Zahlungen an Journalisten in der Ära Merkel – Ampel-Regierung mauert auch hier

Zahlungen an Journalisten in der Ära Merkel – Ampel-Regierung mauert auch hier

Zahlungen an Journalisten in der Ära Merkel – Ampel-Regierung mauert auch hier

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Zwischen März und Juni 2023 war bekannt geworden, dass die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren rund 2,3 Millionen Euro an circa 200 Journalisten, mehrheitlich bei ARD und ZDF beschäftigt, für diverse Aufträge gezahlt hatte. Den NachDenkSeiten liegen jetzt die Antworten der Bundesregierung auf eine weitere Anfrage vor, in welcher die Offenlegung der Zahlungen an ausgewählte Journalisten in der Zeit von 2013 bis 2017 eingefordert wurde. Die Antworten gleichen einem Déjà-vu. Zahlungen des BND an Journalisten werden eingeräumt, aber als „Verschlusssache“ (VS), ein Großteil der Zahlungen anderer Ministerien sogar einen Geheimhaltungsgrad höher als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Das Auswärtige Amt liefert gar keine Zahlen und Namen. Besonders fragwürdig sind die Zahlungen des Bundespresseamtes. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Welche vergüteten Aufträge, Honorare oder sonstigen Zahlungen (etwa für Moderation, Präsentation, Beratung, Expertisen, Interviews, Rhetorik- oder Sprachtraining usw.) sind in den Jahren 2013 bis einschließlich 2017 von der Bundesregierung an freie, fest angestellte, neben- und hauptberufliche Journalisten von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutsche Welle ergangen (bitte aufschlüsseln nach genauem Datum [Tag, Monat, Jahr], Bundesministerium oder Bundesbehörde, Art des Auftrags [Name, Titel oder Bezeichnung der vergüteten Veranstaltung bzw. Leistung], vollständigem Namen des Journalisten [Vor- und Nachname], Sender des Journalisten und Höhe der jeweiligen Zahlung in brutto)?“

So lautet die erste von insgesamt neun Fragen in der auf den 5. April 2023 datierten und erst nach mehreren Monaten beantworteten Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion unter dem Titel „Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privatrechtlicher Medien 2013 bis 2017“. Als Begründung für die lange Verzögerung bei der Antwort verwies die Bundesregierung auf die zur Beantwortung der Fragen erforderliche „umfangreiche Ressortabfrage“. Inhaltlich ist die zweite Frage identisch, zielt aber auf Journalisten von privatrechtlich organisierten Medien ab. Die Antwort der Bundesregierung auf die beiden Fragen lautet im besten Behördendeutsch:

„Soweit die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass eine öffentliche Beantwortung gerechtfertigt ist, insbesondere sofern eine Einwilligung der betreffenden Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer zur öffentlichen Beantwortung vorliegt, wird hinsichtlich der offenen, nicht vertraulich eingestuften, Angaben zu Frage 1 auf die Darstellung in der Anlage 1 und für die Beantwortung der Frage 2 auf die Darstellung in der Anlage 2 verwiesen.
In den übrigen Fällen wird mit dem Ziel, dem parlamentarischen Informationsinteresse unter gleichzeitiger Wahrung der Rechte Dritter entsprechen zu können, die Antwort zu den Fragen 1 und 2 als Verschlusssache mit dem VS-Grad „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die eingestufte Antwort wird hinsichtlich der Frage 1 als Anlage 3 und hinsichtlich Frage 2 als Anlage 4 an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt.“

Runtergebrochen auf eine etwas verständlichere Sprache heißt dies, die Bundesregierung macht die Namen der von der Vorgängerregierung bezahlten Journalisten nur öffentlich, wenn die jeweiligen Journalisten dem zustimmen. Die in der Antwort genannten Anlagen unterscheiden sich wie folgt: Anlage 1 und 2 enthalten Namen und Bezüge der Journalisten, die sich mit der Veröffentlichung ihres Namens und der Vergütung einverstanden erklärt haben, Anlagen 3 und 4 hingegen sind nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags zugänglich. Sie sind als „VS – Vertraulich“ eingestuft. In der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages wird die Einstufung als „VS – Vertraulich“ wie folgt definiert:

„Als VS-Vertraulich eingestuft werden VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich oder für einen fremden Staat von Vorteil sein könnte.“

