Steinmeier war schon vor den Streubomben der Präsident der doppelten Standards

Steinmeier war schon vor den Streubomben der Präsident der doppelten Standards

Steinmeier war schon vor den Streubomben der Präsident der doppelten Standards

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Haltung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur geplanten Lieferung von Streumunition an die Ukraine durch die USA ist nur ein weiterer Gipfel der Heuchelei – ein weiterer insofern, als dass Steinmeier ohnehin bereits eine lange Geschichte an praktizierten Doppelstandards vorzuweisen hat: Seine Rollen (unter anderem) bei den Vorgängen Hartz IV, Murat Kurnaz, Jugoslawienkrieg und nicht zuletzt seine moralische Absicherung der inakzeptablen Corona-Politik machen unseren Bundespräsidenten zu einem höchst problematischen Politiker – er müsste zurücktreten. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Steinmeier sabotiert mit dem ausbleibenden Widerstand gegen die Lieferungen der Streumunition die Konvention, die er damals selber unterzeichnet hat. Seine unsägliche Äußerung, man könne den USA bei der Lieferung von geächteten Waffen nicht „in den Arm fallen“, ist übrigens nicht die einzige unhaltbare Aussage Steinmeiers im kürzlichen ZDF-Interview. Zusätzlich nimmt er dort indirekt eine als schlicht unmoralisch anzusehende Verlängerung des Krieges in Kauf, indem er sagt, er könne sich einen Waffenstillstand nicht einmal vorstellen – unserem Staatsoberhaupt fehlt (angeblich) die Fantasie, ein Schweigen der Waffen zu visualisieren. Mutmaßlich ist das aber keine Frage seiner Fantasie, sondern von zielgerichteter Politik zugunsten der USA – einer Politik, die sich direkt gegen die eigenen Bürger richtet.

Konkret sagte er im ZDF, er erkenne im Moment noch nicht die Bedingungen, unter denen er sich einen Waffenstillstand vorstellen könnte: Ein solcher Waffenstillstand „würde bedeuten zum jetzigen Zeitpunkt, dass man den Landraub, den Russland in der Ukraine betreibt, dass man diesen Landraub belohnt“. Russland müsse seine Truppen abziehen „und wir müssen Verständnis dafür haben, dass, solange das nicht der Fall ist, die Ukraine die russischen Truppen zurückzukämpfen versucht“, sagte er.

Mit dieser Maximalforderung entzieht Steinmeier einer baldigen Friedenslösung jede Grundlage. Wer so spricht, weiß, dass dadurch der Krieg in die Länge gezogen wird – mit höchst zweifelhaften und die gesamte Vorgeschichte des Konflikts ignorierenden „Argumenten“. Dieses Handeln ist so unverantwortlich, dass einem die passenden Worte fehlen. Steinmeier müsste meiner Meinung nach – wie die Mitglieder der Bundesregierung, die den Kurs des Wirtschaftskrieges, der Waffenlieferungen, der sabotierten Friedensverhandlungen und der Kriegsverlängerung immer noch mittragen – sofort zurücktreten. Sie alle handeln, neben der Ignoranz gegenüber dem verlängerten Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung, gegen die Interessen der eigenen Bürger.

Konsequente Geschichtsklitterung

Und wenn Steinmeier sagt, „nicht nur Deutschland, auch die USA und viele andere Staaten hätten versucht, in Europa eine Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands zu schaffen“ – dann stellt er damit die Realität auf den Kopf und leugnet die Feindschaft, mit der Russlands Vorstößen für ein gemeinsames Europäisches Haus begegnet wurde sowie die lange Geschichte der westlichen Sanktionen und der giftigen Propaganda gegen einen europäischen Nachbarn. Auf den Kopf gestellt wird durch die Aussage auch die konkrete Vorgeschichte des Ukrainekrieges mindestens seit 2014. Ausgehend von diesen grundfalschen Aussagen kommt Steinmeier zu für die Bürger Europas verheerenden Schlussfolgerungen:

