vorhaltekosten, nur ein Fünftel unserer Leistungen sind planbar, die Notfallquote liegt bei über 50 Prozent. Mit 400 bis 500 unterschiedlichen Fallpauschalen decken Kinderkliniken zudem ein doppelt so großes Spektrum ab wie vergleichbare Einrichtungen der Erwachsenenmedizin. Für viele Leistungen gibt es aufgrund der geringen Fallzahlen oft keine eigenen, adäquaten Fallpauschalen. Insgesamt bestehen in den Kliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin deshalb hohe Vorhaltekosten, ohne die Aussicht auf Vergütung.« Anno Fricke kommentierte das unter der Überschrift Sparen auf Kosten der Kinder so: »Das Problem steckt im DRG-System selbst. Kleinkinder funktionieren nicht so, wie sich die Erfinder von Fallpauschalen das wünschen. Psychosoziale Faktoren sind den DRG sehr fremd. Die Zeit, die der Arzt braucht, um ein Kind davon zu überzeugen, für eine Untersuchung stillzusitzen, wird nicht berücksichtigt. Auch dass eine Mutter lieber bei ihrem kranken Kind in der Klinik übernachten will, als es über Nacht alleine zu lassen, ist in der Regel nicht vorgesehen. Manche Kliniken halten ihre Kinderstationen nur noch mit Hilfe von bürgerschaftlich organisierten Fördervereinen über Wasser.«
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  8. Lebensmittelsicherheit: Kontrolleure proben den Aufstand gegen Klöckner
    Ernährungsministerin Julia Klöckner will die Lebensmittelkontrollen neu ordnen. Doch die zuständigen Beamten schlagen Alarm: Die Reform diene bloß dem Schönen der Statistik und gefährde die Gesundheit der Bürger.
    Amtsveterinäre und Lebensmittelkontrolleure fallen eher selten durch rebellische Umtriebe auf – umso mehr ist ihre Pressekonferenz an diesem Freitag in Berlin gemeinsam mit der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch als Akt der Notwehr zu verstehen: als letzter Hilfeschrei, um eine drohende Verschlechterung der Lebensmittelkontrollen in Deutschland abzuwenden.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Typisch Julia Klöckner: Die Politik der Null-Ergebnisse ist ihr Programm!

    dazu: Julia Klöckner plant gravierende Schwächung der Lebensmittelüberwachung
    Lebensmittelbetriebe sollen nach dem Willen von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner in Zukunft seltener kontrolliert werden müssen. foodwatch fordert gemeinsam mit den Amtstierärztinnen und -ärzten sowie dem Verband der Lebensmittelkontrolleure die Länder auf, dieses Vorhaben im Bundesrat zu stoppen.
    Quelle: foodwatch

  9. Streit um die Türkeipolitik
    Heftige Differenzen in der EU über den Umgang mit der Türkei überschatten das derzeitige EU-Außenministertreffen in Berlin. Aktueller Anlass für die Debatte sind die gegenwärtigen Manöver im östlichen Mittelmeer, die auf der einen Seite von den türkischen, auf der anderen Seite von den griechischen Seestreitkräften abgehalten werden. Ausgelöst wurden die Kriegsübungen durch die Suche der Türkei nach Öl und Gas in Gewässern, die auch von Griechenland in Anspruch genommen werden. Hintergrund des Machtkampfs ist aber auch die in den vergangenen Jahren immer aggressivere Außenpolitik Ankaras, die inzwischen eine maritime Komponente enthält; vom Konzept der “Blauen Heimat” (“Mavi Vatan”) ist die Rede. Während die Bundesregierung weiterhin eng mit der Türkei kooperieren will, unter anderem in der Flüchtlingsabwehr, und deshalb einen Ausgleich zwischen Athen und Ankara sucht, stellt sich Frankreich, das im östlichen Mittelmeer andere Interessen verfolgt, an die Seite Griechenlands. Die Umsetzung des deutschen Ziels, die EU-Türkeipolitik stark zu vereinheitlichen, ist nicht in Sicht.
    Quelle: German Foreign Policy
  10. Mercosur-Abkommen und Europäische Union: Berlin setzt auf Verfahrenstricks
    Das EU-Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten steht wegen der Brandrodung im Amazonasgebiet vor dem Aus. Die Regierung hält dennoch daran fest.
    Die Bundesregierung hält sich eine Hintertür für die Rettung des umstrittenen EU-Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten offen. Der Deal könne in mehrere Teile aufgesplittet werden, heißt es in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen. Dies würde die Ratifizierung erleichtern.
    Bisher steckt der Mercosur-Deal, der aus einem Freihandelsvertrag und einem Assoziierungsabkommen besteht, im EU-Ministerrat fest. Mehrere EU-Staaten – darunter Frankreich, Österreich und Irland – haben erklärt, dass sie die Vereinbarung so nicht mittragen werden. Die Bundesregierung hat den Deal dagegen zum Schwerpunkt ihrer sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft erklärt. Für einen Abschluss braucht es jedoch Einstimmigkeit.
    Deshalb wird in der EU-Kommission und beim deutschen EU-Vorsitz über mögliche Alternativen nachgedacht – etwa eine Aufspaltung in zwei Teile, die dann jeweils mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden könnten. Genau diese Hintertür will sich offenbar auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier offenhalten.
    Quelle: Eric Bonse in der taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Für die Exportinteressen der deutschen Automobilindustrie tun Merkel und Altmaier *alles* – und Merkel hat mit dem Treffen mit Greta Thunberg vor ein paar Tagen nun wirklich genug für das Klima getan.

