Der kommende Krieg – es ist an der Zeit, seine Stimme zu erheben

Der kommende Krieg – es ist an der Zeit, seine Stimme zu erheben

Der kommende Krieg – es ist an der Zeit, seine Stimme zu erheben

Ein Artikel von John Pilger

Im letzten Jahrhundert fungierten kritische Intellektuelle als Korrektiv zu einer Politik, die Kriege führt und mit Lügen regiert. Dieses Korrektiv gibt es heute in dieser Form nicht mehr. Der australische Journalist John Pilger zeichnet in einem lesenswerten Essay diese Entwicklung nach und versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, warum vor allem unsere „liberale Intelligenzija“ sich von einer kritischen Stimme zu einem Schweigekartell entwickelt hat. Susanne Hofman hat den Text für die NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt.

1935 tagte in New York City der Kongress Amerikanischer Schriftsteller, gefolgt von einem weiteren zwei Jahre danach. Sie riefen „hunderte Dichter, Romanciers, Dramatiker, Kritiker, Autoren von Kurzgeschichten und Journalisten dazu auf, „den rapiden Zerfall des Kapitalismus“ und das Heraufziehen eines weiteren Krieges zu diskutieren. Bei den Kongressen handelte es sich um elektrisierende Veranstaltungen, die einem Bericht zufolge von 3.500 Menschen besucht wurden, mehr als tausend weitere Interessierte konnten nicht mehr reingelassen werden.

Arthur Miller, Myra Page, Lillian Hellman, Dashiell Hammett warnten vor dem heraufziehenden, oft maskierten Faschismus und mahnten, die Verantwortung liege bei Schriftstellern und Journalisten, sie müssten das Wort erheben. Unterstützungstelegramme von Thomas Mann, John Steinbeck, Ernest Hemingway, C. Day-Lewis, Upton Sinclair und Albert Einstein wurden verlesen.

Die Journalistin und Autorin Martha Gellhorn erhob ihre Stimme für die Obdachlosen und Arbeitslosen und „uns alle im Schatten brutaler großer Macht“. Martha, die eine gute Freundin wurde, sagte mir später bei einem Glas Whiskey und Soda: „Die Verantwortung, die ich als Journalistin fühlte, war riesig. Ich hatte die Ungerechtigkeiten und das Leid aufgrund der Wirtschaftskrise miterlebt und wusste, wir alle wussten, was da auf uns zu kam, wenn wir nicht das Schweigen brachen.“

Ihre Worte hallen heute über das Schweigen hinweg nach: Es ist ein Schweigen, das von einstimmiger Propaganda gefüllt ist, die heute nahezu alles vergiftet, was wir lesen, sehen und hören. Lassen Sie mich ein Beispiel dafür anführen:

Am 7. März veröffentlichten die zwei ältesten Zeitungen in Australien, der Sydney Morning Herald und The Age, mehrere Seiten über die „drohende Gefahr“ durch China. Sie färbten den Pazifischen Ozean rot. Martialisch dreinschauende chinesische Augen, drohende Chinesen auf dem Vormarsch. Die Gelbe Gefahr droht unweigerlich auf uns herabzufallen, als folge sie der Schwerkraft.

Kein logischer Grund wurde für einen Angriff Chinas auf Australien angeführt. Ein „Experten-Forum“ präsentierte auch keine glaubwürdigen Beweise: Einer von ihnen ist ein früherer Direktor des Australian Strategic Policy Institute, dahinter stecken das Verteidigungsministerium in Canberra, das Pentagon in Washington, die Regierungen von Großbritannien, Japan und Taiwan und die Kriegsindustrie des Westens.

„Beijing könnte innerhalb von drei Jahren angreifen“, warnten sie. „Wir sind darauf nicht vorbereitet.“ Milliarden von US-Dollar sollen für amerikanische Atom-U-Boote ausgegeben werden, aber das, scheint es, ist nicht genug. „Australiens Ferien von der Geschichte sind vorbei“: Was auch immer das heißen soll.

