Zwei Reden des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy vom Juni 1963

Zwei Reden des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy vom Juni 1963

Zwei Reden des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy vom Juni 1963

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Präsident Kennedy hielt am 10. Juni 1963 an der American University in Washington eine historisch bedeutsame Rede, die man als Anzeichen einer Abkehr vom Kalten Krieg und als Einstieg in die Entspannungspolitik betrachten kann. Seine oft zitierte Rede am 26. Juni 1963 in Berlin enthielt hingegen noch sehr deutliche Merkmale der Rhetorik des Kalten Krieges. Albrecht Müller.

1.) 10. Juni 1963

In seiner wegweisenden, sogenannten „Friedensrede“ baut Kennedy Brücken, erkennt den großen Blutzoll der sowjetischen Völker im Laufe des Zweiten Weltkriegs an und konstatiert, die Probleme (er meint damit die gefährliche atomare Aufrüstung) seien von Menschen verursacht und könnten auch von Menschen gelöst werden. Kennedy spricht vom Bemühen um Entspannung, Diplomatie und einem höheren Maß an Kontakt und Kommunikation, um auf beiden Seiten gefährliche Verzögerungen, Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden. Man müsse dem Wettrüsten Einhalt gebieten, sich auf gemeinsame Interessen konzentrieren und darauf, wie Differenzen überwunden werden könnten. Er wolle Konfrontationen abwenden, bei denen ein Gegner nur die Wahl zwischen demütigendem Rückzug und Atomkrieg habe. Er plädierte dafür, Einmischungen in die Belange anderer Nationen zu unterlassen. Er sprach von weltweit gültigen Gesetzen, von globaler Abrüstung, Maßnahmen zur Rüstungskontrolle und von seinem langfristigen Ziel: die allgemeine und vollständige Abrüstung. Kennedy war außerdem überzeugt davon, ein Großteil der Rüstungsgelder sollte besser für Bildung, Armutsbekämpfung und das Gesundheitssystem verwendet werden. Als erste Schritte benannte Kennedy die Einrichtung einer direkten Telefonleitung zwischen Moskau und Washington und die Verhandlungen über ein Abkommen zum Verbot von Atomtests.

President John F. Kennedy’s „Peace Speech“
President Kennedy at American University (June 10, 1963)
President Kennedy’s commencement address at American University when he called for high-level negotiations with the Soviet Union, a nuclear test ban treaty and an end to the Cold War. June 10th marks the 50th anniversary of his “Peace Speech” in 1963.
Source: C-SPAN
Quelle: C-SPAN, 6. Juni 2013

Die deutsche Übersetzung der Rede ist zu finden bei: „The John F. Kennedy Presidential Library and Museum“

Auszüge aus der Festrede von Präsident John F. Kennedy am 10. Juni 1963 in Washington, D.C., Amerikanische Universität:

„[…] Von welcher Art Frieden spreche ich? Welche Art Frieden streben wir an? Es geht hier nicht um eine PaxAmericana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. Auch geht es nicht um den Frieden des Grabes oder um die Sicherheit der Sklaven. Ich spreche von echtem Frieden, von der Art Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, von der Art Frieden, durch die Menschen und Nationen wachsen, hoffen und für ihre Kinder die Grundlage einer besseren Zukunft legen können. Ich spreche nicht nur von Frieden für Amerikaner, sondern von Frieden für alle Männer und Frauen. Auch geht es nicht nur darum, dass in unserer Zeit Frieden herrscht, sondern für alle Zeiten. […]

Derzeit müssen wir zur Friedenssicherung jedes Jahr Milliarden von Dollar für Waffen ausgeben, die nur gekauft werden, damit wir sie niemals einsetzen. Der Erwerb eines solch ungenutzten Arsenals, das ausschließlich zu zerstörerischen, nicht jedoch zu konstruktiven Zwecken eingesetzt werden könnte, ist sicherlich nicht die einzige und schon gar nicht die effizienteste Methode der Friedenssicherung. […]

So mancher sagt, dass es sinnlos sei, von Weltfrieden, weltweit gültigen Gesetzen oder globaler Abrüstung zu sprechen, und dass dies so lange der Fall sein wird, bis die Machthaber der Sowjetunion eine aufgeklärtere Haltung einnehmen. Ich hoffe, sie werden das tun, und denke, dass wir sie dabei unterstützen können. Ich denke aber auch, dass wir unsere eigene Haltung als Einzelne und als Nation erneut hinterfragen sollten, da sie eine genauso wichtige Rolle spielt wie die der Sowjetunion. […]

