Laut einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage sprechen sich 75 Prozent aller Bundesbürger wegen des Vorgehens in Gaza gegen weitere Waffenlieferungen nach Israel aus, darunter auch 71 Prozent der CDU-Wähler. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob dies ein gesellschaftliches Stimmungsbild ist, das dem Kanzler bekannt ist und ihn zum Nachdenken bringt, was seine bisherige positive Haltung zu weiteren Waffentransporten nach Israel angeht. Zudem kam das Thema der völkerrechtlichen Verantwortung der Bundesregierung für das derzeit im Mittelmeer befindliche Frachtschiff HC Opal auf, welches nach aktuellem Stand einem deutschen Schifffahrtsunternehmen gehört, in Deutschland registriert ist und 23 Container mit RDX- und TNT-Sprengstoffen sowie Zündern und Raketenmotoren zum Bau von Luft-Boden-Raketen und Bomben nach Israel transportiert. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Hintergrund:
Wenn es nach den Bürgern ginge…
Am 3. Juni veröffentlichte das Nachrichtenmagazin stern eine beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zu deutschen Waffenlieferungen nach Israel. Das Ergebnis ist laut stern klar:
„Wegen Israels Vorgehen in Gaza sind 75 Prozent der Deutschen dafür, Waffenlieferungen vorerst zu stoppen. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des stern. Nur 14 Prozent sind dafür, weiter Waffen aus Deutschland nach Israel zu exportieren. Elf Prozent äußern sich nicht.
Unter den Anhängern der Parteien gibt es in der Frage der Waffenexporte keine großen Unterschiede: Alle sind mit großer Mehrheit für einen Lieferstopp. Vor allem die Wähler der Linkspartei (94 Prozent), der Grünen (78 Prozent), aber auch von AfD (77 Prozent), SPD (76 Prozent) und CDU/CSU (71 Prozent). Die Befürworter weiterer Waffenlieferungen finden sich noch am ehesten unter den Anhängern von SPD und Union. Aber auch dort sind es nur rund ein Fünftel.“
Nur einen Tag vor der Veröffentlichung hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion bekanntgegeben, dass sie bis Mitte Mai 2025 Rüstungslieferungen nach Israel (vor allem Feuerwaffen, Munition und Spezialpanzer) in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro (485.103.796 Euro) genehmigt hat.
Diese von Deutschland nach Israel gesendeten Waffen werden nachweislich in Gaza eingesetzt. Ein konkreter Fall ist die von Deutschland an Israel gelieferte mobile Panzerabwehrwaffe „Matador“ (zu Deutsch „Schlächter“). Es gibt unzähliges verifiziertes Bildmaterial, welches den Einsatz dieser extra für den Einsatz im Häuserkampf entwickelten Mehrzweckwaffe gegen zivile Ziele in Gaza zeigt (die NachDenkSeiten berichteten).
Déjà-vu im Mittelmeer: Deutsches Frachtschiff liefert Sprengstoff für Bombenbau in Israel
Bereits im Oktober 2024 hatten die NachDenkSeiten über den Fall der „MV Kathrin“ berichtet und mehrmals in der BPK dazu nachgefragt (hier und hier) Das einer deutschen Reederei in Lübeck gehörende Frachtschiff, welches tonnenweise RDX-Sprengstoff für Raketen und Bombenproduktion an Israel liefern wollte, wurde in Folge von zahlreichen Ländern, darunter auch EU-Partnern wie Malta und Portugal, mit der Begründung sanktioniert, dass man nicht wegen Komplizenschaft bei einem Völkermord angeklagt werden will.
Jetzt scheint sich dieses Szenario zu wiederholen. Die „HC Opal“, ein derzeit im Mittelmeer befindliches Frachtschiff, welches nach aktuellem Stand einem deutschen Schifffahrtsunternehmen gehört und in Deutschland registriert ist, soll 23 Container mit RDX- und TNT-Sprengstoff sowie Zündern und Raketenmotoren zum Bau von Luft-Boden-Raketen und Bomben in Israel transportieren. Antigua und Barbuda, der Flaggenstaat des Schiffes, hat erklärt, das Schiff dürfe keine Waffen und Rüstungsgüter nach Israel bringen. Daraufhin hat die „HC Opal“ laut Aussagen des jüdisch-israelischen Journalisten und Rüstungsexperten Dr. Shir Hever gegenüber den NachDenkSeiten seine GPS-Ortung ausgeschaltet und fährt derzeit „sozusagen schwarz“ durch das Mittelmeer mit Zwischenziel Zypern. Dr. Hever, der zudem für die BDS-Bewegung als „Koordinator der Waffenembargo-Kampagne“ tätig ist, führt zur Ladung des Frachtschiffs weiter aus:
„Nachdem Israel schnell seine Munitionsvorräte aufgebraucht hatte und mit einem wachsenden Waffenembargo konfrontiert ist, hat die israelische Regierung angeordnet, dass israelische Rüstungsunternehmen inländische Produktionslinien für Granaten und Bomben einrichten – dafür benötigen sie die Rohstoffe, die mit der HC Opal geliefert werden.
