Julian Assanges Schicksal ist die Lupe, mit der man die westlichen Demokratien betrachten kann

Julian Assanges Schicksal ist die Lupe, mit der man die westlichen Demokratien betrachten kann

Julian Assanges Schicksal ist die Lupe, mit der man die westlichen Demokratien betrachten kann

Ein Artikel von Moritz Müller

Am Dienstag und Mittwoch nächster Woche findet die vielleicht letzte Anhörung im Assange-Auslieferungsverfahren im Vereinigten Königreich statt. Wird sein Antrag auf ein weiteres Berufungsverfahren abgewiesen, dann könnte nur noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seiner Auslieferung an die USA im Wege stehen. Wenn die zwei Richter des High Court seinem Antrag stattgeben, dann würde es weitere Monate oder Jahre dauern, bis das Verfahren am Supreme Court in London abgeschlossen wäre. Der offensichtlichste Ausweg ist, dass die zuständigen Politiker in Großbritannien und in den USA endlich einsehen, dass dieser Fall, in dem es um Presse- und Meinungsfreiheit und das Leben von Julian Assange geht, endlich zu den Akten gelegt werden muss. Julian Assange wird nicht vergessen werden von denen, für die er sich eingesetzt hat, und von denen, die diesen Einsatz wertschätzen. Dazu gehören auch die Mahnwachenden in Berlin, die uns diese Woche wieder mit ihrem Newsletter versorgt haben. Vielen Dank von Moritz Müller!

Am 5. April 2010 veröffentlichte die bis dahin eher weniger bekannte Enthüllungsplattform Wikileaks das „Collateral Murder“ genannte Video, in dem zu sehen ist, wie zwölf Zivilisten in Bagdad von den Besatzungen zweier US-Hubschrauber massakriert werden.

Seitdem werden Wikileaks und der Gründer der Webseite, Julian Assange, von den Behörden der USA, Großbritanniens, Schwedens verfolgt und an ihrer Enthüllungsarbeit gehindert. Ein schwedisches Vergewaltigungsverfahren zog sich über neun Jahre hin, ohne dass es über Vorermittlungen hinauskam oder eine Anklage erhoben wurde. Im November 2019 wurde dieses Verfahren eingestellt.

In den Jahren 2010 und 2011 gab es weitere umfangreiche Wikileaks-Enthüllungen über die Kriegsführung der USA in Afghanistan und Irak und über die Zustände im US-Foltergefängnis in Guantanamo. Außerdem veröffentlichte Wikileaks diplomatische Depeschen der USA, in denen aufgezeigt wurde, welchen Druck und welche Methoden die USA anwenden, um Regierungen anderer Länder gefügig zu machen.

Diese Enthüllungen geschahen mit der Hilfe von etablierten Medien wie DER SPIEGEL, The Guardian, El País und der New York Times. Diese Medien haben sich größtenteils von Julian Assange distanziert und berichten eher über sein angebliches Fehlverhalten als über seine Verdienste durch Berichte über (Kriegs)Verbrechen und Korruption.

Die großen Konzernmedien scheinen mittlerweile so von den Mächtigen in Wirtschaft und Politik vereinnahmt, dass sie anscheinend vergessen haben, dass sie ohne tatsächliche Pressefreiheit eine wirklich ernsthafte und sinnvolle Arbeit an den Nagel hängen können.

2012 musste Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London Asyl beantragen, weil er fürchtete, über Schweden an die USA ausgeliefert zu werden. Derweil behaupteten die USA, Assange sei ein Wichtigtuer und es existiere gar keine US-Anklage gegen ihn.

Im Jahr 2013 halfen Wikileaks und Assange dem Whistleblower Edward Snowden, sich dem Zugriff der US-Behörden zu entziehen und aus Hong Kong zu fliehen. Anscheinend wollte Snowden nach Südamerika reisen, aber vor einem Zwischenstopp in Moskau erklärten die US-Behörden seinen Pass für ungültig. Er sitzt seitdem in Russland fest.

Vor den US-Präsidentschaftswahlen 2016 brachte Julian Assange das „liberale“ Spektrum gegen sich auf, weil Wikileaks E-Mails von Hillary Clinton und der Demokratischen Partei veröffentlichte, die unter anderem die Benachteiligung ihres innerparteilichen Gegenkandidaten Bernie Sanders aufzeigten. Assange wurde vorgeworfen, Wahlkampfhilfe für Donald Trump geleistet zu haben. Er selbst sagte damals, die Wahl zwischen Clinton und Trump sei wie die Wahl zwischen Cholera und Tripper.

