„Ein letztes Aufbäumen in der verlorenen Schlacht um das Deutungsmonopol“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Sie haben im Rudel gejault, statt ihren Job zu machen, sie haben Obama und Hillary mit Lob und Hudel übergossen und Donald in die Tonne getreten.“
Das sagt Bestseller-Autor Mathias Bröckers[*] im NachDenkSeiten-Interview über die Berichterstattung der Medien zu Donald Trump und der Wahl in den USA.
Bröckers, der zur Gründergeneration der taz gehört, hat gerade ein neues Buch veröffentlicht, worin er die aktuelle Entwicklung in den USA literarisch verfremdet als Geschichte erzählt, die an die US-amerikanische Fantasyserie „Games of Thrones“ anknüpft.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Titel des Buches: „König Donald, – Die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron“ lässt erahnen, wie Bröckers die politische Entwicklung in den Vereinigten Staaten wahrnimmt: Als Kampf um die Macht unterschiedlicher Fraktionen, die wie in der Fantasyserie vor nichts zurückschrecken, um an jene Stellen zu gelangen, die die entscheidenden Weichenstellungen in dem Land ermöglichen. Da immer dann, wenn es um Macht geht, die Medien auch eine wichtige Rolle spielen, fällt ihr Verhalten auch im Zusammenhang mit den „unsichtbaren Meistern“ und dem „Kampf um den Thron“ auf.

Ein Interview über „König Donald“ und die Medien.

Das Interview führte Marcus Klöckner.

Herr Bröckers, Donald Trump ist seit über drei Monaten Präsident der USA. Wie fett sollte der Punkt hinter diesem Satz sein?

Ich denke, das ist egal. Würde Trump amtsenthoben, hätten wir Pence; wäre er nicht Präsident geworden, hätten wir Clinton. In einem laut Gore Vidal „Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln“ ist es eigentlich relativ wurscht, wer gerade Präsident ist. Grundsätzlich halte ich es in Sachen USA mit Frank Zappa, der zu den Wahlkämpfen dort schon in den 1970er Jahren feststellte, „Politik ist die Unterhaltungsabteilung der Rüstungsindustrie“.

Sie haben ein Buch geschrieben, das die realen Ereignisse in den USA rund um Trump und seine Wahl zum US-Präsidenten ein klein wenig literarisch verfremdet. Warum dieser Blick auf die Entwicklung in den USA?

Als ich den Wahlkampf beobachtete, fiel mir der römische Dichter Juvenal ein, der Anfang des 2. Jahrhunderts über die Intrigen am Hofe des kaiserlichen Imperiums notierte, es sei „schwierig, keine Satire zu schreiben“. Mit einer verbissenen Kandidatin auf der einen Seite, die ihren weitaus populäreren parteiinternen Konkurrenten mit üblen Tricks aus dem Rennen geworfen hatte – und auf der anderen Seite mit einem großmäuligen Baulöwen und Casinobetreiber, der sich zum Spitzenkandidaten aufgeschwungen hatte. Wenn man einen Schritt zurücktrat und dieses Theater dann tatsächlich als Theater betrachtete, war zu sehen: es ist der alte Kampf um die Macht, es sind die immer gleichen Muster von Intrige und Verrat, es ist ein Real Game of Thrones. Ton und Ambiente dieser Fantasy-Serie schienen mir für eine Beschreibung dann angemessen.

Was ist in den USA passiert? Wie lautet Ihre Erklärung dafür, dass Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde?

Trump ist ein Charismatiker und hat das Publikum überzeugt. Hillary Clinton war so unbeliebt wie kein Präsidentschaftskandidat jemals zuvor. Hätte sie Bernie Sanders nicht weggemobbt, der ebenfalls charismatisch und authentisch rüberkam und die Stadien füllte, wäre Trump heute nicht Präsident.

Was spielt noch eine Rolle?

