Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt
  2. China: Europäer wollen weniger Baerbock und mehr Macron
  3. Atommächte rüsten auf: „Einer der gefährlichsten Zeiträume der Menschheitsgeschichte“
  4. Zwischen Wahn und Hybris – die “Nationale Sicherheitsstrategie”
  5. Nach Dammbruch in der Ukraine: EU-Raffinerien kaufen plötzlich mehr russisches Öl
  6. Netze vor Überlastung schützen? So werden Verbraucher stattdessen gemolken
  7. Wie die Taz einen Artikel eines Ukraine-Kriegsreporters manipulierte
  8. Protest gegen EU-Asylkompromiss: Andrea Ypsilanti aus der SPD ausgetreten
  9. 24 Prozent würden Wagenknecht-Partei wählen: „Asylrecht ist kein Kniefall vor rechts“
  10. Auch der Alltag in der DDR war keine verlorene Zeit

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt
    In einem Interview für den Podcast „Erklär mir die Welt“ des Journalisten Andreas Sator von Ende Mai offenbart die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB), dass sie weiterhin fest an den Monetarismus glaubt. Das interviewte Mitglied des EZB-Direktoriums, Isabel Schnabel, dokumentiert sehr deutlich, dass diese Denkschule die europäische Geldpolitik weiter in die Irre führt. Man lernt, warum die Fehler der Deutschen Bundesbank aus der zweiten Ölpreiskrise Ende der 1970er Jahre aktuell wiederholt werden.
    Man muss keinen Streit um Worte anzetteln. Wenn Isabel Schnabel aber eingangs (Minute 1:44) erklärt „Inflation ist, wenn sich das Preisniveau einer Volkswirtschaft erhöht“ und später (Minute 14:22) erläutert, warum die EZB Preisstabilität bei einer mittelfristigen Preissteigerungsrate von zwei Prozent für gegeben hält, trägt sie zur Verwirrung bei. Viele verbinden nämlich mit dem Begriff Inflation von der Größenordnung her die Bandbreite der Preissteigerungsrate, die oberhalb der Zielrate der EZB, aber unterhalb dessen liegt, was als Hyperinflation gilt. Für Isabel Schnabel steht das Wort Inflation offenbar ganz allgemein für eine positive Preissteigerungsrate unabhängig von ihrer Höhe, ihrer Ursache und ihrer Dauer.
    Eigentlich ist aber mit Inflation das übermäßige und anhaltende Aufblasen von Preisen auf breiter Front gemeint ohne erkennbare spezifische Ursache, also ohne Schocks, die für das Zustandekommen bestimmter Knappheiten sorgen. Eine Entwicklung des Preisniveaus einer Volkswirtschaft, die alle diese vier Kriterien erfüllt, stört die Aufgabe, die Preise in einer funktionierenden Marktwirtschaft erfüllen müssen, nämlich reale Knappheiten zuverlässig anzuzeigen.
    Doch wie dem auch sei, hier soll nicht um Definitionen gestritten werden. Wichtig ist, zwischen der reinen Definition eines ökonomisch schädlichen Phänomens und der Erklärung, wie es zu dem Phänomen selbst kommt, zu unterscheiden und zwar so, dass man lernen kann, wie es zu verhindern ist. Das Ziel ist zu verstehen, warum die Geldpolitik derzeit so handelt, wie sie es tut, und die Folgen dieser Politik einschätzen zu können.
    Quelle: Friederike Spiecker

    dazu auch: IMK-Konjunkturindikator trübt sich erneut ein – weitere Zinserhöhungen riskant
    Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist erneut spürbar gestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt. Für den Zeitraum von Juni bis Ende August weist der Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 49,3 Prozent aus, nachdem sie im Mai für die folgenden drei Monate noch 37,6 Prozent betrug. Das ist der höchste Wert seit November 2022, als der Indikator infolge der Energiepreisschocks ein hohes Risiko für eine Rezession über das Winterhalbjahr anzeigte. Revidierte Daten des Statistischen Bundesamtes haben kürzlich bestätigt, dass Deutschland im letzten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 eine leichte technische Rezession durchlaufen hat. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator schaltet zwar aktuell noch nicht auf „rot“. Die Eintrübung liefert aber einen Hinweis darauf, dass die konjunkturelle Schwächephase noch länger andauern könnte, interpretiert IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld die neuen Werte: „Die abermalige spürbare Zunahme der Rezessionswahrscheinlichkeit deutet darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland im zweiten Quartal allenfalls stagniert.“
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

