Sie kaufen die Welt und die einfachen Menschen zahlen den Preis – mit ihrem Geld, ihrer Gesundheit, ihrem Leben. Bei der „SuperReturn International“ versammelt sich die globale Clique der Finanzinvestoren fünf Tage lang zur Nabelschau der Raubtierkapitalisten. Im Berliner Nobelhotel geht es um Lagebesprechung und Pläneschmieden, wie sich mit einem verheerenden Geschäftsmodell noch mehr Leid, sprich noch mehr Profit produzieren lässt. Ein Bündnis aus vier Organisationen protestiert – und ein Rockstar kollaboriert. Von Ralf Wurzbacher.
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Stephen Schwarzman ist, um es klar heraus zu sagen, ein Geldsack. Er scheffelt in einer Minute so viel Kohle, wie ein normaler Beschäftigter in Deutschland in einem Jahr verdient. Sein Gesamtvermögen? Auch nicht normal! Nach Angaben der Wirtschaftszeitschrift Forbes beläuft es sich auf deutlich über 42 Milliarden Dollar – Tendenz steigend. Gleichwohl dürften den 78-Jährigen die allerwenigsten kennen, anders als etwa die Gründer und Chefs führender Techkonzerne wie Jeffrey Bezos, Mark Zuckerberg oder Elon Musk. Während diese stets und gerne im Rampenlicht wandeln, agiert Schwarzman bevorzugt im „Untergrund“. Der US-Amerikaner ist Mitbegründer, Chairman und CEO von Blackstone, dem aktuell weltgrößten Finanzinvestor. Dessen Erfolgsrezept lässt sich auf die Formal herunterbrechen: Sorge dafür, dass es möglichst vielen und immer mehr Menschen schlecht geht, dann füllt sich die Kasse.
Das ist nichts, womit man unbedingt hausieren geht. Aber ganz meiden lässt sich die Öffentlichkeit eben auch nicht immer – dann zum Beispiel, wenn es gilt, mit seinesgleichen die nächsten Raubzüge zu planen. Dieser Tage steigt in Berlin das, wie es heißt, „höchste Forum für privates Kapital“ in der, wie der Gastgeber ebenso so unbescheiden plakatiert, „Metropole des Privatkapitals“. Vom 2. bis 6. Juni kommen mehr als 5.500 hochrangige Entscheidungsträger und über 4.500 Finanzinvestoren aus über 70 Ländern zur „SuperReturn International“ in der deutschen Hauptstadt zusammen. Um dabei sein zu dürfen beim Stelldichein der Turbokapitalisten, würden 6.000 Euro Teilnehmergebühr fällig, wusste die tageszeitung (taz) im Vorfeld zu berichten. Das ist kaum mehr als ein Trinkgeld für einen Kreis an Geschäftemachern, die laut Veranstalter Vermögenswerte von 50 Billionen Dollar repräsentieren.
Kaufen, ausschlachten, losschlagen
Gleichwohl herrsche gerade Krisenstimmung und sei zu bereden, wie man sich von der „Flaute der vergangenen Jahre“ erholen kann, schrieb am Montag das Handelsblatt (hinter Bezahlschranke). Angesichts der unruhigen Zeiten – Donald Trump, Ukraine-Krieg, gestiegene Zinsen – sollen selbst die schlimmsten Hasardeure der Finanzwelt „vorsichtig“ geworden sein. Allerdings bedeutet „Vorsicht“ mitnichten weniger Rücksichtslosigkeit. Das Geschäftsmodell von Finanzinvestoren, im Speziellen das sogenannter Private-Equity-Gesellschaften (PEG), besteht darin, im großen Stil Unternehmen aufzukaufen, sie auszuschlachten, zu filetieren, im Orwell-Sprech zu „strukturieren“ und „effizienter“ zu machen, um sie nach in der Regel fünf bis sieben Jahren gewinnbringend zu veräußern. Dabei werden die Investoren, bei denen sie das Geld einsammeln, mit Renditen von 20 Prozent und mehr gelockt, und lange Zeit konnten die Versprechen auch eingehalten werden.
Nach Zahlen der Unternehmensberatung Bain & Company besaßen Finanzinvestoren Ende 2024 weltweit 29.000 Firmen. Allerdings begnügen sie sich längst nicht mehr mit Start-ups und klassischen Unternehmen aus dem produzierenden oder Dienstleistungsgewerbe. Vielmehr dringen sie immer stärker in Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge vor und dabei mit Vorliebe in den Gesundheitssektor. Ein Bündnis, bestehend aus der Bürgerbewegung Finanzwende, der Gewerkschaft ver.di, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dem Deutschen Mieterbund (MDB) betreibt anlässlich der „SuperReturn“ mit erhellendem Pressematerial Aufklärungsarbeit.
