Zehn Jahre Neue Seidenstraße, und Deutschland isoliert sich

Zehn Jahre Neue Seidenstraße, und Deutschland isoliert sich

Zehn Jahre Neue Seidenstraße, und Deutschland isoliert sich

Christian Wagner
Ein Artikel von Christian Wagner

Die multipolare Weltordnung ist eingetreten. Die Kräfteverhältnisse mit dem Westen als angeblich werteorientierte Hegemonialkraft verschieben sich. Die Mehrzahl der Nationen der Welt votiert für einen Weg der Gleichberechtigung und Kooperation auf Augenhöhe. Die neue Seidenstraße ist in diesem Zusammenhang eines der Megaprojekte der Zukunft. Deutsche Politiker erkennen das Potenzial jedoch nicht, orientieren sich an den Interessen der USA statt den Interessen des eigenen Volkes und verlieren Beteiligungschancen. Von Christian Wagner.

Vor rund zehn Jahren, am 7. September 2013, wurde an der Nasarbajew-Universität in Kasachstan die Neue Seidenstraße (Belt & Road Initiative) ins Leben gerufen. Präsident Xi Jinping erläuterte dabei Ziele wie politische Koordination, Förderung von Straßenverbindungen, des freien und barrierefreien Handels, der Währungskreisläufe und des Austauschs „Gesellschaft-zu-Gesellschaft“ auf bilateraler Ebene. Seitdem hat die BRI Vereinbarungen mit 32 internationalen Organisationen und 152 Ländern abgeschlossen. Alle Vereinbarungen wurden ohne politische Bedingungen auf freiwilliger Basis getroffen, ohne die innerpolitischen Verhältnisse der jeweiligen Mitgliedsstaaten zu beeinflussen – im Gegensatz zum Westen, der bisher in allen Kooperationen und Verträgen politische Bedingungen stellt.

Das Engagement einer Person summiert sich, während das eines Teams sich multipliziert. In den vergangenen zehn Jahren hat China massive Kommunikations- und Koordinationsprojekte mit verschiedenen Ländern und Organisationen durchgeführt. So wurde beispielsweise nur allein im Bereich der Medizin eine „Health Silk Road“ kreiert, bei der China öffentliche Gesundheitsstrategien umgesetzt und Plattformen wie das „Öffentliche Gesundheitskooperationsnetzwerk“ und die „Tropische Medizinallianz“ geschaffen hat. Im Januar 2017 veröffentlichten die Weltgesundheitsorganisation und China ein Memorandum of Understanding über die Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheit im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung der Belt and Road Initiative. Während der COVID-19-Pandemie verteilte China im Jahr 2020 über die Plattformen der Gesundheits-Seidenstraße hunderte Milliarden Anti-Pandemie-Materialien an 153 Länder und 15 internationale Organisationen sowie mehr als 2,2 Milliarden Impfdosen an über 120 Länder. Schließlich wurde mit 30 Staaten eine Stiftung für globale Gesundheit geschaffen.

Deutschland lebt in seiner eigenen Fantasieblase

Seit Jahrzehnten wird im Westen angenommen, dass es den Menschen in Entwicklungsländern in erster Linie um liberale Werte gehe und Menschenrechte hauptsächlich auf freier Entfaltung individueller Fantasien basieren. Doch die Realität sieht anders aus. Bei Gesprächen mit zahlreichen afrikanischen Studenten in Peking, die kostenlose, von China finanzierte Studiengänge beschreiten, sagte jeder Einzelne, dass die wichtigsten Menschenrechte für sie das Recht auf Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung, Wohnen und Bildung sowie auf sichere Arbeit sind. Und nur China konnte bisher Unterstützungen in dem Bereich systematisch, friedlich, ohne politische Forderungen oder Einmischung ins Innere durchführen. Anders als der Westen, der sein eigenes System und seine Werte auf tausend Jahre alte Kulturen übertragen will, respektiert China afrikanische Kulturen und Traditionen und fördert ihren eigenen Weg vielmehr bedingungslos.

