Biden bedeutet US-amerikanische Normalität: „Krieg und Invasionen“

Biden bedeutet US-amerikanische Normalität: „Krieg und Invasionen“

Biden bedeutet US-amerikanische Normalität: „Krieg und Invasionen“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der britische Ex-Botschafter Craig Murray warnt vor falschen Hoffnungen auf eine Regentschaft der US-Demokraten. Er kritisiert zwar scharf Donald Trumps „zynische Manipulationen“ – die Niederlage des US-Präsidenten bedeute aber auch „die Wiederherstellung der Herrschaft des militärisch-industriellen Komplexes“. Unter Joe Biden werde „Business As Usual“ einkehren – und das bedeute Krieg. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der hier vorgestellte Artikel des ehemaligen britischen Botschafters Craig Murray ist eine Ergänzung zum gerade auf den NachDenkSeiten veröffentlichten Artikel von Wolfgang Bittner zum Thema. Ihre Kontroverse über Donald Trump haben kürzlich auch Albrecht Müller und Willy Wimmer in diesem Video diskutiert. Craig Murray ist eine wichtige Stimme bei diversen Fragen der Menschenrechte – die NachDenkSeiten haben bereits zahlreiche Artikel von ihm übersetzt, etwa zum Schicksal von Julian Assange (hier oder hier oder hier) oder zu den Manipulationen rund um die „Nowitschok“-Affären um die Skripals (in diesem Artikel) oder den russischen „Oppositionsführer“ Alexej Nawalny (in diesem Artikel).

US-Wahl: „Die Wiederherstellung der Herrschaft des Sicherheitsstaates“

In einem aktuellen Beitrag befasst sich Murray mit dem Ausgang der US-Wahlen. Er widerspricht darin der in westlichen Medien dominanten Sichtweise, der Sieg der Demokraten könne Hoffnungen auf eine rationalere Politik der USA machen. Murray unterscheidet in seinem Artikel und bei seiner Bewertung der Politik Trumps stark zwischen der Außen- und der Innenpolitik der USA:

„Ich weiß, dass viele meiner Leser beim Abgang von Trump triumphieren werden. Das kann ich verstehen. Aus der Sicht der US-Innenpolitik und insbesondere der Einstellung zu sozialer Spaltung, Rasse und Einwanderung wird das Ende von Trumps zynischer Manipulation des atavistischen Instinkts bei den Wählern an sich schon eine gute Sache sein. Dies ist keine gesunde Periode in der US-Politik gewesen.“

Das Ende dieser ungesunden Episode sei aber kein Grund zum Jubeln, so Murray:

„Aber Trump wurde nicht von einem Bernie Sanders besiegt; er wurde durch einen korrupten politischen Trick besiegt. Dieser Coup wird von der großen Mehrheit der Medien im Besitz von Milliardären unterstützt und von der Wall Street finanziert: Dadurch soll nichts anderes als neoliberale Wirtschaftspolitik sichergestellt werden. Es ist auch die Wiederherstellung der Herrschaft des Sicherheitsstaates und des militärisch-industriellen Komplexes. Trumps instinktiver Isolationismus machte ihn zu einem Feind der Interessen des Sicherheitsstaates, der viel Zeit damit verbrachte, den Präsidenten zu untergraben.“

Man würde gerne detaillierter erfahren, wo genau Murray eine Bedrohung der neoliberalen Wirtschaftspolitik (innenpolitisch) durch Trump gesehen hat. Andererseits ist Murrays sehr pessimistischer Ausblick zur Außenpolitik der US-Demokraten aber nachvollziehbar:

„Mit Biden werden wir zum business as usual zurückkehren, und das bedeutet Krieg und Invasionen.“

„Aber Trump ist böse“

Scharf ins Gericht geht Murray auch mit der unkritischen Darstellung der politisch fragwürdigen, designierten Vizepräsidentin Kamala Harris: Eine politisch rechtere Wahl als diese Politikerin wäre gar nicht möglich gewesen, die Darstellung der Person Harris’ durch die Medien sei höchst manipulativ und beschönigend. Im Text räumt Murray auch seine falschen Prognosen vor der US-Wahl ein und reflektiert darüber, wann ein Journalist über ausreichend Informationen verfügt, um sich zu politischen Vorgängen festzulegen.

