Gespräch mit dem Palästinenser George Rashmawi zum aktuellen Konflikt

Gespräch mit dem Palästinenser George Rashmawi zum aktuellen Konflikt

Gespräch mit dem Palästinenser George Rashmawi zum aktuellen Konflikt

Ein Artikel von: Redaktion

Am 13.4.2023 hatten wir ein erstes Videogespräch mit George Rashmawi veröffentlicht. Siehe hier. Jetzt ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wieder einmal so schrecklich und tödlich geworden, dass wir ein neues Gespräch führten. Eine der Kernaussagen: „Wir als Palästinenser sind für einen demokratischen Staat in Palästina. Wir befürworten einen Staat, in dem alle gleichberechtigt zusammenleben können. So eine politische Lösung wird bestimmt auch von liberalen und demokratischen Kräften in Israel bevorzugt. Leider möchte die jetzige rassistische Regierung jede politische Lösung verhindern.“ Die Palästinenser stünden mit dem Rücken zur Wand, das Zahlenverhältnis der zum Beispiel in der Westbank Lebenden habe sich verschoben. Dort leben inzwischen 700.000 israelische Siedler. Albrecht Müller.

Im Anhang ein Beitrag von Arn Strohmeyer zu ähnlichen Vorgängen vom April 2002.

Hier sind Informationen zum Gesprächspartner George Rashmawi:

Er kam Mitte 1974 nach Deutschland, studierte an der Uni Köln Medizin. In dieser Zeit war er aktiv im Asta sowie bei der Gründung des Palästinensischen Studenten Vereins in Deutschland. George Rashmawi war 1996 auch Mitglied des Zentralrates der General Union der Palästinensischen Studenten weltweit.

Nach Abschluss seines Studiums lehnte die Besatzungsmacht Israel seine Rückkehr nach Palästina ab. Er hat dann zusammen mit zwei Bekannten eine medizinische Firma gegründet. Dort ist er immer noch tätig.

Er ist Mitglied des Sprecherkreises der Koordinationsgruppe des Netzwerkes Palästina-Israel (KOPI). Sie treten für einen gerechten Frieden im Nahen Osten zwischen Palästina und Israel ein. Das Netzwerk hat 35 Gruppen.

George Rashmawi ist zurzeit auch Vorsitzender der Paläst. Gemeinden, Institionen und Aktivitäten in Europa. – Er ist Mitglied des Vorstandes der Paläst. Gemeinde Deutschland e.V., die in 25 Städten ihre Gruppen hat. Und er ist Mitglied des Nationalkongresses der PLO.

Anhang:

Bei der Vorbereitung des Gesprächs stieß ich auf einen Artikel, der die mörderische Dramatik der Auseinandersetzungen schonungslos zeigt:

Ein neues Massaker in Jenin?
Schon einmal hat Israels Armee das „Terroristennest“ im Westjordanland plattgemacht
Arn Strohmeyer

Die Nachrichten, die uns aus Jenin erreichen, lassen Furchtbares ahnen. Die israelische Armee ist wieder einmal dabei, dieses „Terroristennest“ zu säubern – mit allen Mitteln, die die „moralischste Armee der Welt“ einsetzen kann: Luftwaffe, Raketen, Panzer, Scharfschützen und vor allem die riesigen Caterpillars D-9. Das sind für die Israelis die richtigen Waffen, um gegen ein Flüchtlingslager mit 17 000 Einwohnern vorzugehen, in denen sich – wen wundert es angesichts der brutalen Besatzung? – auch palästinensische Widerstandskämpfer aufhalten.

Das gehört zu der Tragödie der Zionisten. Sie haben mit ihrer Politik der Gewalt dafür gesorgt, dass Millionen Palästinenser noch immer in Flüchtlingslagern hausen müssen, ob im Westjordanland, im Gazastreifen oder in den arabischen Nachbarstaaten. Natürlich rufen solche unmenschlichen Zustände Widerstand hervor. Das ist in den Augen der Besatzer dann aber „Terrorismus“, und der muss mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, wenn es sein muss auch zum zigsten Mal. Die Geschichte dreht sich aber im Kreis: Die Besatzungsgewalt produziert immer neue „Terroristen“, und so kann die Tragödie kein Ende nehmen…

Der neue Sturm auf Jenin ruft schlimme Erinnerungen wach. Im April 2002 hat die israelische Armee das Flüchtlingslager schon einmal angegriffen, um es „auszuradieren“. Das wurde mit Gründlichkeit besorgt. Erst erledigte das Militär seine Aufgabe, dann kamen die riesigen Bulldozer und besorgten den Rest. Das sah dann so aus, dass die Caterpillars die Häuser einfach niedermähten, wie Augenzeugen berichteten.