Es gibt keine Bedrohung für Australien, gar keine. Das „glückliche“ Land, das so weit ab vom Schuss liegt, hat keine Feinde, schon gar nicht hat es China zum Feind, seinen größten Handelspartner. Doch das China-Bashing, das sich aus Australiens langer Geschichte des Rassismus gegenüber Asien nährt, ist zu einer Art Zeitvertreib selbsternannter „Experten“ geworden. Was halten Australier chinesischer Herkunft davon? Viele von ihnen sind verwirrt und haben Angst.

Die Verfasser dieser grotesken subtilen Botschaften und der Unterwürfigkeit gegenüber der amerikanischen Macht sind Peter Hartcher und Matthew Knott. „Reporter für nationale Sicherheit“ nennt man sie wohl. Hartcher ist mir in Erinnerung aufgrund seiner Spritztouren nach Israel auf Regierungskosten. Der andere, Knott, ist ein Sprachrohr des politischen Führungspersonals in Canberra. Keiner von beiden hat je ein Kriegsgebiet und die Extreme menschlicher Erniedrigung und menschlichen Leids aufgrund eines Krieges gesehen.

„Wie ist es bloß dazu gekommen?”, würde Martha Gellhorn fragen, wäre sie noch unter uns. „Wo sind bloß die Stimmen geblieben, die Nein sagen? Wo ist die Solidarität?“

Post-Modernismus am Ruder

Die Stimmen vernimmt man in den Samisdat-Texten dieser und anderer Online-Plattformen. In der Literatur sucht man Autoren wie John Steinbeck, Carson McCullers oder George Orwell vergebens. Es herrscht der Post-Modernismus. Der Liberalismus hat sich aus der Politik zurückgezogen. Australien, eine einst verschlafene Sozialdemokratie, hat ein Netz neuer Gesetze erlassen, die eine geheimnisvolle, autoritäre Macht schützen und das Recht auf Informationen sabotieren. Whistleblower sind Gesetzlose, die im Geheimen vor Gericht gestellt werden. Ein besonders finsteres Gesetz verbietet „ausländische Einmischung“ durch diejenigen, die für ausländische Unternehmen arbeiten. Was bedeutet das?

Demokratie ist nur noch eine Theorie; eine allmächtige Konzern-Elite ist, die mit dem Staat verschmolzen ist, und die Forderungen nach „Identität“. Amerikanische Admiräle werden vom australischen Steuerzahler täglich mit Tausenden US-Dollar für „Beratung“ entlohnt. PR-Maßnahmen und Intrigen korrupter, niveauloser Politiker lullen unsere politische Vorstellungskraft im gesamten Westen ein und sorgen für Ablenkung: ein Boris Johnson oder ein Donald Trump oder ein Wolodymyr Selenskyj.

2023 sorgt sich kein Autorenkongress um den „Zerfall des Kapitalismus“ und die tödlichen Provokationen „unseres“ politischen Führungspersonals. Der berüchtigste darunter, Tony Blair, dem ersten Anschein nach ein Verbrecher nach dem Standard der Nürnberger Prozesse, ist frei und reich. Julian Assange, der Journalisten dazu herausforderte zu beweisen, dass ihre Leser das Recht auf Information haben, ist seit mehr als einem Jahrzehnt weggesperrt.

Der Aufstieg des Faschismus in Europa ist unumstritten. Man kann auch von „Neo-Nazismus“ oder „extremem Nationalismus“ sprechen, ganz wie es beliebt. Die Ukraine als der faschistische Bienenstock des modernen Europa hat das Wiedererstehen des Kults um Stepan Bandera erlebt, den leidenschaftlichen Antisemiten und Massenmörder, der Hitlers „Judenpolitik“ pries, die dazu führte, dass 1,5 Millionen ukrainische Juden abgeschlachtet wurden. „Wir werden eure Köpfe Hitler zu Füßen legen“, verkündete ein Bandera-Pamphlet den ukrainischen Juden.