Die gesamte Ladung besteht aus Rohstoffen für die Herstellung von Artilleriegeschossen und Luft-Boden-Raketen und Bomben. Eine einzige MK84-Bombe kann ein ganzes Wohnhaus zerstören und ganze palästinensische Familien auslöschen. Viele dieser Bomben explodieren nicht, und die israelischen Streitkräfte benötigen neue Zünder, um die Tödlichkeit ihrer Waffen zu erhöhen.“
Vor diesem Hintergrund ist es recht aufschlussreich, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius in der BPK (erfolgreich) versuchte, die Fragen zum Thema nur von ihm „beantworten“ zu lassen, und die fachliche Involvierung des Verkehrsministeriums (BMDV) verneinte. Dabei ist das Verkehrsministerium, der Name lässt es schon erahnen, natürlich bei Bundesbezug zuständig für das Thema zivile Seefahrt. Bei der letzten Frage der NachDenkSeiten zur schon erwähnten „MV Kathrin“ am 23. Oktober 2024 intervenierte das BMDV proaktiv auf Grund seiner (von Kornelius verneinten) Zuständigkeit und erklärte:
„Ich (BMDV-Sprecher Alexandrin) kann zum flaggenrechtlichen Teil vielleicht noch etwas ergänzen. Es ist so: Wenn ein Flaggenstaat beschließt, ein Schiff nicht mehr unter seiner Flagge zu führen, dann fällt es eben auf die jeweilige Flagge zurück, in dessen Staat sich der Eigentümer des Schiffes befindet. Deswegen erfolgte hier ein Wechsel zur deutschen Flagge.“
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 4. Juni 2025
Frage Warweg
Laut einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage sprechen sich 75 Prozent der Bundesbürger wegen des Vorgehens in Gaza gegen weitere Waffenlieferungen aus, darunter 71 Prozent der CDU-Wähler. Herr Kornelius, da würde mich interessieren: Ist dem Kanzler so ein gesellschaftliches Stimmungsbild bekannt, und wenn ja, bringt ihn das zum Nachdenken, was seine bisherige Haltung zu Waffentransporten nach Israel angeht? Laut aktueller Mitteilung der Bundesregierung haben diese bis Stichtag Mitte Mai fast eine halbe Milliarde Euro in Form von Waffen, Munition und Spezialpanzern betragen.
Regierungssprecher Kornelius
Die Position zu Exporten nach Israel hat sich nicht verändert. Sie wissen, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handelt und wir diese stets prüfen. Diese Entscheidung muss im Licht des kompletten Rasters der Umstände getroffen werden. Die Einzelfallentscheidung erfolgt so präzise, dass sich der Bundeskanzler das im Detail vorlegen lässt. Die öffentliche Stimmung ist sicherlich kein Entscheidungskriterium für solche sehr prinzipiellen Entscheidungen.
Zusatzfrage Warweg
Wenn wir gerade beim Thema Waffentransporte sind: Die HC Opal, ein derzeit im Mittelmeer befindliches Frachtschiff, welches nach aktuellem Stand einem deutschen Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in Hamburg gehört und auch in Deutschland registriert ist, soll 23 Container mit RDX- und TNT-Sprengstoffen sowie Zündern und Raketenmotoren zum Bau von Luft-Boden-Raketen und Bomben nach Israel transportieren. Der Flaggenstaat Antigua und Barbuda hat erklärt, das Schiff dürfe keine Waffen nach Israel bringen. Daraufhin hat das Schiff seine GPS-Ortung ausgeschaltet und fährt jetzt sozusagen schwarz durch das Mittelmeer mit Zwischenziel Zypern. Vor diesem Hintergrund würde mich grundsätzlich interessieren: Welche völkerrechtliche Verantwortung trägt die Bundesregierung, wenn eine deutsche Reederei gegen den Willen des Flaggenstaates ein Schiff mit Sprengstoff und weiteren Rüstungsgütern nach Israel losschickt?
Kornelius
Der Vorgang ist mir nicht bekannt; deswegen kann ich daraus momentan auch keine Verantwortung ableiten. Ich kann das gerne prüfen.
Zusatz Warweg
Ich hätte Sie auch gar nicht gefragt, sondern im Zweifel das Auswärtige Amt und das Verkehrsministerium.
Vorsitzende Buschow
Kann ein anderes Haus ergänzen? – Das sieht im Moment nicht so aus.
Kornelius
Ich glaube, das Verkehrsministerium ist für völkerrechtliche Konsequenzen, nach denen Sie gefragt haben, der falsche Ansprechpartner.
Zuruf Warweg
Das überlassen Sie bitte mir. Wir hatten ja den Eindruck – – –
Kornelius
Ich wollte Ihnen nur helfen bei der Entscheidungsfindung auf Ihre Frage.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 04.06.2025
Transport von RDX-Sprengstoff nach Israel durch deutsches Schiff sorgt international für Empörung