  2. China: Europäer wollen weniger Baerbock und mehr Macron
    Eine europaweite Umfrage bringt Erstaunliches hervor. Gefragt wurde nach der Sicht auf China, aber auch Russland. Warum die Politik dem folgen sollte. […]
    Fragt man nun die europäischen Bevölkerungen, dann wollen sie jedoch tatsächlich mehr Macron und weniger Baerbock, Scholz und von der Leyen.
    So ergab eine repräsentative Umfrage, dass eine Mehrheit der Menschen in den Ländern der Europäischen Union der Auffassung ist, dass China ein “notwendiger Partner” für ihre Länder ist, im Gegensatz zu einem “Rivalen” oder “Gegner”. Das ist das Ergebnis der letzte Woche veröffentlichten Untersuchung vom European Council on Foreign Relations über die außenpolitischen Einstellungen in Europa.
    Die Umfrage, an der mehr als 16.000 Personen aus elf EU-Mitgliedstaaten teilnahmen, zeigt auch, dass eine solide Mehrheit der Befragten es vorziehen würde, dass ihr eigenes Land in einem möglichen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China über Taiwan neutral bleibt.
    Die meisten Europäer sehen die Vereinigten Staaten zwar als “Verbündeten” oder “Partner” an, sind aber auch mehrheitlich der Meinung, dass Europa seine eigenen Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten ausbauen sollte und sich bei der Gewährleistung seiner Sicherheit nicht immer auf Washington verlassen kann.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Die selbst verschuldete Unmündigkeit der EUropäer im Krieg
    Die ukrainische Gegenoffensive hat begonnen. Doch die Frage, wohin sie führen soll, bleibt unbeantwortet. Die EU hat keine eigenen Ziele definiert – und sie versucht auch nicht, die Kriegsführung zu beeinflussen.
    Dies lässt sich aus mehreren Zeitungsberichten der letzten Tage schließen.
    So meldete die „New York Times“, dass die EU nicht wisse, woran sie einen „Erfolg“ der ukrainischen Offensive bemessen soll.
    Einen „Sieg“, wie er vom schwedischen EU-Vorsitz angestrebt wird, halte man in Brüssel aber mittlerweile für unwahrscheinlich.

    Privately, U.S. and European officials concede that pushing all of Russia’s forces out of occupied Ukrainian land is highly unlikely.
    NYT

    Wenn das stimmt, dann müsste die EU schleunigst darüber nachdenken, was sie mit ihren Waffenlieferungen eigentlich erreichen will. Doch das tut sie nicht.
    Sie kontrolliert diese Lieferungen nicht einmal, wie der belgische „Soir“ berichtet. Verstöße gegen nationale Auflagen bleiben ohne Folgen.
    Obwohl bekannt wurde, dass belgische Waffen von Freischärlern in der Ukraine zu Angriffen auf russisches Gebiet benutzt wurden, gehen die Lieferungen weiter.
    Das lässt nur einen Schluß zu: Belgien und die EU haben der Ukraine und ihrem Präsidenten Selenskyj einen Freibrief ausgestellt und drücken nun die Daumen, dass alles gut läuft.
    Quelle: Lost in Europe

  3. Atommächte rüsten auf: „Einer der gefährlichsten Zeiträume der Menschheitsgeschichte“
    Die Zahl an einsatzbereiten Atomsprengköpfen wächst wieder. Angesichts des Ukraine-Kriegs warnt das Friedensforschungsinstituts Sipri vor den Folgen.
    Die Atommächte stärken angesichts des Ukraine-Kriegs und der insgesamt verschlechterten Sicherheitslage auf der Welt ihre nuklearen Arsenale. Das geht aus dem Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) hervor, den die unabhängige Organisation am Montag (12. Juni) veröffentlichte. „Dieser verstärkte nukleare Wettbewerb hat das Risiko, dass Atomwaffen zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg im Zorn eingesetzt werden, dramatisch erhöht“, sagte Sipri-Experte Matt Korda.
    Quelle: FR Online