„Und das heißt eben bedauerlicherweise, Sicherheit in der Zukunft in Europa wird nicht mehr eine gemeinsame Sicherheit mit Russland sein, sondern wir werden uns voreinander schützen – mit immensen Ausgaben für unsere Verteidigungshaushalte, um besseren Schutz für Europa, für die Allianz und besseren Schutz für unsere eigene Bevölkerung in Deutschland zu organisieren.“

Die zentrale Rolle Steinmeiers im Vorfeld des militanten Maidan-Umsturzes, der jahrelangen Angriffe von ukrainischen Milizen auf die Bürger des Donbas und schließlich im Vorfeld der russischen Invasion hat Dagmar Henn in diesem Artikel zusammengefasst:

„Wenn es eine Person gibt, die die Hintergründe des Konflikts in der Ukraine genau kennen muss, dann ist das Frank-Walter Steinmeier. Von 1999 bis 2005 war er Chef des Kanzleramts. Während der ersten Farbrevolution in der Ukraine, im Jahr 2004, war er damit der Geheimdienstkoordinator und hatte dementsprechend alle verfügbaren Informationen über diesen ersten westlichen Versuch, die Ukraine vollständig unter die Ideologie von Bandera zu stellen und gegen Russland zu richten. Er weiß mit Sicherheit auch genau über die deutsche Rolle in diesem Spiel Bescheid. 2014, während des zweiten Anlaufs durch den Maidan, war er deutscher Außenminister. Er schloss zusammen mit seinen polnischen und französischen Kollegen das verhängnisvolle Abkommen mit der „Opposition“, das dazu führte, dass der rechtmäßig gewählte ukrainische Präsident Janukowitsch die Bewachung der Regierungsgebäude zurückzog, woraufhin sie am Folgetag gestürmt werden konnten. Steinmeier hat die Putschisten sofort anerkannt. Steinmeier war an den Verhandlungen der Minsker Vereinbarungen beteiligt, hat aber wider besseres Wissen beständig die falsche Aussage verbreitet, die ‚Separatisten’ müssten sofort die Kontrolle über die Grenze zu Russland an Kiew übergeben.“

Streumunition – „Um möglichst viele russische Soldaten zu töten“

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte die geächtete Streumunition immer wieder gefordert, laut Medienberichten, „um möglichst viele russische Soldaten zu töten“.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Streumunition in 43 Ländern von mindestens 23 Regierungen eingesetzt worden sei. Darunter waren die USA, Großbritannien und die Niederlande. Sie kam demnach im Vietnamkrieg zum Einsatz, im Irak zwischen 1991 und 2006, aber auch im Kosovo und in Afghanistan. In jüngerer Vergangenheit sei sie in Syrien und in Jemen eingesetzt worden.

Über den Einsatz von Streumunition durch die Ukraine hat Jens Berger bereits im Februar im Artikel „Geächtete Streubomben für die Ukraine? Was für eine Heuchelei!“ geschrieben:

„Die Ukraine setzt schließlich seit 2014 diese geächteten Waffen im Krieg gegen die Separatisten und später gegen die russische Armee ein. Der internationale Protest blieb aus. Und offenbar liefert zumindest die Türkei als NATO-Staat auch bereits Streubomben an die Ukraine, die aktuell im Krieg eingesetzt werden.“

Eine Grundlage für aktuelle Vorwürfe, Russland hätte im Ukrainekrieg ebenfalls bereits Streumunition einsetzt, ist dieser Beitrag von Amnesty International zum angeblichen Einsatz der Waffen durch die Russen in Charkiw. In einem Artikel im März berichtete der „Spiegel“, die NATO würde „Anzeichen für eine Anwendung des grausamen Kampfmittels durch Russland in der Ukraine“ sehen.