Clinton stand für das „Weiter so“, Trump und Sanders für einen Politikwechsel. Sie vertraten eine „Anti-Establishment“-Politik mit rechten bzw. linken Einschlägen und die war offenbar attraktiver als eine Fortsetzung des Bestehenden. Dass das nun erstmals von einer Frau als Präsidentin gemacht werden sollte, reichte als Argument nicht aus – und viel mehr hatte Hillary nicht zu bieten…

Werfen wir einen Blick auf das Verhalten und Agieren der Medien im Hinblick auf Trump. Welche Berichterstattung haben Sie wahrgenommen?

Ich hatte mir letzten Herbst einige Auftritte Trumps komplett angeschaut und schon da die Prognose gewagt, dass er große Chancen hat, weil er anders als Hillary das Publikum begeistern kann. In den Medien kam von seinen konkreten Punkten aber fast nur die irre Mauer nach Mexiko zur Sprache , alles andere – Arbeitsplätze im Land zu schaffen, die Infrastruktur wieder aufzubauen, die „regime change“-Politik zu stoppen, mit Russland „klarzukommen“ und als erstes das terroristische Kalifat ISIS „zu eliminieren“ – wurde kaum erwähnt. Aber die Leute jubelten ihm bei seinen Veranstaltungen dafür genauso zu wie für diese Mauer. Das fiel in den Medien völlig unter den Tisch. Trump wurde so einseitig als durchgeknallte, peinliche Figur porträtiert, dass sich bei den Umfragen vor der Wahl viele gar nicht trauten, sich zu ihm zu bekennen. So kam es zu dem Debakel der Demoskopen und Leitmedien, die Clinton 95 % Siegeschancen zusprachen

Gibt es einen Unterschied zwischen der Berichterstattung deutscher und amerikanischer Medien zu Trump?

Eine Untersuchung der Harvard-Universität hat ja gerade gezeigt, dass die Meldungen der ARD-Tagesthemen über Trump zu 98 % negativ gefärbt waren und damit die Negativ-Quote von CNN und den amerikanischen Sendern sogar noch übertrafen. Auch wenn die Studie kritisiert wurde: Mit journalistischer Berichterstattung hat eine solche Einseitigkeit wenig tun, sondern viel mehr mit Propaganda. Grundsätzlich gab es zwischen den deutschen und amerikanischen Medien da keine großen Unterschiede, bis auf die Tatsache, dass das hiesige Publikum für diesen Müll Zwangsgebühren zahlen muss.

Wie erklären Sie sich das Verhalten dieser Medien?

Rudeljournalismus, Opportunismus, Karrierismus, Geistesarmut, Seelenschwäche…

Nun gab es das, was man als einen offenen Schlagabtausch zwischen Trump und den Medien bezeichnen kann. Trump hat immer wieder Medien direkt angegriffen und ihnen eine voreingenommene und unfaire Berichterstattung vorgeworfen. Warum agiert Trump so?

Was diese Unfairness angeht, hat er doch ausnahmsweise vollkommen recht, die Medien ließen und lassen ja kein gutes Haar an seiner prächtigen Eichhörnchenfrisur. Ein Fußballreporter, der jeden Rempler der einen Mannschaft als „grobes Foul“ kommentiert und die brutalen Blutgrätschen der anderen als „faire Härte“ durchgehen lässt, hätte in der Champions League keine Chance, in den Nachrichten über diesen Wahlkampf war es aber umgekehrt, Trump-Bashing gehörte einfach zum guten Ton. Und dass er dann den CNN-Reporter mit „You Are Fake News!“ abkanzelte, war in meinen Augen völlig berechtigt. Dass den Medien darauf nichts anderes einfiel, als Trump nun ebenfalls und noch mehr Fake News nachzuweisen und anzudichten, das hatte und hat dann schon was von Kindergarten: Fake News machen immer nur die anderen.

Trump, Sie erwähnen es auch in Ihrem Buch, macht etwas, was so bisher noch kein Präsident gemacht hat: Er kommuniziert ziemlich direkt über Twitter und übt dabei auch gezielt Medienkritik.
Was hat es mit Trumps Vorliebe für Twitter auf sich? Und: Warum stößt sie so manchem sauer auf?

