Trotz rascher technologischer Innovationen bleiben die Länder des Globalen Südens in den vom Globalen Norden dominierten Systemen zum Schutz geistigen Eigentums gefangen. Diese sind darauf ausgelegt, durch Patente und Lizenzgebühren endlos Einnahmen zu erzielen, während die Länder des Globalen Südens deutlich mehr an Lizenz- und Nutzungsgebühren zahlen, als sie dafür im Gegenzug bekommen. Eine Ungleichheit mit fatalen Folgen. Ein Beitrag von Vijay Prashad, aus dem Englischen übersetzt von Marta Andujo.
Liebe Freunde, Grüße vom Schreibtisch des Tricontinental: Institute for Social Research,
die Zahl in der Grafik, die auf Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) basiert, ist keine Übertreibung. Trotz der wachsenden technologischen und industriellen Kapazitäten von Ländern des Globalen Südens besitzen Länder und Unternehmen des Globalen Nordens weiterhin Patente auf Schlüsselprodukte und fesseln den Süden damit an zeitlich unbegrenzte Patentzahlungen.

Dazu gehören Patentzahlungen für Arzneimittel, digitale Technologien (wie etwa Lizenzgebühren für Software und Telekommunikationsinfrastruktur) und landwirtschaftliche Güter (wie gentechnisch verändertes Saatgut, Düngemittel, Pestizide und Ausrüstung).
Zwar hat sich der wissenschaftliche und technologische Fortschritt im Globalen Süden beschleunigt, mehrere Länder – insbesondere in Asien – haben hochentwickelte Hochgeschwindigkeitszüge, grüne Technologien und Telekommunikationsinfrastrukturen aufgebaut. Doch selbst in diesen Bereichen zahlen die meisten Länder weiterhin hohe Gebühren an Unternehmen des Globalen Nordens, die Patente auf Schlüsselkomponenten besitzen.
Es gibt fünf Bereiche, in denen die Ungleichheit bei den patentbezogenen Zahlungen am größten ist – das heißt, wo Länder des Globalen Südens deutlich mehr an Lizenz- und Nutzungsgebühren zahlen, als sie dafür im Gegenzug bekommen:
1. Arzneimittel. Arzneimittelpatente sind größtenteils im Besitz von Unternehmen mit Sitz in Europa, Japan und den USA. Jüngstes Beispiel für die hohen Kosten des Zugangs zu grundlegenden medizinischen Technologien waren die für den Import von mRNA-Impfstoffen während der Covid-19-Pandemie. Mehrere Länder im Globalen Süden, darunter Südafrika und Indien, waren aufgrund von Patentbeschränkungen und eingeschränktem Technologietransfer mit Verzögerungen und erhöhten Kosten bei der Beschaffung von Impfstoffen konfrontiert. Südafrika entschied letztlich, Impfstoffe von indischen Generikaherstellern wie Cipla und dem Serum Institute zu erwerben, was dem Land über einen Zeitraum von drei Jahren etwa 133 Millionen Dollar einsparte.
2. Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT). Jede Komponente der ICT – von Soft- und Hardware bis zu Halbleitern und Mobilfunknetzen – kostet Länder des Globalen Südens eine Riesensumme – nicht nur wegen der Preise für die physischen Produkte selbst, sondern auch aufgrund der hohen Lizenzgebühren für die zugrunde liegenden Technologien, die oft von exklusiven Patentpools kontrolliert werden (Firmenkonsortien, die Patente verwalten und lizenzieren).
3. Industriemaschinen und Fertigungstechnologien. Patente für wichtige computergesteuerte Maschinen (automatisierte Werkzeuge in der Präzisionsfertigung) sowie für Robotik und andere Präzisionsgeräte (sie sind alle in der Automobil-, Bergbau- und Textilindustrie zentral) gehören größtenteils Firmen im Globalen Norden. Daher sind Länder des Globalen Südens, die ihre Industrialisierung anstreben, gezwungen, diese Technologien zu importieren und ständig Lizenzgebühren zu zahlen, statt sie in Eigenregie zu entwickeln oder herzustellen.
4. Agrarbiotechnologie. Eine Handvoll Unternehmen – wie DuPont, Monsanto (Bayer) und Syngenta – kontrollieren zentrale Agrarbiotechnologien wie etwa Düngemittel, gentechnisch verändertes Saatgut und Pestizide, die alle über teure Lizenzvereinbarungen vertrieben werden. Diese Monopolstellung begrenzt nicht nur die Möglichkeiten der Bauern im Globalen Süden, auf Alternativen zuzugreifen oder diese zu entwickeln – was die Abhängigkeit von ausländischen Firmen verstärkt und die Produktionskosten hochtreibt –, sondern untergräbt auch die Saatgutsouveränität und trägt durch Monokulturanbau, übermäßigen Einsatz chemischer Produkte und Verlust der biologischen Vielfalt zur Schädigung der Umwelt bei.