    dazu auch: Kann Biden einen russischen Nuklearangriff auf die Ukraine verhindern? Ja, wenn er der Ukraine taktische Atomwaffen zur Verfügung stellt
    (Eigene Übersetzung)
    Die Angst vor einem nuklearen Schlagabtausch prägt seit langem die Überlegungen des Weißen Hauses zur Ukraine. […]
    Sich selbst abzuschrecken und Russland einen Sieg zu schenken, wäre unmoralisch und unklug. Für Putin ist die Angst des Gegners so süchtig machend wie Kokain. Sollte er spüren, dass die Angst des Weißen Hauses ihm den Sieg bringen könnte, würde er einen weiteren Zug nehmen: Seine Provokationen würden nur noch zunehmen, nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Moldawien und die baltischen Staaten.
    Für Biden stellt sich nun eine doppelte Frage: Wie kann man Russland vom Einsatz taktischer Nuklearwaffen abhalten, und wie kann man reagieren, wenn es sie einsetzt. Für beides gibt es die gleiche Strategie. […]
    Biden sollte Russland stattdessen klar und deutlich sagen, dass jeder Einsatz von Atomwaffen jeglicher Größe gegen die Ukraine dazu führen wird, dass die USA der Ukraine die gleichen Arten von Atomwaffen zur Verfügung stellen, ohne zu kontrollieren, wo und wie die Ukraine sie einsetzen könnte. Die Nichtverbreitungsmafia mag vor Empörung aufheulen, aber der Westen muss seine Nuklearpolitik an der Realität ausrichten, nicht an Wunschdenken oder einer leeren Fassade eines Vertragsregimes, an das sich revisionistische Staaten nicht mehr halten.
    Wie während des Kalten Krieges ist der beste Weg, den Einsatz von Atomwaffen abzuschrecken, die Bereitschaft zu demonstrieren, sie auch einzusetzen. […]
    Es ist an der Zeit, diesen Schaden wiedergutzumachen. Die einfache Tatsache ist folgende: Die Vereinigten Staaten unterhalten Atomwaffen, weil sie ein wirksames Abschreckungsmittel gegen andere Atomstaaten sind. Die Ukraine sollte das gleiche Recht haben.
    Quelle: AEI

    Anmerkung Albrecht Müller: So denken wichtige Einrichtungen in den USA. Tödlich für uns.

  4. Zwischen Wahn und Hybris – die “Nationale Sicherheitsstrategie”
    Man weiß wieder einmal nicht, ob man lachen oder heulen soll. Aber auch, wenn es viele von maßloser Überheblichkeit geprägte Passagen in dieser neuen Sicherheitsstrategie gibt und sich hinter manch schmeichelnd formulierter Absicht finsterste Pläne verbergen – herausragend ist vor allem eines: mit der konkreten Wirklichkeit hat das Papier nicht viel zu tun. […]
    Freude hat man auch an diesem Satz, der auf die Aussage folgt, dass “neue parallele Institutionen” (vulgo BRICS etc.) ein “stabiles Finanzsystem” (das “stabile Finanzsystem” ist eigentlich auch ein Brüller) unterminierten: “Erschwerend kommt hinzu, dass es in vielen Staaten an Strukturen zur effektiven Bekämpfung von Korruption, Steuerhinterziehung und Wirtschafts- und Finanzkriminalität fehlt.” Vor dem Hintergrund von Cum-Ex und Pfizers SMS ein wirklich treffender Satz.
    Das allerschönste Beispiel dafür, wie sehr diese “Nationale Sicherheitsstrategie” in einer Welt spielt, die es nicht gibt, liefert allerdings wieder einmal Annalena Baerbock in ihrem Vorwort. Es ist nicht einmal der Satz, Sicherheit bedeute, “dass im Winter unsere Heizungen laufen”. Der ist schon nicht schlecht.
    Aber er wird noch einmal weit übertroffen von diesem Satz: “Dass wir sicher zur Arbeit kommen, weil unsere Züge nicht durch Cyberanschläge lahmgelegt sind.” Irgendjemand sollte ihr einmal sagen, dass der arme Mensch, der diesen bösen Cyberanschlag beabsichtigt, einen Moment erwischen müsste, in dem kein Gleis gebrochen, keine Lokomotive funktionsuntüchtig, keine Signalanlage ausgefallen, keine Klimaanlage kaputt, kein vorausfahrender Zug liegengeblieben, kein Unfall mit Personenschaden passiert, kein Lokführer erkrankt, kein Ersatzzug nicht auffindbar und kein Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter ist – sprich, die Deutsche Bahn wirklich mal nach Fahrplan fährt. Sonst würde das nämlich niemand bemerken.
    Und ungefähr so steht es mit allen anderen wirklichen Sicherheitsfragen auch.
    Quelle: Dagmar Henn in RT DE

