„Libertäre“ Regierung in Argentinien verfügt weitere massive Kürzungen in Bildung und Wissenschaft

„Libertäre“ Regierung in Argentinien verfügt weitere massive Kürzungen in Bildung und Wissenschaft

„Libertäre“ Regierung in Argentinien verfügt weitere massive Kürzungen in Bildung und Wissenschaft

Ein Artikel von amerika21

Die Regierung von Präsident Javier Milei hat drastische Einschnitte in den Sparten Bildung und Wissenschaft durchgeführt. Dies ist Teil ihres Bestrebens, den Staatshaushalt auf ein Minimum zu reduzieren. So wurden unter anderem die Mittel für Schulspeisungen gestrichen, für viele Kinder war dies das einzige regelmäßige Essen. Der Haushalt für Universitäten reicht nur noch für wenige Monate. Die Situation ist dramatisch. Von Miguel Arndt.

Die Reallöhne der Arbeiter und Angestellten sind auf den tiefsten Stand seit über 20 Jahren gefallen. Allein im Dezember betrug der Rückgang 13 Prozent. Dies liegt an der Abwertung des Pesos unmittelbar nach dem Amtsantritt der Regierung, der Erhöhung von Tarifen, der Aufhebung der Preisbindung für Benzin, Gas und Strom und der in Folge sprunghaft angestiegenen Inflation.

Die Regierung verweigert jedoch der Lehrergewerkschaft die am Anfang jeden Schuljahres üblichen Tarifverhandlungen, sodass das Einkommen von Lehrern und Schulpersonal noch weiter zurückfällt. Aktuell sind noch Sommerferien, in den nächsten zwei Wochen soll jedoch der Unterricht wieder beginnen. Derzeit berät die Gewerkschaft aber über einen möglichen Streik.

Dazu kommt, dass die Zentralregierung in ihrem Streit mit den Provinzgouverneuren auch die Gelder für entsprechende Fördertöpfe komplett gestrichen hat. Milei gibt den Gouverneuren die Schuld für die Zurückweisung seines „Ermächtigungsgesetzes”. Betroffen sind unter anderem der Fonds zur Förderung der Lehrer, mit dem diese vor allem in abgelegenen Gegenden in den Provinzen unterstützt werden sollen, sowie die Mittel für die Schulspeisungen. Letzteres ist besonders gravierend, da gerade in Krisenzeiten wie der jetzigen die Schulen einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Kinder in ärmeren Gegenden darstellen. Vielfach ist dies sogar ein wichtiger Grund dafür, dass Familien ihren Nachwuchs überhaupt in die Schule und nicht zum Arbeiten schicken.

Die Kernwählerschaft der rechten Regierung sieht sich jedoch auch betroffen, da durch die Aufhebung der staatlichen Regelungen auch die Gebühren für die privaten Schulen stark gestiegen sind. Zahlreiche Familien der Mittelschicht stellen derzeit fest, dass sie die Schultarife nicht mehr zahlen können, obwohl diese stark subventioniert bleiben. Viele Eltern sehen sich gezwungen, ihre Kinder auf die staatlichen Schulen zu schicken, was den Druck auf diese noch zusätzlich erhöht. Allerdings hatte die Regierung einen Bonus von 70.000 Pesos (etwa 78 Euro) pro Schulkind für den Kauf von Schulmaterialien für die Schüler der Privatschulen trotz der massiven Kürzungen bei den ärmeren Schichten genehmigt

Aber auch die Universitäten und der staatliche wissenschaftliche Betrieb sind betroffen. Der Haushalt für die Universitäten wurde auf das Niveau vom letzten Jahr eingefroren. Von November 2022 bis November 2023 betrug die Inflation circa 140 Prozent. Allein zwischen Dezember und Januar stieg sie um 52 Prozent, sodass die kumulierte jährliche Inflation bereits bei 252 Prozent liegt. Der eingefrorene Haushalt reicht also nur mehr für wenige Monate.

Ähnlich sieht es bei dem Nationalen Rat für wissenschaftliche und technologische Forschung (Conicet) aus. Dieses ist ein autarkes Institut, das Universitäten und Forschungsinstitute koordiniert und mit Stipendien und Fördergeldern Forschungsprojekte unterstützt. Ein wichtiger Teil seiner Aufgabe sind die Stipendien für Forscher und Doktoranden, mit denen viele Akademiker während Jahrzehnten im Ausland ihre Studien erweitert oder spezialisiert haben. Auch hier wurde das Budget auf dem Vorjahresniveau eingefroren.

In der Verwaltung wurden bereits 49 Personen entlassen und die Ergebnisse von 1.600 Wettbewerben für Stipendien für Doktoranden ausgesetzt.

Am vergangenen Mittwoch wurde ein Stockwerk des Gebäudes Godoy Cruz 2290, zentraler Sitz des Conicet, vorübergehend besetzt. Die Besetzung entwickelte sich nach einer Demonstration und einem ergebnislos verlaufenden Gespräch mit der Institutsleitung. Nach Stunden der trotz starker Polizeipräsenz friedlichen Besetzung verpflichtete sich die Institutsleitung, 600 der ursprünglich 1.300 Stipendien zu garantieren – allerdings erst ab August und nicht ab April. Es gab keine Neuigkeiten über Entlassungen. „Das ist ein Schritt nach vorn im Kampf und deshalb auch ein Grund, die Organisierung und Mobilisierung fortzusetzen. Im Conicet ist niemand entbehrlich. In Argentinien ist niemand entbehrlich”, heißt es in einem Beitrag der Besetzergruppe.

Aufgrund der Gesamtsituation wird aber befürchtet, das wieder eine Abwanderung von Akademikern und Technikern stattfindet wie bereits während der Militärdiktatur und der Krise 2001.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: Shutterstock / Facundo Florit