Heute wird Bandera im Westen der Ukraine als Held verehrt, und die EU und die USA haben haufenweise Statuen von Bandera und mit ihm verbundenen Faschisten bezahlt. Sie wurden statt jener Statuen von russischen Kulturgiganten und Persönlichkeiten aufgestellt, welche die Ukraine von den ursprünglichen Nazis befreit hatten.

2014 spielten Neonazis eine Schlüsselrolle in einem von den Amerikanern finanzierten Coup gegen den gewählten Präsidenten, Viktor Yanukowitsch, der beschuldigt wurde, „pro-Moskau“ zu sein. Das Coup-Regime bestand auch aus prominenten „extremen Nationalisten“ – Nazis, bloß hießen sie anders.

Zunächst berichteten die BBC und europäische und amerikanische Medien ausführlich darüber. 2019 brachte das Time Magazin einen großen Bericht über die „weißen rassistischen Milizen“ (Inside A White Supremacist Militia in Ukraine – YouTube), die in der Ukraine aktiv sind. NBC News berichtete: „Die Ukraine hat wirklich ein Nazi-Problem“. Die Verbrennung von Gewerkschaftlern in Odessa wurde gefilmt und dokumentiert.

Angeführt vom Asow-Regiment, deren Symbol, die „Wolfsangel“, aufgrund seiner Verwendung durch die deutsche SS in Verruf kam, ist das ukrainische Militär in den russisch-sprachigen Donbas im Osten des Landes einmarschiert. 14.000 Menschen wurden laut UN im Osten getötet. Sieben Jahre später, nachdem das Minsker Friedensabkommen vom Westen sabotiert worden war, wie Angela Merkel einräumte, marschierte die Rote Armee ein.

Diese Version der Ereignisse wurde im Westen nicht berichtet. Sie auch nur zu erwähnen, setzt einen dem Vorwurf aus, ein „Putin Apologet“ zu sein, selbst wenn jemand – wie ich – die russische Invasion verurteilt hat. Zu verstehen, welch extreme Provokation ein von der NATO bewaffnetes Grenzland, die Ukraine – dasselbe Grenzland, durch das Hitler einmarschierte – für Moskau darstellte, ist ein Unding.

Journalisten, die in den Donbass reisten, wurden zum Schweigen gebracht oder sogar in ihrem eigenen Land verfolgt. Der deutsche Journalist Patrik Baab verlor seinen Arbeitsplatz, und das Konto der jungen deutschen freien Reporterin, Alina Lipp, wurde beschlagnahmt.

Das Schweigen der Einschüchterung

Das Schweigen der liberalen Intelligenzija in Großbritannien ist das Schweigen der Einschüchterung. Staatlich protegierte Themen wie die Ukraine oder Israel sollten tunlichst vermieden werden, wenn man seinen Job an der Universität behalten will. Was dem früheren Labour-Chef Jeremy Corbyn 2019 widerfuhr, wird auf dem Unicampus wiederholt – Widersacher des Apartheidstaats Israel werden wie selbstverständlich als Antisemiten verleumdet.

Professor David Miller, ironischerweise die führende Autorität Englands zum Thema moderne Propaganda, wurde von der Bristol Universität entlassen, weil er öffentlich angedeutet hatte, dass Israels „Agenten“ in Großbritannien und seine politische Lobbyarbeit weltweit einen überproportional großen Einfluss ausübten – eine Tatsache, für die es umfangreiche Beweise gibt.

Die Universität veranlasste eine unabhängige Untersuchung des Falles. Ein führender Rechtsexperte entlastete Miller bei dem „wichtigen Thema der akademischen Redefreiheit“ und kam zu dem Schluss: „Professor Millers Kommentare stellten keine unrechtmäßige Äußerung dar“. Die Universität hat ihn dennoch entlassen. Die Botschaft ist klar: Gleich welche Gräueltaten Israel begeht, es genießt Immunität und seine Kritiker müssen bestraft werden.