    dazu auch: Von Feinden umgeben
    Bundesregierung stellt erste »Nationale Sicherheitsstrategie« vor: Mehr Aufrüstung und »Wehrhaftigkeit« überall – von der Ahr bis in den Weltraum.
    Die Bundesrepublik ist demnach Opfer neuer weltpolitischer Bedrohungen und Feinde, ihre eigene Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen und der Aufmarsch der Bundeswehr in Osteuropa in den vergangenen drei Jahrzehnten wird nicht erwähnt. Im Text steht ironiefrei vielmehr: »Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland stehen immer im Einklang mit dem Völkerrecht, dem Grundgesetz und den gesetzlichen Vorgaben.« Wer mit solch reinem Gemüt in die Welt schaut, für den ist folgerichtig Russland der Hauptfeind. Es wird zweimal als »auf absehbare Zeit größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum« bezeichnet. China ist gemäß der NATO- und EU-Sprachregelung »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale«. In dem Dokument werden praktische Konsequenzen zumeist nur angedeutet – bis auf eine: Die Verteidigungsausgaben sollen ab kommendem Jahr »im mehrjährigen Durchschnitt« auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO-Staaten erhöht werden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will das »Sondervermögen Bundeswehr« in Höhe von 100 Milliarden Euro dafür ausgeben. Gegen Ende des Jahrzehnts müsse das aber aus dem normalen Haushalt kommen. Lindner bot dazu die Gürtel-enger-Schnallen-Formel an: »Wir müssen aus der Zeit der Friedensdividende in die Freiheits- und Friedensinvestitionen kommen.« Denn: »Wünschenswerte Vorhaben werden zurückgestellt werden müssen.« (…)
    Auf die Frage eines Journalisten, ob Handelswege auch zukünftig mit Gewalt gesichert werden sollten, wich Scholz zunächst aus. Als der Fragesteller auf einer Antwort beharrte, behauptete der Kanzler wahrheitswidrig, eine solche Politik habe »noch nie eine Bundesregierung verfolgt«. (…)
    Sicherheitsmaßnahmen sollen auf das gesamte gesellschaftliche Leben ausgedehnt werden. In der Strategie heißt es, die Handlungsfähigkeit Deutschlands nach außen hänge »zunehmend auch von seiner Resilienz im Inneren ab.« Der Weltraum zählt auch dazu. Laut Außenministerin Annalena Baerbock (…), die bei der Ausarbeitung federführend war, werden zum Beispiel Katastrophenschutz »wie an der Ahr«, Entwicklungshilfe, Kampf gegen Klimawandel, Schutz der Infrastruktur, Wasserversorgung, Bildung und Cyberraum einbezogen. Die im Koalitionsvertrag noch erwähnte Koppelung der Steigerung der Verteidigungs- und Entwicklungsausgaben im Verhältnis eins zu eins fällt ebenso weg wie eine Zurückhaltung bei Rüstungsexporten. Neben »resilient« ist »regelbasiert« die am meisten strapazierte Vokabel im Papier, weit vor »nachhaltig«. Über die Hohlwörter wird am Freitag im Bundestag diskutiert. Eine »China-Strategie« stellte der Kanzler für »bald« in Aussicht.
    Quelle: Arnold Schölzel in junge Welt

