Hinweise des Tages II

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Neues Rechtsgutachten: Hartz IV Regelsatz verfassungswidrig
  2. Anstieg um fast zehn Prozent: Geldvermögen steigt auf 200 Billionen Euro
  3. Der Mythos von der Expertise
  4. Die seltsame Schulpolitik des RKI
  5. Trotz Ende kostenloser Corona-Tests: Kein Run auf Impfungen
  6. Impfdebatte: Wider das ständige Schüren von Hass
  7. Kein Freedom Day: Hat die Bundesregierung das Volk getäuscht?
  8. Regierung hat “Maß verloren: “Warnschuss für Söder: Deshalb waren Bayerns Ausgangssperren unrechtmäßig
  9. Spahn und Wieler lassen regierungstreue Faktenchecker im Regen stehen
  10. “Ich musste oft Frauen allein im Kreißsaal lassen”
  11. Polen: Auf dem Weg zum EU-Exit?
  12. Der Weltraum, die Macht und der Krieg (I)
  13. Afghanistan und ‚Great Power Interventionism‘ als Selbstverteidigung
  14. Bundesnachrichtendienst spitzelt mit Pegasus
  15. Hauptzeuge des FBI gegen Julian Assange in Island inhaftiert

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Neues Rechtsgutachten: Hartz IV Regelsatz verfassungswidrig
    Mit einem Appell fordert ein breites Bündnis die noch amtierende Bundesregierung auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um mindestens einen Inflationsausgleich für die Betroffenen sicherzustellen.
    Nach einem aktuellen Gutachten der Rechtswissenschaftlerin Professorin Anne Lenze ist die zum 1.1.2022 geplante sehr geringe Erhöhung der Regelsätze verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden. Mit einem Appell fordert ein breites Bündnis die noch amtierende Bundesregierung auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um mindestens einen Inflationsausgleich für die Betroffenen sicherzustellen.
    In dem Rechtsgutachten wird u.a. auf die zurückliegenden einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, das 2014 feststellte, dass die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Die niedrige Anpassung der Regelbedarfe zum 1.1.2022 in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute nun eine “neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums” ein, so das Ergebnis der juristischen Prüfung, die der Paritätischen Wohlfahrtsverband in Auftrag gegeben hat. Sollte der Gesetzgeber nicht aktiv werden, um die absehbaren Kaufkraftverluste abzuwenden, verstoße er damit gegen die Verfassung, so das Fazit der Rechtswissenschaftlerin.
    Quelle: der Paritätische

    dazu: “Versteckte Kürzung bei Ärmsten” Gutachten: Hartz-IV-Pläne verfassungswidrig
    Lebenskosten und Inflation sind so hoch wie seit Jahrzehnten nicht, gleichzeitig fällt eine Anhebung von Hartz IV für 2022 fast aus. Verbände fordern schon lange, dieses Missverhältnis auszugleichen. Ein Rechtsgutachten kommt nun zu dem Schluss, die geringe Erhöhung sei gar verfassungswidrig.
    Nach einem vom Paritätischen Gesamtverband in Auftrag gegebenen Gutachten verstößt die geringe Anhebung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel gegen das Grundgesetz. Die Verfassung verpflichte den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden, heißt es in der am heutigen Freitag von dem Verband publizierten Expertise. Der Bundesrat will heute abschließend über die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um drei Euro befinden.
    Quelle: n-tv

  2. Anstieg um fast zehn Prozent: Geldvermögen steigt auf 200 Billionen Euro
    Das private Geldvermögen auf der Welt erreicht eine neue Rekordsumme. Ein Ende des Vermögenswachstums ist nicht in Sicht. Und der Reichtum ist weiterhin alles andere als gleich verteilt.
    Börsenboom und Konsumflaute haben viele Menschen im Corona-Krisenjahr 2020 reicher gemacht. Das Bruttogeldvermögen der privaten Haushalte weltweit kletterte nach Berechnungen des Versicherers Allianz auf die Rekordsumme von 200 Billionen Euro – ein Plus von 9,7 Prozent zum Vorjahr. „Während die Wirtschaft Achterbahn fährt, kennt das globale Geldvermögen nur eine Richtung“, sagte Allianz-Chefvolkswirt Ludovic Subran bei der Vorstellung der Vermögensstudie am Donnerstag. Ein Ende des Vermögenswachstums ist nach Einschätzung der Ökonomen nicht in Sicht: Für das laufende Jahr prognostizieren sie sieben Prozent Zuwachs.
