Die 2014 von den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika als eine Alternative zu den US-dominierten internationalen Finanz-Institutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) gegründete New Development Bank (NDB) will sich nach eigener Darstellung von der Abhängigkeit des US-Dollars als Leitwährung lösen. Als erster konkreter Schritt sollen bis 2026 mindestens 30 Prozent der Kredite in lokalen Währungen vergeben werden. Dies teilte die seit März dieses Jahres der Bank vorstehende ehemalige Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, in einem Interview mit. Der aktuelle Präsident Brasiliens, Lula da Silva, fand bei seinem Staatsbesuch letzte Woche in China noch deutlichere Worte zur Rolle des US-Dollars und löste damit vor allem in Washington und Berlin Empörung aus. Von Florian Warweg.
In einem Interview mit dem chinesischen Fernsehsender CGTN am 14. April erklärte die neue Präsidentin der BRICS-Bank, Dilma Rousseff:
„Es müssen Wege gefunden werden, um das Wechselkursrisiko und andere Probleme zu vermeiden, wie zum Beispiel die Abhängigkeit von einer einzigen Währung, wie dem US-Dollar. (…) Die gute Nachricht ist, dass sich viele Länder derzeit für den Handel in ihren eigenen Währungen entscheiden. China und Brasilien haben sich zum Beispiel darauf geeinigt, mit RMB (Renminbi) und dem brasilianischen Real zu tauschen.“
Dann erläuterte sie weiter, dass sich die NDB explizit zu einer Strategie verpflichtet hätte, die Abhängigkeit vom US-Dollar als Handels- und Kreditwährung allmählich zu verringern:
„Wir von der NDB haben uns in unserer Strategie dazu verpflichtet. Für den Zeitraum von 2022 bis 2026 muss die NDB 30 Prozent ihrer Kredite in lokalen Währungen vergeben, das heißt 30 Prozent unseres Kreditportfolios werden in den Währungen unserer Mitgliedsländer finanziert.“
Dies sei wichtig, so Rousseff ergänzend, „um unseren Ländern zu helfen, Wechselkursrisiken und Finanzierungsengpässe zu vermeiden, die langfristige Investitionen behindern.“
Nur einen Tag vor ihrem Interview mit CTGN hatte ihr Parteifreund (Partido dos Trabalhadores – PT) und aktueller Präsident Brasiliens, Lula da Silva, mit folgender Aussage am 13. April bei einer Rede während seines Staatsbesuchs in China für Aufsehen im Globalen Süden und Empörung in Washington gesorgt:
„Jeden Abend frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen. Warum können wir nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben? Wer hat denn beschlossen, dass der Dollar die Währung ist, nachdem der Goldstandard abgeschafft wurde?“
🇧🇷Präsident #Lula in #China:
"Jeden Abend frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen. Warum können wir nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben? Wer hat denn beschlossen, dass der Dollar die Währung ist, nachdem der… pic.twitter.com/TIjy0XFPkM— Florian Warweg (@FWarweg) April 14, 2023
Dass diese Haltung keine Einzelmeinung innerhalb der BRICS ist, zeigen auch deutlich die Aussagen der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor auf. Sie hatte sich bereits ähnlich im Januar 2023 nach einem Treffen der Außenminister der BRICS-Staaten geäußert. Laut ihr seien die BRICS-Staaten dabei, „ein faireres Währungssystem“ zu entwickeln, um die „Dominanz des Dollars“ zu schwächen. Weiter erklärte sie:
„Die derzeitigen Systeme bevorzugen sehr reiche Länder und stellen für Länder wie uns, die Zahlungen in Dollar leisten müssen, eine echte Herausforderung dar. Ich denke also, dass ein gerechteres System entwickelt werden muss, und das ist etwas, was wir mit den BRICS-Ministern erörtern.“
Ihre diesbezüglichen Aussagen wurden von westlichen Medien komplett ignoriert, aber beispielsweise prominent von indischen Medien (zum Beispiel hier und hier) aufgegriffen.
Was im Westen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die BRICS-Bank oft verdrängt wird, ist die Tatsache, dass zu den Mitgliedern nicht nur die Gründerländer der BRICS, sondern auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Bangladesch und Uruguay gehören.
Zahlreiche andere Länder Asiens, Lateinamerikas und Afrikas haben bereits öffentlich ihr Beitrittsinteresse zu den BRICS und der NDB bekundet. Neben Argentinien, Iran und Algerien, die die Mitgliedschaft im BRICS-Block bereits offiziell beantragt haben, sollen laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in den letzten zwei Jahren weitere „rund zwei Dutzend Länder“ ihr konkretes Beitrittsinteresse geäußert haben, darunter „Ägypten, die Türkei, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indonesien, Mexiko und eine Reihe afrikanischer Staaten“.
Die BRICS-Staaten repräsentieren bereits in ihrer derzeitigen Zusammensetzung rund vier Milliarden Einwohner, mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung, und vereinen circa 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes sowie 50 Prozent der weltweiten Devisenreserven auf sich. Wenn tatsächlich wirtschaftliche und politische Schwergewichte wie Ägypten, Türkei, Indonesien und Mexiko dazustoßen würden, wäre es wohl endgültig an der Zeit, von einer „Verschiebung der globalen Machtverhältnisse“ zu sprechen. Selbst die der Bundesregierung nahestehende und diese beratende Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) spricht in einer Analyse über die Pläne der BRICS-Bank von einem „Einstieg in eine neue Weltfinanzordnung“.
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