Im Jahr 2017 folgten mit Vault 7 Veröffentlichungen über Methoden der CIA und deren Hacking-Werkzeuge. Hiermit brachte Assange auch wieder die republikanische Seite der US-Öffentlichkeit gegen sich auf.

Es scheint diese Kompromisslosigkeit zu sein, die die Machthabenden, in deren Händen Assanges Schicksal derzeit liegt, am meisten beunruhigt. Seit die ecuadorianische Regierung unter Lenin Moreno Julian Assange im April 2019 an die USA und Großbritannien verkaufte – fast zeitgleich wurde ein US-Kredit an Ecuador über vier Milliarden Dollar bewilligt –, befindet er sich im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh de facto in Isolationshaft.

Julian Assange ist durch die jahrelange Verfolgung angeschlagen und sehr krank. Im Oktober 2021 erlitt er zur Zeit der Berufungsanhörungen einen leichten Schlaganfall.

Eine Stunde nach seiner Verhaftung durch die britische Polizei verlangten die USA seine Auslieferung, mit einer Anklage, von der sie immer behauptet hatten, dass sie nicht existiere.

Die australische Regierung setzt sich erst seit letztem Jahr sporadisch für ihren Staatsbürger Assange ein, aber auch sie hat den USA meines Wissens noch nicht mit Konsequenzen gedroht für den Fall, dass diese Assange bis zum bitteren Ende verfolgen.

Weder die deutsche Außenministerin noch der Bundeswirtschaftsminister haben seit ihrer Amtseinführung öffentlich einen Finger für Assange gerührt. Beide hatten vor der Bundestagswahl 2021 behauptet, sich für seine Freilassung einsetzen zu wollen. Frau Baerbock und Herr Habeck zeigen sich zumindest beim Vergessen ihrer eigenen Aussagen und früherer grüner Ideale kompromisslos. Die Grünen wurden einmal als Partei der Friedensbewegung und der Bürgerrechte gegründet.

An der gnadenlosen Behandlung von Julian Assange kann man sehen, an welchem Punkt sich die Systeme der „freien Welt“ momentan befinden. Das Einzige, was sich wirklich frei entfalten kann, ist der ungezügelte Kapitalismus und Militarismus mit Quasimonopolisten wie YouTube, Google und Microsoft and der Spitze. Die deutsche Regierung hilft derweil kräftig mit, Deutschland und die EU in die Bedeutungslosigkeit zu befördern.

Jeder, der wie z.B. Julian Assange gefährlich wird für dieses mörderische Treiben, wird ohne Rücksicht verfolgt. Den französischen Gelbwesten wie auch den weltweiten Corona-Maßnahmen-Skeptikern ist es so ergangen. Früher wurde man als „Kommunist“ bezeichnet, wenn man die Regierung kritisierte, heutzutage ist man plötzlich „rechts“.

Nachdem der Journalist Tucker Carlson den Präsidenten Russlands interviewte, wurden Stimmen laut, ihn mit Sanktionen zu belegen. Es erscheint absurd, jemandem dies anzudrohen, weil er seinen Job gemacht hat und auch einmal die andere Seite zu Wort kommen lässt.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Verfolgung, der Julian Assange seit nunmehr über 13 Jahren ausgesetzt ist, setzen sich mehr und mehr Menschen für ihn ein und gehen für seine Freilassung auf die Straße. In den kommenden Tagen finden an vielen Orten wieder Mahnwachen für ihn statt, so zum Beispiel in Düsseldorf, Schwerin, Stuttgart, Bremen, Berlin, Heidelberg, Baden-Baden, Köln, Mannheim, Bielefeld, Freiburg, London, Berlin, Cottbus, Dresden und dann wieder in Düsseldorf, Berlin und London. In den meisten dieser Städte und einigen anderen finden am Dienstag und Mittwoch nächster Woche außerplanmäßige Veranstaltungen statt.

Genauere Infos zu den Orten und Zeiten finden sich auf FreeAssange.eu

Ich selbst werde nächste Woche in London sein, um im Gericht diesen (Schau)Prozess zu verfolgen. Vielleicht wird auch Julian Assanges Ersuchen stattgegeben und er darf persönlich im Gerichtssaal erscheinen.