  11. Daten von Restaurantbesuchen einsehbar
    Sicherheitslücken bei einem Dienstleister für Restaurants haben dazu geführt, dass Millionen persönliche Daten im Internet abrufbar gewesen sind. Darunter sind auch digitale Corona-Kontaktverfolgungsformulare.
    Persönliche Daten von Millionen Restaurant-Besuchern waren im Internet abrufbar. Der Grund dafür sind mehrere Sicherheitslücken in den Systemen eines großen deutschen Anbieters für Gastronomie-Software. Die sensiblen Daten lassen teilweise Einblicke in Bewegungs- und Aufenthaltsprofile der betroffenen Gäste zu. Entdeckt hat die Lücken der Chaos Computer Club (CCC).
    Die Firma Gastronovi mit Sitz in Bremen, deren Server betroffen waren, bietet Restaurants, Bars und Hotels unter anderem Web-Lösungen für Tischreservierungen, Bestellungen und auch die Kontaktverfolgung im Zuge der Corona-Vorkehrungen an. Nach eigenen Angaben wickelt die Software der Firma jeden Monat 600.000 Reservierungen ab und verarbeitet 96 Millionen Euro Restaurantumsätze.
    Quelle: Tagesschau

    dazu: CCC hackt digitale “Corona-Listen”
    Das Chaos Emergency Response Team (CERT) ist vielen bekannt als das Sanitäts- und Brandschutz-Team auf Veranstaltungen des CCC. Doch auch in der veranstaltungsfreien Zeit engagiert sich das CERT stets für die Sicherheit seines Umfelds. (…)
    Bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch wurden Mitglieder des CERT gebeten, sich in eine digitale “Corona-Liste” einzutragen. Die gastgebenden Gastronominnen wollten die verpflichtende Datenerfassung offenbar modern und unkompliziert gestalten – mit Hilfe einer Cloud-Software.
    Deren vollmundige Versprechen über die Sicherheit der erfassten Daten weckten Argwohn und Altruismus des CERT-Teams. Wie erwartet hatte das System akuten Bedarf an Sanitäts- und Brandschutzmaßnahmen durch Spezialkräfte des CCC. (…)
    Verschiedene Schwachstellen ermöglichten den Zugriff auf insgesamt 87.313 Corona-Kontakterhebungen von 180 Restaurants, die das System aktiv nutzten*.
    Im betroffenen System wurden jedoch nicht nur Corona-Listen, sondern auch Reservierungen, Bestellungen und Kassenumsätze gespeichert. Der Cloud-Service wirbt damit, monatlich über 96 Mio. Euro Umsatz von 7,7 Mio. Kundinnen sowie 600.000 Reservierungen über das System abzuwickeln*. Persönliche Daten von Besucherinnen werden vor allem bei Reservierungen und Corona-Registrierungen erfasst.
    Insgesamt war der Zugriff auf 4,8 Mio. Personendatensätze aus über 5,4 Mio. Reservierungen möglich, wie der Cloud-Service bestätigt*. (…)
    Erstaunt stellte das CERT fest, dass im System personenbezogene Daten gespeichert sind, die teilweise ein ganzes Jahrzehnt zurückreichen. Der Cloud-Service versteht sich als “Auftragsverarbeiter” und verortet die Verantwortung zur Löschung bei den Gastronominnen. Die wiederum schienen sich dessen oft nicht bewusst zu sein und vertrauten verständlicherweise auf die Full-Service-Cloud.
    Quelle: Chaos Computer Club