  5. Nach Dammbruch in der Ukraine: EU-Raffinerien kaufen plötzlich mehr russisches Öl
    Auch der Ölmarkt reagiert gestresst auf die Katastrophe. Laut einem Bericht der britischen Nachrichtenagentur Reuters fürchten Raffinerien in Westeuropa, zu wenig Öl aus Russland zu beziehen, da die Druschba-Pipeline, die russisches Öl zum Teil durch die Ukraine transportiert, beschädigt werden könnte. Zur Erinnerung: Das Pipeline-Öl aus Russland ist vom EU-Embargo ausgenommen; vor allem Ungarn, Tschechien und die Slowakei lassen sich immer noch von Russland beliefern. (…)
    Im Juni könnten die Pipeline-Lieferungen von russischem Urals-Rohöl in die EU um 16 Prozent im Vergleich zum Mai ansteigen, prognostiziert Reuters unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen. Die Raffinerien in der EU hätten aus Angst vor Angriffen auf wichtige Infrastrukturen und angesichts des eskalierenden Kriegs in der Ukraine Ölvorräte anlegen wollen, sagte eine Quelle. Die ungarische Raffinerie MOL, ein wichtiger Abnehmer russischem Öls, werde im Juni 900.000 Tonnen Urals kaufen, das über die Druschba-Pipeline geliefert wird. Im Mai hatte MOL nur 750.000 Tonnen Urals-Öl erworben.
    Auch die Ukraine verdient an dem Öltransit. Anfang Juni habe Kiew abermals die Gebühren für den Transport erhöht, berichtete die Ungarische Zeitung Vilaggazdasag, heißt es im Bericht. Mit der Änderung sei der Preis um 25 Prozent auf 17 Euro pro Tonne angehoben worden. Die im Vorfeld geäußerte Androhung, die Gebühren um 100 Prozent zu steigern, machte die ukrainische Regierung nicht wahr. Kiew hatte die Gebühr für das Öl aus der Druschba-Pipeline zuletzt im Januar auf 13,60 Euro pro Tonne erhöht.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Netze vor Überlastung schützen? So werden Verbraucher stattdessen gemolken
    Die Netzentgelte bei Gas und Strom sollen steigen. Unser Kolumnist fragt, ob sich der Staat länger von der Profitgier der Netzbetreibern erpressen lassen sollte.
    Seit letztem Jahr überredet er uns alle zum Energiesparen, jetzt will er, dass wir den Netzbetreibern höhere Profite finanzieren. Die Rede ist von Klaus Müller, heute Chef der Bundesnetzagentur, früher Chef der Verbraucherzentrale – und: ein Grüner. Damit die Strom- und Gasnetze schnell genug ausgebaut werden, will Müller den Netzbetreibern eine größere Karotte vorhalten.
    Mit Investitionen ins Netz sollen die Firmen künftig mehr Geld verdienen dürfen, und die staatlich festgelegte Rendite aufs eingesetzte Kapital soll von 5,07 auf 7,09 Prozent angehoben werden. Auslöser dafür seien die höheren Zinsen. „Deswegen wollen wir neue Investitionen besser verzinsen und schaffen so spürbare Anreize für Investitionen bei den Netzbetreibern“, so Müller. Ab sofort soll die Rendite jedes Jahr neu festgelegt werden, früher waren es nur alle fünf Jahre. Immerhin: Für bereits gebaute Netze soll die höhere Rendite nicht gelten, nur für neue.
    Rund eine halbe Milliarde soll der Vorschlag zusätzlich in die Firmenkassen spülen – voraussichtlich. Je mehr die Betreiber investieren, desto teurer wird es. Und natürlich landet das am Ende auf der Strom- und Gasrechnung der Kunden, denn die Betreiber finanzieren sich über die Netzentgelte, die übrigens schon heute etwa ein Viertel des Preises ausmachen.
    Quelle: Maurice Höfgen in Berliner Zeitung
  7. Wie die Taz einen Artikel eines Ukraine-Kriegsreporters manipulierte
    Unai Aranzadi berichtete für die Taz aus der Kampfzone in der Ukraine. Doch den Artikel habe man verfälscht, sagt der Reporter, und auf Nato-Linie ausgerichtet. Genießen westliche Journalisten in der Ukraine Meinungsfreiheit?
    Der spanische Journalist Unai Aranzadi besuchte im Februar als Reporter die ostukrainischen Städte Kramatorsk, Slowjansk und Lyman. Aus dem Bombenhagel an der Front im Kampf um den Donbass sendete der in Spanien preisgekrönte Dokumentarfilmmacher zwei Reportagen an die deutsche Tageszeitung Taz.
    Aranzadi kennt sich mit dem Ukraine-Konflikt bestens aus, da er seit 2014 regelmäßig für Dokumentationen vor Ort war. Der erste Text wurde am 3. Februar 2023 veröffentlicht, mit dem Titel “Wo die russische Offensive beginnt” und erzählt die russische Bombardierung von Wohnhäusern und die Zerstörung, die diese hinterließ.
    Am 11. Februar erschien der zweite Text unter dem Titel “Da, wo die Russen schon mal waren”.
    Die abgedruckte Version machte Aranzadi jedoch sprachlos. Sein Text war ohne sein Einverständnis von der Redaktion stark – seiner Meinung nach sinnentstellend – verändert worden. Ganze Absätze wurden gestrichen, neue kamen dazu, die er nicht geschrieben hatte und mit denen er nicht einverstanden ist.
    Aranzadi sagt, dass die Änderungen nicht aus redaktionellen Gründen vorgenommen worden seien, sondern Eingriffe darstellen, die den Artikel an die politische Linie des Blattes anpassen sollten: “Im ersten Bericht, in dem ich die grausamen russischen Bombardements verurteilt habe, gab es keine Probleme”, sagt er gegenüber Telepolis.

