Dammbruch. Einige Medien wissen es genau: Die Russen waren’s

Dammbruch. Einige Medien wissen es genau: Die Russen waren’s

Dammbruch. Einige Medien wissen es genau: Die Russen waren’s

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Wir wissen nicht oder noch nicht, wer verantwortlich ist für das Brechen des Kachowka-Staudamms. Ukraine und Russland streiten sich über die Verantwortung – auch im Sicherheitsrat der UN. Aber einige wissen es schon genau. Und wie in solchen Fällen üblich, beruft man sich gerne auf sogenannte Experten. Auf vier Beispiele möchte ich hinweisen, weil daran gut sichtbar wird, wie Agitation auch ohne Basis betrieben wird: die Tagesschau mit ihren schriftlichen Meldungen von gestern, die ARD mit einem Brennpunkt, die taz und Die Rheinpfalz auf der Basis von dpa. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

1. Die Tagesschau mit ihren Meldungen am gestrigen Tag, beginnend mit den frühen Morgen.

Siehe hier.

Ein paar Beispiele von vielen Meldungen dieser Art:

6. Juni 2023 • 06:47 Uhr
Ukraine: Russland sprengt Staudamm in Cherson
Der Kachowka-Staudamm in dem russisch kontrollierten Teil der ukrainischen Region Cherson ist nach Angaben des ukrainischen Militärs von russischen Streitkräften gesprengt worden. „Das Ausmaß der Zerstörung, die Geschwindigkeit und die Menge des Wassers sowie die wahrscheinlichen Überschwemmungsgebiete werden derzeit geklärt”, schreibt das Kommando Süd auf seiner Facebook-Seite. Zuvor hatte der Bürgermeister der Stadt Nowa Kachowka in der von Moskau besetzten Region Cherson den Berichten widersprochen.
Die russische Agentur TASS meldete, dass der Damm zusammengebrochen sei und die umliegenden Gebiete überflutet wurden.

6. Juni 2023 • 05:40 Uhr
Bürgermeister dementiert Berichte über Sprengung des Kachowa-Staudamms
Der Bürgermeister der Stadt Nowa Kachowka in der von Moskau besetzten südukrainischen Region Cherson widerspricht laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Berichten über eine Sprengung des Kachowka-Staudamms. In russischen und ukrainischen soziale Medien kursierten zuvor zahlreiche Beiträge, wonach der Damm zerstört worden sei. Die Berichte konnten nicht sofort unabhängig überprüft werden.

6. Juni 2023 • 07:36 Uhr
Selenskyj macht Russland für Angriff verantwortlich
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudammes verantwortlich gemacht. Auf Twitter sprach er von „russischen Terroristen”, die „jeden Meter für ihren Terror” nutzten. Diese würden „nicht in der Lage sein, die Ukraine mit Wasser, Raketen oder sonst etwas aufzuhalten”.

6. Juni 2023 • 07:14 Uhr
Selenskyj-Berater: Sprengung von Staudamm ist „Ökozid”
Andrij Jermak, der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bezeichnet die Zerstörung des Kachowka-Staudammes als „Ökozid” und macht dafür Russland verantwortlich. Die ukrainischen Behörden arbeiteten daran, die Sicherheit der Anwohnerinnen und Anwohner zu gewährleisten. Das Vorgehen Russlands sei auch eine Bedrohung für das nahe gelegene Kernkraftwerk Saporischschja, schreibt Jermak auf Telegram, geht aber nicht näher darauf ein.

6. Juni 2023 • 07:11 Uhr
Selenskyj hält Dringlichkeitssitzung ab
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskij wird wegen der Explosion des Staudamms von Nowa Kachowa in der Südukraine eine Dringlichkeitssitzung abhalten. Das teilte Oleksij Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, auf Twitter mit.

6. Juni 2023 • 07:09 Uhr
Ukraine: Evakuierung hat begonnen
Laut des Leiters der regionalen Militärverwaltung von Cherson, Oleksandr Prokudin, hat die Evakuierung in der Gegend rund um den zerstörten Kachowka-Staudamm begonnen. Das Wasser werde demnach binnen fünf Stunden einen kritischen Stand erreichen.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS zitierte die Rettungsdienste mit der Aussage, dass rund 80 Siedlungen in dem Gebiet von der Zerstörung des Kachowka-Damms betroffen sein könnten.