    Allerdings ist die gewaltige Summe nach wie vor alles andere als gleich verteilt. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung – etwa 520 Millionen Menschen in den 57 untersuchten Ländern – besitzen den Angaben zufolge zusammen gut 84 Prozent des gesamten Vermögens. Und das eine Prozent der Superreichen darunter kommt auf fast 41 Prozent der Gesamtsumme – durchschnittliches Geldvermögen abzüglich Schulden: mehr als 1,2 Millionen Euro.
    Die Pandemie dürfte nach Einschätzung der Allianz-Experten die Vermögensungleichheit verschärfen, sowohl zwischen reichen und ärmeren Ländern als auch innerhalb der Staaten. Sehr wahrscheinlich werde die Corona-Krise das Wirtschaftswachstum ärmerer Länder deutlich länger belasten als das der Industriestaaten, erklärte Patricia Pelayo Romero, Mitautorin der Vermögensstudie. Das allmähliche Schließen der Wohlstandslücke sei kein Selbstläufer mehr.
    Quelle: FAZ
  3. Der Mythos von der Expertise
    Christian Lindner könnte Finanzminister werden. Aber warum nur? Dass der FDP-Chef als wirtschaftskompetent gilt, ist eine große Täuschung
    Bemerkenswert ist, dass Lindner – genau wie der CDU-Politiker Friedrich Merz – als „Finanzexperte“ gilt. Beide erwecken bei vielen den Eindruck, sie seien „kompetent“ und wirtschaftspolitische Ämter bei ihnen in guten Händen. Wir können jetzt schon geradeheraus sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Die Frage ist eher: Mit welcher Begründung erfolgt die Zuschreibung von Finanzexpertise?
    Es ist gewiss nicht notwendig, dass jeder Finanz- oder Wirtschaftspolitiker einen ökonomischen Abschluss vorweisen muss, um einen guten Job zu machen. Will heißen: Nur weil Lindner Politikwissenschaft studiert hat und Merz Jura, könnten sie trotzdem einen soliden Kenntnisstand volkswirtschaftlicher Zusammenhänge besitzen. Doch genau hier beginnt das Problem – sowohl bei Merz als auch bei Lindner. […]
    Ansonsten scheint das Narrativ der schwarzen Null und der schwäbischen Hausfrau Politikern wie Merz und Lindner in die Karten zu spielen. Beide werden nicht müde, vor Staatsverschuldung zu warnen und bei einer progressiven Regierung bereits den nahenden Staatsbankrott am Horizont zu sehen. Tatsächlich ist auch das nicht auf ökonomische Expertise gestützt. Stattdessen werden Fragen der Fiskalpolitik moralisiert und banalisiert: Würden Sie etwa über Ihre Verhältnisse leben? Oder gar Ihre Schulden nicht zurückzahlen? Spätestens wenn Ihnen von Lindner oder Merz vorgeworfen wird, sich mit Schulden an der Zukunft Ihrer Kinder zu vergehen, ist das Ende einer sachlichen Debatte nah.
    Diese Reaktion ist intuitiv verständlich, mit rationaler makroökonomischer Analyse hat sie jedoch nichts zu tun. Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass auch die Medien in Bezug auf die scheinbare Expertise von Lindner oder Merz versagen. Wirtschaftsliberales Framing wird oft vorgegeben, jeder Politiker, der für progressive Finanzpolitik wirbt, muss zunächst einmal diesen Rückstand aufholen. Wenn Journalisten bereits in ihren Fragen die Bewertungen ökonomischer Begriffe vornehmen, indem sie beispielsweise von Schulden als Belastung sprechen, dann hat die Lindner’sche Position schon halb gewonnen.
    Quelle: der Freitag
  4. Die seltsame Schulpolitik des RKI
    Am Tag der Kultusministerkonferenz berichtet das Robert-Koch-Institut von angeblichen Nahe-Rekordständen bei den Schulausbrüchen. Die Kultusminister hingegen sagen: Trotz Pandemie und Delta-Variante hätten sie seit Beginn des Schuljahrs “vollständigen und kontinuierlichen” Präsenzunterricht sichergestellt.
