Noch ein Besuch beim Heer – Liberale gefallen sich in Uniformen

Noch ein Besuch beim Heer – Liberale gefallen sich in Uniformen

Noch ein Besuch beim Heer – Liberale gefallen sich in Uniformen

Ein Artikel von Frank Blenz

Nachdem seine FDP-Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sich bei der Luftwaffe einen Hauch Top-Gun-Feeling gönnte, besuchte diesen Sommer auch der amtierende Finanzminister Christian Lindner die Truppe. Der FDP-Mann tat dies nicht etwa diskret, via Instagram teilte der Liberale öffentlichkeitswirksam Fotos und persönliche Ansichten zu zwei Tagen in Uniform – und das in Zeiten, in denen die Kriegsmüdigkeit als gesundheitsverbessernder Faktor in großen Teilen der Bevölkerung längst Einzug gehalten hat. Dem muss dann entgegengehalten und die hohen Ausgaben für die Bundeswehr als notwendig verkauft werden – das scheint der Grund für die PR-Aktion des Ministers gewesen zu sein, so der Eindruck. Die politische Elite wird nicht müde, die Aufrüstung zu preisen, ohne die Freiheit und Sicherheit, so ihre „Verkaufe“, nicht zu haben seien. Klar, wir sind ja von vielen Ländern umgeben und der Feind lauert. Von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Bei der Truppe statt im Pflegeheim, Krankenhaus oder in der Kita

Da also posierte Bundesfinanzminister und nebenbei Reserveoffizier Christian Lindner (FDP) in Uniform – mal in Felddienst-Ausstaffierung, mal so richtig in Kampfmontur, als ginge der Einsatz gleich los.

Man stelle sich vor, der Minister trüge Pflegedienstkleidung in einem Altenheim, in einem Krankenhaus, oder er begäbe sich in eine Kindertagesstätte unter die Kleinen und deren Eltern, um sich einen Eindruck zu verschaffen, was es in diesen sozialen Bereichen an staatlichen Mitteln braucht, die er als Minister verwaltet. Stattdessen wählte Lindner den für ihn hippen Uniformauftritt und verkaufte zugleich eine Behauptung, und zwar die, dass die Erhöhung der Menge des Geldes für die Armee darüber entscheidet, ob ein Panzer fährt oder nicht. Dieser bisherige, durch geringere Etats entstandene Mangel werde mit höheren Ausgaben behoben, so die „Schlussfolgerung“. Militärbildlich ausgedrückt „trommelte“ Lindner in Wahrheit gar nicht für die Truppe, er warb um die Ecke für die Riesensummen aus „seinem Haushalt“ für eine Armee, deren Ausgaben die Einnahmen der Rüstungsindustrie sind. Von den eingedampften Ausgaben für das Soziale, für die Kinder – sie sind unsere Zukunft – kein Wort. Ganz begeistert nahm er seine Erfahrungen von seinen bewaffneten Kameraden mit:

An manchem mag es (noch) mangeln, an einem nicht: exzellent ausgebildete, hochmotivierte Kameradinnen und Kameraden. Ich war einmal mehr beeindruckt von den Fähigkeiten und der klaren Haltung. Danke für Ihren und Euren Dienst!“

Mich hat meine diesjährige Zeit in Uniform darin bestärkt, auch in meiner Regierungsfunktion die Ertüchtigung der Bundeswehr weiter zu unterstützen. Sie ist unser Garant von Freiheit und Sicherheit. CL“

Einem bundesweit durch Medienauftritte bekannten Krankenpfleger, Ricardo Lange, stieß die Show des Ministers auf. Er schrieb auf seiner Seite:

Bundesfinanzminister C L posiert auf seiner Instagramseite mit Maschinenpistole und Militäruniform bei der Bundeswehr. Die zwei Tage beim Heer hätten ihn darin bestärkt, die Bundeswehr auch in den kommenden Jahren in seiner Regierungsfunktion als Bundesfinanzminister zu unterstützen, so L. Für mich, ist unser Gesundheitswesen und damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung genauso wichtig wie ihr Schutz. Wer also 100 Mrd. Euro in die Stärkung und Modernisierung der BW investiert, muss das auch im Gesundheitswesen tun. Stattdessen wird weiter eingespart und die Kassenbeiträge angehoben. Was meinst Du, brauchen wir ein Sondervermögen für unser Gesundheitssystem? Pfleger Ricardo Lange.“

Ricardo Lange schrieb dem Minister unter dessen Post auf dessen Bestärktsein, sich in seiner Regierungsfunktion für die Armee einzusetzen:

Wenn das so ist, sollten Sie uns mal im Krankenhaus zwei Tage in einer Schicht begleiten. Neben Krieg spielen auch sehr wichtiges Thema.“

Zwei-Prozent-Ziel, warum nicht Ein-Prozent-Ziel?

Die fortwährend wiederholte Behauptung der Politik und der ihr folgenden Medien, dass nur mit mehr Geld die Armee in einen besseren Zustand versetzt werde, bedarf der Beschäftigung mit dem Begriff „Zustand“ und dessen Zustandekommen. Reicht es also nicht aus, nehmen wir das Jahr 2015 an, dass die Bundeswehr einen Etat von 38,2 Milliarden Euro erhält, um damit auszukommen? Andersherum gefragt wird ein neu eingekaufter Panzer doch neu gekauft, dieser funktioniert also logischerweise, oder? Und Jahr für Jahr fließt schon immer viel Geld in die Armee, in deren Positionen, die auch die Pflege und Wartung der Fuhrparks und Ausrüstungen beinhalten. Wieso also braucht es mehr Geld im Angesicht, dass der Zustand der Truppe, des Materials usw. erbärmlich sei? Was macht die Truppe mit dem ganzen Geld? Lindner schwärmt von ihr, der Truppe, hat die ihre Fähigkeiten erst jetzt erlangt?

