Die Heuchelei des Steuerzahlerbundes und die zahnlose Medienkritik

Die Heuchelei des Steuerzahlerbundes und die zahnlose Medienkritik

Die Heuchelei des Steuerzahlerbundes und die zahnlose Medienkritik

Ein Artikel von Frank Blenz

Sie nennen ihre Auflistung von öffentlichen Steuerverschwendungen reißerisch „Schwarzbuch“: Süffisant wird darin aufgezählt und „uns allen“ vor Augen geführt, wie vom Bund bis in die Kommunen hinein schludrig mit „unser aller Geld“ umgegangen wird. Tatsächlich kann man mit dem Kopf schütteln, wenn von ungenutzten Parkhäusern, Brücken ins Nirgendwo und von sinnlosen Planstellen in Behörden zu lesen ist, doch hat der Verein „Bund der Steuerzahler“ Jahr für Jahr in Wirklichkeit ganz anderes im Blick: so zu tun, als verträte der Verein alle Steuerzahler. Das – und noch mehr – tut er nicht. Die führenden Medien entlarven die Heuchelei nicht. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Das Hauptanliegen der jährlichen Veröffentlichung des „Schwarzbuches“ durch den Bund der Steuerzahler wird mit dem „Anprangern“ und „einen schlanken Staat fordern“ geschickt und konsequent verschleiert: das Leugnen von Einnahmeausfällen für den Staat (für uns alle), zum Beispiel durch Steuerflucht und Steuervermeidung. Hinter derlei spitzfindigen Kompetenzen stehen bekanntlich ebenfalls Steuerzahler, die dem Staat (uns allen) viel Geld vorenthalten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass der Steuerzahlerbund mit seiner neoliberalen Ausrichtung (schlanker Staat – reiche Bürger) tatsächlich die Interessen eines bestimmten Teils seiner Klientel und Mitgliederschaft, dem mit ordentlich Moneten auf dem Konto, vertritt. Das tut der Verein diskret, verschwiegen und erfolgreich. Mehr noch, der Verein wird medial öffentlich gefeiert, einschließlich seines populären Produkts „Schwarzbuch“.

Klar sind goldene Bänke Nonsens, doch der schlanke Staat ist es auch

Der öffentlich-rechtliche TV-Sender ARD springt mit Beiträgen wie diesem über das Stöckchen des Steuerzahlerbundes. Schon mit der Überschrift „Von goldenen Bänken und teuren Schildern“ bei Tagesschau.de wird der Intention des Vereins Bund der Steuerzahler beigepflichtet, dass die öffentliche Hand ziemlich dumm und dreist sein muss. Man brauche nur das neue Schwarzbuch zu studieren. Die Tagesschau schreibt beipflichtend: „Trotz leerer Kassen gehen Bund, Länder und Kommunen nicht immer sorgsam mit öffentlichen Geldern um.“ Klar, goldene Bänke sind Nonsens und auch Parkhäuser, die unnötigerweise außer Betrieb sind. Und ja, als Bürger regt man sich gern und lautstark und mündig auf, wenn etwas nicht klappt. Das Schwarzbuch trifft folglich genau ins Schwarze und lenkt uns alle derweil geschickt ab.

Doch „Nicht immer sorgsam“ heißt nicht, dass die öffentliche Hand ein Fehlkonstrukt ist, dass dafür der schlanke Staat geboten und viele Dinge privatwirtschaftlich besser geregelt wären, nach dem Motto „das regelt der Markt“. Doch derlei Informationen sind in führenden Medien nicht zu lesen. Deutschland ist ein großes Land, an die 84 Millionen Einwohner leben hier, ein Schwarzbuch listet etwa 100 Fehler in diesem gigantischen Gemeinwesen auf. Die vielen Nichtfehler bleiben unerwähnt – grobe andere Fehler und Verfehlungen mit System, die wenigen nützen und vielen schaden, auch.

Umfassend Kritisieren wäre in Ordnung und ist Aufgabe der Vierten Gewalt

Ist das eine Art privilegierte Aufgabe des Vereins der Steuerzahler, Missstände festzustellen und so zu tun, als spräche der Verein für uns alle, uns Bürger, die in der Bundesrepublik gern auch „Steuerzahler“ genannt werden? Täte der Verein dies umfassend, könnte man damit einverstanden sein, dann würde für alle gesprochen werden.