    Es war lediglich im zweiten Bericht, der die Einstellungen der russischsprachigen Bevölkerung in anderen Gebieten einfing, in dem auf einmal eingegriffen wurde.

    Quelle: Telepolis

  8. Protest gegen EU-Asylkompromiss: Andrea Ypsilanti aus der SPD ausgetreten
    Einst war sie eine der wichtigsten Frauen in der SPD, nun wendet sie sich von der Partei ab: Andrea Ypsilanti ist nicht mehr Mitglied bei den Sozialdemokraten – es ist ein Abgang in Wut.
    Die SPD verliert eine prominente Genossin: Die frühere Landeschefin der hessischen Sozialdemokraten, Andrea Ypsilanti, ist aus der Partei ausgetreten. Das bestätigte der hessische SPD-Generalsekretär Christoph Degen. Zuvor hatte der Hessische Rundfunk darüber berichtet.
    Degen sagte, er bedauere Ypsilantis Parteiaustritt sehr. Ihre Expertise werde fehlen. Er sprach von einem schleichenden Prozess der Entfremdung zwischen Ypsilanti und der Partei in den vergangenen Jahren. Der neue Asylkompromiss sei »eher das i-Tüpfelchen« gewesen.
    Der Hessische Rundfunk zitiert aus Ypsilantis Austrittsschreiben, die EU-Asylentscheidung lasse sie »ohnmächtig und sprachlos« zurück. Die neuen Regelungen
    würden zu noch schlimmerem Elend führen. Der Kompromiss werde von politischen Kräften bejubelt, »gegen die zu kämpfen die Sozialdemokratie angetreten ist«.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Es haben viele gefragt: warum? Deshalb hier die Antwort
    Quelle: Andrea Ypsilanti via Twitter

    dazu auch: Migration: Wir können uns einmauern oder den Reichtum teilen
    Die EU hat sich endgültig für das Einmauern entschieden. Der Asyl-Kompromiss lässt ein Asylrecht nur noch dem Namen nach bestehen.

    «Zu den Grundirrtümern der letzten Jahrzehnte gehört der Glaube, dass man Flüchtlinge wirklich gerecht sortieren könne: In ‹gute› Flüchtlinge, die aus politischen Gründen, und in ‹böse› Flüchtlinge, die aus wirtschaftlichen Gründen fliehen. Alle Anstrengungen wurden darauf gerichtet, alle sind sie gescheitert. Stets hat man die Probleme am Schwanz statt am Kopf gepackt. Mit Paragrafen hat man versucht, Schicksale zu verwalten. Wann wurde je mit gleicher Kraft versucht den Menschen dort zu helfen, wo sie das Schicksal trifft? Fluchtsituationen entstehen doch nicht deshalb, weil es die Bundesrepublik mit dem Grundrecht auf Asyl gibt.»