Im Falle der Zahlungen des Justizministeriums (BMJ) an Journalisten von 2013 bis 2017 sieht die Auflistung dann beispielsweise so aus:

Wie ersichtlich werden fast alle Zahlungen und Namen der Journalisten, im konkreten Fall vom ZDF, nur in der Anlage 3 aufgeführt, sind also als „VS – Vertraulich“ eingestuft und nicht für die Öffentlichkeit einsehbar. Es stellt sich allerdings die Frage, wie glaubhaft es ist, dass die Höhe der Zahlung und Name des Journalisten bei der Moderation einer Veranstaltungsreihe des BMJ zur Präsentation von Filmen wie „Der Staat gegen Fritz Bauer“ oder „Nebel im August“ die Definition von VS – Vertraulich als „den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich oder für einen fremden Staat von Vorteil sein könnte“ erfüllen.

Eine ähnliche Frage stellt sich im Falle der jahrelangen und beinahe monatlichen Zahlungen des Bundespresseamtes (BPA) an einen Journalisten für die Erstellung von Videomaterial, der sonst vor allem für den deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) tätig war. In diesem Fall wird zwar der Name genannt, die Höhe der Zahlung aber als VS – Vertraulich eingestuft. Grundsätzlich stellt sich im Falle dieser über Jahre und fast im Monatsrhythmus erfolgten Zahlungen zudem die Frage, wie unabhängig ein solcher Journalist vor solch einem Hintergrund noch über den Kanzler und das ihm direkt unterstellte BPA berichten kann:

In seiner Selbstdarstellung auf dem Portal LinkedIn erklärt der in der Auflistung des BPA als „freiberuflich“ betitelte Journalist Danijel Višević seine Tätigkeit wie folgt:

„Kommunikationsstratege – Mitverantwortlich für den audiovisuellen Auftritt von Angela Merkel auf den Medienkanälen der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung (bundesregierung.de, Facebook, YouTube, Twitter und Instagram).“

Es sei dem Leser überlassen, zu bewerten, ob man als „Kommunikationsstratege“ für die damals amtierende Kanzlerin und gleichzeitig für den Deutschen Auslandssender Deutsche Welle tätig sein kann, eingedenk der Programmgrundsätze der DW wie „Ermöglichung einer unabhängigen Meinungsbildung“ und „nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung“ unterstützt werden darf.

Wie wenig glaubhaft und widersprüchlich in diesem Zusammenhang die Einstufung als „VS – Vertraulich“ ist, ergibt sich zudem aus der Antwort der Bundesregierung auf die Frage zu bezahlten Tätigkeiten von Journalisten für den Bundesnachrichtendienst (BND). Die Informationen zur Zusammenarbeit von Journalisten mit dem BND (unter anderem Klarnamen und Zahlungshöhe) wurden, wie bereits in der vorherigen Antwort, von der Bundesregierung einer niedrigeren Geheimhaltungsstufe („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) zugeordnet als die Informationen zu entsprechenden Zahlungen der Bundesbehörden und Ministerien.

Bezugnehmend auf den Bundesnachrichtendienst wird erklärt, dass die Antworten „nicht offen“ erfolgen können und daher „als Verschlusssache (VS) mit dem niedrigsten Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft werden. Begründet wird dies wie folgt:

„Nach der Verschlusssachenanweisung (VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Informationen zur Methodik des BND einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Eine solche Veröffentlichung von Einzelheiten ist daher geeignet, zu einer Verschlechterung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu führen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein.“

Zur besseren Einordnungsmöglichkeit anbei eine Darstellung über die vier VS-Geheimhaltungsstufen und deren jeweilige offizielle Definition:

  1. Als streng geheim (str. geh.) eingestuft werden VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde.
  2. Als geheim (geh.) eingestuft werden VS, deren Kenntnis durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, ihren Interessen oder ihrem Ansehen schweren Schaden zufügen oder für einen fremden Staat von großem Vorteil sein würde.
  3. Als VS – Vertraulich (VS-Vertr.) eingestuft werden VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich oder für einen fremden Staat von Vorteil sein könnte.
  4. VS, die nicht unter die Geheimhaltungsgrade streng geheim, geheim oder VS-Vertraulich fallen, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, erhalten den Geheimhaltungsgrad VS – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD).