Beste Beute mit der Pflege
Beispiel Alloheim: Die Pflegeheimkette mit Sitz in Düsseldorf befindet sich seit 2017 im Besitz der schwedischen Nordic Capital, davor gehörte sie schon einmal Star Capital und Carlyle, ebenfalls zwei große Tiere im Private-Equity-Business. Die Übernahme durch die Skandinavier wurde im Wesentlichen auf Pump gestemmt, woraufhin allein zehn Prozent des Umsatzes direkt in die Schuldentilgung flossen. Zudem musste Alloheim fast sämtliche seiner Immobilien losschlagen und mietet sie nun teuer zurück. Das alles, gerade auch die enormen Ausschüttungen an die Geldgeber, muss irgendwie „gegenfinanziert“ werden, und hier kommen die Beschäftigten ins Spiel. Üblich sind in der Pflege Personalkosten im Verhältnis zum Gesamtumsatz von über 70 Prozent. Bei Alloheim sind es bloß 55 Prozent.
„Nicht die Pflege, sondern die Rendite steht im Zentrum dieses Systems“, bilanziert das Bündnis. Während die Manager im Geld schwämmen, kämpften Pflegekräfte um faire Arbeitsbedingungen und Bewohner um eine würdevolle Versorgung. Nach einer Erhebung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehörten 2022 rund 30 Prozent der Pflegeheimplätze hierzulande Private Equities. Die Akteure kaufen sich zudem vermehrt in Arztpraxen, Kliniken und sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) ein. „Vorbildlich“ sind hier wie so oft die USA. Dort würden in den gekaperten Krankenhäusern „Stürze, Sepsisfälle und Wundinfektionen“ messbar zunehmen, und in privatisierten Pflegeeinrichtungen sei sogar die Sterblichkeitsrate gestiegen.
Heizen gegen soziale Kälte
Fürs große Geld geht manch einer mithin über Leichen. Wobei wohl die wenigsten der Anleger überhaupt wissen dürften, was ihr Kapital so alles anrichtet. Der moderne Finanzkapitalismus ist so schön anonym und keimfrei. Er vernichtet Existenzen en masse, aber die Profiteure kriegen es gar nicht mit. Früher musste man als Fabrikant noch mitansehen, wie sich die Malocher an den Hochöfen die Gesichter versengten. Heute streicht der Rentier die Rendite ein und spendet generös an UNICEF, derweil Kinder in afrikanischen Kobaltminen Gesundheit und Leben verlieren und der Fondsmanager den Super Return einfährt. Als solcher wird ein Gewinn bezeichnet, der alle Erwartungen übersteigt. Und in Berlin huldigt man den niedersten Instinkten noch bis Freitag bei der Festgala der Skrupellosigkeit.
Die bekommt auch der einfache Gaskunde zu spüren. Wie Bündnisvertreter am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz aufzeigten, veräußern immer mehr Immobilienbesitzer die Heizanlagen ihrer Häuser an sogenannte Contracting-Firmen, die wiederum die Wärme über die Nebenkosten an die Mieter verkaufen. Dabei kalkulierten sie „wenig transparent und schlagen saftige Gewinnmargen auf“. Hinter besagten Unternehmen, hierzulande etwa Ista und Techem, die gemeinsam über 50 Prozent des Marktes beherrschen, stehen vielfach Private-Equity-Gesellschaften. Dabei sei Techem quasi der „Wanderpokal“ der Szene. Der Anbieter wird von einem zum nächsten Akteur gereicht und die Spirale der Abzockerei mit jeder Transaktion weitergedreht. Auch der nächstgrößere Player, die Getec Group, ging vom Finanzinvestor EQT an den JP Morgan Infrastructure Fund über.
Schneeballsystem
Das Beispiel mache deutlich, „wie tief Finanzinvestoren mittlerweile in weite Teile des Wohnungsmarktes vorgedrungen sind“ und wie sie die allgemeine Notlage verschärften. Franz Michel vom Deutschen Mieterbund wies auf das Gebaren der Adler Group hin. Die sei bekannt dafür, ihre Immobilienbestände „systematisch verkommen zu lassen“, um Kosten zu sparen. Bei der Übernahme von Deutsche Wohnen durch Europas Marktführer Vonovia vor wenigen Monaten habe sich dieser durch Nutzen einer Gesetzeslücke die Grunderwerbssteuer gespart. Mit Tricksereien würden im Sinne der Profitmaximierung systematische Mieterhöhungen durchgesetzt und Reglementierungen umgangen, führte Michel aus. Das treffe vor allem auf Sozialwohnungen zu, die eigentlich Mietpreise regulieren sollten.