    So steht es in meinem ersten Leitartikel zum Thema Asyl, der 1990 in der Süddeutschen Zeitung erschien – drei Jahre bevor dann das Asylgrundrecht nach einer langen, wilden Debatte massiv eingeschränkt wurde. Es war dies damals mein erster grosser Text über Migration, und er endete so:

    «Die Überlegungen zur Bekämpfung von Fluchtursachen stehen erst am Anfang. Man wird eine völlig neue Form von Entwicklungshilfe in einer völlig neuen Dimension erfinden, man wird gewaltige Hilfsprojekte in Angriff nehmen müssen. Es gibt nur eine Alternative: Wir können uns einmauern oder unseren Reichtum teilen.»

    Die europäische Politik hat sich nun endgültig für das Einmauern entschieden. Der Asyl-Kompromiss, der vom Europäischen Rat beschlossen wurde, lässt ein Asylrecht und den Flüchtlingsschutz nur noch dem Namen nach bestehen.
    Quelle: Heribert Prantl auf Infosperber

  9. 24 Prozent würden Wagenknecht-Partei wählen: „Asylrecht ist kein Kniefall vor rechts“
    Die Linke-Politikerin geht in einem Interview auf die mögliche Gründung einer eigenen Partei ein. Bei der Reform zum Asylrecht ist sie uneins mit der Linken. (…)
    Die EU-Innenminister haben sich kürzlich auf eine grundlegende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) verständigt. Damit einigen sich die Mitgliedsstaaten auf eine Verschärfung des europäischen Asylverfahrens. Vorgesehen ist unter anderem ein restriktiverer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. Bei der Parteispitze der Linken stößt dies auf starke Ablehnung. (…)
    So bezeichnete Janine Wissler, Linke-Parteivorsitzende, die Reform als einen „Kniefall von rechts außen“ im Hinblick auf die beschleunigten Vorverfahren an den Außengrenzen. Wagenknecht hingegen ist deutlich zurückhaltender, wie sich in ihrem Interview mit der Welt herausstellt. Wie steht sie der Verschärfung des Asylrechts gegenüber?
    „Wenn man ein Problem versucht zu lösen, dann ist das kein Kniefall“, sagt sie und erklärt: „Wir haben eine Situation der Überforderung in vielen Städten und Gemeinden und müssen das Problem unkontrollierter Zuwanderung irgendwie lösen.“ Menschen, die aber tatsächlich wie im Iran mit der Hinrichtung bedroht und verfolgt werden, müssten ein Recht auf Asyl behalten.
    Die Armut dieser Welt könne man aber nicht durch Migration lösen. Die Allerärmsten könnten sich die Flucht gar nicht leisten. Es sei keine Lösung, die etwas bessere Mittelschicht der armen Länder abzuwerben, wo sich dort die Probleme weiter verschärfen würden.
    Der akute Wohnungsmangel, Schwierigkeiten an Schulen und fehlende Kitaplätze in Deutschland würden zwar nicht primär von der hohen Zuwanderung kommen, sie spitze die Situation hierzulande aber zu. „Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass ein Großteil der Migration damit zu tun hat, dass es diese großen Wohlstandsdifferenzen gibt“, so Wagenknecht im Gespräch. Ob der gefundene Kompromiss funktioniere und er die europäische Einigkeit hinter sich habe, müsse sich zeigen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung J.K.: Das mag in Umfragen so sein, aber sollte sich Sahra Wagenknecht tatsächlich entschließen, eine eigene Partei zu gründen, wird dieses Land eine Diffamierungskampagne erleben, wie noch nie zuvor in seiner Geschichte.

