Kritik und Widerstand – Das Buch „Krieg und Frieden in den Medien“

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Der Sammelband „Krieg und Frieden in den Medien“ stellt eine Fülle an interessanten medienkritischen Beiträgen prominenter Autoren zusammen. Die Texte, die zur gleichnamigen Tagung der „International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms“ (IALANA) entstanden sind, zeigen zum einen die Mitschuld vieler Medien an aktuellen Konfrontationen und wie wichtig darum der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit ist. Zum anderen werden mögliche Wege aus der medialen Misere aufgezeigt. Von Tobias Riegel

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Tagung „Krieg und Frieden in den Medien“ der deutschen Abteilung der „International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms“ (IALANA) von 2018 in Kassel wirft zunächst folgende Frage auf: Warum veranstaltet eine Vereinigung von Juristinnen und Juristen, die sich in erster Linie für die Abschaffung von Atomwaffen ausspricht, eine Tagung zur Medien-Entwicklung? Das liege daran, so die Veranstalter, dass man die Themen Krieg/Frieden einerseits und mediale Manipulation andererseits nicht trennen könne: Als Friedensaktivist stoße man immer wieder auf Artikel, „bei deren Studium man stutzt: Da fehlt doch die Hälfte.“ Dem ist zuzustimmen: Viele große Medien haben sich an aktuellen Konfrontationen mitschuldig gemacht. Die von den IALANA-Machern hier angesprochene mediale Verkürzung ist nur eine unter zahlreichen Strategien der Meinungsmache: Sie ist etwa bei den Berichten über Syrien oder die Ukraine zu beobachten, die erst mit dem Eingreifen Russlands einsetzen, und somit die Entstehung der Konflikte und die Benennung der tatsächlich Verantwortlichen unterschlagen.

Durch diese Unterschlagung wichtiger Informationen und Vorgeschichten wird es weniger informierten Konsumenten unmöglich gemacht, Konflikte eigenständig zu beurteilen – sie werden zu Spielbällen der medial verzerrten „Interpretationen“. Diese tendenziösen Interpretationen durch große Medien werden aber durch die Existenz von alternativen Medien und mutigen Einzelpersonen aus Publizistik und Politik erschwert – das macht diese Medienschaffenden so wichtig. Es ist Veranstaltungen wie der IALANA-Tagung zu verdanken, dass diese Streiter für ausgewogene Informationen zusätzliche Aufmerksamkeit erfahren. Und es ist das Verdienst des hier besprochenen Sammelbandes, dass die wichtigen Vorträge, Aufsätze und Podiumsdiskussionen der Tagung nun dem Vergessen entrissen sind: Denn die Beiträge haben Gültigkeit weit über die Tagesaktualität der Konferenz hinaus.

Facettenreiche Standortbestimmung der Medienkritik

Im Vorwort des Buches skizziert Peter Becker die Intentionen der IALANA-Tagung: Neben einer kritischen Sicht auf aktuelle Konflikte und einer Analyse der genutzten Propagandatechniken soll auch eine Skizze der Entwicklung bei den alternativen Nachrichtenkanälen erstellt werden. Bei dieser Entwicklung einer Gegenöffentlichkeit ist die wichtige Rolle interessant, die mittlerweile dem politischen Kabarett als mediales Korrektiv zukommt. Vor allem die „Anstalt“ hat sich in diesem Zusammenhang große Verdienste erarbeitet – da verwundert es nicht, dass gleich im ersten Beitrag Max Uthoff von der „Anstalt“ darlegt, wie „Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“. Denn die ZDF-Sendung verbindet Zweierlei: Die Verbreitung von (auch im Haussender) unterdrückten Informationen – und eine unterhaltsame Vermittlung dieser teils unverdaulichen Infos. Im Gespräch erzählt Uthoff sehr interessant von Intention und Arbeitsweise der „Anstalt“-Mannschaft.

Die im Buch behandelten Themenfelder sind umfangreich und über zwei Dutzend Autoren zeichnen in dem Sammelband ein facettenreiches, wenn auch nicht gerade optimistisches Bild der hiesigen Medienlandschaft: So beschreibt Markus Fiedler in „Die dunkle Seite der Wikipedia“ die manipulativen Potenziale der Internet-Enzyklopädie, Karin Leukefeld und Gabriele Krone-Schmalz geben gewohnt fundierte Einblicke in die Konflikte um Syrien und die Ukraine – und Peter Becker beschreibt, wie „die Public-Relations-Industrie mitregiert“: Vier gigantische PR-Konzerne, deren Namen den meisten Menschen unbekannt sind, beherrschen laut Becker „die gesamte Welt der Werbung, der Public Relations, der Medien und des Consultings“.

Wohin mit der Empörung – Was können kritische Mediennutzer tun?

Vertreten sind in dem Buch auch Kollegen der NachDenkSeiten: Jens Berger beschreibt Intention und Charakter der NDS, während Herausgeber Albrecht Müller fragt, wie wir uns konkret gegen die diversen von ihm beschriebenen Methoden der Manipulation schützen können. Diese wichtigen Fragen leiten über zum Kapitel „Optionen der Mediennutzer“ – denn die IALANA-Tagung möchte keine Medienkonsumenten, die angesichts der medialen Übermacht in Schockstarre verfallen, sondern solche, die gegen diese Übermacht Widerstand entwickeln.

Verschiedene Formen der medialen Gegenwehr werden skizziert, etwa sensibilisiert Uwe Krüger für Anzeichen von Propaganda. Hat man diese Propaganda als Nutzer identifiziert, so steht ihm – zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Medien – das von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer ausgiebig und wirkungsvoll genutzte und im Buch von den beiden Autoren bilanzierte Werkzeug der Programmbeschwerde zur Verfügung.

In dem Buch „Krieg und Frieden in den Medien“ findet man nicht nur jene Gründe zur Empörung, die zu einem medienkritischen Verhalten motivieren können, sondern auch mögliche Wege, die man dann konkret beschreiten kann.


„Krieg und Frieden in den Medien“  (IALANA/Hrsg.)
Taschenbuch, 292 Seiten, ISBN 978-3-944545-14-1,
Ossietzky Verlag, 20 EUR

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