6. Juni 2023 • 10:20 Uhr
Tschechischer Außenminister: Zerstörungen vergleichbar mit „Massenvernichtungswaffen”
Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine hat Tschechien Russland dafür verantwortlich gemacht. Außenminister Jan Lipavsky warf der Führung in Moskau vor, die Grenzen ihrer Aggression immer weiter zu verschieben. „Der Angriff auf den Staudamm von Nowa Kachowka oberhalb von bewohnten Gebieten ist vergleichbar mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten”, schrieb er auf Twitter. Solch ein brutales Vorgehen müsse bestraft werden.

6. Juni 2023 • 10:17 Uhr
Kiew sieht Motiv für Damm-Zerstörung bei Russland
Die Ukraine hat nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Russland ein klares Motiv zugeschrieben. Moskau habe offensichtlich das Ziel, unüberwindbare Hindernisse für die geplante ukrainische Großoffensive zu schaffen, schrieb Präsidentenberater Mychajlo Podoljak im Kurznachrichtendienst Twitter. Dies sei der Versuch, das Ende des Krieges hinauszuzögern, und ein vorsätzliches Verbrechen. Russland müsse international als Terrorstaat eingestuft werden.
„Auf einem riesigen Territorium wird alles Leben zerstört”, schrieb Podoljak. „Viele Ortschaften werden zerstört; der Umwelt wird enormer Schaden zugefügt.” Im Fernsehen fügte er hinzu, dass Russland mit dem Anschlag im umkämpften Gebiet Cherson die Initiative im Krieg wieder an sich reißen und die europäischen Staaten einschüchtern wolle.
Das Gebiet ist zum größten Teil von russischen Truppen besetzt, sie kontrollieren auch das Kraftwerk und damit den Füllstand im Stausee. Die Gebietshauptstadt Cherson ist unter ukrainischer Kontrolle. Umgesetzt habe die Sprengung des Wasserkraftwerks nach ersten Erkenntnissen die 205. Motorisierte Schützeneinheit der russischen Armee, sagte Podoljak. Der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte deshalb mehr Tempo bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Jeder müsse verstehen, dass es für Moskau keine roten Linien gebe.

6. Juni 2023 • 09:49 Uhr
EU-Ratspräsident macht Russland für zerstörten Staudamm verantwortlich
EU-Ratspräsident Charles Michel hat die offenbar absichtliche Zerstörung eines Staudamms im Süden der Ukraine verurteilt. Er sei „schockiert über den beispiellosen Angriff auf den Nowa-Kachowka-Staudamm”, schrieb Michel am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt klar als Kriegsverbrechen – und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Verantwortung ziehen”, schrieb Michel.
Der Ratspräsident will den Vorfall demnach Ende Juni beim nächsten EU-Gipfel in Brüssel zur Sprache bringen. Es müsse Hilfen für die überfluteten Gebiete in der ukrainischen Region Cherson im Süden des Landes geben, betonte Michel. Seine Gedanken seien bei den „Familien in der Ukraine, die von dieser Katastrophe betroffen sind”.

6. Juni 2023 • 09:45 Uhr
TASS: Staudamm auf Hälfte seiner Länge zerstört
Der Kachowka-Staudamm ist der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge auf der Hälfte seiner Länge zerstört. Das Bauwerk stürze weiter ein, meldet die staatliche Agentur unter Berufung auf Rettungsdienste. Der Wasserstand in Nowa Kachowka sei örtlichen Behörden zufolge um mehr als zehn Meter angestiegen.
Zudem meldet die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf örtliche Behörden, dass die Evakuierungen in der weiteren Umgebung begonnen haben.

6. Juni 2023 • 10:51 Uhr
Selenskyj vermutet Sprengung von innen
Der ukrainische Präsident Selenskyj geht davon aus, dass russische Kräfte das Wasserkraftwerk in der Nacht aus dem Inneren der Anlage gesprengt haben.
„Heute Nacht um 02:50 Uhr haben russische Terroristen die Strukturen des Wasserkraftwerks Kachowskaja von innen gesprengt. Etwa 80 Siedlungen befinden sich in der Überschwemmungszone”, sagte er auf Telegram.