Was macht China grundlegend anders? Im Mai 2017 fand das erste BRI-Forum statt, bei dem Verträge mit 40 Ländern und Organisationen abgeschlossen wurden. Es waren über 1.600 Vertreter aus mehr als 140 Ländern und 80 internationalen Organisationen anwesend. Nur einen Monat später unterzeichneten 70 weitere Staaten Kooperationen. Beim zweiten Belt and Road Forum haben bereits 6.000 Gäste aus 150 Ländern und 92 internationalen Organisationen teilgenommen sowie 37 ausländische Führer, der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Managing Direktor des Internationalen Währungsfonds.

Während die Volksrepublik China in zahlreichen BRI-Foren Organisationen und Individuen der gesamten Welt einlädt und ihre Stimmen und Forderungen angehört werden, sieht man im Westen nur Gruppen, die westliche Interessen vertreten. Die G7 sind das ideale Beispiel. Wann fanden in Deutschland große Foren statt, zu denen Entwicklungsländer mit Tausenden von Gästen eingeladen wurden? Wo wird die Diskussion über die tatsächlichen Interessen der Entwicklungsländer geführt?

Die Diskussion findet ausschließlich im eigenen westlichen Blasenkreis statt, bei dem Gäste geladen werden, die weniger über Stabilität, Sicherheit und die wahren Interessen der Menschen in Entwicklungsländern sprechen. Im Gegenteil, es wird ausschließlich über politische „Werte“ gesprochen und nicht über die tatsächlichen Lebensrealitäten. So wird für das Thema China der von den USA aufgebaute und finanzierte Welt-Uiguren-Kongress als beratendes Gremium des Bundestags geladen und forderte sogar in Statements militärische Interventionen in Xinjiang sowie Waffenlieferungen. Damit fühlen sich deutsche Medien und Politiker bestätigt, anschließend völkerrechtswidrige Angriffskriege zu führen. Libyen, Irak oder Syrien sind Beispiele. Und die USA freuen sich, dass ihre Thinktanks und Lobbys in Deutschland funktionieren und unsere deutschen Politiker naiv darauf eingehen.

Exportiert die Volksrepublik China ihr kommunistisches Modell?

Die Neue Seidenstraße bietet Möglichkeiten für Deutschland und den gesamten Westen. Beim Treffen zwischen Donald Trump und Präsident Xi Jinping wurde betont, dass China die Teilnahme der USA an der BRI ausdrücklich begrüßt. Dies gilt für alle Staaten weltweit. Die BRI ist für alle Länder offen, unabhängig vom politischen System, der Religion oder dem kulturellen Hintergrund. Nach westlicher Ansicht liegt die Kooperationsführung in den Händen von wirtschaftlich führenden Nationen, während Entwicklungsländer eher eine passive Rolle einnehmen. Im großen Kontrast dazu steht die Belt and Road Initiative, bei der die Kluft zwischen entwickelten und Entwicklungsländern überwunden wird und alle Länder gleichbehandelt werden.

Die USA und ihre Verbündeten betrachten die Welt aus dem Blickwinkel liberaler kapitalistischer Eliten. Sie sehen China und das Wachstum der BRI als Teil eines geopolitischen, geoökonomischen und geokulturellen Nullsummenspiels, das verhindert werden muss, um die Führung der USA zu gewährleisten. Diese Theorie, nach der China sein Kommunismus- und One-Party-Rule-Modell exportiert, ist jedoch faktenlos und haltlos. Es gibt keinerlei Grund und auch keinen Präzedenzfall dafür. Vielmehr hat sich China in der Vergangenheit nach westlichen Standards reformiert und konnte nach eigener Praxis die Gesetze der Modernisierung, der Staatsführung und der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft umsetzen sowie seine Erfahrungen mit anderen Entwicklungsländern teilen.

Kein Land kann sein eigenes Staatsmodell auf andere Länder übertragen und in deren Souveränität eingreifen. Alle bisherigen Versuche des Westens sind in der Realität gescheitert.