Allgemein zum Wahlausgang schreibt Murray noch, dass „das System wieder zwei unausstehliche Kandidaten aufgestellt hat, die den wirklichen Interessen der einfachen Menschen in den USA völlig entgegengesetzt sind“. Murray hofft außerdem, dass diejenigen, „die sich für die Linke halten“, ihre Erleichterung darüber, dass der Trumpismus abgewählt sei, nun auch wirklich genießen könnten. Er hat Zweifel daran: Zwar würden die USA nach den Wahlen nun „wieder der glatteren Kontrolle der regulären Medien und politischen Klassen und ihrer milliardenschweren Kontrolleure unterstellt werden“. Aber jeder, der glaube, dass mehr als das geschehe, „ist ein Narr“, so Murray, denn:

„Biden wird nichts gegen die entsetzliche Ungleichheit von Reichtum und Ressourcen unternehmen, die das größte Problem des Landes darstellt. (…) Er wird die sozialen Spannungen hoffentlich kurzfristig lösen. Aber die Ursache dieser sozialen Spannungen ist ein System der groben Ausbeutung der Mittel- und Arbeiterklasse, das auf lange Sicht nicht tragbar ist und das die Wurzel des politischen Trump-Ausbruchs war.“

Und darum könnte am Ende die wichtigste „politische“ Tat der US-Demokraten in einer für sich genommen ungenügenden und vor allem stilistischen Abgrenzung vom Vorgänger bestehen:

„Aber Trump ist böse“

Hier folgt nun Craig Murrays Artikel im Wortlaut:

„Amerikanische Präsidenten“

Ich habe aus zwei Gründen kaum über die US-Präsidentschaftswahlen geschrieben. Erstens ist die Debatte so polarisiert, dass vielen Menschen die rationale Argumentation, die aus den wenigen favorisierten Botschaften jeder Seite heraustritt, gleichgültig ist, und ich habe bereits mehr als genug Widrigkeiten in meinem Leben. Zweitens ist es einige Jahre her, dass ich längere Zeit in den USA verbracht habe, und es ist ein Land, das ich immer weniger verstehe. Ich ziehe es vor, über Dinge zu schreiben, bei denen ich nicht nur Urteilsvermögen, sondern einen zusätzlichen Wissensschatz mitbringe.

Ich werde oft dafür getadelt, dass ich mich zu bestimmten Themen nicht äußere; eine Reihe von Leuten sind an mich herangetreten und haben mich gebeten, über Berg-Karabach zu posten, und in der Tat wurde mir Geld angeboten, um mich hier zu diesem Thema zu äußern, ein Angebot, von dem ich vermute, dass es sich als mit Bedingungen verbunden herausgestellt hätte. Ich werde solche Angebote niemals annehmen. Ich bin kein korrupter Kerl wie die hochangesehenen Mainstream-Medienjournalisten, die von der „Integrity Initiative“ geheime Gelder der britischen Regierung für Propaganda erhalten. Aber auch Berg-Karabach ist ein uralter und verworrener Streit mit Wurzeln, die tief in der Geschichte liegen, mit komplexen modernen Konsequenzen – ein Konflikt, der eine enorme Menge an Lektüre erfordern würde, bevor ich bereit wäre, einen überlegten Standpunkt einzunehmen. Er ist Teil einer Region, von der ich in der Tat ein sehr tiefes Wissen habe, aber über Berg-Karabach nicht spezifisch genug.

Ich halte es für wichtig, nicht zu einem Allzweck-Experten zu werden, der unreflektierte Ansichten über alles, was geschieht, abfeuert. Solche Experten gibt es in den Mainstream-Medien wie Sand am Meer.

Bei den US-Wahlen habe ich gestern Abend mit einem Tweet meine Grenzen aufgezeigt, indem ich vorausgesagt habe, dass Biden ziemlich bequem gewinnen und Trump mit Wohlwollen einlenken würde. Ich lag falsch. Ich glaube, dass Biden gewinnen wird, aber nicht bequem, sondern mit Margen in den wichtigsten „Rust-Belt-Staaten“, die nahe genug beieinander liegen, dass Trump jedes Recht hat, vor Gericht Aspekte der zweifelhaften Wahlpraktiken der Vereinigten Staaten infrage zu stellen. Ich erwarte immer noch, dass Präsident Biden am Ende des Ganzen als Sieger dasteht.

Ich weiß, dass viele meiner Leser beim Abgang von Trump triumphieren werden. Das kann ich verstehen. Aus der Sicht der US-Innenpolitik und insbesondere der Einstellung zu sozialer Spaltung, Rasse und Einwanderung wird das Ende von Trumps zynischer Manipulation des atavistischen Instinkts bei den Wählern an sich schon eine gute Sache sein. Dies ist keine gesunde Periode in der US-Politik gewesen.

Aber Trump wurde nicht von einem Bernie Sanders besiegt; er wurde durch einen korrupten politischen Trick besiegt. Dieser Coup wird von der großen Mehrheit der Medien im Besitz von Milliardären unterstützt und von der Wall Street finanziert: Dadurch soll nichts anderes als neoliberale Wirtschaftspolitik sichergestellt werden. Es ist auch die Wiederherstellung der Herrschaft des Sicherheitsstaates und des militärisch-industriellen Komplexes. Trumps instinktiver Isolationismus machte ihn zu einem Feind der Interessen des Sicherheitsstaates, der viel Zeit damit verbrachte, den Präsidenten zu untergraben.