Vor ein paar Jahren schätzte Terry Eagleton, damals Professor für englische Literatur an der Universität von Manchester, dass „zum ersten Mal seit zwei Jahrhunderten kein angesehener britischer Dichter, Theaterautor oder Romancier bereit sei, die Grundfesten der westlichen Lebensweise infrage zu stellen“.

Kein Shelley sprach für die Armen, kein Blake für utopische Träume, kein Byron verurteilte die Korruption der herrschenden Klasse, kein Thomas Carlyle und kein John Ruskin enthüllten die moralische Katastrophe des Kapitalismus. Autoren wie William Morris, Oscar Wilde, H.G. Wells, George Bernard Shaw sucht man heute vergeblich. Damals lebte Harold Pinter noch, „der letzte, der seine Stimme erhob“, schrieb Eagleton.

Woher kam der Postmodernismus – die Ablehnung von Politik und authentischem Widerspruch? Die Veröffentlichung von Charles Reichs Bestseller „The Greening of America“ 1970 bietet einen Hinweis. Amerika war damals in Aufruhr; Richard Nixon saß im Weißen Haus, ziviler Widerstand, bekannt als „die Bewegung“, war aus den Rändern der Gesellschaft hervorgeplatzt inmitten eines Krieges, der nahezu jeden berührte. Im Verbund mit der Bürgerrechtsbewegung stellte dieser Widerstand die größte Herausforderung für Washingtons Macht in hundert Jahren dar.

Auf dem Buchumschlag standen folgende Worte: „Es kommt eine Revolution. Sie wird nicht wie die Revolutionen der Vergangenheit sein. Sie wird mit dem Individuum beginnen.“

Damals war ich Korrespondent in den Vereinigten Staaten und erinnere mich daran, wie der junge Yale-Absolvent Reich über Nacht zum Guru wurde. Der New Yorker hatte sein Buch als Serie aufgelegt, eine Sensation. Seine Botschaft war, dass die „politische Aktion und die Verkündigung der Wahrheit“ der 1960er Jahre fehlgeschlagen waren und nur „Kultur und Introspektion“ die Welt verändern würden. Das fühlte sich so an, als würde das Hippietum Anspruch auf die Konsumentenschichten erheben. Und in gewisser Hinsicht war das auch der Fall.

Innerhalb weniger Jahre hatte der Kult um das eigene Ich den Sinn vieler Menschen für die gemeinsame Sache, für soziale Gerechtigkeit und für den Internationalismus nahezu überwältigt. Klasse, Gender und Rasse wurden getrennt. Das Persönliche war das Politische, und das Medium war die Botschaft. Sie lautete: Geld machen.

Was „die Bewegung” anging und ihre Hoffnung und ihre Lieder, so setzten die Jahre unter Ronald Reagan und Bill Clinton dem allen ein Ende. Die Polizei befand sich nun im offenen Krieg mit schwarzen Menschen; Clintons berüchtigte Sozialhilfegesetze brachen weltweite Rekorde bei der Anzahl vorwiegend Schwarzer, die sie ins Gefängnis brachten.

Mit 9/11 vollendete die Erfindung neuer „Bedrohungen“ an „Amerikas Grenzen“ (wie das „Projekt for a New American Century“ die Welt nannte) die politische Desorientierung jener, die 20 Jahre davor eine entschiedene Opposition gebildet hätten.

In den darauffolgenden Jahren hat Amerika Krieg mit der Welt geführt. Laut einem weithin ignorierten Bericht der Physicians for Social Responsibility, der Physicians for Global Survival und der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, die den Friedensnobelpreis gewonnen haben, wurden in Amerikas „Krieg gegen den Terror“ „mindestens“ 1,3 Millionen Menschen in Afghanistan, im Irak und in Pakistan getötet.

In dieser Zahl nicht enthalten sind die Toten der von den USA geführten und angeheizten Kriege im Jemen, Libyen, Syrien, Somalia und darüber hinaus. Die tatsächliche Zahl, so der Bericht, „könnte gut mehr als zwei Millionen sein [oder] zehn Mal so groß wie jene, von welcher die Öffentlichkeit, Experten und Entscheidungsträger ausgehen und die von den Medien und großen NGOs propagiert wird“.