    dazu auch: Die Polizei und die Corona-Gästelisten: Mit Täuschung in die Vorratsdatenspeicherung?
    Die Beschlagnahmung von Corona-Gästelisten in Gaststätten durch die Polizei ist ein Vertrauensbruch. Auch wenn das Vorgehen durch die Strafprozessordnung gedeckt sein sollte: Es wurde im Vorfeld der Anordnungen ganz anders kommuniziert. Die Praxis bewegt sich in der Nähe der Vorratsdatenspeicherung und sie schwächt die wackelige Rechtfertigung für die ohnehin fragwürdigen Daten-Abfragen in Lokalen weiter. Von Tobias Riegel.
    Quelle: NachDenkSeiten

  12. Personalstärke im Juli 2020: Erstmals seit 2013 wieder über 185.000
    Die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist im Juli 2020 erstmals seit sieben Jahren wieder über 185.000 gestiegen. Im vergangenen Monat dienten 54.015 Berufssoldaten, 122.455 Zeitsoldaten und 8.728 Freiwillig Wehrdienst Leistende (FWDL) – der Anstieg ist fast auschließlich auf die Zahl der Zeitsoldaten zurückzuführen, die von 120.845 um rund 1.600 stieg. Insgesamt wuchs die Zahl der Soldaten von 183.466 im Juni auf 185.198 im Juli, damit dürfte der Einstellungstermin 1. Juli entscheidend gewesen sein.
    Zuletzt hatte die Bundeswehr im Jahr 2013 mehr als 185.000 aktive Soldatinnen und Soldaten (wann genau ist nicht so klar; die Bundeswehr selbst löscht ja immer die alten Statistiken, und mein Archiv zeigt für Juni 2013 noch 185.498 Soldaten, im Dezember 2013 war die Zahl dann bereits unter 185.000 gefallen)*.
    Fun Fact am Rande: Es gibt eine einzige Zahl, die unverändert geblieben ist: Bei den Freiwillig Wehrdienst Leistenden ist im Juli keine einzige Frau hinzugekommen oder gegangen.
    Die am (heutigen) Donnerstag veröffentlichte Statistik für Juli 2020, wie üblich unter dem immer gleichen Link eingestellt:
    Quelle: Augen geradeaus!
  13. Nach dem Putsch
    EU will Militärausbildung in Mali „so schnell wie möglich“ wieder aufnehmen
    Das hat aber nicht lange gedauert: Seitdem am 18. August das Militär in Malis Hauptstadt Bamako die Macht übernommen hat, haben die EU, Deutschland, Frankreich und die USA den Militärputsch öffentlich verurteilt und eine Rückkehr zur verfassungsgemäßen Ordnung angemahnt. Dass es sich dabei eher um Lippenbekenntnisse gehandelt hat, konnte man spätestens ahnen, nachdem die Führer der Putschisten (allesamt Männer) bereits in ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme angekündigt hatten, nicht nur mit der UN-Mission MINUSMA, sondern auch mit der EU-Trainingsmission EUTM und der französischen Anti-Terror-Mission Barkhane weiter zusammenarbeiten zu wollen.
    Es hat dann nur gut eine Woche gedauert, bis die EU-Verteidigungsminister*innen auf ihrem Gipfel in Berlin am 26. August die Forderung nach der Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung weitgehend haben fallen ließen und stattdessen ankündigten, die Ausbildung malischer Soldaten schnellstmöglich wieder aufzunehmen. Außerdem hat der EU-Außenbeauftragte Borrell jede Verantwortung für den Putsch zurückgewiesen: „Wir bilden keine Streitkräfte aus, damit sie zu Putschisten werden … Dieser Staatsstreich steht in keinem Verhältnis zu der Ausbildung, die wir den malischen Soldaten anbieten“. Gleichzeitig stellte er jedoch fest, dass 90% der malischen Armee im Rahmen der EUTM trainiert worden seien. Von den führenden Personen des Putsches sei jedoch keiner von „uns“ ausgebildet worden, wohl aber von Russland, den USA und Großbritannien.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  14. Bericht von Interpol zu Plastikabfällen: Die Müllmafia boomt
    Seit China seine Grenzen für Plastikmüll dicht gemacht hat, wird er auf illegalen Kanälen entsorgt. Der meiste Abfall kommt aus Europa.
    Der illegale Handel mit Plastikmüll ist weltweit alarmierend angestiegen. Das zeigt ein Bericht, den Interpol am Donnerstag veröffentlicht hat. Demnach haben illegale Mülltransporte beträchtlich zugenommen, seit China Anfang 2018 seine Grenzen für minderwertige Abfälle geschlossen hat. Seitdem würden die Abfallströme nach Südostasien umgeleitet, dort illegal verbrannt oder in verbotene Deponien gekippt.