China respektiert den Entwicklungswege anderer Länder und möchte nicht, dass andere Länder das chinesische System kopieren oder übernehmen sollen. Die BRI ist eine wirtschaftliche Initiative aller teilnehmenden Länder, die freiwillig daran teilnehmen und davon profitieren. Das bedeutet natürlich auch den Austausch von Erfahrungen, und der wirtschaftliche Aufschwung Chinas ist nun ein Paradebeispiel für andere Entwicklungsländer. Diese können lernen, wie China beispielsweise in 40 Jahren 800 Millionen Menschen aus der Armut befreit hat, und es nach ihren eigenen Charakteristika nutzen.

Finanzielle Unterstützung ohne politische Bedingungen

Viele unterentwickelte Länder verfügen weder über die Voraussetzungen noch die Bedingungen, um wirtschaftliche Investoren anzulocken. Zudem fehlt es ihnen an eigenen Anlagen und Finanzkapital, um selbstständig Finanzierungen zu stemmen. Ohne externe Unterstützung gestaltet sich eine angemessene Entwicklung hier äußerst schwierig. Seit der Gründung der BRI spielen eigene Finanzinstitutionen eine wichtige Rolle. So kooperieren lokale und internationale sowie private Institutionen gemeinsam. Chinesische Banken wie die China Development Bank und die China Export-Import Bank sind die wichtigsten Finanzierer der Belt and Road Initiative.

Jedes Projekt wird in der Praxis durch gegenseitige Konsultation und Kooperation entschieden und nicht in der hegemonialen Art von China unter eigenen Bedingungen aufgestellt. Aus diesem Grund haben sich mehr als 200 Länder und internationale Organisationen auch für eine Zusammenarbeit entschieden. Die BRI bietet verschiedene Investitionsmöglichkeiten, wie zum Beispiel offene Kredite, Investmentfonds, Public-Private-Partnerships (PPPs) und Unternehmensinvestitionen.

Der Fokus liegt vor allem auf Infrastrukturprojekten, der Wasser- und Lebensmittelversorgung, öffentlicher Gesundheit, Klimawandel und anderen Projekten, die notwendig sind für die wirtschaftliche Entwicklung der Länder. Über längere Zeit fördert BRI das Wachstum von Output-Effizienz und Verbundenheit. Internationale Organisationen wie die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) und der Silk Road Fund sowie traditionelle internationale Finanzinstitutionen wie die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und private Unternehmen sind alle an Chinas Direktinvestitionen in Höhe von 213,48 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 beteiligt. Im privaten Sektor haben rund 500 chinesische Unternehmen bis Ende 2021 insgesamt 43,08 Milliarden US-Dollar investiert.

Zehn Jahre Seidenstraße, und Deutschland beteiligt sich nicht

Statt sich an diesem Megaprojekt zu beteiligen, wird dies aufgrund einer rein ideologischen, emotionalen Begründung abgelehnt. Die deutsche Politik sorgt nicht dafür, dass deutsche Unternehmen an der Weltspitze bleiben und sich an der Entwicklung und am Zukunftsprojekt beteiligen. Stattdessen überlässt sie die Aufträge der Konkurrenz und hält blind an ihrer „wertebasierten feministischen Außenpolitik“ fest. Das schadet langfristig nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa. Politiker von Grünen, CDU, SPD und FDP fordern zunehmend die Anwendung des Lieferkettengesetzes, das deutsche Unternehmen sanktioniert, die in „feindlichen“ Staaten oder Regionen Handel treiben. Menschenrechte werden zunehmend als emotionale Waffe eingesetzt, ohne die Lebensrealität und die Faktenlage zu berücksichtigen. Nur Deutschland schafft es tatsächlich, die eigene Wirtschaft für ihren Erfolg zu sanktionieren. Es reicht der Politik nicht, bereits eine Energiekrise herbeigeführt zu haben. Das grenzt an ideologischen Faschismus und schadet dem ganzen Volk. Die Neue Seidenstraße ist ein Projekt, von dem Deutschland wirtschaftlich, kulturell und politisch profitieren kann und für weitere Jahrzehnte an der Spitze bleiben könnte. Eine Beteiligung bedeutet fast grenzenlose Kooperationsmöglichkeiten in einem neuen Zeitalter.

Titelbild: Shutterstock / YIUCHEUNG