Lang, lang ist’s her: SPD und Auswärtiges Amt ächten Streumunition

In 2012 wollte die SPD in einem Antrag sogar zusätzlich die Investitionen in die Produktion von Streumunition ächten:

„Was will der Antrag? Er will sicherstellen, dass Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c der Oslo-Konvention über Streumunition – und analog angewendet auf Antipersonenminen – so interpretiert wird, dass das Verbot der Unterstützung der Herstellung von Streumunition auch Investitionen in Herstellerfirmen, direkte und indirekte, umfasst. Welchen Sinn macht es denn, wenn wir uns damit brüsten, im Gegensatz zu den Ländern mit großen Herstellern – USA, China usw. – auf die Herstellung, den Besitz, die Anwendung, den Export und die Lagerung dieser menschenverachtenden Waffen zu verzichten, uns dann aber weigern, Investitionen in Firmen, die diese geächtete Munition herstellen, ausdrücklich zu verbieten?“

Die Haltung des Auswärtigen Amtes zu Streumunition lautete noch 2021 (also zu Zeiten, als diese Schönwetter-Meinung noch nicht in direktem Konflikt mit US-Interessen stand):

„Das Oslo-Übereinkommen verbietet diese Art von Munition und enthält Vorgaben zur Zerstörung von vorhandenen Beständen, zur Räumung von mit Streumunition belasteten Flächen, zur Unterstützung der Opfer von Streumunition und zur jährlichen Berichterstattung. (…) Gefährlich ist Streumunition vor allem deshalb, da ein erheblicher Prozentsatz der Submunitionen nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und die Bevölkerung gefährdet. Submunitionen sind sensibel, sehr zahlreich und wegen ihrer geringen Größe schwer auffindbar. Zudem werden sie oft mit Spielzeug oder anderen Gegenständen verwechselt. Dadurch bringt Streumunition besonders die Zivilbevölkerung in Gefahr, nicht nur während des Einsatzes, sondern noch lange nach Beendigung eines militärischen Konflikts. (…) Als Zeichen des besonderen deutschen Engagements für die Ziele des Übereinkommens übernahm Deutschland 2016 dessen Vorsitz für ein Jahr und unternahm in dieser Zeit zahlreiche Aktivitäten zur Universalisierung, der Koordinierung von Hilfe (Länderkoalitionen) und initiierte einen strukturierten Dialog (inklusive Military to Military) mit wichtigen Anwender- und Besitzerstaaten.“

Jahrzehntelanges Leid durch diese Munition

Über die zerstörerische Langzeitwirkung der Streumunition berichtet der „Infosperber“. Demnach fordern nicht explodierte Sprengkörper oder ‚Blindgänger‘ aus Streumunition , welche die USA vor über fünfzig Jahren in Vietnam, Laos und Kambodscha sowie vor zwanzig Jahren im Irakkrieg eingesetzt hatten, noch heute jährlich hunderte Todes- und Verstümmelungsopfer unter der Zivilbevölkerung der betroffenen Länder. Humanitäre Hilfsorganisationen würden mit bis zu weiteren fünfzig Jahren bis zu ihrer vollständigen Beseitigung rechnen. Eine ähnliche, möglicherweise jahrzehntelange Gefährdung drohe nun der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Dass man (zumindest in Lippenbekenntnissen) auch mutiger auftreten kann als unser Bundespräsident, zeigen Beispiele aus anderen Ländern: Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte am Samstag laut Medien, sie sage zwar „Ja“ zur legitimen Verteidigung der Ukraine, aber „Nein“ zu Streubomben. Bestimmte Waffen und Bomben dürften unter keinen Umständen geliefert werden. Sogar der britische Premier Rishi Sunak sagte, Großbritannien rate von einem Einsatz von Streumunition ab. Auch UN-Generalsekretär António Guterres ließ seine Skepsis ausrichten. Ein Sprecher sagte, Guterres unterstütze die Konvention und sei „dagegen, dass weiterhin Streumunition auf Schlachtfeldern eingesetzt wird“. Selbst die „Washington Post“ ist gegen die Lieferung der Waffen.

Exzesse der doppelten Standards

In manchem deutschen Medium klingt dagegen eher die strategische Sorge an, die Lieferung von Streumunition könne nun von „Putins Propaganda“ ausgenutzt werden. Gleichzeitig wurden die freigelassenen Rechtsextremisten vom Asow-Regiment in den letzten Tagen von vielen Medien als „Verteidiger des Azovstal-Werks“ verniedlicht.

Können die deutsche Politik und weite Teile unserer Medienlandschaft sich noch tiefer in doppelten Standards verstricken?

Titelbild: Bjoern Deutschmann / Shutterstock

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