Er kann direkt mit seinem Wahlvolk kommunizieren und ist weniger auf Hofschreiber und Medien angewiesen, was den Hofschreibern und Medien natürlich stinkt. Trump redet nicht nur, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sondern erreicht damit auch gleich Millionen Follower. Er braucht New York Times, Washington Post, NBC etc. nicht mehr so dringend wie seine Vorgänger, um seine Botschaften rüberzubringen. Dieser Bedeutungsverlust schmerzt und erklärt ein Stück auch die Wut, die Trump aus diesen Blättern entgegenschlägt. So köcheln sie nun schon seit fast einem Jahr die haltlose Legende, dass Trump von Putin auf den Thron gehievt wurde – eine vom Clinton-Lager erfundene Geschichte, die dann durch die „Einschätzung“ von 17 Geheimdiensten untermauert wurde. Also von denselben „unsichtbaren Meistern“, wie ich sie im Buch nenne, die auch schon die Massenvernichtungswaffen des Irak „einschätzten“, ohne irgendeinen Beweis dafür vorzulegen.

Gehen wir auf die deutsche Berichterstattung näher ein. Was ist Ihnen aufgefallen?

Als nach der Wahl zuerst nur von Katastrophe, Meteoriteneinschlag usw. die Rede war und Trump mit dem blutig enthaupteten Kopf von Miss Liberty porträtiert wurde, merkte man, dass die hiesigen Leitartikler von den transatlantischen Think Tanks noch nicht mit neuen Textbausteinen ausgestattet worden waren. Es war nur Stammeln und Staunen und Suche nach Schuldigen bei den „social media“, bei Fake News und Hate Mails. Dass die Leitmedien auf ihre eigene Filterblase hereingefallen waren, dass das von ihnen konstruierte Bild des Wahlkampfs und der Situation in USA selbst ein Fake war und nicht der Realität entsprach, das checkten sie erstmal gar nicht. Und haben es irgendwie bis heute nicht gecheckt, denn sie köcheln das Märchen von russischen Hackern und Putins Manipulation der Wahlen ständig weiter. Dass dazu dann fast ausschließlich anonyme Quellen, „senior officials“ etc. zitiert werden, hindert sie aber nicht daran, diese Kampagne als Journalismus zu bezeichnen

Warum tritt an die Stelle des unaufgeregten, sachlichen Journalismus ein Journalismus, der auf Agitation setzt? Angriffsfläche bietet Trump genügend. Es ist doch ganz leicht, ihn zu kritisieren. Hier hätten Medien eigentlich ein leichtes Spiel.

Dann müssten sie aber auf Trumps konkrete Wahlkampfansagen eingehen: ISIS zu eliminieren und „mit Russland klarzukommen“, was einer seiner militärischen Experten, der Gründer der berüchtigten „Blackwater“-Söldnertruppe, so ausdrückte: „Wir haben mit Stalin den Faschismus besiegt, da werden wir doch mit Putin wohl den Islamismus erledigen.“ ISIS ist aber ein Konstrukt der CIA, finanziert und bewaffnet von Saudis und Kataris und vorangetrieben von Obama und Hillary Clinton als Vehikel im Krieg gegen Syrien und Iran. Das müsste man thematisieren, wenn Trumps Forderung, das Kalifat „von der Erde verschwinden zu lassen“ Realität werden soll. Aber das ist nicht erwünscht – denn damit verlassen wir das Terrain der Politik als Entertainment und landen bei den Interessen der Rüstungsindustrie. Als Trump 60 sinnlose Bomben auf Syrien abfeuerte, bekam er denn auch erstmals gute Presse als „verantwortungsbewusster“ Präsident.

Losgelöst von Trump: Sie kritisieren seit vielen Jahren die Medien. Hat sich etwas zum Positiven verändert? Ist der gelieferte Journalismus der Leitmedien schlimmer geworden?