5. Grüne Technologie. Wesentliche Neuerungen bei Batteriesystemen, Solarzellen und Windenergieanlagen sind durch Patente geschützt, die überwiegend von Firmen aus dem Globalen Norden gehalten werden, was einen Technologietransfer unmöglich macht. In der Folge dessen müssen Länder des Globalen Südens exorbitante Lizenzgebühren zahlen, um Zugang zu diesen Technologien zu erhalten, was ihre Möglichkeiten einschränkt, eigenständig nachhaltige Energiesysteme zu entwickeln.
Diese Ungleichheiten sind in erster Linie der monopolistischen Kontrolle von Innovationen und geistigen Eigentumsrechten durch Unternehmen aus dem Globalen Norden geschuldet, die Länder des Globalen Südens daran hindern, wettbewerbsfähige Alternativen aufzubauen.
Der Mangel an Forschungs- und Entwicklungskapazität in mittleren und kleinen Volkswirtschaften des Globalen Südens spielt eine wesentliche Rolle bei der Reproduktion dieser Ungleichheiten. Dieser Mangel hat seine Wurzeln in einem kolonialen Erbe, das viele Länder des Globalen Südens mit unterentwickelten Bildungseinrichtungen, insbesondere in den fortgeschrittenen Wissenschaften, zurückgelassen hat.
Verschärft wird die Situation zudem durch das neokoloniale Migrationsmuster, bei dem begabte Studierende auf der Suche nach Karrierechancen in den Globalen Norden abwandern.
Schließlich haben es die Staaten des Globalen Südens versäumt, den notwendigen politischen Einfluss aufzubauen, um die internationalen Systeme zum Schutz des geistigen Eigentums infrage zu stellen. Diese Systeme bewahren die Vorteile, die Länder und Unternehmen des Globalen Nordens in früheren Epochen erlangt haben.
Im Jahr 1986 initiierte der Globale Norden – angeführt von den USA – die achte Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), auch bekannt als Uruguay-Runde.
Die vorhergehenden sieben GATT-Runden legten ihren Schwerpunkt hauptsächlich auf die Reduzierung von Zöllen zwischen den Atlantikstaaten und Japan, während die ehemals kolonialisierten Länder kaum einbezogen wurden.
Die Uruguay-Runde verlagerte jedoch die Agenda: Im Austausch für Zugang zu Märkten des Nordens wurde auf die Staaten des Südens Druck ausgeübt, Hindernisse für Investitionen, Technologien und Dienstleistungen aus dem Norden zu beseitigen und ihre Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums zu revidieren. Während dieser Zeit stellten sich die komparativen Vorteile der Monopolunternehmen des Nordens im Bereich der Rechte an geistigem Eigentum und im Dienstleistungssektor als enorm profitabel heraus.
Wichtig ist, dass die Konzepte für die Verhandlungen der Uruguay-Runde nicht von den Ländern kamen, die am Verhandlungstisch saßen, sondern von mysteriösen Gruppen wie der Intellectual Property Coalition und der Multilateral Trade Negotiations Coalition. Wie sich zeigte, bestanden diese Koalitionen nicht aus Ländern, sondern aus den Lobbygruppen wichtiger Monopolunternehmen des Globalen Nordens wie DuPont, Monsanto und Pfizer, die darauf drängten, das Konzept des geistigen Eigentums umzuarbeiten.
Vor der Uruguay-Runde konnten Patente nur für den Prozess angemeldet werden, durch den eine Innovation entwickelt wurde, was es anderen Personen, Unternehmen und Ländern ermöglichte, das gleiche Endergebnis mit einer anderen Methode zu erzielen und Innovationen nachkonstruieren zu können.
Die Uruguay-Runde änderte diesen Grundsatz, indem sie festlegte, dass das Endprodukt selbst patentierbar sein sollte, wodurch dem Patentinhaber unabhängig vom Verfahren zur Herstellung des Endprodukts Lizenzgebühren gewährt wurden.
Dies wurde als „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ oder TRIPS-Abkommen bekannt.
Zehn Länder des Globalen Südens (Ägypten, Argentinien, Brasilien, Indien, Jugoslawien, Kuba, Nicaragua, Nigeria, Peru, Tansania) unter der Führung von Brasilien und Indien begannen, sich zu treffen, um die Gefahren der Uruguay-Runde zu erörtern. Diese Gruppe der Zehn (G10) argumentierte, dass der neue Ansatz zum technologischen Aushungern im Globalen Süden führen würde, mit minimalem Technologietransfer zu extrem hohen Kosten, und zu einem möglichen Zusammenbruch der heimischen technologischen Entwicklung.
