Kuba reformiert seine Medienlandschaft und verabschiedet „Gesetz über soziale Kommunikation“

Kuba reformiert seine Medienlandschaft und verabschiedet „Gesetz über soziale Kommunikation“

Kuba reformiert seine Medienlandschaft und verabschiedet „Gesetz über soziale Kommunikation“

Ein Artikel von amerika21

Das kubanische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Medienbetrieb der Insel auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt wurde: Das „Ley de comunicación social“ (Gesetz über soziale Kommunikation). Mit dem Gesetz soll die Kommunikationsarbeit „effektiver, breiter und transparenter“ werden, erklärte Präsident Miguel Díaz-Canel. Viele der bisher gültigen Bestimmungen stammen noch aus der spanischen Kolonialzeit. Von Marcel Kunzmann.

Das staatliche Pressemonopol wird beibehalten, darüber hinaus beinhaltet das Gesetz jedoch einige grundlegende Neuerungen. Unter anderem wird in den Medien des sozialistischen Landes erstmals kommerzielle Werbung Einzug halten.

Die Reform der Medienlandschaft steht in Kuba bereits seit langer Zeit auf der Agenda: Zu träge, zu viel Geheimniskrämerei (secretismo), zu formelhaft und unattraktiv, lautete die Diagnose auf dem IX. Kongress des Journalistenverbands (UPEC) im Jahr 2013. Viele der gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeit der Presse stammen noch aus der Kolonialzeit und wurden seither kaum verändert. Das bisher einzige Äquivalent zu einem Kommunikationsgesetz auf Kuba war das „Ley de Imprenta“ von 1886.

Díaz-Canel, damals gerade zum Vizepräsidenten gewählt, spitzte auf dem Journalistenkongress 2013 zu:

„Es gibt nur zwei Wege die wir gehen können: Entweder wir lösen das Problem zusammen und ein für alle Mal, oder die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der kubanischen Medien wird einfach verschwinden“.

Den 470 Abgeordneten des Parlaments wurde vergangene Woche der 34. Entwurf des Kommunikationsgesetzes vorgelegt, der gegenüber der im Dezember vorgestellten 33. Fassung 69 Änderungen „in Inhalt und Form“ enthielt. So wurde unter anderem das Thema Daten- und Quellenschutz in den Kodex mit aufgenommen sowie mehrere Formulierungen in eine sozialistische Terminologie eingebettet. Die Praxis des Kommunikationssystems wird auch in Zukunft „in Übereinstimmung des Ausdrucks der Gedanken und des Beispiels von Martí, Fidel und der Ideen der sozialen Emanzipation von Marx, Engels und Lenin“ verstanden, heißt es beispielsweise in § 5.1.

Zur Erarbeitung des Entwurfs wurden unter anderem die Beschlüsse der letzten UPEC-Kongresse, die 312 bestehenden alten Gesetze in dem Bereich, 90 Forschungsarbeiten aus der Wissenschaft sowie eine „vergleichende Studie hunderter Normen aus allen Teilen der Welt“ herangezogen. Mehr als 7.000 Personen waren an der Ausarbeitung des Textes beteiligt.

Was sind die zentralen Inhalte des Gesetzes?

Die Medienlandschaft in Kuba befindet sich seit der Revolution 1959 in staatlicher Hand. Die Verfassung von 2019 definiert in Kontinuität zu ihrer 1976 verabschiedeten Vorgängerin in Artikel 55: „Die grundlegenden Mittel der gesellschaftlichen Kommunikation, in welcher Form und in welchem Medium auch immer, sind sozialistisches Eigentum des ganzen Volkes oder der politischen, sozialen und Massenorganisationen; sie können nicht Gegenstand irgendeiner anderen Art von Eigentum sein.“

Daran ändert sich auch mit dem neuen Kommunikationsgesetz nichts, das diesen Passus ausbuchstabiert. So heißt es dort über die Rolle der staatlichen Medien:

„Die grundlegenden Mittel der sozialen Kommunikation fördern die Beteiligung des Volkes an der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung des Landes, machen die staatliche Verwaltung und die Ausübung der sozialistischen Demokratie transparent, stärken die Werte und die Identität der Nation und mobilisieren die soziale Tätigkeit für die Verteidigung der Interessen des Volkes. – Ley de Comunicación Social, § 28.3.“

Neu ist ein Rahmen für weitere „komplementäre“ Medien, die entweder an Staats- und Massenorganisationen oder an „anerkannte wirtschaftliche oder sozial Akteure“ angeschlossen sein können, wobei nichtstaatliche Unternehmen explizit ausgeschlossen sind. Die Gründung privater Medien bleibt auf Kuba also verboten, Vereine oder andere juristisch anerkannte Organisationen könnten jedoch künftig einen Platz in der Presselandschaft mit eigenen Publikationen bekommen.