6. Juni 2023 • 10:55 Uhr
NATO-Chef Stoltenberg: „Eine ungeheuerliche Tat”
Die Zerstörung des Kachowka-Staudammes zeigt nach den Worten von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Brutalität des von Russland geführten Krieges in der Ukraine. „Die heutige Zerstörung des Kachowka-Staudamms gefährdet Tausende Zivilisten und verursacht schwere Umweltschäden”, erklärte Stoltenberg auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Das ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität des russischen Krieges in der Ukraine zeigt.”

6. Juni 2023 • 11:35 Uhr
Scholz sieht in Angriff „neue Dimension” des Ukraine-Kriegs
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der ukrainischen Region Cherson eine „neue Dimension” des Ukraine-Kriegs. Die Beschädigung des Damms sei etwas, „das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt”, sagte Scholz beim „Europaforum” des WDR in Berlin. Es sei eine Entwicklung, „die wir mit Sorgfalt und mit Sorge betrachten”.

6. Juni 2023 • 12:19 Uhr
Ukraine wirft Russland vor UN-Gericht Terrorismus vor
Die Ukraine hat Russland vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen wegen der Zerstörung des Nowa-Kachowka-Staudamms Staatsterrorismus vorgeworfen. Der ukrainische Sonderbotschafter Anton Korynevych sprach vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag von einem gezielten Anschlag, der die Sicherheit der Bevölkerung bedrohe und zu schweren Umweltschäden führen könne. Russlands Taten seien die eines „terroristischen Staates”.
Vor dem UN-Gericht in den Niederlanden begann heute die Verhandlung über eine Klage der Ukraine gegen die russische Aggression seit 2014. Kiew hatte die Klage bereits 2017 eingereicht – also lange vor dem Überfall im Februar vergangenen Jahres. Korynevych warf dem Nachbarland eine systematische Kampagne gegen die Ukraine, deren Bevölkerung und deren Kultur vor.

6. Juni 2023 • 11:41 Uhr
Litauischer Präsident nennt Zerstörung „Kriegsverbrechen”
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda macht Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich. „Wir sind heute Zeugen eines beispiellosen russischen Angriffs auf die zivile Infrastruktur der Ukraine”, twitterte Nauseda.
„Die Zerstörung eines großen Staudamms ist ein Kriegsverbrechen, das Tausende von Menschen direkt bedroht. Russland muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden”, sagte er. „Und die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, um sicher zu bleiben!”
Russland und die Ukraine gegeben sich gegenseitig die Schuld an der Zerstörung des Staudammes.

6. Juni 2023 • 12:42 Uhr
Ukrainisches Militär will sich nicht bremsen lassen
Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms wollen sich die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben nicht von der Rückeroberung russisch besetzter Gebiete abhalten lassen. Die Ukraine verfüge über „alle notwendigen Boote und Pontonbrücken, um Wasserhindernisse zu überwinden”, hieß es in einer Mitteilung der Abteilung für strategische Kommunikation.
Die russischen Besatzer hätten den Staudamm im Süden der Ukraine „aus Angst vor der ukrainischen Armee” gesprengt, schrieb das Militär auf Telegram. Die russischen Truppen könnten den professionell ausgebildeten und mit neuesten Waffen ausgestatteten Ukrainern nicht standhalten, hieß es weiter.

6. Juni 2023 • 12:54 Uhr
Baltikum verurteilt Zerstörung ukrainischen Staudamms
Die Präsidenten der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben Russland für die Zerstörung eines wichtigen Staudamms im Süden der Ukraine verantwortlich gemacht. „Der russische Terrorismus hat gerade ein neues Ausmaß erreicht”, twitterte der lettische Staatschef Egils Levits.

6. Juni 2023 • 13:01 Uhr
EU verurteilt „barbarische Aggression”
Die Europäische Union verurteilt die Zerstörung des Kachowka-Staudammes. Dies sei ein weiteres Beispiel für die „barbarische Aggression” Russlands gegen die Ukraine, sagt der Sprecher der EU-Kommission, Peter Stano, vor der Presse in Brüssel. „Dies ist ein neues Zeichen der Eskalation, das die schreckliche und barbarische Natur der russischen Aggression gegen die Ukraine auf ein beispielloses Ausmaß bringt.”