Eine Weile sah es so aus, als könnte die G10 einige Zugeständnisse erreichen, doch die USA übten Druck aus, und die Gruppe begann zu zerfallen. 1989 gaben Brasilien und Indien nach, und die Gruppe löste sich auf.
Die Debatte konzentrierte sich dann auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der Europäischen Union über Agrarsubventionen. Als die Uruguay-Runde 1994 abgeschlossen wurde, akzeptierte der Globale Süden das neue, fatale System zum Schutz des geistigen Eigentums und die daraus folgenden Regeln. Das TRIPS-Abkommen wurde zum Kernstück der Welthandelsorganisation (WTO), die im folgenden Jahr ihre Arbeit aufnahm.
Neun Jahre später schlossen sich Indien, Brasilien und Südafrika zu einem Block namens IBSA Dialogue Forum zusammen, der eine Aussetzung der Rechte an geistigem Eigentum und Zwangslizenzen für lebenswichtige Medikamente forderte – besonders antiretrovirale Medikamente zur Behandlung von HIV/AIDS. Ihre Bemühungen trugen zur Entscheidung der WTO vom 30. August 2003 bei, bestimmte Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen zeitweise zu lockern und Ländern ohne Produktionskapazitäten den Import von Generika zu gestatten, die unter Zwangslizenzen stehen.
Das änderte zwar nichts an der zugrunde liegenden Logik des TRIPS-Abkommens (auch bekannt als TRIPS-Prinzip), sicherte aber eine begrenzte Erleichterung für bestimmte Medikamente. (Die Zusicherung der Gates- und Clinton-Stiftungen aus dem Jahr 2003, die Kosten für HIV/AIDS-Medikamente zu senken, war hingegen nur ein Vorwand, um das TRIPS-Rahmenwerk insgesamt zu schützen.)
Diese damalige Annäherung zwischen Brasilien, Indien und Südafrika entwickelte sich schließlich 2009, nach dem Beginn der dritten Weltwirtschaftskrise im Jahr 2007, zum BRICS-Block. Obwohl die BRICS-Staaten wichtige Initiativen in den Bereichen Gesundheit und Technologie auf den Weg gebracht haben, ist es ihnen nicht gelungen, das TRIPS-Prinzip auszuhebeln.
In den 1980er-Jahren begannen Regierungen des Globalen Südens, das Thema anzusprechen, das später als Biopiraterie bezeichnet wurde.
Sie argumentierten, dass viele sogenannte moderne Innovationen – insbesondere in der Landwirtschaft und Pharmazie – ihren Ursprung in traditionellen Wissenssystemen haben, die von Bauern und Heilern in Afrika, Asien und Lateinamerika entwickelt wurden. Das Argument fand allgemein wenig Beachtung, obwohl in einigen wegweisenden Fällen – wie dem Versuch von W. R. Grace, das Neemblatt aus Südasien zu patentieren, und dem Versuch von Phytopharm, Hoodia zu entwickeln, das traditionell vom Volk der San im südlichen Afrika verwendet wird – der Vorwurf der Biopiraterie die Unternehmen dazu zwang, entweder ihre Patente aufzugeben oder ihre Gewinne zu teilen.
Die Debatte in Sachen Biopiraterie führte zu einem Vertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der Unternehmen verpflichtet, die Herkunft der in ihren Produkten verwendeten genetischen Ressourcen und traditionellen Kenntnisse offenzulegen. Dieser Vertrag wird jedoch in der Praxis häufig unterlaufen. Abgesehen davon, dass er deutlich macht, dass eine solche Offenlegung in der Vergangenheit nicht stattgefunden hat, hat er weder den indigenen Gemeinschaften noch den Ländern, in denen sie leben, wesentliche Vorteile gebracht.
Faktisch hat das TRIPS-Abkommen Vorrang vor den WIPO-Bestimmungen und räumt Unternehmen einen erheblichen Spielraum bei der Verwertung traditionellen Wissens ein.
Wenn ich über Biopiraterie und die Regeln zum Schutz geistigen Eigentums bei der Verbreitung grüner Technologien nachdenke, fällt mir der mexikanische Dichter und ehemalige Botschafter Homero Aridjis ein, dessen „Selva Ardiendo” (der brennende Dschungel) eine gute Warnung vor den Regeln sein könnte, die die Welt ersticken:
Die gelben Himmel ähneln tropischen Turners.
Tanzende Palmen werden von gefräßigen Zungen geküsst.
Brüllaffen springen von Wipfel zu Wipfel.
Durch die Rauchschwaden suchen Papageienschwärme
mit verbrannten Schwänzen die Sonne,
die sie verborgen ansieht wie ein verwestes Auge.
Herzliche Grüße,
Vijay
Grafik und Text: CC BY-NC 4.0 creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/
Titelbild: Shutterstock /Andrew Angelov
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