„Mindestens“ eine Million Menschen wurden im Irak getötet oder fünf Prozent der Bevölkerung.

Niemand weiß, wie viele getötet wurden

Das ungeheure Ausmaß dieser Gewalt und dieses Leids scheint im westlichen Bewusstsein keinen Platz zu haben. „Niemand weiß, wie viele“ ist der Refrain der Medien. Blair und George W. Bush – sowie Straw und Cheney und Powell und Rumsfeld und andere – drohte nie die Verfolgung. Blairs Propaganda-Maestro, Alistair Campbell, ist eine gefeierte „Medienpersönlichkeit“.

2003 habe ich in Washington ein Interview mit dem renommierten Investigativjournalisten Charles Lewis gefilmt. Wir sprachen über die Invasion im Irak wenige Monate zuvor. Ich fragte ihn: „Was, wenn die verfassungsmäßig freiesten Medien der Welt George W. Bush und Donald Rumsfeld kritisch hinterfragt hätten, statt das zu verbreiten, was sich als plumpe Propaganda herausstellte?“

Er antwortete: „Hätten wir Journalisten unsere Arbeit gemacht, wären wir höchstwahrscheinlich nicht gegen den Irak in den Krieg gezogen.“

Ich stellte Dan Rather, dem berühmten Anchor-Man von CBS, die gleiche Frage, er gab mir eine gleichlautende Antwort. David Rose vom Observer, der Saddam Husseins „Drohung“ verbreitet hatte, und Rageh Omaar, der damalige Irak-Korrespondent der BBC, antworteten ebenfalls so. Roses bewundernswerte Zerknirschung darüber, hinters Licht geführt worden zu sein, sprach für viele Reporter, denen sein Mut, das einzugestehen, fehlte.

Ihre Aussage ist es wert, wiederholt zu werden. Hätten Journalisten ihre Arbeit gemacht, hätten sie die Propaganda infrage gestellt und unter die Lupe genommen, anstatt ihr eine Plattform zu geben, könnten eine Million irakische Männer, Frauen und Kinder vielleicht heute noch am Leben sein; Millionen hätten vielleicht nicht aus ihrem Zuhause fliehen müssen; der religiöse Krieg zwischen Sunniten und Schia wäre vielleicht nicht entfacht worden, der IS hätte vielleicht existiert.

Vergegenwärtigen Sie sich diese Tatsache angesichts der räuberischen Kriege, die die USA und ihre „Verbündeten“ seit 1945 vom Zaun gebrochen haben – die Schlussfolgerung verschlägt einem den Atem. Wird das je auf Journalistenschulen thematisiert?

Heute ist der Krieg durch die Medien eine Hauptaufgabe des sogenannten Mainstream-Journalismus. Es erinnert an das, was ein Ankläger der Nürnberger Prozesse 1945 beschrieb:

„Vor jeder größeren Aggression, mit einigen Ausnahmen aus Gründen der Opportunität, setzten sie eine Pressekampagne in Gang, die darauf abzielte, ihre Opfer zu schwächen und das deutsche Volk psychologisch vorzubereiten… die wichtigsten Waffen waren die Tagespresse und das Radio.“

Ein hartnäckiger Strang in Amerikas politischen Leben ist ein kultischer Extremismus, der dem Faschismus nahekommt. Obwohl man dies Trump zuschrieb, war es doch während der zwei Amtszeiten Barack Obamas, dass sich die US-Außenpolitik auf einen handfesten Flirt mit dem Faschismus eingelassen hat. Das wurde so gut wie nie berichtet.

„Ich glaube mit jeder Faser meines Seins an den amerikanischen Exzeptionalismus“, sagte Obama, der eine präsidentielle Lieblingsbeschäftigung – das Bombardieren und das Entsenden von Todesschwadronen, bekannt als „Spezialoperationen“ – so sehr ausgeweitet hat wie kein anderer Präsident nach dem Ersten Kalten Krieg.

