Handelsstreit mit den USA – Eier, wir brauchen Eier!

Handelsstreit mit den USA – Eier, wir brauchen Eier!

Handelsstreit mit den USA – Eier, wir brauchen Eier!

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Donald Trump hat an diesem Wochenende mal wieder den Zollhammer ausgepackt. Ein universeller Zollsatz von 30 Prozent soll künftig für Importe aus der EU gelten. Nun will die EU beraten, wie sie auf die erneute Handelskriegsdrohung aus dem Weißen Haus reagieren soll. Sicher, die angekündigten 30 Prozent werden wohl nicht kommen. Sie sind vielmehr eine Verhandlungstaktik des „Dealmakers“ Trump, um die EU zu erpressen und andere Konzessionen zu erlangen. Damit wird er aller Voraussicht nach auch durchkommen, übertreffen sich Europas politische Führer doch gegenseitig in Unterwürfigkeit und vorauseilendem Gehorsam gegen den Großen Bruder. Vielleicht sollte sich die EU einmal das berühmte Olli-Kahn-Zitat „Eier, wir brauchen Eier!“ auf die Fahnen schreiben und mit Trump in der einzigen Sprache reden, die er versteht. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als Trump nach seiner Amtsübernahme einen generellen Zollsatz in Höhe von 10 Prozent für alle Importe verkündete, war man in Europa geschockt. Als er kurze Zeit später vor bunten Tafeln den „Liberation Day“ ausrief und fast die ganze Welt mit seinen „reziproken Zöllen“ überzog, war man in Europa endgültig außer sich – nun stieg der Strafzoll auf EU-Importe auf 20 Prozent. Doch in Brüssel und Berlin war man sich einig – so schlimm wird es nicht kommen, nun verhandeln wir ja erst einmal mit den USA. Wobei der Begriff „Verhandeln“ in diesem Kontext ja irgendwie putzig ist. Es ging in keinem Moment darum, Stärke zu zeigen und die offensichtlichen Erpressungen Trumps zu kontern. Ganz im Gegenteil. Das „Verhandlungsziel“ der EU war es, dem Mann aus dem Weißen Haus möglichst tief in den Hintern zu kriechen und ihn durch immer weitere Zugeständnisse zu „besänftigen“.

So erklärten die europäischen NATO-Mitglieder sich Ende Juni dazu bereit, künftig die irrsinnige Summe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für „Verteidigung“ auszugeben. „Es war nicht einfach, aber wir haben sie alle dazu gebracht, sich zu den fünf Prozent zu verpflichten […] Europa wird auf GROSSE Art und Weise Geld ausgeben, so wie es sein sollte, und das wird Dein Sieg sein“, so formulierte es der devote NATO-Generalsekretär Rutte gegenüber dem US-Präsidenten Donald Trump. Vollkommen klar – wer so unterwürfig ist, den kann man nicht ernst nehmen. Dabei ist Europa schon heute der mit Abstand größte Abnehmer von US-Waffen und wird künftig dank des Kotaus in Sachen Rüstungswahnsinn erst recht für volle Auftragsbücher bei der US-Rüstungsindustrie sorgen.

Das war aber längst nicht das einzige „Entgegenkommen“. Bereits im Mai hatte die EU sich bereit erklärt, den USA künftig jährlich zusätzliches LNG und Agrarprodukte wie Sojabohnen im Wert von 50 Milliarden Euro abzunehmen. Während man – zu Recht – stets darauf verweist, dass Trumps Zölle im Endeffekt von der US-Wirtschaft und den US-Verbrauchern bezahlt werden und daher ein konjunkturelles Eigentor sind, scheint man in Brüssel offenbar zu ignorieren, dass das extrem teure LNG am Ende ja auch von der eigenen Wirtschaft und dem Verbraucher bezahlt wird und das ebenso ein Eigentor ist. Aber immerhin – durch diese 50 Milliarden sei ja die Handelsbilanz dann ausgeglichen und der große, mächtige US-Präsident besänftigt. Darum geht’s. Dass am Ende der europäische Verbraucher den Preis für die Besänftigung zahlt, interessiert nicht weiter. Doch noch nicht einmal das hat offenbar Donald Trump gereicht.

So ging man in der EU zur nächsten Stufe der Unterwürfigkeit über – dem vorauseilenden Gehorsam. Während die EU in der Tat beim Handel mit physischen Gütern – auf die Zölle erhoben werden können – einen Außenhandelsüberschuss hat, sieht es bekanntlich im Dienstleistungsbereich genau umgekehrt aus. Hier sind es vor allem die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley und die US-Anbieter digitaler Inhalte, die in der EU Milliardengewinne erzielen, für die sie nicht einmal maßgebliche Steuern bezahlen. Um dieses Problem zu adressieren, hatte man sich in der EU eigentlich die Digitalsteuer ausgedacht, bei der Großkonzerne dieser Branchen über ihren Umsatz in der EU besteuert werden. Diese Pläne wurden – wie Politico am Wochenende berichtet – nun von der EU begraben. Politico bezeichnet das als „Sieg Trumps“ in den Zollverhandlungen mit der EU.