    Dabei gibt es einen „Zusammenhang zwischen kriminellen Netzwerken und der legalen Abfallwirtschaft“, schreiben die Ermittler in ihrem Bericht. Die Müllmafia nutzt demnach legale Unternehmen, um Dokumente zu fälschen oder bei der Registrierung von Abfallmengen zu betrügen.
    Quelle: taz
  15. Wende im Hohenzollern-Konflikt: Brandenburg für Vergleich mit Preußenprinz
    Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) geht auf die Hohenzollern zu: Das Gerichtsverfahren um eine mögliche Millionenentschädigung und NS-Verstrickungen liegt wieder auf Eis. Was steckt hinter dem Schwenk? […]
    Mit der Entscheidung von Lange, die der traditionell royal-freundlichen Linie der früheren Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck entspricht, wird eine mögliche Millionenentschädigung nun wieder Teil der gesamten Verhandlungsmasse beim diskreten Poker um einen Vergleich beim Inventar der Schlösser.
    Und es gibt nun bis Herbst 2021 keine öffentliche Gerichtsverhandlung, bei denen die Rolle der Hohenzollern im NS-Regime – die entscheidende Frage für eine Entschädigung – im Mittelpunkt stehen würde.
    Quelle: PNN
  16. Annalena Baerbock besucht die CDU: Letzte Ausfahrt Schwarz-Grün?
    Die CDU wird 75. Grünen-Chefin Annalena Baerbock bringt einen Strauß Komplimente mit – und will auf keinen Fall über das Offensichtliche reden. […]
    Zur Lobrede auf Buch und Partei ist die Grünen-Chefin Annalena Baerbock geladen, die diese Rolle in dem coronabedingt dünn mit Maskierten besetzten kleinen Saal recht aufgeräumt nachkommt. Baerbock, geboren 1980 im Gründungsjahr der Grünen, lobt fast überschwänglich Helmut Kohl für Wiedervereinigung und Maastricht. Die Grünen hätten 1990 und 1992 gegen die deutsche Einheit und Euro votiert und seien damit auf dem Holzweg gewesen. Das müsse sie als Grüne im Rückblick mit Demut, eines ihrer Lieblingsworte an diesem Abend, in Erinnerung rufen.
    Die Grünen-Chefin flankiert die Eloge auf die segensreiche Wirkung der CDU – Westbindung, soziale Marktwirtschaft, Europa – mit freundlich vorgetragenen Ermahnungen vom Merkels Mittekurs nicht abzuweichen oder wieder zum Männerclub zu werden „Bei den sieben CDU-Ministerpräsidenten muss man nicht gendern“, so Baerbock.
    Auch die kurz aufflackernde Skepsis in der Unionsfraktion gegen den UN-Migrationspakt fand sie erschreckend. In Sachsen-Anhalt dürfe sich nach der Landtagswahl 2021 Thüringen, die Annäherung der Union an die AfD, nicht wiederholen. Allerdings formuliert die Grünen-Chefin dies als Warnung, nicht als Hürde für eine weitere schwarz-grüne Kooperation.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Westbindung”, “Wiedervereinigung”, “Wettbewerbsfähigkeit”, “Zukunftsmärkte”, “Euro”, “Marktwirtschaft” – Baerbocks Stichworte aus dem Redenbaukasten der CDU legen eine Schleimspur von Stuttgart bis ins Kanzleramt. Den Grünen ist wirklich nichts mehr peinlich beim Streben nach einem Zipfel der Macht; ein Abklatsch der Türkis-Grünen österreichischen Regierung ist in der Mache, bei dem die noch Konservativeren einen Freifahrtschein für noch mehr Deregulierung, Steuersenkungen und Sozialabbau bekommen im Gegenzug für das vage Versprechen auf ein bisschen mehr Umweltschutz. Aber wer sich hier noch darüber wundert, dass eine einstmals sozialökologisch orientierte, marktwirtschaftskritische Friedenspartei sich für eine weitgehend wirtschaftsliberale EU und Militarismus gegenüber den östlichen Nachbarn einsetzt, hat die letzten 30 Jahre der immer stärkeren Rechtsentwicklung und die sieben Jahre Regierungsbeteiligung unter Schröder mit von den Grünen legitimierten Kriegen und immer weitergehendem Abbau von Arbeitnehmerrechten und Sozialstaat verpasst. Das Einzige, was die Grünen an Grün-Rot-Rot locken könnte, wäre die Aussicht auf das Kanzleramt – und mit der Drohung, die Option Schwarz-Grün zu ziehen, würden die Grünen eine solche Koalition weit nach Rechts ziehen. Für die Zukunft und die nächste Bundesregierung sehe ich ganz schwarz.