Laut einem Überblick des Council on Foreign Relations warf Obama 2016 26.171 Bomben ab. Das sind 72 Bomben am Tag. Er bombardierte bitterarme Menschen und People of Colour: in Afghanistan, Libyen, Jemen, Somalia, Syrien, Irak, Pakistan.

Jeden Dienstag – so berichtete die New York Times – wählte er aus, wer von Hellfire-Raketen ermordet werden sollte, die per Drohne abgefeuert wurden. Hochzeiten, Beerdigungen, Schäfer wurden angegriffen, zusammen mit den Menschen, die versuchten, die Körperteile zusammenzusammeln, welche das „terroristische Angriffsziel“ schmückten.

Ein führender republikanischer Senator, Lindsey Graham, schätzte anerkennend, dass Obamas Drohnen 4.700 Menschen getötet haben. „Manchmal trifft man unschuldige Menschen, und das hasse ich“, sagte er, „aber wir haben auf die Weise einige hochrangige Al-Quaida-Mitglieder erwischt“.

Im Jahr 2011 sagte Obama den Medien, dass der libysche Präsident Muammar Gaddafi einen „Völkermord“ an seinem eigenen Volk plane: „Wir wussten, dass – würden wir einen Tag länger warten – Benghazi, eine Stadt von der Größe von Charlotte [North Carolina] ein Massaker erleiden könnte, das einen Nachhall in der ganzen Region gehabt und das Gewissen der Welt belastet hätte.“

Das war eine Lüge. Die einzige „Bedrohung“ war die bevorstehende Niederlage fanatischer Islamisten durch libysche Regierungstruppen. Gaddafi bekam die Rolle als Feind des westlichen Kolonialismus auf dem Kontinent, auf dem Libyen der zweitmodernste Staat war, weil er Pläne hatte, einen unabhängigen Pan-Afrikanismus, eine afrikanische Bank und afrikanische Währung wiederzubeleben – und zwar auf der Grundlage des libyschen Erdöls.

Gaddafis „Bedrohung” und seinen modernen Staat zu zerstören, war das Ziel. Die NATO, unterstützt von den USA, Großbritannien und Frankreich, richtete 9.700 Angriffe gegen Libyen. Ein Drittel davon war gegen die Infrastruktur und zivile Ziele gerichtet, berichteten die Vereinten Nationen. Man setzte Uran-Sprengköpfe ein; die Städte Misurata und Sirte wurden mit einem Bombenteppich belegt. Das Rote Kreuz identifizierte Massengräber, und Unicef berichtete, „die meisten [der getöteten Kinder] waren unter 10 Jahre alt“.

Als Hillary Clinton, Obamas Außenministerin, erfuhr, dass Gaddafi von den Aufständischen gefangen und mit einem Messerstich in den After getötet wurde, lachte sie und sagte in die Kamera: „Wir kamen, sahen und er starb!“

Am 14. September 2016 berichtete der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des House of Commons in London über den Abschluss einer einjährigen Studie zum NATO-Angriff auf Libyen. Er beschrieb diesen als „Palette von Lügen“ – inklusive der Story vom Benghazi-Massaker.

Die NATO-Bombardierung stürzte Libyen in eine humanitäre Katastrophe, hat Tausende von Menschen getötet und Hunderttausende zur Flucht gezwungen. Sie hat Libyen von dem afrikanischen Land mit dem höchsten Lebensstandard in einen kriegsversehrten Failed State verwandelt.

Unter Obama dehnten die USA die geheimen Operationen durch „Spezialkräfte“ auf 138 Länder, oder 70 Prozent der Weltbevölkerung, aus. Der erste afro-amerikanische Präsident startete eine großangelegte Invasion Afrikas.