3:0 für die USA. Wahrscheinlich dachte man nun in Brüssel, dass man Trump nun endgültig „besänftigt“ hat. Doch das zeigt nur, wie wenig die EU-Verantwortlichen von Verhandlungstaktiken verstehen. Wenn ein Verhandlungspartner ohne Not ein Zugeständnis nach dem anderen macht und sich unterwürfig zeigt, weckt das am Ende erst recht die Gier des Anderen. So ist es eigentlich auch nicht überraschend, dass die Unterwürfigkeit der EU nur dazu geführt hat, dass nun aus den angekündigten Strafzöllen in Höhe von 20 Prozent Strafzölle in Höhe von 30 Prozent wurden. Natürlich sollte man dies nicht wörtlich nehmen. Hätte Trump diese 30 Prozent wirklich gewollt, hätte er sie per Dekret beschlossen. Das hat er nicht. Stattdessen hat er sie für den 1. August angekündigt. Zwischen den Zeilen heißt dies: „Hallo, ihr dummen Europäer, ihr habt jetzt zwei Wochen Zeit, mir noch tiefer in den Hintern zu kriechen und schmackhafte Angebote zu machen“. Und genau das wird auch passieren. Vielleicht kann man Trump ja besänftigen, wenn man schnell noch ein paar Eigentore schießt. 4:0, 5:0 … Wann werden die USA besänftigt sein und von uns ablassen?

Zwar fletscht die EU auch öffentlichkeitswirksam die Zähne. Man habe ja selbst ein Zollpaket geschnürt, mit dem man zurückschlagen könne. Nun ja. Wie will man aber einen Handelspartner mit Zöllen beeindrucken, der gar keine wesentlichen Güter exportiert? Jeans, Motorräder und Erdnüsse wären betroffen, so liest man. Dramatisch. Wenn ein Zoll auf Erdnüsse der letzte Pfeil ist, den man im Köcher hat, kann man solche „Drohgebärden“ auch ganz lassen. Die EU wirkt wie ein Chihuahua, der einen Rottweiler ankläfft. Lächerlich.

Wie sagte einst Olli Kahn? „Eier, wir brauchen Eier!“ Doch was könnte die EU machen, um sich aus der selbstgewählten Unterwürfigkeit zu befreien? Zunächst sollte sie im Handelsstreit nicht auf Trumps Spielfeld agieren, auf dem sie ja offensichtlich ohnehin keinen Hebel hat, sondern das Spielfeld selbst bestimmen. Wo sind denn US-Konzerne in der EU marktmächtig? Bei den digitalen Dienstleistungen, dem E-Commerce und dem Finanz- und Bankensystem. Und es sage keiner, dass man in diesen Branchen nicht wirkungsvolle Steuern und Abgaben implementieren könnte, mit denen man zielgenau die US-Konzerne trifft; so zielgenau, wie Trumps Strafzölle deutsche Automobilbauer, Maschinenbauer und Pharmakonzerne schädigen. Das ist keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens. Aber dazu muss man schon Eier haben.

Aber es gibt noch viele andere Spielfelder, auf denen man Stärke zeigen kann. LNG aus den USA? Warum? Es gibt doch viel preiswerteres Pipelinegas aus Russland. Waffen aus den USA? Warum? Wenn man unbedingt Geld für Rüstung verpulvern will, kann man die Waffensysteme auch selbst entwickeln und herstellen und es wäre ohnehin weise, sich gar nicht auf einen Rüstungswettlauf einzulassen, sondern die europäischen Interessen zu definieren und zu erkennen und dann gemeinsam mit Russland an einer neuen Sicherheitsarchitektur zu arbeiten. Dann braucht man auch keine teuren Waffen und kann das schöne Geld in sinnvollere Dinge investieren.

Denn wenn wir schon bei anderen Spielfeldern sind, könnte man sich auch die Frage stellen, warum die USA eigentlich so ein großes Erpressungspotential haben. Gerade Deutschland hat sich durch seine Fokussierung auf die Exportüberschüsse und seine volkswirtschaftliche Spezialisierung auf bestimmte Exportbranchen selbst in diese Lage manövriert. Hätte unsere Volkswirtschaft stattdessen nachhaltig die Binnennachfrage gestärkt und sich breiter in Richtung Zukunftstechnologien aufgestellt, wären wir auch weit weniger erpressbar und würden generell weit weniger von Wohl und Wehe der Weltmärkte abhängen. Aber dafür ist es ja vielleicht noch nicht zu spät. Wenn wir die Eier dazu haben, könnten wir die nötigen Weichen dazu auch jetzt noch stellen. Wenn Trumps Erpressungen am Ende dazu führen, dass Europa erkennt, was für den Kontinent am besten ist … um so besser. Dann könnte man Trump glatt dankbar sein.

Titelbild: Yuri Turkov/shutterstock.cok

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