ZDF zur Nord-Stream-Sprengung: Von „Es muss Russland sein“ zu „Erkenntnisse der Ermittler weisen klar in Richtung Ukraine“

ZDF zur Nord-Stream-Sprengung: Von „Es muss Russland sein“ zu „Erkenntnisse der Ermittler weisen klar in Richtung Ukraine“

ZDF zur Nord-Stream-Sprengung: Von „Es muss Russland sein“ zu „Erkenntnisse der Ermittler weisen klar in Richtung Ukraine“

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 25. August 2023 veröffentlichte das ZDF eine als „Exklusiv“ gekennzeichnete Reportage mit dem Titel „Nord-Stream-Anschläge: Fahnder vermuten “Andromeda”-Crew in Ukraine“. Dort wird im weiteren Verlauf ausgeführt, dass alle bisher vorliegenden Erkenntnisse deutscher Ermittler darauf hindeuten, dass die Täter des Anschlags auf eines der teuersten Infrastrukturprojekte Europas aus der Ukraine kommen. Doch dieser Dreh in der ZDF-Berichterstattung hat einen gewaltigen Haken. Denn direkt nach der Explosion ließ das ZDF nichts unversucht, den Eindruck zu erwecken, dass eigentlich nur der russische Staat als Täter infrage käme. Ein Rückblick in die Abgründe beitragsfinanzierter „Berichterstattung“ zum Thema. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Gleich zu Beginn des ZDF-heute-Beitrags von Ende August 2023 heißt es unmissverständlich:

„Die Hinweise verdichten sich: Hinter den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines könnten Täter mit Verbindungen in die Ukraine stecken. Offiziell ermittelt die Bundesanwaltschaft weiter gegen Unbekannt. Doch nach Informationen von ZDF frontal und “Spiegel” halten mit Ermittlungen Vertraute vor allem die Spuren in die Ukraine für überzeugend. Zu Tatverdächtigen aus Russland gebe es keine belastbaren Belege.

Die bisher vorliegenden Erkenntnisse der Ermittler wiesen klar in Richtung Ukraine, hieß es. Im Fokus der Fahnder steht weiter ein sechsköpfiges Kommando an Bord der Segeljacht “Andromeda”. Vor und nach den Explosionen in der Ostsee soll sich die Gruppe in der Ukraine aufgehalten haben. Darauf deuteten technische Daten hin, die die Fahnder auswerten konnten. Das erfuhren “Spiegel” und ZDF aus Sicherheitskreisen.“

Halten wir fest, das ZDF erklärt ziemlich genau 11 Monate nach dem Anschlag, dass laut durchgestochenem Ermittlungsstand alle Erkenntnisse „klar in Richtung Ukraine“ weisen und dass im Gegenzug „keine belastbaren Belege“ zu einer russischen Täterschaft vorliegen würden.

Was aber weder im Artikel noch in der 36-minütigen Video-Reportage von ZDF frontal auch nur in einem Halbsatz erwähnt wird, ist die Tatsache, dass das ZDF nur wenige Tage nach dem Terrorakt, denn nichts Anderes ist ein Angriff auf zivile Energie-Infrastruktur, alles drangesetzt hatte, um mit diversen redaktionellen Tricks den Eindruck zu vermitteln, dass eigentlich nur die Russische Föderation als Täter für die Sprengung von Nord-Stream 1 und 2 am 26. September 2022 infrage käme.

Exemplarisch für das damalige Vorgehen, das bis heute nicht selbstkritisch aufbereitet wurde und dessen transportierte Inhalte im kompletten Widerspruch zu allen nach 11 Monaten Ermittlungen vorliegenden Erkenntnissen stehen, war die ZDF-heute-Sendung vom 28. September 2022:

„Weiß man, wer dahintersteckt, was gib es Neues“ – so die Einführung der ZDF-Moderatorin an diesem Abend des 28. September, also keine 48 Stunden nach Bekanntwerden der Zerstörung des rund 20 Milliarden Euro teuren vornehmlich russisch-deutschen Infrastrukturprojektes. Dann stellt sie die „Experten“ vor, die hierfür befragt werden.

Als Hauptgast agiert „der Experte für maritime Sicherheit in der Ostsee, Göran Swistek von der Stiftung Wissenschaft und Politik“. Dieser erfüllt dann auch brav seine Rolle und erklärt, dass angeblich „vor allem Russland“ Projekte mit Unterwasserdrohnen entwickelt habe. Diese russischen Unterwasseraktivitäten, so der SWP-Experte weiter, „hat man vor allem in den letzten acht Monaten ganz stark im Nordatlantik und der Nordsee beobachtet“.