Die israelische Linguistin und Publizistin Tanya Reinhart (Universität Tel Aviv) hat nach Aussagen von Soldaten geschildert, was dort geschah: „Dabei steht mit Sicherheit fest, dass die israelischen Streitkräfte in Jenin schlicht und einfach die Tatsache ignorierten, dass sich in den Gebieten, die sie Tag und Nacht mit Raketen aus Cobra-Hubschraubern attackierten und mit Bulldozern platt walzten, um den Weg für die einrollenden Panzer freizumachen, eine unbekannte Zahl von Zivilisten befand. Niemand kam ins Lager, um diese Menschen einzeln zu exekutieren; sie wurden zermalmt und unter ihren zerbombten und einplanierten Häusern begraben. Andere starben in den Gassen an ihren Verletzungen oder schrien unter den Ruinen tagelang um Hilfe, bis ihre Stimmen schließlich erstarben.“ Man hat den Leuten also nicht die Möglichkeit gegeben, ihre Häuser zu verlassen.

Alarmiert von den Augenzeugenberichten beschloss der UNO-Sicherheitsrat einstimmig die Entsendung einer Untersuchungskommission. Man konnte sich aber mit den Israelis nicht über die Bedingungen der Untersuchung einigen und so wurde sie fallengelassen. Da es keine formelle Untersuchung gab, blieb die grausame Geschichte von Jenin 2002 unerzählt. Tatsache ist aber, „dass eine unbekannte Anzahl von Menschen lebendigen Leibes in ihren Häusern einplaniert wurde, während die D-9 das Zentrum des Flüchtlingslagers in Jenin dem Erdboden gleichmachten“, schreibt Tanya Reinhart.

Der israelische Journalist Tsadok Yehezkeli von der Zeitung Yediot Aharonot machte ein Interview mit einem der Bulldozer-Fahrer. Dieser Mann erzählte, dass er 75 Stunden lang ohne Pause auf der riesigen Planierraupe gesessen habe und ein Haus nach dem anderen niedergewalzt habe. Wörtlich sagte er: „Drei Tage lang schlug ich ununterbrochen alles in Stücke. Das ganze Gebiet. Jedes Haus, aus dem sie feuerten, wurde plattgemacht. Um es niederzuwalzen, riss ich gleich noch ein paar andere mit ein. Die Leute wurden über Lautsprecher gewarnt, das Haus zu verlassen, aber ich gab keinem eine Chance. Ich wartete nicht lange. Ich schlug nicht mal gegen das Haus und wartete, dass sie dann rauskamen. Ich rammte einfach mit voller Kraft gegen das Haus, um es so schnell wie möglich zum Einsturz zu bringen. Ich wollte weiter zu den anderen Häusern. Ich wollte so viele wie möglich schaffen. (…) Mir waren die Palästinenser scheißegal, aber ich habe nicht einfach so ohne Grund alles kaputtgemacht. Das geschah auf Befehl. (…) Wenn mir irgendetwas leidtut, dann nur, dass wir nicht das ganze Lager abgerissen haben.“ (Das Interview wurde am 31. Mai 2002 in der Wochenendbeilage von Yediot Aharonot veröffentlicht.)

Jenin war während dieser Militäraktion natürlich für die Medien gesperrt. Die israelische Armee schätzte, dass es ungefähr 200 Tote gegeben habe. Genaue Zahlen gibt es aber nicht: Denn die Leichen wurden sehr schnell in Spezial-Kühllastwagen zu „Terroristenfriedhöfen“ im Jordantal gebracht und dort begraben. Die Israelis hatten Angst, dass die Palästinenser die Toten zu Propagandazwecken benutzen könnten.

Wiederholen sich die furchtbaren Ereignisse vom April 2002 gegenwärtig in Jenin?

Quelle. Tanya Reinhart: „Operation Dornenfeld“. Der Israel-Palästina-Konflikt: Gerechter Frieden oder endloser Krieg? Bremen 2002

P.S. A.M.: Hier noch die Darstellung der Arbeit eines Caterpillar IDF D9.