Ein aufschlussreiches Beispiel für die Drehtüreffekte zwischen Leitmedien und Ministerien bietet wiederum die Auflistung der Zahlungen an Journalisten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wobei man dem BMZ und der von ihr bezahlten Journalistin immerhin zugutehalten muss, dass sie im Gegensatz zum überwiegenden Teil der anderen Ministerien und Journalisten bereit sind, Namen und Höhe der Zahlungen offenzulegen. So bezahlte das BMZ rund 7.500 Euro für „Redenschreiben“ an die „freiberufliche“ Journalistin Friederike Bauer:

Ein Blick auf Bauers LinkedIn-Account zeigt aber auf, dass Bauer zuvor 14 Jahre für die FAZ und danach fünf Jahre als „Senior Managerin“ beim BMZ tätig war.

Sie hatte also eine gehobene Position in dem Ministerium inne, welches sie dann später, als sie wieder in die journalistische Welt zurückgekehrt war, regelmäßig für das Verfassen von Reden entlohnte. Reden in der Frequenz hält in einem Ministerium wie dem BMZ eigentlich nur der zuständige Minister, das war im betreffenden Zeitraum der CSU-Politiker Gerd Müller. Auch hier stellt sich die Frage, wie kritisch und unabhängig eine Journalistin mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik über die entsprechenden Aktivitäten des BMZ berichten kann, wenn sie zugleich von diesem bezahlt wird und mutmaßlich Reden für den verantwortlichen Minister verfasst.

Problembewusstsein bei der Bundesregierung? Fehlanzeige

Ein Problembewusstsein angesichts der Zahlungen von mindestens 2,3 Millionen Euro an ausgewählte Journalisten scheint es bei der Bundesregierung bis heute nicht zu geben. Bezüglich der genannten Summe ist zu betonen, dass es sich dabei nur um die öffentlich bekannte Summe in den Jahren 2018 bis 2022 handelt. So sind die Zahlungen von 2013 bis 2017 aus den aufgeführten Gründen (Verschlusssache) nur in Einzelfällen der Öffentlichkeit bekannt, der Gesamtbetrag der in den letzten zehn Jahren an Journalisten geflossenen Geldern liegt daher aller Wahrscheinlichkeit nach signifikant höher.

Aufschlussreich auch die bereits in der vorherigen Antwort (Bundestagsdrucksache 20/5822) von der Bundesregierung angeführte Begründung, wieso „die dokumentierte Auftragspraxis durch Bundesministerien oder Bundesbehörden […] nicht in Konflikt mit der Bedeutung journalistischer Arbeit als Kontrollinstanz staatlichen Handelns oder mit dem Prinzip der Staatsferne des Rundfunks” steht:

„Bei der Beauftragung der regelmäßig freiberuflichen Leistungen werden eine strikte Trennung der Tätigkeiten und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks beachtet. Eine staatliche Einflussnahme auf die journalistische Arbeit der beauftragten Personen ist hierdurch ausgeschlossen. Die Rundfunk- und Pressefreiheit sind gewährleistet, insbesondere die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die rundfunkrechtliche Programmfreiheit und die presserechtliche Gestaltungsfreiheit.“

Doch dieser Einschätzung widersprechen nicht nur die im vorliegenden Artikel aufgezeigten konkreten Fälle, sondern unter anderem auch der Verfassungsrechtler und ehemalige Co-Vorsitzende der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK), Prof. Dr. Rupert Scholz. Er bewertet die bezahlte Nebentätigkeit von Journalisten für Regierungsstellen als „hochproblematisch“ und spricht von „ein Stück Korrumpierung“:

„Der Vorgang ist hochproblematisch. Die Pressefreiheit ist verfassungsrechtlich notwendigerweise durch Unabhängigkeit von jeglichen staatlichen Organen und möglicher Einflussnahme staatlicher Stellen gekennzeichnet. Wenn Pressevertreter Honorare von Ministerien oder Kanzleramt erhalten, ist das ein Stück Korrumpierung dessen, was man die vierte Gewalt nennt. Von Staatsferne und unabhängiger, kritischer Kontrolle politischen Handelns kann unter diesen Umständen keine Rede sein.”

Titelbild: Screenshot der Anfrage