Leserbriefe zu „Wir müssen unsere Krankenhäuser unbedingt selbst verteidigen!“

Ein Artikel von:

In diesem Beitrag führt Ralf Wurzbacher ein Interview mit Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. Inhalt des Gesprächs ist die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach „geplante große Krankenhausreform“. Kern der Reform sei die ordnungspolitische Abschaltung hunderter Kliniken zugunsten privater Konzerne. Der zweite Vorschlag der von Lauterbach eingesetzten Krankenhauskommission ziele darauf, das Fallpauschalensystem entlang der sogenannten Diagnosis Related Groups (DRGs) zumindest zu beschränken und durch ein System der Vorhaltepauschalen zu ergänzen. Der entscheidende Trick im System sei, dass private Kliniken und MVZ ihre Einnahmen steuern könnten und öffentliche Kliniken nicht. Diese Vorhaltepauschalen seien „der größte Werbeschwindel von Lauterbachs Reform“. Die Krankenhausplanung und Steuerung müssten demokratisiert und die Krankenhausfinanzierung auf die Selbstkostendeckung umgestellt werden. Anwohner und Beschäftigte seien einzubeziehen. Danke für die interessanten Leserbriefe. Hier sind sie. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.


1. Leserbrief

Liebe Redaktion

zu wir muessen unbedingt unsere Krankenhäuser selbst verteidigen.

“Das Vernünftige zu machen, ist nicht teurer, sondern günstiger, einfach weil allgemeine Gesundheit günstiger ist als Krankheit zugunsten von Renditen. ”

Im Artikel gibt es einen Vergleich mit dem Automarkt.
So etwas ist immer sehr gut um die Situation bildlich zu verdeutlichen.
Im Fall der Krankenhausprivatisierung wäre es so, als ob regional nur ein Autokonzern verkaufen darf.
Und nur er hat Autowerkstätten, bei denen es lange Wartezeiten mit Terminen gibt.
Der Konzern weist die Werkstätten an, grundsätzlich profitable Reparaturen mit durchzuführen wie Getriebewechsel, Motorwechsel usw.
Die Folge wäre ein Marktmonopol, bei dem die Kunden Tausende Euro beim jedem Neukauf und Tausende Euro bei jeder Jahreswartung mehr zahlen müssten.

Freier Markt, wie im Falle Autos heißt

  1. Dutzende Anbieter die konkurrieren und Angebote bei Bedarf verfügbar haben
  2. Online Bewertungen von Experten verfügbar, auswählbar nach verschiedenen Wunschkriterien wie Kosten, Folgekosten, Qualität, Zuverlässigkeit usw.
  3. Bewertungen lokaler Anbieter durch Experten
  4. Schlechte Anbieter kommen durch Wettbewerb unter Druck
  5. Die besten Anbieter setzen sich am Markt durch

Br
Dieter Gabriel


2. Leserbrief

Liebe NDS Redaktion. ,der Umbau  der Krankenhaus Landschaft durch den Minister Lauterbach  befördert die Turbo Privatisierung des Gesundheitswesens.Die Zentralisierung der Klinikversorgung wird unter anderem bewirken,dass Patienten nach  Krankheits und Klinikprofilen verschoben werden.Es dürfte ausser Zweifel stehen,dass es für hochspezialisierte Behandlungen Zentren geben muss,aber  die Krankheitsfälle,die klinische Versorgung benötigen für die  üblichen Krankheitsprofile oder auch Unfallfolgen  eine wohnortnahe Versorgung. Neben ärztlicher Betreuung brauchen Patienten auch die Unterstützung  durch Ihre Nächsten.Im Falle gerade der reichlich vorhandenen älteren Bevölkerung ,sind menschliche Zuwendung  unabdingbare Faktoren für Genesung.Sind heute Kliniken schon unterbesetzt,so  wird sich das durch Zentralisierung kaum besser.