    dazu auch: Versagen von Parteien und Medien – Der aufhaltsame Aufstieg der AfD
    Der breite Unmut in der Bevölkerung über Habecks Heizungsdiktat und die anhaltende Migrationskrise kannte in den Umfragen zuletzt nur einen Nutznießer: die AfD. Doch auch die mediale Diffamierung der Normalbürger mit ihren Sorgen treibt viele Bürger in die Arme der Protestpartei.
    Die AfD ist so populär wie nie. Friedrich Merz hatte versprochen, er wolle sie „halbieren“. Der Kanzler sieht in ihr eine „Schlechte-Laune-Partei“. Die Reaktion der Bundesregierung, bei der der Mehrheit der Bürger das Lachen längst vergangen ist, könnte nicht selbstgerechter sein. Umfrageergebnisse von 19 Prozent für die AfD müssten ein Alarmsignal für alle Bundestagsparteien sein. Wie stark muss die AfD eigentlich noch werden, damit die Politik aufwacht?
    Klima, Krieg, Migration – in Kernfragen der Politik werden die Positionen eines Großteils der Bevölkerung beiseite gewischt, vielfach moralisch abgewertet. Das ist der Sessellift nach oben für die AfD, die momentan gar nichts tun muss. Man stelle sich vor, sie hätte charismatische und sympathische Parteivorsitzende. Zum Glück teilt sie diesen Personalmangel mit den anderen Parteien.
    Derzeit reicht ihr, dass im Land vielfach Debatten gewälzt werden, die mit den realen Problemen der Leute wenig zu tun haben. Der Normalbürger steht allein und verlassen im Parteienspektrum. Da ist die Tendenz zur AfD oft Notwehr und verzweifelter Denkzettel. Auch die Medien haben ihren Anteil. Der Meinungskorridor in Deutschland verengt sich von Krise zu Krise – Flüchtlinge, Corona, Ukraine. […]
    Schon die Einführung der CO2-Steuer 2021 hat den Bürgern gezeigt, wie teuer und ineffektiv Klimaschutz betrieben wird. Diese grüne Rechnung, die ausschließlich dem Normalbürger präsentiert wird, ist ein ständiger Wasserstrom auf die Mühlen der AfD. Die Leute wollen Natur und Umwelt schützen und tun dies auch. Sie sind mehrheitlich für eine vernünftige Klimapolitik, aber sie reagieren allergisch auf die Hybris, mit Wärmepumpen die weltweite Klimakrise stoppen zu wollen, aber nicht einmal die Fische in der Oder schützen zu können.
    Der russische Krieg gegen die Ukraine tobt seit 16 Monaten, und ein Ende ist nicht in Sicht. Deutschland hat seinen anfänglich zurückhaltenden Kurs verlassen und liefert immer mehr Waffen an die Ukraine. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lehnt dies ab und glaubt nicht, dass Waffenlieferungen den Krieg beenden. Millionen Menschen haben Angst vor einer weiteren Eskalation, einem Dritten Weltkrieg. Es klaffen Welten zwischen den Selenskyj-Festspielen in Politik und Medien einerseits und der Antikriegsstimmung in der Bevölkerung andererseits.
    Quelle: Cicero

  10. Auch der Alltag in der DDR war keine verlorene Zeit
    Im Sprechen über die DDR vergessen wir, dass es auch Menschen gab, die ganz normal in dem Land lebten. Die Entwertung dieser Biografien durch die Reduzierung auf Diktatur und Stasi bieten heute einen Nährboden für die AfD
    Geschichte ist nie abgeschlossen, schon weil jede neue Generation das Recht hat, Geschichte noch einmal neu zu erzählen. Um etwa über die DDR zu schreiben, muss man nicht immer und überall dabei gewesen sein. Und man kann auch ganz woanders wohnen, wie die Historikerin Katja Hoyer, die am Londoner King’s College forscht und mit Diesseits der Mauer. Eine neue Geschichte der DDR 1949 – 1990 im Diskurs zur DDR-Historie interveniert hat.
    Hoyer beharrt darauf, dass die DDR mehr war als Diktatur und Stasi. Wo ist das Problem? Die westdeutsche Nachkriegsgeschichte würde niemand allein über Polizei, Gerichte und Gefängnisse erzählen. Und auch die DDR war mehr als nur der SED-Staat, der hier nicht verklärt werden soll. Wie aber erklärt sich der Streit um Bücher wie das von Katja Hoyer? Um Geschichte wurde schon immer gerungen. Warum ist es nicht egal, worüber sich Historiker streiten? Es ist die Angst vor der verlorenen Zeit. Diese Angst ist nicht neu.
    Quelle: der Freitag

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