Wichtige Neuerungen des Gesetzes umfassen die Bestimmungen zur Arbeitsweise staatlicher Journalisten. Diese klagen schon seit langem über schlechte Arbeitsbedingungen wie niedrige Bezahlung, maue Ausrüstung und wenig auskunftsfreudige Behörden. Jetzt sind Journalisten explizit angehalten, auf Ereignisse schnell zu reagieren und dürfen dazu auch unbestätigte Informationen aus den sozialen Medien verwenden.

Insbesondere bei Protesten, wichtigen Ankündigungen und Krisen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Verzögerungen aufgrund fehlender Freigaben und nicht erarbeiteter Kommunikationsrichtlinien. Die Abläufe sind vielerorts noch immer auf analoge Zeiten ausgelegt.

Heute nutzen jedoch 7,6 von 11,2 Millionen Kubaner das Internet, zudem werden mit Telesur und RT ein lateinamerikanischer und russischer Sender übertragen, wodurch die staatlichen Medien ihr Monopol de facto verloren haben. Dies hat beispielsweise zu der Situation geführt, dass viele Kubaner kurz vor der Währungsreform 2021 die entsprechende Ankündigung mehrere Stunden vorher auf Telesur gesehen hatten, während sich das kubanische Fernsehen noch ausschwieg.

Eine Zielstellung des Gesetzes ist es, interne Bremsen zu lösen und den staatlichen Journalisten in ihrer Arbeit den Rücken zu stärken.

Transparent gemacht wurden auch die Kriterien, nach denen die staatlichen Medien administriert werden. Diese umfassen unter anderem folgende Zielstellungen:

„Verteidigung der Unabhängigkeit, Integrität und Souveränität des Heimatlandes und Wahrung der nationalen Sicherheit; Leistung eines Beitrags zu einer demokratischeren Gesellschaft mit einem höheren Maß an sozialer Gerechtigkeit, die integrativer, gerechter, partizipativer, solidarischer ist und sich in Harmonie mit der natürlichen Umwelt befindet; […] zur politischen, wirtschaftlichen, sozialen, bildungspolitischen, wissenschaftlichen, technologischen und kulturellen Entwicklung des Landes beizutragen, die einen nachhaltigen individuellen und kollektiven Wohlstand gewährleistet; […] Förderung von Kommunikationspraktiken, die die Transparenz von Informationen, die Rechenschaftspflicht der öffentlichen Bediensteten und andere Formen der demokratischen Beteiligung ermöglichen; […] Förderung eines emanzipatorischen Denkens, das die Kontinuität des sozialistischen Projekts der Nation unterstützt und der Offensive der kulturellen Kolonisierung kritisch begegnet…“ – Ley de Comunicación Social, § 7 (Auszug)

Darüber hinaus wurden in dem Gesetz die Mitbestimmung in den Redaktionen und die Rechte der Redakteure gegenüber der Leitung geregelt. Als erste Pflicht der kubanischen Journalisten wurde die „unmittelbare, kohärente, genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung“ definiert, wobei stets „die Regeln für die Überprüfung, Kontextualisierung und Gegenüberstellung der zu verwendenden Informationen [zu] beachten“ sind.

Ein im jüngsten Entwurf hinzugekommener Paragraf untersagt staatlichen Journalisten die Mitarbeit „in Presseorganen, die den Bestimmungen der Verfassung widersprechen“. Nicht wenige staatliche Journalisten verdienen sich bisher ein Zubrot durch ihre Arbeit für ausländische Nachrichtenportale, was seit jeher von Redaktionsleitungen untersagt wurde. Jetzt hat diese Regelung Gesetzeskraft.

Um die Finanzierung der staatlichen Presselandschaft (und die dort bezahlten Löhne) auf eine breitere Grundlage zu stellen, dürfen „Radio, Rundfunk, Online- und Printmedien“ erstmals kommerzielle Werbung schalten (§ 76 ff.). Diese soll einen „verantwortungsbewussten Konsum“ fördern und darf „Marken, Produkte, Kulturgüter und touristische Ziele“ bewerben. Weitere Vorgaben sind unter anderem „Respekt vor den nationalen Symbolen“ und „Anerkennung der Vielfalt und Repräsentanz der kubanischen Gesellschaft“.

Die „Darstellung von Frauen in entwürdigender oder erniedrigender Weise, die mit stereotypen soziokulturellen Mustern verbunden ist“, wurde explizit verboten.

Darüber hinaus soll Werbung in Radio und Fernsehen nur zwischen den Sendungen, nicht jedoch während laufender Programme ausgestrahlt werden. Neu ist auch, dass Medien künftig Spenden erhalten dürfen.

Mit dem Kommunikationsgesetz sollen „Leerstellen geschlossen und die institutionelle Trägheit überwunden werden“, 

Das vollständige Gesetz: Ley de Comunicación Social

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: shutterstock / Drevs

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