Alfons Mais, Generalleutnant der Bundeswehr, hatte bei der letzten Maybrit-Illner-Sendung „Krieg oder Frieden“ im ZDF in seiner Funktion als Inspekteur des Heeres in Bezug auf Russland erklärt: „Die haben gerade die Wehrpflicht von einem auf zwei Jahre erhöht“. Diese Behauptung führte er dann als einen zentralen Beleg dafür an, dass die Russische Föderation eine großangelegte konventionelle Auseinandersetzung mit dem Westen plane und insbesondere Deutschland entsprechend reagieren und aufrüsten müsse. Doch alle verfügbaren offiziellen russischen Quellen sprechen nach wie vor von einem Jahr Wehrpflicht. Auch die Presseabteilung der russischen Botschaft bestätigte dies auf Nachfrage. Die NachDenkSeiten wollten daher wissen, auf welcher Quellen- und Faktengrundlage sich der Heeresinspekteur im Brustton der Überzeugung so vor einem Millionenpublikum geäußert hat. Von Florian Warweg.
Hintergrund:
Auf die Unstimmigkeiten in den Aussagen des 21. Inspekteurs des Heeres machte als Erster der österreichische Politikwissenschaftler und Professor für Politikwissenschaft mit der Spezialisierung auf Sicherheitsforschung im post-sowjetischen Raum an der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, auf X aufmerksam:
„Ein deutscher General behauptet bei @maybritillner, die Wehrpflicht sei in Russland während des Krieges von 1 auf 2 Jahre erhöht werden. Das ist nicht richtig. Die Dauer der Wehrpflicht liegt seit 2008 bei 1 Jahr.“
Die Darlegung von Mangott ist nachweislich korrekt. Seit 2008 gilt in der gesamten Russischen Föderation eine Wehrpflicht von einem Jahr. Die einzige entsprechende Initiative, die Wehrpflicht auf zwei Jahre zu verlängern, wurde Ende November 2022 von zwei einzelnen Senatoren in den Föderationsrat (das Oberhaus des russischen Parlaments) sowie von einzelnen Abgeordneten in die Duma eingebracht. Das Vorhaben fand aber keinerlei Mehrheit und wurde dann auch bis heute nicht mehr weiterverfolgt.
Die NachDenkSeiten fragten in diesem Zusammenhang auch die Pressestelle der russischen Botschaft in Berlin zu dem Thema an. Der Presseattaché erklärte auf die Frage, ob die zitierte Aussage des Generalleutnants der Bundeswehr und Inspekteurs des Heeres so korrekt sei:
„Nein, das stimmt nicht. 2022 gab es eine Initiative von einzelnen Duma-Abgeordneten, mit der Forderung, die Wehrpflicht auf zwei Jahre zu erhöhen. Aber die wurden nicht realisiert. Also Fakt ist: Die Wehrpflicht in Russland liegt nach wie vor bei einem Jahr.“
Die bizarre Antwort des Verteidigungsministeriums
Dass der Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums auf die Frage, auf welcher Quellengrundlage die nachweislich falsche Aussage des Heeresinspekteurs („Die haben gerade die Wehrpflicht von einem auf zwei Jahre erhöht“) beruht, ernsthaft antwortet, diese sei „auf Grundlage unserer eigenen Lagebewertung“ erfolgt, lässt einen angesichts der zitierten Quellenlage mindestens kopfschüttelnd zurück …
Denn hier geht es nicht um eine wie auch immer geartete Bewertung der militärischen Lage, sondern um einen für eine solche Verlängerung nötigen parlamentarischen Prozess. Und im Gegensatz zum in Deutschland kolportierten Bild müssen auch in Russland Gesetzesänderungen wie eine Verlängerung der Wehrpflicht nach wie vor in das Parlament (Duma) eingebracht und dort mit Mehrheitsbeschluss abgestimmt werden. Und selbst wenn Putin mit einem Fingerschnipp die Wehrpflicht verlängert hätte, gäbe es darüber Quellen und protokollierte Aussagen. Doch nichts davon liegt vor. Es stellt sich daher nach wie vor die Frage, auf welcher Quellengrundlage der Inspekteur des Deutschen Heeres diese Aussage, die er zudem im Brustton der Überzeugung vor einem Millionenpublikum vortrug, einen versehentlichen Versprecher kann man mit ziemlicher Sicherheit ausschließen, traf. Wer versorgte einen der ranghöchsten deutschen Soldaten mit dieser so offensichtlich falschen Information?