    ES WIRD IMMER BRISANTER, welche Figur das Robert-Koch-Institut (RKI) bei der Begleitung der Corona-Pandemie abgibt. Dass das Institut ahnungslos ist, wie hoch die Impfquote tatsächlich ist, hat es selbst erst gestern wieder bestätigt (siehe Kasten) – und auch, dass es wenig Ideen hat, wie es an diesem Zustand etwas ändern kann. Dabei hat die schlechte Datenlage direkte Auswirkungen auf die Politik – weil von der tatsächlichen Impfquote nicht nur die wissenschaftlichen Prognosen zur Infektionskurve im Herbst und Winter abhängen, sondern auch die Entscheidung über mögliche neue gesellschaftliche Einschränkungen und Gegenmaßnahmen.
    Noch unverständlicher ist, wenn das RKI trotz der schlechten Datenlage Politik macht – mit Absicht oder, was noch schlimmer wäre, ohne sich der Tragweite der eigenen Äußerungen bewusst zu sein. Auch hier gab der gestern erschienene “wöchentliche Lagebericht” des RKI zu COVID-19 ein ärgerliches, in jedem Fall unglaublich unprofessionelles Beispiel.
    Am selben Tag, an dem die Kultusministerkonferenz zur Corona-Sicherheit an den Schulen konferierte und in den Medien die Debatte über Maskenpflicht, Luftfilter & Co heißläuft, verkündet das RKI: Die Ausbruchshäufigkeit in Kitas und an Schulen sei dieses Jahr im Vergleich zu 2020 etwa zwei Monate früher angestiegen. Und: Die Zahl der übermittelten Schulausbrüche habe sich bereits Mitte September 2021 dem “Höchstniveau” der zweiten und dritten Welle angenähert. Die Botschaft, die ankommt: alles sehr dramatisch.
    Im RKI-Wochenbericht existiert sogar eine Grafik, auf der das Institut die Schul-Ausbruchskurve dieses Jahres über die des Vorjahres legt, was in der Tat besorgniserregend aussieht.
    Das Problem ist nur: Der Vergleich ist komplett unsinnig, weil es vergangenes Jahr noch keine verpflichtenden Schnelltests an den Schulen gab, die die Melde-Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen enorm hochgetrieben haben.
    Quelle: Jan-Martin Wiarda

    dazu: Freiheit für die Kinder
    Schüler leiden besonders unter der Pandemie. Haben wir sie zum Maskentragen verdonnert, um unsere eigene Freiheit auszuleben? […]
    Für Virologen wie Melanie Brinkmann liegt der Fall klar: Warum etwas abschaffen, was nützlich und billig ist, fragt sie und resümiert, dies aufzugeben sei „einfach dumm“. Ähnlich sehen es Lehrerverbände, die sich um das Personal an den Schulen sorgen und nicht einfach zuschauen wollen, wie die Schulen „durchseuchen“. Anders die Kinderärzte, die mit mehr oder weniger Furor Partei für die Jüngsten ergreifen und die die meist harmlosen Infektionen von Kindern ins Verhältnis setzen zur Maskenpflicht: Wir quälten die Kinder, so etwa der Sprecher des Berufsverbands der Kinderärzte, Jakob Maske, im Interesse der nicht geimpften Erwachsenen.
    Haben wir die Kinder in den vergangenen Monaten also zum Maskentragen nur verdonnert, um die eigene Freiheit auszuleben? Nehmen wir in egoistischer Manier Kinder in Schutzverwahrung? Es gibt wohl kaum jemanden, der gerne mit Mundschutz unterrichtet und unterrichtet wird. Gleichzeitig offenbart die Diskussion die tiefe Verunsicherung durch die Pandemie, durch die das Gefühl für die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt verloren gegangen ist. Wir sind Risikofetischisten geworden, umgetrieben von Angst.
