Wie Obama in die Syrienfalle tappte

Jens Berger
Ein Artikel von:

Wie berichtet wird, hat Präsident Trump der CIA den Stecker herausgezogen und damit die glücklose geheime Bewaffnung der syrischen Rebellen beendet. Das außenpolitische Establishment der USA zeigt sich darüber bestürzt, berichtet Gareth Porter in The American Conservative. Vergangene Woche beschloss ein Sprecher der Trump-Administration, die Medien darüber zu informieren, dass das CIA-Programm zur Bewaffnung und Ausbildung der syrischen Anti-Assad-Kräfte beendet wurde. Das war eine willkommene Nachricht im Hinblick auf die wachsende Verpflichtung des US-Militärs, auch in den kommenden Jahren im Land zu bleiben. Wie ich in meinem letzten Artikel in The American Conservative dokumentierte, war das Resultat dieses Programms seit 2011 die Bewaffnung der al-Quaida-Terroristen, ihrer Dschihadisten und anderer extremistischer Verbündeter, die dadurch rasch eine führende Position bei den militärischen Erfolgen gegen das Assad-Regime erlangten. Von Gareth Porter[*], aus dem Englischen von Josefa Zimmermann.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Artikel ist im Original am 29.07.17 bei consortiumnews.com erschienen.

Die Entscheidung der Trump-Administration, seine Entscheidung zur Beendigung des Programms ausdrücklich anzuerkennen, ermöglicht eine systematischere Analyse der Frage, warum und wie dieses Programm, das die fundamentalen nationalen Sicherheitsinteressen der USA deutlich unterminierte, überhaupt begonnen und so lange fortgeführt werden konnte. Die ursprüngliche Version des 2011 begonnenen Programms ist leichter zu erklären als die direktere Form zwei Jahre später, die zumindest formal bis heute fortgeführt wurde.

Ein Schlüssel zum Verständnis der Grundlagen ist die Tatsache, dass das Programm nicht wegen einer Bedrohung der Sicherheit der USA installiert wurde, sondern einfach, weil man die Möglichkeit dazu sah. Es ist immer ein Gefahrensignal, wenn mächtige US-Sicherheitsbürokraten anfangen, sich Gedanken über einen möglichen „Gewinn“ für die USA machen. (Siehe Vietnam und Irak.)

In diesem Fall sah man eine Chance darin, die aufkommenden Proteste der Opposition gegen das Assad-Regime im Frühling 2011 zu verstärken, wobei die Sicherheitsbeamten glaubten, dass Assad nicht überleben würde. Das nationale Sicherheitsteam sah eine Möglichkeit, den Weg dahin zu verkürzen.

Der ehemalige Sprecher der Obama-Administration Derek Chollet erinnerte in seinem Buch „The long Game“ daran, dass Obamas Berater von einem „organisierten Übergang“ sprachen und den Präsidenten dazu drängten, öffentlich den Rücktritt von Assad zu fordern. Laut Chollet bedeutete dies für die Berater einerseits, Druck von außen auszuüben und andererseits, der Opposition Waffen zur Verfügung zu stellen.

Das war jedoch Wunschdenken, nicht nur hinsichtlich der Bereitschaft eines alawitisch dominierten Regimes, Macht an ihre sektiererischen Feinde abzugeben, sondern auch hinsichtlich der vermeintlichen Bereitschaft des Irans, den Sturz des Regime zu unterstützen. Unter Obamas Beratern gab es keinen, der über ausreichendes Wissen über die Dynamik der Region verfügte, um den Präsidenten darauf hinzuweisen, dass der Iran den Sturz des syrischen Verbündeten durch eine von den sunnitischen Staaten und den USA gestützte Opposition nicht mittragen würde.

Der entscheidende Faktor jedoch, der die Administration zum Handeln zwang, war der Druck der sunnitischen US-Verbündeten in der Region, Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Sie brachten Obama im Herbst 2011 dazu, ihnen beim Aufbau einer Oppositionsarmee und bei ihrer Ausrüstung mit Waffen zu helfen. Führend war dabei die Türkei, die das Einverständnis Washingtons forderte, die damals noch gar nicht existierenden Rebellen mit schweren Waffen einschließlich Flugabwehr- und Panzerabwehrraketen auszustatten und die sogar anbot, Syrien anzugreifen, um das Regime zu stürzen, wenn die USA die Luftabwehr garantieren.

