Am 16. Mai 2025 fand die Verhandlung im Berufungsverfahren der Politikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Guérot vor dem Landesarbeitsgericht in Köln statt. Es geht in diesem Verfahren um die Kündigung von Dr. Guérot an der Universität Bonn wegen angeblicher Plagiatsvorwürfe bzw. wegen ihres angeblichen Verschweigens von Plagiaten in einem populären Sachbuch, das sie als „habilitationsgleiche Leistung“ im Rahmen ihres Berufungsverfahrens als Professorin an dieser Universität vorgelegt hatte. Das Arbeitsgericht Bonn hatte die Kündigungsschutzklage von Dr. Guérot gegen die Kündigung in erster Instanz abgewiesen. Was kam bei der Verhandlung heraus, und wie geht es jetzt für Dr. Guérot weiter? Ein Überblick von Maike Gosch.
Hinweis der Redaktion: Zum politischen Hintergrund des Verfahrens siehe hier. Mehr Informationen zu den rechtlichen Inhalten und Argumenten finden sie im Interview mit Dr. Guérots Anwalt Tobias Gall, das wir vor der Verhandlung mit ihm geführt haben.
Anders, als viele erwarteten, die das Verfahren gespannt verfolgt hatten, kam es am Freitag nicht zu einem Urteil in der Sache. Stattdessen kündigte der Richter am Ende der mündlichen Verhandlung, in der beide Parteien ihre Argumente vortragen konnten, an, dass das Gericht in den nächsten Wochen selbst einen schriftlichen Vergleichsvorschlag machen würde, welchen beide Parteien (die Universität Bonn und Dr. Ulrike Guérot) dann annehmen oder ablehnen könnten. Sollte der Vergleich von einer oder beiden Parteien abgelehnt werden, wird das Gericht dann per Urteil entscheiden.
Viele Menschen waren an diesem sonnigen Tag zum Gericht gekommen, um Dr. Guérot ihre Unterstützung auszudrücken. Wie immer in letzter Zeit bei solchen offensichtlich politischen Prozessen war einer der kleinsten Säle des Gerichtes für die Verhandlung bestimmt worden (mit acht Sitzplätzen), doch zum Glück gab es dann ein Einsehen und die Verhandlung wurde in einen größeren Raum verlegt, wie Dr. Guérot berichtet. Der Richter erlaubte sogar das Offenlassen der Türen, sodass die Menschen im Flur, die im Saal keinen Platz mehr gefunden hatten, dennoch (wahrscheinlich mehr schlecht als recht) der Verhandlung folgen konnten. Eines der wichtigsten Rechtsstaatsprinzipien in Bezug auf die Justiz, der Öffentlichkeitsgrundsatz von gerichtlichen Verhandlungen, wurde also wirklich ernst genommen.
Es gab nur ein recht verhaltenes Presseecho auf die Verhandlung in den etablierten Medien, die sich größtenteils auf kürzere Meldungen über Ort, Zeit und Inhalt der Verhandlung beschränkten. Nur die FAZ wartete mit einem sehr schön geschriebenen und klug formulierten Artikel des ehemaligen FAZ-Feuilleton-Chefs Patrick Bahners auf, der sich aber einer recht selektiven und einseitigen Argumentation bediente, um klar gegen Dr. Guérot Stellung zu nehmen.
Wie wird es jetzt weitergehen?
In einem Gespräch nach der Verhandlung zwischen Dr. Guérot, ihrem Anwalt Tobias Gall sowie der Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Gabriele Gysi beschrieben Dr. Guérot und RA Gall ihren Eindruck, dass der Berufungsrichter durchaus offen für ihre Einlassungen gewesen sei, zumindest keine erkennbare Skepsis oder Ablehnung der Hauptargumente, mit der das erstinstanzliche Urteil angegriffen wurde, zeigte.
Einschränkend erklärte RA Gall aber auch, dass dies üblich sei, wenn der Richter auf einen Vergleich, also eine gütliche Einigung, zwischen den Parteien hinwirken will, da es sich hier anbietet, kein deutliches Lehnen in die eine oder andere Seite erkennen zu lassen, da sonst die Partei, die hoffen kann, zu obsiegen, keinen Vergleich akzeptieren würde. Beide lobten aber die faire und ausgewogene Art des Richters, die Verhandlung zu führen. Frau Gysi lobte zusätzlich sein gutes Aussehen und seinen Charme. RA Gall erklärte sich vorsichtig optimistisch, dass auch ein mögliches Urteil zu ihren Gunsten ausgehen würde.
Das Hauptargument der Universität Bonn, das von ihnen in der mündlichen Verhandlung zentral angeführt wurde, war – laut RA Gall – der Umstand der von ihnen behaupteten „arglistigen Täuschung“ durch Dr. Guérot, nämlich dadurch, dass sie nicht im Rahmen ihrer Bewerbung als Professorin stärker darauf hingewiesen hat, dass sich möglicherweise Zitationsfehler und Ungenauigkeiten in dem von ihr – zusammen mit ca. 200 Artikeln und anderen Büchern als habilitationsgleiche Leistung – vorgelegten Buch „Warum Europa eine Republik werden muss“ finden lassen würden. Dies hält RA Gall für sehr abwegig und glaubt, seine vielfältigen juristischen Argumente, die an vielen verschiedenen Ansätzen eine Unbegründetheit und Unwirksamkeit der Kündigung belegen, wären deutlich überzeugender.
Dr. Guérot erklärte in dem Gespräch weiter, was sie dazu bewogen hatte, ein Vergleichsangebot der Universität Bonn in der ersten Instanz abzulehnen und unter welchen Umständen sie ein neues Vergleichsangebot annehmen würde: In der ersten Instanz hatte die Universität einen gewissen Geldbetrag angeboten und eine Erklärung, die Dr. Guérot für ihre „hervorragende Arbeit“ dankte, im Weiteren sollte aber Stillschweigen über die gesamte Affäre vereinbart werden. Ihr ginge es aber in dem Verfahren, neben einer finanziellen Entschädigung, primär um die Wiederherstellung ihres Rufes, oder wie sie es formuliert: „Es geht mir darum, was auf Wikipedia steht. Es ist eine Frage der Ehre.“ In dem Gespräch wird deutlich, dass eine der schlimmsten Auswirkungen der Kündigung und ihrer Begründung für Dr. Guérot die Reaktionen aus ihrem persönlichen Umfeld auf die Anschuldigungen gewesen waren, insbesondere die Reaktion ihrer Söhne auf den Vorwurf der „arglistigen Täuschung“ und der Darstellung als „Plagiatorin“. Erst wenn die Universität diese Vorwürfe zurücknimmt, kann sie sich eine Annahme des Vergleichs vorstellen.
Laut RA Gall erwarten er und Dr. Guérot den Vergleichsvorschlag des Gerichts in etwa vier Wochen. Dann würde dieser entweder angenommen oder zwischen den Parteien verhandelt werden. Wenn es zu keiner Einigung kommt, wird das Landesarbeitsgericht dann wahrscheinlich zeitnah ein Urteil fällen. Es wird sich also hoffentlich bald klären, ob Frau Guérot Gerechtigkeit widerfährt.
Titelbild: Carmela Negrete Navarro
Wie man zur Staatsfeindin wird: Die politische Verfolgung von Ulrike Guérot
Guérot-Prozess – „Die politische Dimension ist fast überall und zunehmend erdrückend zu spüren“
Neues im „Fall Guérot“ – Der Kampf um Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit geht in die nächste Runde