Noch mehr einverstanden könnte man sein, wenn ARD und Kollegen (die Vierte Gewalt namens Medien) lieber den Job der Schwarzbuch-Autoren leisteten und gleich auch den Steuerzahlerbund genauer unter die Lupe nähmen. Dies tun die wichtigen Medien aber nicht. So kritisiert die Tagesschau zudem eines nicht: Der Verein prangert nicht an, dass mit den Finanzen in unserer und für unsere Gesellschaft teils atemberaubend ausufernd und dann wieder enorm geizig umgegangen wird. Medienfragen werden nicht gestellt wie: Warum steht im Schwarzbuch eigentlich nichts von Verschwendung beim Rüstungsetat? Warum schreien die Schwarzbuch-Steuerprofis nicht auf, wenn sie von Kürzungen in vielen Bereichen des Gemeinwohls lesen? Wenn nicht investiert wird, bezahlt man später doppelt, das müsste doch den Finanzgenies und all den hellwachen Gesellschaftskritikern auffallen?

Man müsste dem Verein in der Hinsicht beinah dankbar sein, dass er ziemlich frech und offen Kritik an Zuständen im Land übt, weil es bei anderen Profis der Offenlegung Defizite und eine andauernde Frage-Faulheit gibt. Dabei ist ‚die Augen und Ohren offen zu halten‘ tägliche Aufgabe der Vierten Gewalt, der Presse, der Medien – dem Staat, den Entscheidungsträgern in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Politik usw. auf die Finger zu schauen zum Beispiel. Mitunter scheint es, Augen, Ohren, Mund werden verschlossen, wenn es gewissen Leuten passt. Oder es wird das Spiel „freier, investigativer, kritischer Journalismus“ gespielt, um zu zeigen: Schaut her, wir sind unbequem. Kennen Sie das, wenn Sie Zeitung lesen? Gern werden in Zeitungen die Verwaltung in einem Rathaus, ein Landrat oder eine Landesregierung ordentlich durch den Kakao gezogen. Bei Firmen, bei Privatiers, bei den Einflussreichen der Gesellschaft sieht das schon anders aus. Komisch.

Wer nicht fragt…

Das Titellied der Kindersendung „Der, die, das“ aus der Sesamstraße hat einen wundervollen Schlusssatz: „Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Kindlich gefragt: Was ist dabei, wenn man sich in eine Pressekonferenz setzt und Fragen stellt? Und Nachfragen folgen lässt und nachhakt, wenn sich derjenige auf dem Podium, der Antworten geben soll, sagen wir mal höflich, ziert? Bei der Bundespressekonferenz – übrigens auch eine private Veranstaltung (Verein) und kein Angebot, keine Verpflichtung der Regierung und der Parteien – empfände das fragende Kind wenig Freude (mit einer Ausnahme). Man beobachte die Journalisten, die meist durch lahme Fragen, wenig Nachfragen und Nachhaken dafür sorgen, dass die Atmosphäre fein und höflich und langweilig ist. Unbequem sein wirkt geradezu störend und beschmutzend. Dass es anders geht, beweist seit einiger Zeit NachDenkSeiten-Autor Florian Warweg, der sich nicht scheut, die schöne Langeweile zu stören. Nebenbei: Journalisten sitzen ja nicht aus Spaß dort, sie sind Vertreter von uns allen. Sie stellen im besten Fall die Fragen, die der Bürger ja nicht stellen kann, weil er nicht in so eine Konferenz darf…

Lieber ein Werbebuch für eine finanzstarke, öffentliche Gemeinwohlgesellschaft

Deutschland ist ein reiches Land, heißt es oft. Das bedeutet, dass wir eigentlich über sehr viele Mittel und Möglichkeiten verfügen sollten. Und ja, Geld regiert die Welt – bei uns ebenfalls. Schlussfolgernd bedeutet das: Mit Geld werden viele Abläufe in unserer Gesellschaft reguliert, und wenn kein Geld zur Verfügung gestellt wird, dann nicht. Warum soll dann im Angesicht unseres Wohlstandes das Konstrukt „Staat“ schlank sein, ist doch der Staat unser aller Basis für Dinge wie die Daseinsvorsorge, das Allgemeinwohl, das Funktionieren der Gesellschaft? Schlank hingegen bedeutet, weniger handlungsfähig zu sein. Schlank bedeutet, dass Mittel und Möglichkeiten vorenthalten werden, die satt vorhanden sind in unserem wohlhabenden Land. Es kommt nicht von ungefähr, dass Worte wie Steuerflucht und Steuervermeidung im Schwarzbuch vermieden werden. Dem Bürger und Steuerzahler Otto Normalverbraucher werden diese Disziplinen Flucht und Vermeidung wenig geläufig sein. Schaden richten diese an und sind Blockaden für eine in sich wohlhabende, gemeinwohlorientierte Gesellschaft. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass in den führenden Medien vermieden wird zu kritisieren, dass der Steuerzahlerbund Worte wie Steuerflucht und Steuervermeidung vermeidet. Der aufgeklärte Otto Normalverbraucher weiß, dass es Leute gibt, denen das Schweigen und Vermeiden nützt.

Titelbild: ralphmeiling/shutterstock.com

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