Das US African Command (Africom) erinnert an den Wettlauf um Afrika im 19. Jahrhundert und hat seitdem ein Netzwerk von Bittstellern an kollaborativen afrikanischen Regimen aufgebaut, die nach amerikanischen Bestechungsgeldern und Waffen lechzen. Africoms „soldier to soldier“-Doktrin bindet US-Offiziere auf allen Befehlsebenen ein, vom General zum Stabsfeldwebel. Es fehlen nur Tropenhelme.

Es ist, als ob Afrikas stolze Geschichte der Befreiung, von Patrice Lumumba bis Nelson Mandela von einer neuen schwarzen kolonialen Elite des weißen Herren dem Vergessen anheimgegeben wurde. Die „historische Mission“ dieser Elite, warnte der wissende Frantz Fanon, ist die Beförderung eines „ungezügelten, aber getarnten Kapitalismus“.

2011, in dem Jahr, als die NATO in Libyen einmarschierte, kündigte Obama die „Hinwendung nach Asien“ an. Knapp zwei Drittel der US-Marine sollten in den asiatisch-pazifischen Raum verlagert werden, um „der Bedrohung aus China die Stirn zu bieten“, wie es sein Verteidigungsminister formulierte.

Es gab keine Bedrohung aus China; es gab eine Bedrohung Chinas aus den Vereinigten Staaten; rund 400 US-amerikanische Militärbasen bilden einen Bogen entlang des Randes von Chinas industriellem Kernland, welchen ein Pentagon-Beamter anerkennend als „Schlinge“ bezeichnete.

Zur gleichen Zeit platzierte Obama Raketen in Osteuropa, die auf Russland zielten. Es war der seliggesprochene Friedensnobelpreisträger, der die Ausgaben für Atomwaffen auf ein Niveau erhöhte, das höher war als das jeder US-Regierung seit dem Kalten Krieg – nachdem er 2009 in einer emotionalen Rede mitten in Prag versprochen hatte, „dabei zu helfen, die Welt von Atomwaffen zu befreien“.

Obama und seine Administration wussten genau, dass der Coup gegen die ukrainische Regierung, den zu überwachen seine Assistant Secretary of State, Victoria Nuland, im Jahr 2014 geschickt wurde, eine russische Antwort provozieren und wahrscheinlich zum Krieg führen würde. Und genauso ist es gekommen.

Ich schreibe dies am 30. April, dem Jahrestag des letzten Tages des längsten Krieges des 20. Jahrhunderts in Vietnam, über den ich berichtet habe. Ich war sehr jung, als ich in Saigon ankam, und ich lernte eine Menge. Ich lernte das charakteristische Dröhnen der Triebwerke der riesigen B52-Bomber erkennen, die ihr Blutbad von weit über den Wolken abwarfen und nichts und niemanden verschonten; ich lernte, mich nicht wegzudrehen, wenn ich einen verkohlten Baum, garniert mit menschlichen Körperteilen, sah; ich lernte, Güte zu schätzen wie nie zuvor; ich lernte, dass Joseph Heller recht hatte in seinem meisterhaften Buch „Catch 22“: Krieg passt nicht zu vernünftigen Menschen; und ich habe von „unserer“ Propaganda erfahren.

Diesen ganzen Krieg hindurch behauptete die Propaganda, dass ein siegreiches Vietnam seine Krankheit des Kommunismus auf ganz Asien übertragen und der Großen Gelben Gefahr im Norden erlauben würde, über den Kontinent hereinzubrechen. Länder würden wie „Dominosteine“ umfallen.

Ho Shi Minhs Vietnam war siegreich, und nichts von dem eben Beschriebenen trat ein. Stattdessen blühte die vietnamesische Zivilisation auf – dem Preis zum Trotz, den sie bezahlten: drei Millionen Tote. Dazu die Verstümmelten, die Entstellten, die Süchtigen, die Vergifteten, die Verschollenen.

Sollten die aktuellen Propagandisten ihren Krieg mit China bekommen, droht ein Vielfaches dessen. Erhebt eure Stimme.

Titelbild: AAP