  17. Wer ist regierungsfähig?
    Obwohl die Umfragen eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Bundestag nicht hergeben, wird schon kräftig gegen ein solches Bündnis Stimmung gemacht. Und linke Politiker werden vom deutschen Rudeljournalismus mit der Frage konfrontiert, ob DIE LINKE regierungsfähig sei. Hier einige Prüfsteine:

    1. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie keine deutschen Waffen an Kriegsparteien liefert und bei Mord und Totschlag nicht zur Mittäterin wird.
    2. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie die Bundeswehr nicht in völkerrechtswidrige Kriege schickt.
    3. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie, wie einst die Sozialdemokraten, für ein Bündnis der kollektiven Sicherheit unter Einbeziehung Russlands eintritt und erkennt, dass die Nato von den USA zu einem militärischen Interventionsbündnis entwickelt wurde und zur Einkreisung Russlands und Chinas missbraucht wird.
    4. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie die wachsende Ungleichheit bekämpft und Artikel 20 Grundgesetz („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“) folgend für höhere Löhne, Renten, bessere soziale Leistungen und ein gerechtes Steuersystem eintritt.
    5. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie im Sinne einer fairen nachbarschaftlichen Zusammenarbeit auch die Interessen der anderen europäischen Länder sieht und das durch Hartz IV eingeleitete, die europäische Zusammenarbeit schwer beschädigende, Lohndumping beendet.
    6. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie auf europäischer Ebene für Demokratie eintritt und der Bevormundung südeuropäischer Staaten durch Troika, Europäische Zentralbank, Internationalen Währungsfonds und Europäischer Kommission widerspricht.
    7. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie erkennt, dass ein auf Gewinn- und Umsatzsteigerung orientiertes Wirtschaftssystem zwangsläufig zur Zerstörung der Umwelt führt.
    8. Regierungsfähig ist eine Partei, wenn sie beim Eintritt in die Regierung Charakter zeigt und nicht ihre Grundsätze und ihre Wahlversprechen aufgibt.

    Regierungsfähig ist also, wie man schnell erkennt, in der neoliberalen Ära von Krieg und Ausbeutung von den im Bundestag vertretenen Parteien allenfalls die Partei DIE LINKE. Lediglich beim letzten Punkt lassen Politiker der LINKEN Zweifel aufkommen, ob sie das eigene Programm noch kennen und über das notwendige Stehvermögen gegenüber dem neoliberalen, Sozialabbau und Kriege befürwortenden Mainstream, dem auch der Rudeljournalismus folgt, verfügen.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

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