Obama unter Druck

In der Ideologie der nationalen Sicherheitselite – besonders im demokratischen Flügel – sind regionale Allianzen wesentliche Bausteine der US-geförderten globalen „regelbasierten“ Ordnung. In der Praxis dienten sie aber als Instrumente zur Ausweitung der Macht und des Prestiges der nationalen Sicherheitsbürokratie.

Die Finanzhilfen an die US-Verbündeten im Nahen Osten konzentrierten sich auf die Militärbasen in der Türkei, Saudi-Arabien und Katar, die dem Pentagon und den Geldgebern erlaubten, diejenigen Operationen zu planen und durchzuführen, die außergewöhnlich hohe Militärausgaben garantierten. Die umfangreichen saudischen Waffenkäufe und die Finanzierung von verdeckten Operationen waren der Grund, warum die CIA gegenüber dem Kongress nicht zugeben will, dass diese mächtigen Organisationen und ihre Spitzenbeamten den Hauptvorteil davon genießen.

Außerdem war CIA-Direktor David Petraeus besonders daran interessiert, eine verdeckte Operation zur Bewaffnung und Ausbildung der syrischen Opposition zu organisieren. Da die Sicherheitsbürokratie den Wunsch der Verbündeten, Assad zu stürzen, unterstützte, übernahm Hillary Clinton, die als Ministerin immer mit Krieg sympathisierte und ihn strategisch vorbereitete, eifrig die Führungsrolle in der Administration bei der Bewaffnung der Rebellen und dem Ruf nach einer Flugverbotszone, die die Türkei so dringend forderte.

Trotz dieser Anzahl zusammenhängender Faktoren, durch die die Administration in Richtung „Regime Change“ gedrängt wurde, lehnte Obama den Einsatz schwerer Kriegswaffen ab, ebenso eine Flugverbotszone und eine offizielle Rolle der USA bei der Waffenlieferung. Er war jedoch einverstanden mit einer verdeckten Operation der CIA, geplant von Petraeus, Waffen aus den Lagern der libyschen Regierung in Bengasi auf Schiffe zu verladen und den Transport in das Kriegsgebiet zu organisieren. Auf diese Weise beschwichtigte Obama die Akteure, die auf eine aggressive Politik des „Regime Change“ drängten, ohne sich öffentlich zum „Regime Change“zu bekennen.

Dieses Programm, das im Oktober 2011 seinen Anfang nahm, wurde abrupt im September 2012 durch den Angriff auf das Nebengebäude der Botschaft beendet. Aber damals wusste die Obama-Regierung bereits, dass Waffen in die Hände von al Nusra, dem syrischen Ableger von al Quaida, gelangt waren, wie ein Sprecher der Administration der New York Times mitteilte.

Inzwischen waren die Saudis, die Türkei und Katar fieberhaft damit beschäftigt, Gruppierungen zu bewaffnen, die militärisch mit der al-Nusra-Front kooperierten. Darüber hinaus begannen die Saudis in Osteuropa schwere Waffen einzukaufen, mit dem klaren Ziel, eine große konventionelle Armee auszurüsten.

Die Gefahrensignale einer völlig fehlgeschlagenen Strategie hätten kaum deutlicher sein können. Doch in diesem Augenblick im Herbst 2012 nahmen Clinton und Petraeus einen neuen Anlauf, ihre eigenen, handverlesenen „moderaten“ Gruppierungen mit Hilfe der CIA zu bewaffnen. Clinton argumentierte bei einem Meeting im weißen Haus, die USA müssten mit von der Partie sein, um die sunnitischen Verbündeten zu überzeugen, dass die Waffen nicht in die Hände der Terroristen geraten dürfen. Doch Obama bügelte diesen Vorschlag ab mit dem Hinweis auf das unrühmliche Ende des afghanischen Abenteuers der USA in den 1980er Jahren.

Während die Debatte Ende 2012 und Anfang 2013 weiterging, fertigte die CIA mehrere Studien über frühere Bemühungen, Rebellenarmeen selbst aufzubauen, an, und zwar nachweislich im Auftrag des Weißen Hauses. Die Ergebnisse waren wenig ermutigend, wie jemand, der Obamas Position vertrat, der New York Times steckte.