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung André Tautenhahn: Es ist doch eher so, dass die Diskussion sehr stark interessengeleitet ist. Die Verbände sprechen jeweils für ihre Klientel und beziehen Positionen, die eigentlich in einem Gremium wie einem Pandemierat verhandelt werden müssten. Den gibt es aber nicht. Zudem ist auf Ausgewogenheit bei der Beratung der Krisenstäbe weitgehend verzichtet worden. Wer die gesellschaftlichen Kräfte nicht einbindet, verschiebt die Auseinandersetzung eben an eine Stelle, wo sie mehr oder weniger nutzlos ist und gegenseitigen Anfeindungen ausgesetzt wird.

  5. Trotz Ende kostenloser Corona-Tests: Kein Run auf Impfungen
    Von einem Run auf Corona-Impfungen, bevor die Tests ab Montag meist etwas kosten, ist in Bayern wie im Bund so gut wie nichts zu spüren. Im Gegensatz zu Land und Bund fließt in regionale Impf-Statistiken nicht immer die Quote aus den Arztpraxen ein.
    Diese Zahl ließ vor drei Tagen aufhorchen: Die Impfbereitschaft der über 18-Jährigen hat in Deutschland mit 82 Prozent einen Höchstwert seit Beginn der Pandemie erreicht, wie BR24 aufgrund einer neuen Umfrage melden konnte. Die Zahl der bereits vollständig Geimpften über 18 Jahre liegt laut Robert-Koch-Institut inzwischen über 75 Prozent – mit einer Unsicherheit bis maximal 80 Prozent.
    Trotzdem sind wir hierzulande noch weit von den 80 Prozent der Gesamtbevölkerung entfernt, ab der die meisten Wissenschaftler von einer sogenannten Herdenimmunität gegen das Coronavirus ausgehen (aktueller Stand der vollständig Geimpften: 65 Prozent). Denn der Bevölkerungsanteil der unter 18-Jährigen (der bei der Umfrage nicht berücksichtigt ist) liegt bei 16,5 Prozent. Und erst wenige in dieser Altersgruppe sind geimpft. Für die unter 12-Jährigen ist noch kein Corona-Impfstoff zugelassen. Die von Covid-19 Genesenen machen etwas über 3 Prozent aus.
    Quelle: BR 24
  6. Impfdebatte: Wider das ständige Schüren von Hass
    Dem türkisen Arbeitsminister Martin Kocher ist da wahrlich der ganz große PR-Coup gelungen, als er verfügt hat, dass Arbeitslosen und Mindestsicherungsbeziehern knallhart ihr Geld gestrichen werden soll, wenn sie ungeimpft sind und deswegen eine Stelle nicht annehmen können. Auf eine geniale Weise hat er damit das ohnehin schon zur Genüge allgemein vorhandene Ressentiment gegen die Langzeitarbeitslosen mit dem katastrophalen Image des „Impfverweigerers“ verknüpft und dadurch das ultimative Feindbild erschaffen: Denn was ist denn schlimmer als einer, der arbeitslos und ungeimpft auch noch ist!
    Hierbei handelt es sich um ein schönes Beispiel dafür, wie ein Politiker die aufgeheizte Stimmung in der Pandemie missbraucht, um für seine eigenen Anliegen Kapital herauszuschlagen, die mit Corona gar nichts zu tun haben. Corona dient ihm nur als Vorwand, um ein neoliberales Programm durchzusetzen, aus dem er schon bei seinem Amtsantritt kein Geheimnis gemacht hat: weniger Arbeitslosengeld, weniger Pensionen und längeres Arbeiten, Steuersenkung für Konzerne, Arbeiten am Sonntag.
    Quelle: der Standard
  7. Kein Freedom Day: Hat die Bundesregierung das Volk getäuscht?
    Was wusste die Regierung über die tatsächliche Impfquote? Der Verdacht steht im Raum, dass die in Wahrheit hohe Quote wegen des Wahlkampfes ignoriert wurde.