Auch das Schreiben dieser letzten Zeilen führt mir wieder die ganze Absurdität des Verfahrens vor Augen – ein Verfahren, bei dem ungewiss ist, ob der Angeklagte selbst zugegen sein kann. Im nachfolgenden Newsletter gibt es einen Link zu einem aktuellen Artikel von Craig Murray, in dem er die „kafkaesken Regeln“ aufzeigt, die das Gericht aufgestellt hat, damit man einen Videozugang zur Anhörung am Dienstag und Mittwoch bekommt.

Im Fall Assange bekommt man den Eindruck, dass die zuständigen Behörden die Regeln spontan erlassen, wie es gerade passt, um Assange und seine Unterstützer mürbe zu machen.

Nun mit vielem Dank nach Berlin der aktuelle Newsletter mitsamt Pressemitteilung zu den Veranstaltungen anlässlich der Anhörung am kommenden Dienstag und Mittwoch:


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Freiheit von Julian Assange,

für Pressefreiheit und freie Rede,

unsere nächste Mahnwache für die Freiheit von Julian Assange, die am 15. Februar regulär stattfinden würde, fällt diesmal aus!

Wir veranstalten stattdessen am 20. und 21. Februar Aktionstage auf dem Pariser Platz. Bitte entnehmt die Zeiten und Pläne der unten genannten Pressemeldung und dem Flyer.

Die Freitagsgruppe „Streetaction4Assange“ wird an den beiden Tagen sogar bis 19.00 Uhr auf dem Pariser Platz stehen.

Die Mahnwache Freiheit für Julian Assange aus Leipzig wird uns ebenfalls vor Ort unterstützen, und die fahrbare Gefängniszelle BELMARSH LIVE wird an diesen zwei Tagen vor der US-Botschaft ein Zeichen setzen.

Wir freuen uns auf euer zahlreiches Erscheinen, besonders, um die Menschenkette am Dienstag zu einem eindrücklichen Ereignis zu machen.


Zur Info sende ich euch noch einen aktuellen Artikel von Craig Murray, in dem er uns beschreibt, welche Schikanen sich das Gericht in London für potenzielle Besucher und Zuhörer des „öffentlichen“ Gerichtsverfahrens von Julian Assange ausgedacht hat – inklusive Strafen bei Nichtbefolgung der Anordnungen.


Am 15. Februar planen wir im TAK eine Sonderveranstaltung zum Fall Julian Assange, um kurz vor der entscheidenden Verhandlung am 20. und 21. Februar auf den Fall aufmerksam zu machen (200 Personen passen rein, Eintritt frei): tak-berlin.de/node/1532

Wir zeigen den Film „Der Fall Julian Assange“ mit anschließender Podiumsdiskussion.

Die Podiumsteilnehmer sind:

  1. Clara López: Regisseurin des Films
  2. John Goetz: Ehemaliger Medienpartner, Zeuge und Kläger gegen die CIA und UC Global
  3. Beate Streicher: von Amnesty International
  4. Ilja Braun: von Reporter ohne Grenzen
  5. Sören Schomburg: Deutscher Anwalt von Julian Assange (der noch nicht auf der Seite angekündigt ist, aber schon feststeht)

Mit solidarischen Grüßen
Almut und Thilo

FreeAssange Berlin
Pressemeldung

Der letzte Prozess von Julian Assange um seine Berufung gegen die Auslieferung an die USA findet am 20. und 21. Februar 2024 in London statt.

In Berlin wird es am Dienstag, dem 20. Februar 2024, und Mittwoch, dem 21. Februar 2024, umfangreiche öffentliche Aktionen für die Freiheit des australischen Journalisten und Verlegers Julian Assange geben. Dazu gehören Auftritte von Musikern, Künstlern und Prominenten. Besonders hinweisen wollen wir Sie auf die Menschenkette, die am Dienstag, 20. Februar 2024, von 14:30 bis 15:00 Uhr zwischen den Botschaften von Großbritannien und der USA geplant ist.

Hintergrund:

Der britische High Court hat bestätigt, dass am 20. und 21. Februar 2024 eine öffentliche Anhörung stattfinden wird, die die letzte Chance für Julian Assange sein könnte, seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten zu verhindern. Im Falle einer Auslieferung droht Assange eine Strafe von 175 Jahren wegen der Aufdeckung von Kriegsverbrechen, die von den Vereinigten Staaten im Afghanistan- und Irakkrieg begangen wurden.

