Bundeskanzler Friedrich Merz hatte am 26. Mai beim WDR-Europaforum in Berlin verkündet, dass es „keinerlei Reichweiten-Beschränkungen“ mehr für Waffen gebe, „die an die Ukraine geliefert worden sind“ und dabei explizit auch auf Deutschland verwiesen. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob diese Merz-Aussage im Perfekt darauf hindeutet, dass seine Regierung bereits den Taurus-Marschflugkörper an Kiew geliefert hat, und wenn nicht, welche anderen deutschen Waffensysteme die Ukraine in die Lage versetzen würden, wie vom Kanzler im selben Zusammenhang verkündet, Ziele im „russischen Hinterland“ zu zerstören. Von Florian Warweg.
Hintergrund:
Im Wortlaut hatte Kanzler Merz am 26. März gegenüber dem WDR unter anderem erklärt:
„Es gibt keinerlei Reichweiten-Beschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns. (…) Die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift. Wir nennen das im militärischen Jargon „long range fire“, also auch mit Waffen die Ukraine auszustatten, die militärische Ziele im Hinterland angreifen. Das ist der entscheidende qualitative Unterschied…“
Danach legte der Kanzler nochmal auf seinem offiziellen X-Kanal nach:
Was @bundeskanzler da macht, "stört das friedliche Zusammenleben der Völker" im Sinne des Art. 26 I GG und ist demnach #verfassungswidrig.
Es ist auch kein Verteidigungsakt, denn es gibt keinen Verteidigungspakt mit #Ukraine. Es ist vielmehr ein Akt der Aggression.
Völlig irre.
— Marcel Luthe – Good Governance (@GGLuthe) May 26, 2025
In Reaktion darauf erklärte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am nächsten Tag, dies seien „ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat“. Zuvor hatte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in diesem Zusammenhang verkündet:
„Ein Schlag mit diesen Raketen gegen russische Einrichtungen (…) wird wie eine direkte Beteiligung Deutschlands an den Kampfhandlungen an der Seite des Regimes in Kiew aufgefasst, mit allen Konsequenzen…“
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 28. Mai 2025:
Frage Warweg
Herr Merz hat am 26. Mai beim WDR-Europaforum in Berlin erklärt, es gebe keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die von Deutschland an die Ukraine geliefert worden seien. Die von Herrn Merz gewählte Formulierung „geliefert worden sind“ ist von der Zeitform her das Perfekt und bezieht sich also auf eine abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit mit Bezug zur Gegenwart. Heißt das im Rückschluss, dass die Bundesregierung bereits Taurus an die Ukraine geliefert hat?
Vize-Regierungssprecher Hille
Die Fragen haben ein Komplexitätsniveau, dass es schwierig ist, ihnen zu folgen. Aber zurück zum Kern: Sie haben den Bundeskanzler, was die Reichweitenbeschränkung angeht, richtig zitiert. Aber wenn Sie daraus Rückschlüsse ziehen, dann sind das Spekulationen, zu denen ich von dieser Stelle aus nicht Stellung nehme. Es gilt das, was der Bundeskanzler gestern zu dem Thema gesagt hat.
Sie kennen unsere Kommunikationslinie, was die Unterstützungsleistungen für die Ukraine angeht. Wir werden an den entsprechenden Stellen im Bundestag natürlich weiterhin vertraulich über die konkreten Unterstützungsleistungen informieren und debattieren, werden aber nicht mehr in der Öffentlichkeit über Stückzahlen, Systemnamen und dergleichen sprechen.
Zusatzfrage Warweg
Der Kanzler hat in diesem Zusammenhang sehr explizit gesagt, dass die Ukraine jetzt in der Lage sei, mit deutschen Waffen das russische Hinterland anzugreifen. Da er deutsche Leopard-Panzer von (sic!) Moskau hoffentlich nicht gemeint hat, würde mich trotzdem interessieren: Welche anderen, von Deutschland gelieferten oder lieferbaren Waffen haben denn die Kapazität, wie vom Kanzler behauptet, Ziele im russischen Hinterland zu zerstören? Dazu bräuchte es ja plus minus mindestens 300 Kilometer Reichweite. Vielleicht könnte uns das BMVg dazu mehr verraten.
Harms (BMVg)
Ich schließe mich erst einmal dem an, was der Regierungssprecher gesagt hat. Wir sprechen nicht mehr zu einzelnen Waffensystemen und auch zu Stückzahlen, die wir geliefert haben. Ich glaube, es gab gestern eine umfangreiche Kommentierung in den Medien. Dem kann man auch entnehmen, welche Waffensysteme da gegebenenfalls in Rede stehen, die wir auch geliefert haben. Es handelt sich jetzt auch um ukrainische Waffensysteme und nicht um deutsche.
Hille
Wenn ich da noch anfügen darf: Der Bundeskanzler hat sich in seinen Aussagen nicht auf deutsche oder aus Deutschland gelieferte Waffensysteme bezogen, sondern er hat allgemein von Reichweitenbeschränkungen gesprochen.
Zusatzfrage Warweg
Beim WDR hat er explizit auf Deutschland Bezug genommen.
Hille
Das ist nach der Lektüre und dem, was ich vom WDR-Europaforum selber gesehen habe, nicht der Fall. Er hat allgemein von Reichweitenbeschränkungen gesprochen.
Zusatzfrage Warweg
Dann hat er drei Länder aufgezählt – darunter auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien -, die jetzt Reichweiten aufgehoben haben, und dann hat er noch einmal betont, dass dies es ermöglichen würde, Ziele im russischen Hinterland zu treffen. Da fände ich es trotzdem nett, wenn das BMVg zumindest ganz grob sagen könnte, wie viele der gelieferten Waffensysteme diese Reichweite von mindestens 300 Kilometern erfüllen. Damit nennt man ja noch nichts Konkretes, einfach nur die Zahl 1, 2, 3, 4.
Harms (BMVg)
Ich werde mich hier zu Einsatzverfahren von Waffensystemen nicht äußern.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 28.05.2025