    Das Pikante: Schon im August vor der Bundestagswahl hat es Presseberichte gegeben, die auf eine höhere Impfquote hingewiesen haben. Die Bild-Zeitung nimmt diesen Umstand zum Anlass, um in einem Bericht danach zu fragen, ob die Bevölkerung angesichts des Wahlkampfs bewusst getäuscht worden sei. In einem Text von Lydia Rosenfelder, Julus Böhm und Albert Link heißt es: „WARUM also ändert die Bundesregierung ihre seit Langem kritisierte Corona-Politik erst jetzt, zehn Tage NACH der Wahl? WARUM zuvor diese Arroganz gegenüber Kritikern der Lockdown-Politik?“ Später heißt es: „Der Verdacht liegt nahe: Die Regierung könnte VOR der Wahl bewusst darauf verzichtet haben, die Kehrtwende einzuleiten, weil sie sonst ihre Panikmache selbst entlarvt hätte.“
    Auch in der Opposition wird dieser Verdacht geschürt und nahegelegt, dass die Bundesregierung die entspannte Corona-Lage verheimlichen wollte, um nicht den Verdacht bei Wählern zu hinterlassen, man habe im Sommer Panik betrieben und die pandemische Gefahr überschätzt. Wollte die Bundesregierung mit Absicht nicht Entwarnung geben? Grünen-Politiker Dieter Janecek wird mit den Worten zitiert: „Aufgrund der polarisierten Debatte in Deutschland hat man sich das vor der Wahl offensichtlich nicht getraut.“
    Quelle: Berliner Zeitung
  8. Regierung hat “Maß verloren: “Warnschuss für Söder: Deshalb waren Bayerns Ausgangssperren unrechtmäßig
    Das Urteil ging im Koalitions-Poker unter – dabei ist es eine deutliche Korrektur der Politik, für die sich CSU-Chef Söder als Hardliner feiert. FOCUS Online liegt das Urteil vor. Es zeigt ein bedenkliches Rechtsverständnis der bayerischen Landesregierung. […]
    Die bayerische Landesregierung argumentierte unter anderem, die Ausgangsbeschränkung sei alternativlos gewesen, um das Infektionsgeschehen durch die Reduzierung von sozialen Kontakten zu beeinflussen. “Angesichts des dramatischen Infektionsgeschehens und der Gefahr für die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen sowie die Gefahr des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, habe der Schutz des Lebens einer großen Anzahl von Personen deutlich schwerer gewogen als die Ausgangsbeschränkung bei Nichtvorliegen triftiger Gründe”, zitiert das Urteil die Argumentation der Landesregierung.
    Der Verwaltungsgerichtshof folgte dieser Auffassung nicht. Zum einen sei die Ausgangsbeschränkung schon formal unwirksam gewesen, weil sie erst mit Wirkung vom 7. April 2020 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sei. Aber auch inhaltlich folgte das Gericht weitgehend den Argumenten des Klägers. Die bayerische Landesregierung habe gegen das “Übermaßverbot aus höherrangigem Recht” verstoßen. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Wenn die Nachteile einer Maßnahme (in diesem Fall die Ausgangssperre) in keinem Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen (in diesem Fall die Reduzierung der Ansteckungen), dann darf der Staat diese Maßnahme nicht anordnen.
    Die Richter betonen, dass die Corona-Pandemie nicht mit einer normalen Grippewelle vergleichbar sei und die Gefährlichkeit des Erregers der Exekutive prinzipiell einen großen Spielraum bei ihren Maßnahmen lasse. Es sei auch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber – gestützt auf die fachliche Einschätzung des RKI – diesen Spielraum überschritten habe. Dann aber schränkt das Gericht ein: “Eine dogmatische Herleitung dieses Einschätzungsspielraums fand dort jedoch aufgrund der Natur des einstweiligen Rechtsschutzes überwiegend nicht statt. In der Regel wurde pauschal auf die staatliche Pflicht verwiesen, Leben und Gesundheit zu schützen (Art. 2 Abs. 2 GG).” Die Landesregierung habe die triftigen Gründe, die zum Verlassen der eigenen Wohnung berechtigten, “so eng gefasst, dass die Norm im Ergebnis gegen das Übermaßverbot verstößt”.