Ist heute die Krankenpflege schon  auffällig durch Personalmangel,wird die Privatisierung das kaum verbessern. Der seit den 1980iger Jahren bestehende

Umbau der Kliniken,durch Personalabbau und Auslagerung von Küchen, Wäschereien ,Reinigungsfirmen etc,  hat zu einer unpersönlichen Betreuung geführt,die durch Pflegepersonalmangel besonders auffällt.Die Umbauarchitekten um den aktuellen Gesundheitsminister  sind als Privatpatienten kaum jemals in den Genuss der seltsamen  Tablettmahlzeiten gekommen.Eine Medizin ,die den kranken Menschen vordringlich als Kostenfaktor sieht, gebiert derartige Pläne. es ist sicher kein Zufall,dass der zuständige Minister  im Aufsichtsrat der Rhönkliniken war.Wen eine zugewandte Krankenhausbehandlung   nur noch in Arztserien stattfindet,wird das die Personalknappheit verschärfen. man geht nicht in die Pflege,weil man Fliessbandversorgung wünscht,sondern weil  der Umgang mit kranken Menschen gewünscht wird und professionell betrieben werden soll. Dazu gehört auch ein gewisses Mass an Empathie und  Zuwendung..Das sind allerdings Faktoren,die sich nicht “rechnen”,obwohl ich in meiner Berufspraxis es auch anders erlebt habe,nämlich dass  der “menschliche Faktor” eine Rolle spielt.Ich hoffe nur,dass es eine starke Bewegung in den Medizin Berufen und  den Gewerkschaften gibt,der Ökonomisierung  den zuständigen Ort  zuzuweisen.

B.isensee


3. Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren,

als niedergelassene Fachärztin überzeugt mich das von Herrn Waßmuth vorgetragene Konzept absolut nicht. Es hat sicher sich Gründe, dass sich dieses Konzept zum Thema Finanzierung SEHR vage hält, indem es sich auf das Stichwort „Selbstkostendeckung“ beschränkt. Sicher ist das deutsche Gesundheitssystem dringend reformbedürftig, aber meiner Meinung nach machen es sich die Herren hier zu einfach.

Zunächst wird es immer einen Konflikt zwischen Leistungswünschen und Kosten geben. Eine moderne Medizin für jedermann ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. Man sollte hier zunächst eine Informationskampagne starten und anschließend herausfinden, wie sich die Bürger hier einen angemessenen Kompromiss zwischen Kosten und Leistungsangebot vorstellen: sicher die größte Herausforderung überhaupt. Außerdem sollte man das grundsätzliche Finanzierungskonzept überdenken, Stichpunkt: versicherungsfremde Leistungen. Warum zahlen Beitragszahler auch (die meisten) Leistungen für diejenigen, die niemals Beiträge gezahlt haben? Und sollten Beitragszahler nicht bessere Leistungen erwarten können als diejenigen, die nicht selbst zahlen?

Nächster Punkt: ich habe in meiner DDR-Jugend (beide Eltern im Gesundheitswesen tätig, Medizinstudium in Leipzig von 1986 bis zur „Republikflucht” im Mai 1989) ein zentralisiertes staatliches Gesundheitswesen erleben dürfen und es hat mich nicht überzeugt: der allgegenwärtige Mangel betraf nicht nur Medikamente und Großgeräte, sondern erstreckte sich bis hin zu Labor-Testkits, Urinbeuteln und simplen Einmalhandschuhen, die mehrfach benutzt werden mussten. Wobei ich in der aktuellen Situation zunehmend an diese Zeiten erinnert werde. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass es jetzt mit staatlicher Planung besser laufen würde. Erfahrungsgemäß läuft es hier doch immer so ab, dass die relevanten (und gut bezahlten) Stellen nicht nach Kompetenz, sondern nach Seilschaften und Quoten besetzt werden. Warum sollte es diesmal anders sein? Und wer bestimmt die von Herrn Waßmuth definierte „Selbstkostendeckung“? Wie hoch dürfen die Gehälter der Angestellten sein? Wie viel darf für Einrichtung, Geräte, Medikamente, Hygiene u.a. medizinischen Bedarf verwendet werden? Wie viel geht an Verwaltung und Bürokratie? Wie reagiert man auf veränderte Bedingungen wie neue, kosteninvasive Diagnostik- und Therapieverfahren, Digitalisierung und staatliche bürokratische Schikanen?

Und zu guter Letzt: die ambulanten Ärztezentren. Wie verträgt sich das mit der KV-Bedarfsplanung? Wer finanziert diese zusätzlichen ambulanten Zentren? Das Gesamtbudget der Kassenärzte, deren Verdienst dann noch weiter geschmälert wird? Schon jetzt sind wir Kassenärzte massiv belastet durch staatliche Bürokratie, deren Kosten nicht annähernd gedeckt werden, eine undurchdachte Digitalisierung, die weitaus mehr Probleme als Erleichterungen schafft, Inflation, Anstieg der Energiekosten und entsprechend auch der Gehaltswünsche unserer Mitarbeiter. So verwundert es nicht, dass es immer schwieriger wird, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter oder gar Praxisnachfolger zu finden. Es ist nur logisch, dass sich immer mehr Kassenärzte entscheiden, bei Renteneintritt lieber an ein MVZ als an einen individuellen Nachfolger zu verkaufen. Und was mich persönlich betrifft, kann ich es auch kaum erwarten, mich aus diesem System zu verabschieden.