Als ich 2002 mein erstes Buch über 9/11 veröffentlichte, wurde es von den Leitmedien als „unseriös“ abgetan, weil es Quellenangaben aus dem Internet enthielt ; dass 15 Jahre später keine seriöse Recherche ohne Internetquellen mehr denkbar ist, zeigt den digitalen Wandel. Das Netz hat die etablierten Medien als Hauptinformationsquelle über das Zeitgeschehen abgelöst – und es hat gleichzeitig ihr wichtigstes Monopol gebrochen: die Deutungshoheit über die Wirklichkeit. Daher auch der ganze derzeitige Jammer über Fake News, die immer nur die machen, die die Wirklichkeit anders deuten – was dann dazu führt, dass sich die „Washington Post“ nicht entblödet, eine Liste 200 alternativer Webseiten zu veröffentlichen, im Spektrum von ganz links bis ganz rechts, die allesamt „russische Propaganda“ verbreiten würden. Alles, was nicht durch die Filter der Konzernmedien oder staatlich kontrollierter Organe läuft, als Propaganda oder Fake News zu deklarieren, scheint mir da wie ein letztes Aufbäumen in der verlorenen Schlacht um das Deutungsmonopol. Das Debakel der Trump-Wahl war ein Desaster für alles, was sich „Qualitätsjournalismus“ nennt und ihn schon längst nicht mehr liefert. Zum Positiven hat sich da nichts gewendet, im Gegenteil: das angedrohte „Ende der Freiheit“ und den Polizei- und Überwachungsstaat führt nicht der „Diktator“ Trump ein, daran arbeiten vielmehr die sogenannten „Wächter der Demokratie“, die mit Gerüchten und Lecks, die ihnen von den „unsichtbaren Meistern“ zugesteckt werden, an der Demontage des Präsidenten arbeiten. Das Grundprinzip des klassischen Journalismus – dass eine Nachricht erst als Nachricht gemeldet wird, wenn sie von unabhängiger zweiter Quelle bestätigt ist – hat keine Geltung mehr. Insofern habe ich mir in diesem Buch die Freiheit genommen, gleich Märchen zu erzählen, allerdings mit Links und Quellenangaben.

Gerade hat sich der Chefredakteur von ARD-aktuell zu Wort gemeldet, um im Rahmen der Aktion „Sag es mir ins Gesicht“ das Gespräch mit jenen Mediennutzern zu suchen, die aggressive und beleidigende Kommentare veröffentlichen und die Medien angreifen.
Was halten Sie von dieser Aktion?

Ich finde sie eher peinlich. Während der Ukraine-Krise hatte ich einmal eine Radiodebatte mit Herrn Gniffke und sprach ihn darauf an, dass die „Tagesschau“ einen russischen Einmarsch in der Ukraine gemeldet hatte, mit Bildern von rollenden Panzern, die aber dort nie gefahren waren. Er erklärte das damals mit Versehen und dem Eifer des Gefechts, in dem Front-Korrespondenten ihre Meldungen absetzen, was aber Unsinn ist, denn es kam mehrfach und sicher nicht zufällig vor. Mittlerweile scheint der Tagesschau-Chef in dieser Sache zwar halbwegs einsichtig, was aber im Nachhinein wenig hilft. Denn wie die oben zitierte Studie zeigt, hat man auch beim nächsten weltpolitischen Großereignis – dem Kampf um den Thron des exzeptionalistischen Königreichs – rein gar nichts dazugelernt. Sie haben im Rudel gejault, statt ihren Job zu machen, sie haben Obama und Hillary mit Lob und Hudel übergossen und Donald in die Tonne getreten, so wie sie die pro-westlichen Oligarchen und ihre Nazis in der Ukraine hochjubelten und die pro-östlichen und ihre russischen Helfer in die Tonne treten usw. usf. Ein Ende ist nicht abzusehen und den Zuschauern und Nutzerinnen bleibt nur, sich bei jeder wichtigen Nachricht auch in alternativen Quellen zu informieren und sich selbst ein Bild zu machen.


[«*] Mathias Bröckers ist freier Journalist, gehörte zur Gründergeneration der taz und schrieb zahlreiche Bücher. Zuletzt (mit Paul Schreyer) „Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers“ (2014) und (mit Sven Böttcher) „Die ganze Wahrheit über alles“ (2016). Er bloggt auf broeckers.com.