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 2. Juli 2025
Frage Warweg
Alfons Mais, Generalleutnant und Inspekteur des Heeres, hat bei der letzten „Maybrit Illner“-Sendung „Krieg oder Frieden“ in Bezug auf Russland erklärt, dort habe man gerade die Wehrpflicht von einem auf zwei Jahre erhöht. Das führt er dann als einen zentralen Beleg dafür an, dass die Russische Föderation eine groß angelegte konventionelle Auseinandersetzung mit dem Westen suche und insbesondere Deutschland entsprechend reagieren müsse. Jetzt sprechen alle verfügbaren offiziellen russischen Quellen davon, dass es nach wie vor nur eine einjährige Pflicht gibt. Ich habe auch bei der Presseabteilung der russischen Botschaft angerufen, und die hat mir das bestätigt. Deswegen würde mich interessieren: Auf welcher Quellen- und Faktengrundlage hat sich denn der Heeresinspektor im Brustton der Überzeugung vor einem Millionenpublikum entsprechend geäußert?
Müller (BMVg)
Auf Grundlage unserer eigenen Lagebewertung.
Zusatzfrage Warweg
Der Heeresinspekteur der Bundesrepublik Deutschland hat im Perfekt gesagt: Die haben gerade die Wehrpflicht von einem auf zwei Jahre erhöht. – Es gibt keinerlei russische Quellen, die das besagen. Das hätte durch die Duma gehen müssen. Das ist nicht passiert. Die russische Botschaft hat gesagt, sie betrage nach wie vor nur ein Jahr, und Sie sagen, der Beleg dafür sei die Lagebewertung. Können Sie dazu einmal etwas ausführen?
Müller (BMVg)
Mir liegt nichts dazu vor, auf welche Grundlage der Heeresinspekteur seine Aussage getroffen hat. Wir haben eine militärische Lagebeurteilung, eine Lagebewertung, die auf unseren eigenen Quellen beruht. Diese legen wir in der Regel nicht offen, weil das die militärische Sicherheit betrifft, und deswegen kann ich dazu nicht mehr sagen.
Zusatzfrage Warweg
Aber das ist ja allem Anschein nach eine Falschaussage. Denken Sie, dass Sie das irgendwie noch korrigieren werden? Das wurde vor, glaube ich – ich habe nachgeschaut -, drei Millionen Zuschauern so geäußert und als ein Kernfaktor für eine massive, auch zulasten – – –
Vorsitzende Wefers
Ich glaube, wir haben jetzt verstanden, dass Sie eine andere Auffassung als das Verteidigungsministerium haben.
Zusatz Warweg
Ich habe keine andere Auffassung! Die Quellenlage ist da ziemlich eindeutig. Dann kann man ja nicht sagen, unsere – – –
Vorsitzende Wefers
Ihre Quellenlage ist eine andere Quellenlage als seine Quellenlage.
Müller (BMVg)
Genau, ich stimme zu. Ihre Quellenlage ist eine andere als unsere Quellenlage, und da werden wir uns wohl nicht einigen können.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 02.07.2025
Für welchen Zweck kauft Bundeswehr aktuell Tausende Leichensäcke? – „Im hochintensiven Gefecht …“
Wieso traf sich der Leiter des Bundeswehr-Planungsstabs mit rechtsradikalem Asow-Kommandeur Romanow?
Wieso vergibt Bundeswehr ein Milliarden-Projekt ohne reguläres Vergabeverfahren an Rheinmetall?
„Ich muss meinen Puls herunterfahren“ – Hitler-Vergleich von Pistorius und erfundene Putin-Zitate