Natürlich habe ich auch kein Patentrezept. Letztlich muss es auf einen Kompromiss hinauslaufen, der aber nicht von selbsternannten (oder gar von K.L. inthronisierten) „Experten“ im stillen Kämmerchen entschieden werden darf, sondern unter breiter Mitwirkung aller Betroffenen gefunden werden muss. Und dabei ist es nicht unbedingt hilfreich, Funktionäre einzuladen, sondern man sollte vorrangig mit denen reden, die das dysfunktionale System mit ihrer täglichen Arbeit überhaupt noch irgendwie am Laufen halten!

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Corinne Henker


4. Leserbrief

Liebe Macher der Nachdenkseiten, lieber Ralf Wurzbacher,
 
in dem hörenswerten Beitrag von apolut mit Gabriele Gysi und Dirk Pohlmann stellt Frau Gysi die These auf:

„Wir sind objektiv nicht mehr in der Lage in Distanz zu uns selbst zu gehen und das ist Voraussetzung für jeden Gedanken für jeden Austausch für jeden Sachverhalt.“ (Minute 45:54)

 
Wenn ich diese Aufforderung, auf Distanz zu meinem Entsetzen zu dem Zustand unseres Gesundheitswesens (besser Gesundheitswirtschaft), welches durchaus unter anderem mit meinen Erfahrungen in der realen Welt u.a. hinsichtlich meiner pflegebedürftigen Eltern geprägt ist, komme ich zu dem Schluss, dass diese Entwicklung so gewollt ist.
 
Wechsel ich die Perspektive und nehme die Rolle eines Kapitalisten ein, käme ich bei dem Zustand des finanziell-industriellen Komplexes doch auch konsequent zu der Lösung, dass ich meinen Gewinn nur noch steigern kann, wenn ich auch die letzten natürlichen Ressourcen ausbeute. Dies scheint inzwischen die „Ressource Mensch“ zu sein.  Minimierung der Kosten für soziale Sicherungssysteme sind am effektivsten durch die Reduktion aller bedürftigen Menschengruppen zu erzielen. Lediglich diejenigen, deren Behandlung zum Gewinn der Pharmaindustrie beiträgt, sind vorübergehend noch per Behandlung am Leben zu halten. Kinder sind bekanntlich in der Gegenwart reines „Privatvergnügen“ und eine Gefährdung der der „vulnerablen“ Menschengruppen. Da die Eltern nach nunmehr drei Jahren keine verlässliche gesellschaftliche Entlastung mehr erfahren, kann als nächster Schritt auch die Geburt zuhause stattfinden.
 
Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen. Dies meine ich ironisch, denn diese Perspektive fehlt mir zumeist.
 
Es ist doch ganz einfach: Lebensnotwendige Ressourcen wie Luft, Wasser, Grund und Boden und auch Gesundheitseinrichtungen, Feuerwehr, Schulen etc. müssen dem Kapitalmarkt entzogen werden. Und ich habe sowohl ein Recht auf ein analoges Legen, wie auch auf die freie Bestimmung über meinen eigenen Körper.
 
Wenn wir nicht selbstbewusst darauf beharren, dass der Wechsel der Beziehungsebene –also die ständige moralische Bewertung, ein mieser rhetorischer Trick ist, der das Gegenüber letztlich in seinem Menschsein abwertet, verliert jede Möglichkeit Meinungsstreitigkeiten demokratisch zu führen und zu mitmenschlicher Gemeinschaftsverantwortlichung zu finden.
 
Noch was zum Lachen, so als Geschenk um diese Zeit besser zu überstehen:
 
Die Lebensgefährtin von unserer kahlen Kanzlerin findet bei Spaziergang am Meer eine Flasche. Der daraus befreite Flaschengeist ist ja nunmehr gezwungen, ihr einen Wunsch zu erfüllen. Sie wünscht sich, da sie noch niemals in New York war und aufgrund ihrer Flugangst, eine Autobahn dorthin. Leider kann sich der Geist nicht über alle naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten hinwegsetzen und bittet sie um einen anderen Wunsch. Sie ist enttäuscht und bittet: Dann lass doch meinen Olaf wenigstens bitte Kanzler werden. Der Geist: „Dann doch lieber die Autobahn.“
 
Einen schönes Wochenende
Anette Böke


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