    Quelle: Focus Online

    dazu: Urteil zu Corona-Ausgangsbeschränkungen: Bayerns Landesregierung kündigt Revision an
    Bayerns Staatsregierung will das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zu den Corona-Ausgangsbeschränkungen nicht akzeptieren. „Wir sind davon überzeugt, dass die Ausgangsbeschränkungen Ende März bis Anfang April 2020 zum Wohl und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Bayerns in der ersten Welle der Pandemie ein wirksames und richtiges Mittel waren“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München. Daher gehe man jetzt in Revision – zuständig ist dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
    Quelle: RND

  9. Spahn und Wieler lassen regierungstreue Faktenchecker im Regen stehen
    Bis zum 6. Oktober 2021 wurde jeder, der Corona und Grippe im selben Satz sagte, als Corona-Verharmloser oder Corona-Leugner diskreditiert. Denn Covid-19 ist so viel schlimmer als Grippe, dass die beiden nicht verglichen werden können, lautete das einzig zulässige Narrativ. Am 6. Oktober hat sich das geändert. Seither ist Grippe-Verharmloser, wer behauptet, Grippe sei viel weniger gefährlich als Covid. […]
    Die Faktenchecker und staatstragenden Journalisten müssen also umlernen: Ab jetzt ist es Geschwurbel, Fake News oder schädliches Narrativ wenn jemand meint, die Grippe sei viel weniger schlimm als Covid. Denn das dient ab jetzt dazu, Maßnahmen gegen Grippe zu diskreditieren, die sich an die Corona-Maßnahmen anlehnen.
    Die offizielle Argumentationsabfolge war also so:

    • Covid-19 ist viel schlimmer als alles, was wir kennen, insbesondere auch als die Grippe, daher sind maximal eingreifende Maßnahmen nötig.
    • Nachdem alle sich daran gewöhnt haben: Die Grippe ist ähnlich schlimm wie Covid-19. Daher sind auch gegen sie drastische Maßnahmen erforderlich.

    Regierungs- und Behördenvertretern und ihren treuen Vasallen unter Faktencheckern und Journalisten werden ihre früheren Behauptungen immer öfter zu Fallstricken, in denen sie sich fortlaufend verheddern und dabei ein immer kläglicheres Bild abgeben. Früher hätte man gesagt, „das versandet“ oder „der Leser hat kein Archiv.“ Aber diese Zeit ist vorbei.
    Quelle: Norbert Häring

  10. “Ich musste oft Frauen allein im Kreißsaal lassen”
    Die Hebamme Coline Sénac, 32, streikt in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen – und lässt sich nicht vorwerfen, damit Menschenleben in Gefahr zu bringen. Im Gegenteil.
    Zu wenig Personal, zu viel Stress. Seit vier Wochen streiken in Berlin die Pflegekräfte der landeseigenen Krankenhäuser des Vivantes-Konzerns. Die Hebamme Coline Sénac ist dabei – gleichzeitig übernimmt sie an ihrer Klinik im Süden Berlins weiter Dienste, um Frauen eine sichere Geburt zu ermöglichen. Hier erzählt sie, wie sich Arbeitskampf anfühlt, wenn man nicht einfach mit der Arbeit aufhören kann.
    “Damit mich niemand falsch versteht: Ich liebe meinen Job und wusste, worauf ich mich einlasse. Ich habe an der Hochschule Osnabrück Hebammenwissenschaft studiert und mir wurde schon in der Ausbildung klargemacht, dass es ein harter Beruf ist, nur für Menschen mit Durchhaltevermögen. Man sollte mit Schichtdienst klarkommen, trägt viel Verantwortung und muss in gefährlichen Situationen Ruhe bewahren können. Das alles können wir Hebammen. Aber nach mittlerweile sechs Jahren Berufserfahrung in Krankenhäusern in Osnabrück und Berlin erlebe ich, dass die Überlastung eine Dimension erreicht hat, die für meine Kolleginnen und mich nicht mehr stemmbar ist.
    Quelle: Zeit Online
  11. Polen: Auf dem Weg zum EU-Exit?
    Regierungsnahe Verfassungsrichter in Warschau bescheren Brüssel die nächste große Krise
    Polnische Verfassungsrichter urteilten, dass grundsätzliche Teile des EU-Rechts mit der Verfassung des souveränen Staates Polen unvereinbar sind (Tagesschau). Das wird als Kampfansage an die EU gewertet. Darin sind sich die meisten Kommentatoren einig.
