„Hongkong-Held“ oder US-Marionette?

„Hongkong-Held“ oder US-Marionette?

„Hongkong-Held“ oder US-Marionette?

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

In einem skurril anmutenden Festakt ehrte die BILD in dieser Woche ihren „Hongkong-Helden“. Neben anderen einschlägigen „Freiheitskämpfern“ westlicher Prägung, wie dem Chef der syrischen Weißhelme und den Klitschkos aus der Ukraine, wurde der 23-jährige Joshua Wong in Berlin von den Machern der BILD als Stargast auf einem Sommerfest der Zeitung im eigens dafür angemieteten Dachgarten-Restaurant des Bundestags herumgereicht. Putin-Kritiker Michail Chodorkowski, Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg, US-Botschafter Richard Grenell komplettierten „die Achse des Guten“. Außenminister Heiko Maas nutzte die Gelegenheit, um den versammelten „Freiheitskämpfern“ seine Aufwartung zu machen. Der Wertewesten feiert sich selbst. Grund genug, sich die Vita des gefeierten „Hongkong-Helden“ Wong einmal näher anzuschauen und „Überraschendes“ zu entdecken, das doch eigentlich so überraschend gar nicht ist. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Bereits mit 15 Jahren gehörte der junge Joshua Wong zu einer Gruppe von Schüleraktivisten, die in Hongkong gegen die Beeinflussung der Lehrpläne durch die chinesische Regierung demonstrierten. Zwei Jahre später, im Jahre 2014, wurde Wong Symbol der aufkeimenden lokalen Protestbewegung, die bei den „Umbrella-Protesten“ gegen den chinesischen Einfluss demonstrierten. Vor allem westliche Medien machten den schüchtern aussehenden 17-Jährigen zum Gesicht der Protestbewegung. Die dem chinesischen Staat gehörende Hongkonger Zeitung Wen Wei Po berichtete bereits damals von regelmäßigen Treffen Wongs mit Angestellten des US-Konsulats in Hongkong und legte „Beweise“ vor, dass Wong von den Amerikanern finanziell unterstützt wird. Westliche Medien wie das Wall Street Journal und der Guardian ordneten diese Berichte sogleich als haltlose chinesische Propaganda ein. Im Nachhinein ist es schwer, diese Vorwürfe zu bewerten, zumal Wen Wei Po in der Tat als „Propagandamedium“ gilt.

Belegbar ist jedoch, dass der Asien-Direktor des amerikanischen Think Tanks NDI (eine Gründung des berüchtigten National Endowment for Democracy) bereits 2012 Joshua Wong und seine Gruppierung „Scholarism“ als „kraftvolle Marke“ für den gewünschten „Bürger-Aktivismus“ lobte und „Scholarism“ auch organisatorisch vom NDI unterstützt wurde. Woher die finanziellen Mittel der Organisation stammten (bei ihrer Auflösung im Jahre 2016 wies das Konto der Schülerbewegung immer noch 1,45 Mio. HK$ auf), ist wie so vieles auf dem Feld der „Farbrevolutionen“ unklar. Aber das ist letztlich wohl auch unerheblich. Vielleicht war Wen Wei Po seiner Zeit nur voraus, denn in den kommenden Jahren trat genau das ein, was die chinesische Propaganda bereits 2014 behauptete.


Spätestens 2015 begann nämlich die Karriere des „westlichen Einflussagenten“ Wong. Nachdem Wong vom TIME Magazine zum „einflussreichsten Teenager“ des Jahres 2014 ernannt und von Fortune und Foreign Affairs als „Freiheitskämpfer“ ausgezeichnet wurde, wurde Wong nun auch offiziell in Washington und den mit der US-Regierung assoziierten Think Tanks und Vorfeldorganisationen herumgereicht. Im Jahr nach den Protesten traf er unter anderem die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, den Falken Tom Cotton und erstmals auch eine besondere Person, bei der er offenbar seitdem ein- und ausgeht – den republikanischen Senator und Präsidentschaftskandidaten Marco Rubio. Ein zweites Treffen fand wenige Tage nach Trumps Wahlsieg im November 2016 statt. Rubio ist kein Unbekannter. Er ist ein bekennender Anhänger der neokonservativen Falken und war schon der Strippenzieher beim gescheiterten Putsch in Venezuela. Im November 2016 warnte bereits die ganz sicher nicht als Peking-nah geltende South China Morning Post vor der Vereinnahmung Wongs durch die „ultrakonservativen Eliten“ der USA und insbesondere vor Wongs Verbindung zu Rubio.

Die Warnung verhallte ohne Erfolg. Stattdessen war Wong nun auch noch Dauergast bei den Veranstaltungen amerikanischer Think Tanks wie dem „Freedom House“ und durfte für Zeitungen wie dem britischen Guardian oder dem Wall Street Journal für sein Ziel, ein Referendum, bei dem sich Hongkong von der Volksrepublik China lossagt, werben. 2017 drehte Netflix mit Wong eine unkritische „Dokumentation“ mit dem vielsagenden Titel „Teenager vs. Superpower“ und im Februar 2018 nominierte Rubio Wong sogar für den Friedensnobelpreis.


Inwieweit die USA in die aktuellen Proteste in Hongkong verstrickt sind, ist immer noch unbekannt.

Lesen Sie dazu auch: „Massenproteste in Hong Kong – zwei Dokumente zur Debatte“.

Vor allem in China sorgte diesbezüglich ein geheim aufgenommenes Foto für Furore, das eine politische Beamtin des US-Konsulats in Hong Kong bei einer Besprechung mit vier Aktivisten zeigt – einer davon war niemand anderes als Joshua Wong.

Wong ist also beileibe kein unbeschriebenes Blatt und genau die Sorte „Freiheitskämpfer“, die in den transatlantischen Kreisen des „Wertewestens“ so beliebt ist. Dass BILD ihn nun als „Hongkong-Helden“ feiert und in eine Reihe mit dubiosen Figuren wie Raed al-Saleh (Chef der „Weißhelme“), Michail Chodorkowski oder den Klitschkos stellt, erscheint da nur folgerichtig. Bemerkenswert ist, dass Außenminister Heiko Maas, nach seinem diplomatischen Desaster bei der offenen Unterstützung der proamerikanischen Putschisten in Venezuela, sich schon wieder zu PR-Terminen mit den Fußsoldaten Marco Rubios einlässt.

Neben politischen Forderungen hat Wong – wie er selbst schreibt – mit Maas die Möglichkeit ausgelotet, Deutschland über die Anwendung des Asylrechts zu einem sicheren Hafen für Exilanten aus Hongkong zu machen. Die Unterstützung von BILD und Co. wird ihm sicher sein. Der diplomatische Schaden für Deutschland ist bereits jetzt enorm. Peking protestierte gestern förmlich gegen den Empfang des auf Bewährung entlassenen Wong durch den deutschen Außenminister.

Der „Hongkong-Held“ tourt übrigens weiter. Heute war er im Bundestag unter anderem bei der FDP und den Grünen. Seine Tour geht bis zum 23. September. Als nächstes geht es zu Gesprächen in die USA. Sicher hat Senator Rubio einen Termin in seinem Kalender freigemacht.

Titelbild: Joshua Wong/Facebook