Obamas fataler Fehler

Aber dann, Anfang Dezember 2012, machte Obama einen fatalen Fehler. Er führte eine „Rote Linie“ ein – den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien. Natürlich wurden wenige Wochen danach die regimetreuen Rebellen angeklagt, in Homs einen Anschlag mit Sarin verübt zu haben. Und obwohl die Obama-Administration schnell ermittelte und herausfand, dass Tränengas eingesetzt wurde, folgten darauf weitere Anklagen wegen des Einsatzes chemischer Waffen durch das Regime im März und April 2013, wobei die Beweise äußerst dürftig waren.

Natürlich ergriff Obamas nationales Sicherheitsteam zusammen mit den sunnitischen Verbündeten die Chance, noch mehr Druck auszuüben zugunsten eines neuen US-Programms zur direkten militärischen Unterstützung der „moderaten“ Kräfte. Obama aber wollte vermeiden, noch tiefer in den syrischen Konflikt hineingezogen zu werden. Die Administration brachte den Geheimdienst sogar dazu, einen wenig schlüssigen Bericht über die angeblichen Chemiewaffen zu veröffentlichen.

Doch schließlich gab Obama ein zweites Mal seine Zustimmung zu einem CIA-Programm, das Hilfe bei der Bewaffnung der Anti-Assad-Kräfte beinhaltete. Damit konnte er seinen eigenen nationalen Sicherheitsapparat und die US-Verbündeten beschwichtigen und zugleich ein offenes Bekenntnis zum Krieg vermeiden. Und als im Rahmen dieses Geheimprogramms wochenlang nichts geschah, nutzte Obamas nationales Sicherheitsteam eine angebliche Krisensituation im Krieg, um den Druck auf ihn zu erhöhen, entschiedener vorzugehen.

Minister John Kerry und einige glücklose CIA-Beamte veranlassten, dass ein Rebellenführer während eines Meetings im Weißen Haus anrief und behauptete, dass syrische und Hisbollah-Streitkräfte damit drohten, den gesamten Anti-Assad-Widerstand zum Kollabieren zu bringen.

Kerry warnte davor, dass Obama von den US-Verbündeten für diese Entwicklung verantwortlich gemacht würde und schlug einen Raketeneinsatz gegen die Assad-Streitkräfte vor. Innerhalb weniger Tage forderte das Weiße Haus eine neue Bewertung der Lage durch den Geheimdienst, in der die sichere Überzeugung zum Ausdruck gebracht wurde, dass das syrische Regime wiederholt Sarin eingesetzt hatte, und publizierte dieses Resultat sofort.

Gleichzeitig gab das Weiße Haus zum ersten Mal öffentlich bekannt, dass die USA die oppositionellen Kräfte direkt unterstützen wollten und ließ die New York Times wissen, dass dies auch militärische Hilfe einschloss.

In dem Moment, als Washington hätte Druck auf seine Verbündeten ausüben müssen, die Anti-Assad-Kräfte nicht weiter mit Waffen zu versorgen und dadurch systematisch Macht und Einfluss von Al Quaida in dem Land zu verstärken, gaben die USA klein bei.

Dafür gab es einen einfachen Grund. Die mächtige nationale Sicherheitbürokratie drohte damit, Obama die Schuld für das Scheitern ihres heldenhaften Kampfes zur Rettung des Anti-Assad-Krieges zuzuschreiben.

Die Lektion aus dieser Affäre ist klar. Eine böswillige Allianz zwischen der mächtigen nationalen Sicherheitsbürokratie und den Nahost-Verbündeten, die sich gegenseitig Vorteile verschafft, setzt das Weiße Haus unter Druck, Maßnahmen zu billigen, die die realen Interessen des amerikanischen Volkes bedrohen und Terroristen stärken.

Diese Situation kann nur verändert werden, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese gefährliche Allianz der Interessen gelenkt wird, der so lange freie Hand gewährt wurde.


[«*] Gareth Porter ist freier investigativer Journalist und Gewinner des Gelhorn Prize for Journalism 2012. Er ist Autor des kürzlich erschienenen Buches Manufactured Crisis: The Untold Story of the Iran Nuclear Scare. Dieser Artikel erschien erstmals in The American Conservative.