    Mit dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das den Vorrang des nationalen, polnischen Rechts proklamiere, werde der “Polexit” geprobt – EU-Beobachter Eric Bonse steht mit dieser Auffassung nicht allein. Die Sache geht ans Eingemachte der EU, die verbalen Reaktionen sind scharf, die Folgen weitreichend, aber noch nicht absehbar; als sicher gilt, dass die Antwort aus Brüssel deutlich ausfallen muss, berichtet der Spiegel. Als wahrscheinliche Option wird erwähnt, dass EU-Zahlungen an Wahrschau eingefroren werden. Wie kalt und hart wird es werden?
    Quelle: Telepolis
  12. Der Weltraum, die Macht und der Krieg (I)
    Mit Plänen für einen mobilen Raketenstartplatz in der Nordsee sowie für den Aufbau eines satellitengestützten schnellen Internets bemühen sich die deutsche Wirtschaft und Regierungsberater um die Positionierung der EU als globale Weltraummacht. Auf Initiative mehrerer Unternehmen und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ist im September der Bau einer Schiffsplattform eingeleitet worden, die von der Nordsee aus Raketen abschießen kann, um Kleinsatelliten ins All zu bringen. Der BDI sieht das als “Chance zum Aufbau einer integrierten Kleinsatelliten-Wertschöpfungskette ‘Made in Germany'”. Dabei gelten Kleinsatelliten nicht nur als profitabler High-Tech-Zukunftsmarkt, sondern auch als strategischer Machtfaktor. So schlägt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vor, eine EU-Alternative zum US-Projekt Starlink zu entwickeln; Starlink soll mit Hilfe tausender erdnah stationierter Kleinsatelliten schnelles Internet weltweit verfügbar machen, was der SWP zufolge “umfassend Einfluss auf die globalen Informationsströme” und gewaltige Macht bringt. Die strategische Nutzung des Alls geht mit umfassender Militarisierung des Weltraums einher.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Afghanistan und ‚Great Power Interventionism‘ als Selbstverteidigung
    Wir sind immer noch dabei, die Ergebnisse von 20 Jahren westlicher militärischer und humanitärer Präsenz in Afghanistan und eines herzlosen und chaotischen Abzugs zu bewerten. Während Juristen die Menschenrechtsverpflichtungen gegenüber den in großer Gefahr Zurückgelassenen erörtern und über die Beziehungen zur neuen Taliban-geführten Regierung nachdenken, beinhalten viele politische Kommentare zum Ende der Militäroperationen ein erhebliches Maß an westlicher Gewissenserforschung: Sind unsere Werte in anderen Teilen der Welt noch attraktiv? Sind wir vielleicht zu schwach, um sie erfolgreich zu exportieren?
    Diese selbstbezogenen Debatten können nicht nur darüber hinwegtäuschen, dass der Krieg in Afghanistan seit dem 11. September 2001 mindestens 172.000 Menschen, darunter 47.000 Zivilisten, das Leben gekostet hat, sondern auch, dass er mit erheblichem rechtlichem Nihilismus einherging. Denn mit der US-Intervention im Jahr 2001 und der konzeptionellen Identifizierung des „islamistischen Terrorismus“ als das absolute Böse, das es zu vernichten gilt, wurden zentrale rechtliche Unterscheidungen verwischt; etwa die zwischen unilateraler militärischer Vergeltung und Selbstverteidigung, internationaler Strafverfolgung von Terroristen und internationalem bewaffnetem Konflikt, fairem Gerichtsverfahren und willkürlichen Hinrichtungen durch Drohnenangriffe sowie die Unterscheidung zwischen Inhaftierung verurteilter Straftäter und endloser Haft in Folterlagern (z.B. Guantanamo). In diesem kurzen Beitrag werde ich mich nur mit einer dieser Rechtsfragen befassen, nämlich mit den Auswirkungen der US-geführten Intervention in Afghanistan im Jahr 2001 auf den Begriff der Selbstverteidigung.
    Mein Hauptargument ist, dass die Neuinterpretation von Art. 51 UN-Charta durch die USA im Zusammenhang mit dem so genannten „war on terror“ ein Versuch war (und immer noch einer ist), neue Rechtfertigungen für alte Formen des Großmachtinterventionismus einzuführen.