2. Der Brennpunkt der ARD vom 6. Juni 2023 um 20:15 Uhr.

Siehe hier.

Das Stück war insgesamt äußerst tendenziös, ganz besonders die letzten vier Minuten mit dem sogenannten Experten Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz im Brennpunkt ab Minute 10:30 oder hier getrennt als eigenes Video dieses Interviews. Lange: Es scheint um Zerstörung der Lebensgrundlagen zu gehen

Davor gab es auch noch ein Gespräch mit dem „Experten” Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Es ist immer die gleiche Auswahl von vor allem der Public Relations dienenden Sonderorganisationen und den dort wirkenden Experten. Man braucht sie, um bestimmte Meinungen zu verbreiten.

Wer von den Zuschauern bei ARD, ZDF usw. weiß schon, was und wer hinter der Münchner Sicherheitskonferenz oder der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik steckt.

3. Die taz

Siehe hier.

Kachowka-Staudamm in der Ukraine:
Putins Tschernobyl-Moment

Die Staudammkatastrophe in der Ukraine läutet eine neue Dimension des Krieges ein. Das großflächige Sabotieren ist wohl ein Vorbote des russischen Rückzugs. …
Von: Dominic Johnson

Dieses unglaubliche Stück wird treffend kommentiert von einem Leser der NachDenkSeiten, Michael Besteck aus Rostock.
Er schrieb heute früh an die taz:

Sehr geehrter Herr Johnson

In dem im Betreff genannten Artikel schreiben Sie

„Dass Bundeskanzler Olaf Scholz und andere internationale Politiker dies sofort als „neue Dimension“ des Krieges brandmarkten, lässt auf gesicherte Erkenntnisse über den Hergang schließen. Es ist demnach ein Akt des Staatsterrorismus, für den ein Befehl erteilt worden sein muss.”

Aus dieser unbelegten Vermutung („sein muss”), folgern Sie

„Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen und das Putin-Regime muss verschwinden. Es gibt keinen Weg zurück.”

Dies ist eine harte Konsequenz aus einer Vermutung. Ein „muss” folgt aus einem „sein muss”. Sicher ist Ihnen der weltberühmte Redebeitrag des damaligen US-Außenministers in Erinnerung, der irgendein Glasröhrchen schwenkte und damit kriegsbegründend „bewies”, dass der Irak Chemiewaffen besaß. Und das berüchtigte „seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen” kennen Sie, wie vermutlich zahlreiche ähnliche Beispiele, wohl auch.

Sie als lang gedienter (taz-) Journalist haben mich mit dieser unlogischen, nicht abwägenden und schon gar nicht investigativen Plattheit sehr enttäuscht. Man kann Sie jetzt wohl als taz-Soldat bezeichnen. Nein, das muss man sogar. Schade.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Besteck

Zum Abschluss noch ein Blick in meine Regionalzeitung, im konkreten Fall deshalb, weil die gesamte Meldung wie auch der damit verbundene Kommentar auf dpa basieren.

4. Die Rheinpfalz auf der Basis von dpa

Die Schlagzeile auf der Frontseite lautet:

„Neue Dimension“ des Krieges

Der Vorspann lautet:

Nicht nur Kiew ist überzeugt, dass der Bruch des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine auf das Konto Russlands geht. Angesichts einer drohenden Katastrophe ist von „Kriegsverbrechen“ die Rede.

Der daneben stehende Kommentar beginnt so:

Die Spirale des Wahnsinns
von Ralf Joas
Es spricht einiges dafür, dass Russland hinter der Sprengung des Staudamms steckt.

Und so geht es dann weiter.

Hier wird insgesamt Meinung gemacht, ohne dass Fakten auf dem Tisch sind; es kann so sein, wie in allen zitierten Medien beschrieben. Es kann auch ganz anders sein. Jedenfalls sehen Information und eine informierte Gesellschaft ganz anders aus, als wir es hier bei uns erleben.

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