Mit Biden werden wir zum business as usual zurückkehren, und das bedeutet Krieg und Invasionen. Unter Trump haben wir keine neuen Kriege begonnen, auch wenn er alte Kriege mit wenig Kontrolle fortsetzte. Ohne Trump habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass Syrien, genau wie Libyen, in die Steinzeit zurückgebombt worden wäre und Millionen Menschen mehr getötet worden wären. Ungeachtet des unzweifelhaften Schadens, den Trump innerhalb der Vereinigten Staaten an vielen Fronten angerichtet hat, hätte Hillary (Clinton) viel mehr Menschen getötet. Nur eben keine Amerikaner.

Ich halte inne, um festzustellen, dass der Terrorist in Wien versucht hatte, als Dschihadist nach Syrien zu gehen und gegen Assad zu kämpfen. Hätte man ihn nicht daran gehindert, wäre er von den Saudis finanziert worden, von den Türken ernährt und bekleidet, von der CIA bewaffnet, von der SAS ausgebildet und von den Israelis aus der Luft unterstützt worden. Vielleicht wäre er sogar ein Fernsehstar geworden, der mit einem ‚Weißhelm‘ posiert, oder er hätte für Bilder von ‚Bellingcat‘ kunstvoll Chlorflaschen auf Betten gestellt. Leider wurde er daran gehindert, sich dem vom Westen geförderten Aufstand anzuschließen, so dass er am Ende Österreicher statt Syrer tötete und nun ein “Terrorist” ist – während dschihadistische Mörder von Syrern “Helden” sind. Eine seltsame Welt. Der Bombenleger in der Manchester-Arena wurde natürlich vom britischen Militär physisch in das Vereinigte Königreich gebracht, nachdem er in Libyen für “unsere Seite” gekämpft hatte. Man erntet in der Tat, was man sät.

Ich hoffe, dass diejenigen, die sich für die Linke halten, ihre Erleichterung genießen, wenn der Wahlprozess endlich den außerordentlichen Populismus des Trumpismus beendet und die USA wieder der glatteren Kontrolle der regulären Medien und politischen Klassen und ihrer milliardenschweren Kontrolleure unterstellt werden. Denn jeder, der glaubt, dass mehr als das geschieht, ist ein Narr. Ich sagte, dass ich wegen der erschreckend parteilichen Art der Debatte nicht über die US-Wahlen blogge. Die Wahrheit ist, dass das System wieder zwei unausstehliche Kandidaten aufgestellt hat, die den wirklichen Interessen der einfachen Menschen in den USA völlig entgegengesetzt sind. Biden wird nichts gegen die entsetzliche Ungleichheit von Reichtum und Ressourcen unternehmen, die das größte Problem des Landes darstellt.

Er wird die sozialen Spannungen hoffentlich kurzfristig lösen. Aber die Ursache dieser sozialen Spannungen ist ein System der groben Ausbeutung der Mittel- und Arbeiterklasse, das auf lange Sicht nicht tragbar ist und das die Wurzel des politischen Trump-Ausbruchs war.

Kamala Harris war natürlich die am meisten rechtsgerichtete mögliche Wahl des Vizepräsidenten. Ihr Vorstoß an die Macht, obwohl sie in den Vorwahlen der Demokraten völlig abgelehnt wurde, ist an sich schon eine gewaltige Entlarvung des Systems. Ich glaube, ich habe recht, wenn ich sage, dass Harris’ Wahlkampf in den Vorwahlen so katastrophal war, dass sie es fertigbrachte, überhaupt keine Delegierten für den Nationalkonvent der Demokraten zu gewinnen. Null, keine. Absoluter Tiefpunkt. Von den demokratischen Wählern als Kandidatin in Gänze abgelehnt. Bei dem Versuch, diese Tatsache der null Delegierten zu belegen, habe ich gerade die Wikipedia-Seite über ihre Primärkampagne nachgeschlagen, die sich als die verzerrteste und am meisten geschönte Wikipedia-Seite herausstellt, die ich je gesehen habe, und zwar zu jedem Thema, was sehr viel aussagt. Demnach war ihre Präsidentschaftskandidatur tatsächlich ein Kraftakt brillanter Debatten und politischer Strategien, die mit vielen Details geschildert werden, und kein elender Misserfolg, der dazu führte, dass sie keine Delegierten bekam. Die außerordentlich unehrliche Wikipedia-Seite ist für sich genommen vielleicht nicht besonders wichtig, aber sie ist ein Sinnbild für die finstere Manipulation hinter den Kulissen von Kamala Harris’ Aufstieg zur Macht.

Schreiben wir einen Vermerk in unsere kollektiven Tagebücher, um in zwei Jahren erneut zu prüfen, ob die USA in eine Periode des erneuten sozialen Fortschritts eingetreten sind oder nur ihre Position als gewalttätige Bedrohung für die Welt neu belebt haben. Ich freue mich auf die Zeit, in der Bidens Mainstream-Cheerleader etwas Positives zu sagen haben, anstatt nur zu antworten: “Aber Trump ist böse”. Ich prophezeie, dass die meisten der nachstehenden Antworten bei der Analyse nicht viel mehr aussagen werden als das: ‚Aber Trump ist böse‘.“

Titelbild: Stratos Brilakis / Shutterstock

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