    Quelle: Jochen von Bernstorff in Verfassungsblog
  14. Bundesnachrichtendienst spitzelt mit Pegasus
    Deutsche Sicherheitsbehörden nutzen die umstrittene Spionagesoftware Pegasus offenbar umfangreicher als bisher bekannt. Neben dem Bundeskriminalamt soll auch der BND die umstrittene Technologie einsetzen, wie Recherchen von NDR, WDR, SZ und “Zeit” ergeben.
    Mit der Software des israelischen Herstellers NSO Group kann sämtliche Handykommunikation einer Zielperson, egal ob verschlüsselt oder nicht, abgehört und mitgelesen werden. Eine internationale Recherche, welche die Non-Profit-Organisation “Forbidden Stories” koordiniert hatte und an der NDR, WDR, “Süddeutsche Zeitung” und die “Zeit” beteiligt waren, hatte im Juli enthüllt, wie Pegasus von Geheimdiensten und Polizeibehörden weltweit systematisch missbraucht wird, um Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle auszuforschen.
    Die Firma NSO erklärte damals, ihre Technologie nur an überprüfte staatliche Stellen zu verkaufen. Und zwar ausschließlich zum Zweck der Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung. Gerade erst kam ein britisches Gericht dagegen zu dem Schluss, dass der Emir von Dubai die Software gegen seine Ex-Frau und ihre Anwälte eingesetzt hat.
    Quelle: Tagesschau
  15. Hauptzeuge des FBI gegen Julian Assange in Island inhaftiert
    Sigurdur Thordarson, der wichtigste Zeuge des FBI gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange, wurde in Island in Untersuchungshaft genommen. Der berüchtigte mutmaßliche Hacker und verurteilte Pädophile kam in das Hochsicherheitsgefängnis Litla-Hraun. Thordarson gab kürzlich zu, dass alle seine Aussagen gegen Assange gelogen waren. (…)
    Wie sich bisher herausgestellt hat, wurde er von den US-Behörden angeworben, um den Fall gegen den WikiLeaks-Gründer aufzubauen. Thordarson hat jedoch vor Kurzem in einem Interview zugegeben, dass er Aussagen gefälscht hat, die Assange belasten. Dank dieser Zusammenarbeit gewährte ihm das FBI Immunität. Der inzwischen inhaftierte Mann hatte sich 2010 freiwillig gemeldet, um Spenden für WikiLeaks zu sammeln. Wie später bekannt wurde, hat er mehr als 50.000 Dollar von der Organisation veruntreut.
    Seine Rolle bei der Strafverfolgung von Julian Assange in den USA ist von entscheidender Bedeutung. Das US-Justizministerium betrachtet ihn als Kronzeugen und teilte dies der britischen Justiz mit, als sie um seine Auslieferung bat. Kristinn Hrafnsson, Chefredakteur von WikiLeaks, ist der Ansicht, dass das Verfahren gegen Assange eingestellt werden sollte und das Vereinigte Königreich ihn angesichts der jüngsten Enthüllungen “unter keinen Umständen” ausliefern darf.
    “Der Hauptzeuge in der US-Anklage gegen ihn sitzt wegen Seriendelikten im Gefängnis, dieselbe Person, die vor einigen Wochen in Interviews bestätigt hat, dass die Elemente der Anklage gegen Julian, in der er der einzige Zeuge war, frei erfunden sind”, sagte er.
    Die US-Justiz will Assange in den Vereinigten Staaten wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen dort bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Eine Richterin in London hatte das Auslieferungsbegehren im Januar jedoch mit Blick auf Assanges angegriffene psychische Gesundheit und die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte die US-Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das Hauptverfahren soll voraussichtlich am 27. und 28. Oktober stattfinden.
    Derweil hatte der ehemalige CIA-Direktor und Außenminister der Trump-Administration, Mike Pompeo, die strafrechtliche Verfolgung von Quellen gefordert, die für eine Geschichte mit Medien gesprochen haben, in der es um Vorschläge des Geheimdienstes im Jahr 2017 ging, Assange zu entführen, sowie um Diskussionen innerhalb der Trump-Regierung und der CIA, ihn möglicherweise sogar zu ermorden.
    Quelle: RT DE

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben sich mehrfach mit der Situation von Julian Assange befasst. Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Julian Assange bald in Freiheit oder ein neuerlicher Schachzug seiner Gegner? und Der Fall von Kabul und der Fall Assange.

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