Wie Welt-Online (hinter Bezahlschranke) zu Wochenanfang schrieb, ist das Weiterreichen von Unternehmen innerhalb der Branche inzwischen eine gängige Masche, um der Krise zu begegnen. Die höheren Zinsen machten es demnach schwieriger, die Renditeversprechen zu erfüllen, weshalb Finanzinvestoren „sich zunehmend von sich selbst ernähren“. So verkauften sie von ihnen übernommene Firmen „schon seit Jahren auffallend häufig an andere Private-Equity-Gesellschaften, die ihre Wertsteigerungskünste dann an einem eigentlich bereits durchoptimierten Unternehmen erproben können“. Immer häufiger legt ein und derselbe Anbieter sogar einen neuen Fonds auf, der das Portfolio eines ausgelaufenen Fonds schluckt. Nicht allen Geldgebern schmeckt das. Schon 2022 hätten Vertreter großer Vermögensverwalter kundgetan, dass sie die Praktiken zunehmend an ein „Schneeballsystem“ erinnerten, heißt es in dem Beitrag. Die Fortsetzungsfonds seien „der größte Schwindel überhaupt“, wird der ägyptische Milliardär Nassef Sawiris zitiert.
Heuschrecken hereinspaziert
Merke: Solange beim Geldauspressen der kleinen Leute die Profite sprudeln, ist alles prima. Aber sobald es einmal hakt, wittern die Absahner Betrug. Dabei ist das Treiben von Finanzinvestoren seit jeher nichts weniger als „kriminell“, nicht im juristischen Sinne, denn die Regeln und Gesetze besorgt die Finanzlobby. Und wenn doch gegen Recht und Ordnung verstoßen wird, wie es häufig und systematisch geschieht, versagt die Strafverfolgung. Vor ziemlich genau 20 Jahren hatte Franz Müntefering als damaliger SPD-Vorsitzender die Verheerungen durch Private Equity mit denen durch „Heuschrecken“ verglichen – und lag damit sehr richtig. Dass die Diskussion rasch ausklang und nicht einmal nach der globalen Finanzkrise 2008 wieder auflebte, mag die Einflussmacht der Branche verdeutlichen und die Willfährigkeit, mit der die Politik den Akteuren noch jede Tür zu praktisch allen Sphären der Gesellschaft aufgesperrt hat.
Wer ahnt zum Beispiel, dass die großen deutschen Nachhilfeanbieter (Schülerhilfe, Studienkreis) die Beute von Renditejägern geworden sind, Stichwort „Sechs sells“, oder dass heutzutage immer mehr Agrarland in die Hände von Finanzdienstleistern wandert, weil üppige Subventionen und hohe Pachteinnahmen es so attraktiv machen. Ein bevorzugtes Mittel der Wahl sind sogenannte Share Deals. „Dabei kaufen sie nicht das Land direkt, sondern Anteile an Unternehmen, die das Land besitzen“, schreibt das Bündnis aus Finanzwende, ver.di., Mieterbund und AbL. „So umgehen sie die Grunderwerbssteuer.“ So habe sich der Versicherer Münchener Rück, „ein Stammgast bei der SuperReturn“, 2015 auf diesem Weg 2.300 Hektar Land gesichert. „Die Folge: Schätzungsweise 1,8 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgingen dem Staat. Inzwischen gehören diese Flächen bereits dem nächsten Finanzinvestor.“ Und natürlich zahlt am Ende auch der Verbraucher die Zeche – durch steigende Lebensmittelpreise.
Bono gibt den Hofnarren
Am Dienstag schlugen die vier Bündnisorganisationen mit einer Protestaktion vor dem Berliner Interconti-Hotel auf. „Den Preis für diese Geschäfte zahlen wir alle“, bekräftigte dabei Jorim Gerrard, Experte für Finanzsystem und Realwirtschaft bei Finanzwende. Finanzinvestoren wirkten wie „Ungleichheitsmaschinen, sie verschieben Reichtum systematisch von unten nach oben“. Und sie handelten nicht mit Spielgeld, „sondern mit den Lebensumständen echter Menschen“. Aber man könne die Branche in die Schranken weisen, „wenn genügend Menschen das wollen“, glaubt Gerrard. Ein Rezept wäre es für ihn, Ausschüttungen von Renditen gesetzlich zu begrenzen.
Warum so zimperlich? Wieso nicht gleich das ganze Geschäftsmodell verbieten? Regierende könnten das, zum Wohle der Allgemeinheit. Man müsste ihnen nur Beine machen. Und Bono gleich mit. Der Sänger der Kultband U2 darf bei der „SuperReturn“ am Donnerstag einen Vortrag halten – irgendwas zu „langjähriges Vertrauen in die Macht der Geschäftswelt, Entwicklung voranzutreiben“. So kann man sich täuschen (lassen). Der irische Rocker wird gemeinhin als rastloser Weltverbesserer gehandelt. Hofnarr trifft es, zumindest bei diesem Auftritt, besser.
Titelbild: Stokkete / Shutterstock