Er schließt seine Einschätzung, nach entsprechend tendenziöser Frage der Moderatorin, mit den Worten:

„Im Schwerpunkt gerade Russland, die so etwas entwickelt haben“

Dass es sich bei der SWP um eine regierungsnahe Denkfabrik handelt, die direkt aus dem Topf des Bundeskanzleramtes finanziert und auf Initiative des Bundesnachrichtendienstes gegründet wurde, wird mit keinem Wort in der ZDF-Sendung erwähnt. Auf die Einseitigkeit der Ausrichtung und Analyse der SWP haben die NachDenkSeiten bereits mehrfach hingewiesen, unter anderem hier.

Für den Fall, dass ein ZDF-Zuschauer wider Erwarten noch nicht auf die richtige Spur gelenkt wurde, kommt dann noch ein zweiter „Experte“ zu Wort, der mit folgender Anmoderation eingeführt wird, wohlgemerkt keine zwei Tage nach dem öffentlichen Bekanntwerden der Sprengung:

„Nur wenige sprechen heute offen aus, was viele für möglich halten und Militärexperten für wahrscheinlich, (Kunstpause der Off-Stimme…), dass Russland involviert ist.“

Anschließend wird Experte Nummer 2 vorgestellt, der dänische „Militäranalyst“ Anders Puck Nielsen. Der sieht Moskau als Hauptverdächtigen der Zerstörung der Gas-Pipelines und erzählt dem ZDF-Zuschauer, „dass es Russland einen Vorteil bringt, den europäischen Energiemarkt noch weiter zu destabilisieren und diesbezüglich weiter Unsicherheit zu schaffen“.

Zum Abschluss bringt das ZDF, um wirklich die letzten Zweifel an der Täterschaft Russlands auszuschließen, noch die Brüssel-Korrespondentin Isabelle Schaefers ins Spiel. Diese ordnet die Informationslage unter Verweis auf ungenannte „Experten“ für die ÖRR-Zuschauer wie folgt ein:

„Eigentlich sind sich Militärexperten ziemlich sicher, dass es ein staatlicher Akteur und eigentlich auch Russland sein muss.“

Auf dieser Einleitung aufbauend, „ziemlich sicher, dass es Russland sein muss“, folgt dann ein interessanter rhetorischer Dreh der ZDF-Korrespondentin, die die politische Zurückhaltung in Brüssel und Berlin kritisiert, obwohl die Militärexperten doch eigentlich schon wissen würden, wer es war:

„Aber auf der politischen Ebene ist es auffällig, wie zurückhaltend alle sind. Da gibt es keinerlei Äußerung, wo (sic!) direkt (Russland) attackiert wird. Da sind alle sehr vorsichtig. Auch in Berlin, da hat man heute nichts gehört.“

In diesem Tweet findet sich ein präziser Zusammenschnitt der Aussagen des SWP- und des dänischen „Militärexperten“ sowie der Brüssel-Korrespondentin gegenüber dem ZDF, diese können auch gerne mit der oben verlinkten vollständigen Sendung abgeglichen werden:

Rufen wir uns vor diesem Hintergrund der extrem einseitigen Expertenauswahl und hochtendenziösen Einordnung durch die verantwortliche ZDF-Redaktion nochmals den genauen Wortlaut im Staatsvertrag Paragraf 11, Absatz 2 in Erinnerung:

„Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

Die dem Bundesinnenministerium unterstehende Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ergänzt in diesem Zusammenhang übrigens noch folgenden Aspekt in einem Artikel zu Medienpolitik und Programmauftrag des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks:

„Von der Einhaltung dieses Programmauftrags kann auch die Berechtigung des Rundfunkbeitrags abgeleitet werden.“

Noch peinlicher als beim ZDF gestaltet sich vor den skizzierten neuen Ermittlungserkenntnissen die Berichterstattung von ntv und dem führenden CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zur Causa Nord-Stream-Anschlag. Dieser gerade skandalgeschüttelte CDU-Kader („Ihr seid ja schlimmer als KZ-Wächter“) erklärte erst letzten Monat in Bezug auf die Rolle der Andromeda-Yacht:

„Diese Spur führt eindeutig nach Russland. Und damit ist klar, Russland war an diesem Anschlag beteiligt.“

Doch der zentrale Unterschied in der Bewertung liegt darin, dass Kiesewetter & Co nicht dem Programmauftrag des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks unterliegen und daher der Anspruch an eine ZDF-Berichterstattung zum Thema um einige Messlatten höher liegt. Und dieser Anspruch sollte auch weiterhin vehement eingefordert werden.

Titelbild: Screenshot – zdf.de

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