Die öffentliche Anhörung wird vor einem Gremium von zwei Richtern stattfinden, die eine frühere Entscheidung des High Court überprüfen werden, welche von einem Einzelrichter am 6. Juni 2023 getroffen wurde, der Julian Assange die Genehmigung zur Berufung verweigerte.

Diese entscheidende Phase im Berufungsverfahren von Julian Assange wird über eines von zwei Ergebnissen entscheiden: ob Julian Assange weitere Möglichkeiten haben wird, seinen Fall vor den britischen Gerichten zu vertreten, oder ob er alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat, ohne die Möglichkeit, im Vereinigten Königreich weitere Rechtsmittel einzulegen, und somit in das Auslieferungsverfahren eintreten wird. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bliebe dann eine letzte Möglichkeit.

Die USA versuchen, Julian Assange auf der Grundlage ihres Spionagegesetzes von 1917 zu verurteilen. Wenn dies so erfolgt, kann Journalismus jederzeit als Spionage definiert werden. Jeder Journalist, jeder Verleger weltweit wird dadurch eingeschüchtert. Das wäre das Ende der Pressefreiheit.

Viele Organisationen rufen weltweit zu Protesten auf, an den beiden Tagen der Anhörung vor dem Gericht in London die Pressefreiheit zu schützen. In Berlin wird es auf dem Pariser Platz, vor der Botschaft der USA und dem Brandenburger Tor zu diesen Zeiten Veranstaltungen geben.

Dienstag, 20. Februar 2024, von 13:00 bis 19:00 Uhr

Mittwoch, 21. Februar 2024, von 11:30 bis 19:00 Uhr

Ihr Kontakt zu den Veranstaltern von Free Assange Berlin:

Almut Stackmann-Carnier, <[email protected]> mobil: 0176 34440444

Thilo Haase, <[email protected]> mobil 0172 4560537

Zusätzliche Zitate:

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Stella Assange, Julian Assanges Ehefrau, sagt: „Die letzten viereinhalb Jahre haben Julian und seine Familie, einschließlich unserer beiden kleinen Söhne, schwer belastet. Sein psychischer und physischer Zustand hat sich erheblich verschlechtert. Angesichts der unzähligen Beweise, wie etwa die Verletzung des Anwaltsgeheimnisses und Berichte, dass hochrangige US-Beamte an Attentatsplänen gegen meinen Mann beteiligt waren, lässt sich nicht leugnen, dass ein fairer Prozess im Falle seiner Auslieferung unmöglich ist. Die Verfolgung dieses unschuldigen Journalisten und Verlegers muss ein Ende haben.“

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Kristinn Hrafnsson, Chefredakteur von WikiLeaks, sagt: „Es gibt keine Presse ohne den Schutz, frei zu arbeiten. Der Fall von Julian ist ein Meilenstein; das Vereinigte Königreich muss entscheiden, ob es ein Hort der Pressefreiheit sein will oder ob es sich am Abbau eines Grundwertes unserer Demokratie mitschuldig machen will. Dies ist die letzte Chance für die Richter im Vereinigten Königreich, diese ungerechte Auslieferung eines Unschuldigen zu stoppen.“

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Die Kampagne für die Freiheit von Julian Assange wird von Amnesty International, der National Union of Journalists, Reporter ohne Grenzen und praktisch allen Bürgerrechts-, Pressefreiheits- und Journalistengewerkschaften der Welt unterstützt. Mehr als 70 australische Bundespolitiker haben die USA aufgefordert, die Strafverfolgung einzustellen, und auch in den USA wächst die Zahl der Kongressabgeordneten, die die Einstellung des Verfahrens fordern, stetig.

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Free Assange Berlin

Mahnwache jeden ersten und dritten Donnerstag 18 bis 20 Uhr Pariser Platz vor US-Botschaft

Dok.: free-whistleblower.jimdofree.com/free-assange-berlin-1/

Web: www.freeassange.eu

NachDenkSeiten Gesprächskreis Charlottenburg

jeden ersten und dritten Dienstag im Monat ab 18:30 Uhr

Thilo Haase

Cell: +49 (0)172 456 05 37
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