Die Ausgaben für Rüstung für die Bundesrepublik, das Land mitten in Europa, welches zwei Weltkriege entfesselt hat, sind Jahr für Jahr gestiegen. Laut Bundesverteidigungsministerium stehen der Bundeswehr dieses Jahr 2023 über 50 Milliarden Euro zur Verfügung.

Immense Gelder fließen der Rüstungsindustrie zu, die auch schon mal Preiserhöhungen verkündet, um noch etwas mehr Rendite aus den ohnehin prächtigen Geschäften zu machen. Und ja, die Mittel für das Militärische fließen auch in die Panzer, die in diesen Zeiten gen Osten geliefert werden.

Die Spirale der Rüstung, der Eskalation, des Fanatismus für das Militärische dreht weiter auf, um die Bürger zu Patrioten werden zu lassen, denn Patrioten klagen nicht, sie sind hart und nehmen es als notwendig und schicksalsergeben hin, dass Prioritäten gesetzt werden müssen: Kindergrundsicherung, ach was, Sondervermögen Bundeswehr – jawoll, Herr Reserveoffizier!

Wie wäre es – so als Freiheit und Sicherheit liebender Minister –, wenn man diese Spirale bremst, den Spieß umdreht? Statt ein Zwei-Prozent-Ziel auszurufen ein Ein-Prozent-Ziel ins Auge zu fassen? Die mit diesen dann immer noch immensen Summen ausgestattete Armee müsste sich dennoch nicht mit kaputten Panzern und Ausrüstungen umherschlagen, wenn man nur mit dem Material gut umginge, oder? Und neben dem Bestehen einer Armee gibt es ja Mittel wie die Diplomatie, die Völkerverständigung, den Austausch zwischen den Ländern, den Kontinenten. Dieses Miteinander bringt und stabilisiert Sicherheit und Freiheit und Vertrauen. Das ganze viele Geld für Panzer, Raketen, Kampfflieger könnte für so viel Schönes ausgegeben werden. Der Finanzminister hat sicher eine Liste in seinem Ministerium liegen, auf denen diese Positionen stehen.

Der Logik und der Geilheit auf das Militärische muss Einhalt geboten werden

Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Dieser Gedanke schließt ein, dass Deutschland sich nicht an Kriegen, in welcher Form auch immer, beteiligt. Es schließt ein, dass keine deutschen Soldaten im Ausland eingesetzt werden, von wegen ‚die Freiheit wird am Hindukusch verteidigt‘. Man stelle sich mal vor, Hindukusch, also Afghanistan, ist drei Mal so groß wie Deutschland, die Bundesrepublik hatte dort eine überschaubare Zahl an Soldaten eingesetzt. Nach etlichen Jahren der Freiheitsverteidigung zog man sich wie die Freunde aus den USA aus dem Land zurück, das man nie hätte betreten dürfen. Was blieb? Ein Afghanistan auf den Knien, eines in der gnadenlosen Mache fanatischer Gotteskrieger.

Als Regierungsmitglied könnte Lindner einiges bewirken für das Ein-Prozent-Ziel

„Mich hat meine diesjährige Zeit in Uniform darin bestärkt, auch in meiner Regierungsfunktion die Ertüchtigung der Bundeswehr weiter zu unterstützen“, sagt Lindner. Man könnte sein Bestärktsein in eine andere Überzeugung umleiten, die ihn zu seinen Regierungskollegen sprechen ließe, so zum Beispiel zur Außenministerin, innezuhalten mit der Aufrüstung, mit den Lieferungen von Waffen in Kriegsgebiete. Lindner könnte sagen: der Diplomatie den Vorrang geben, sich an den Spruch erinnern: „Nie wieder Krieg von deutschem Boden aus“.

Was aber geschieht: Es wird weiter getrommelt

Doch scheint Bundesfinanzminister Lindner noch immer von einer Rede seiner Parteikollegin Strack-Zimmermann angetan zu sein, die die Bundeswehr am liebsten als neue Führungsmacht in Europa sähe. Da muss eben geklotzt statt gekleckert werden, was soll das ganze Diplomatendeutsch? Strack-Zimmermann redete sich in Rage (ab 11:45 Minute). Ihre Wortwahl klang wie aus einem altdeutschen Wörterbuch für patriotisches Deutsch. Sie behauptete, dass die europäischen Nachbarn erhoffen und erwarten, dass Deutschland wieder führt, wenn es gen Osten geht.

Mir hat ein osteuropäischer Diplomat gesagt: Osteuropa hat vor nichts Angst außer vor den Russen. Deutschland hat vor allem Angst – nur nicht vor den Russen. (…) Es ist ein Kompliment, wenn knapp 80 Jahre nach Kriegsende die europäischen Staaten die Deutschen bitten, mehr zu führen, das ist Ehre, das ist Auftrag, das wurde an unserer Wiege nicht gesungen. Wir haben die verdammte Pflicht, diese Rolle anzunehmen.“

Titelbild: Christian Lindner auf Instagram

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!