Lassen Sie uns überlegen, wie wir zum Frieden an sich stehen. Zu viele Menschen unter uns glauben, dass es nicht möglich sei, in Frieden zu leben. Zu viele denken, dass dies unrealistisch sei. Dies ist jedoch eine gefährliche, defätistische Ansicht. Sie führt zu der Schlussfolgerung, dass Krieg unvermeidbar ist und dass die Menschheit dem Schicksal verfallen ist und von Kräften geleitet wird, die sie nicht kontrollieren kann. Wir müssen diese Ansicht nicht akzeptieren. Unsere Probleme wurden von Menschen verursacht, weshalb sie auch von Menschen gelöst werden können. […]

Für Weltfrieden, wie auch für den Frieden innerhalb einer Gemeinschaft, ist es nicht erforderlich, dass jeder Mensch seinen Nachbarn liebt. Es ist lediglich erforderlich, dass sie in der Lage sind, durch gegenseitige Toleranz zusammenzuleben und Streitpunkte auf gerechte und friedliche Weise beizulegen. Die Geschichte lehrt uns ja, dass Feindschaften zwischen Nationen nicht ewig andauern, und dies gilt auch für Menschen. Wie tief unsere Vorlieben und Abneigungen auch verwurzelt sein mögen, die Beziehungen zwischen Nationen und Nachbarn verändern sich im Laufe der Zeit und unter Berücksichtigung neuer Ereignisse oft auf überraschende Weise. […]

Wir Amerikaner finden Kommunismus zutiefst abstoßend, weil in ihm persönliche Freiheit und Würde negiert werden. Trotzdem können wir den Russen aufgrund ihrer zahlreichen Errungenschaften zujubeln, in Wissenschaft und Raumfahrt, beim wirtschaftlichen und industriellen Wachstum, in der Kultur und bei mutigen Handlungen. Unter all den Charakteristika, die die Menschen unserer beiden Länder gemein haben, ist keines so stark wie unsere einvernehmliche Verachtung von Krieg. Wir haben noch nie gegeneinander Krieg geführt, was unter den wichtigsten Weltmächten fast einzigartig ist. Und in der Kriegsgeschichte hat noch nie eine Nation dermaßen viel Leid ertragen müssen wie die Sowjetunion im Laufe des Zweiten Weltkriegs. Damals kamen mindestens 20 Millionen Menschen ums Leben. Unzählige Millionen Wohnhäuser und Bauernhöfe wurden niedergebrannt oder geplündert. Ein Drittel des Staatsgebiets, und hierzu zählten fast zweiDrittel seiner industriellen Basis, wurden in eine Öde verwandelt. […]

Beide Länder geben gewaltige Summen für Waffen aus, obwohl diese Gelder besser für die Bekämpfung von Unwissenheit, Armut und Krankheiten verwendet werden könnten. Beide Länder sind in einem gefährlichen Teufelskreis gefangen, in dem das Misstrauen, das auf einer Seite herrscht, auch auf der anderen Seite Misstrauen hervorruft. So führen neue Waffen dazu, dass auch auf der anderen Seite das Waffenarsenal vergrößert wird.

Kurzum, sowohl die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten als auch die Sowjetunion und ihre Alliierten haben ein tiefes, auf Gegenseitigkeit beruhendes Interesse daran, dass ein gerechter und ehrlicher Frieden herrscht und dem Wettrüsten Einhalt geboten wird. Zu diesem Zweck getroffene Vereinbarungen stehen sowohl im Interesse der Sowjetunion als auch in unserem Interesse. Und selbst die feindlichsten Nationen werden die Verpflichtungen, die sie in einem Abkommen eingegangen sind und die in ihrem eigenen Interesse stehen, verlässlich akzeptieren und einhalten – und zwar nur diese.

Lassen Sie uns daher unsere Differenzen nicht ignorieren, aber wir müssen uns auch auf unsere gemeinsamen Interessen konzentrieren und darauf, wie wir diese Differenzen überwinden können. Und sollten wir nicht in der Lage sein, unseren Differenzen jetzt ein Ende zu setzen, so können wir zumindest einen Beitrag dafür leisten, dass auf dieser Welt eine sichere Grundlage für Vielfalt gelegt wird. Letzten Endes besteht unsere grundlegendste Gemeinsamkeit darin, dass wir alle auf diesem kleinen Planeten leben. Wir alle atmen dieselbe Luft. Uns allen liegt die Zukunft unserer Kinder am Herzen. Und wir alle sind sterblich. […]

Wir müssen das Streben nach Frieden daher beharrlich in der Hoffnung fortsetzen, dass durch konstruktive Veränderungen im kommunistischen Block Lösungen möglich sein werden, die wir momentan noch für unrealistisch halten. Wir müssen unseren Angelegenheiten so nachgehen, dass es im Interesse der Kommunisten sein wird, einem echten Frieden zuzustimmen. Wir werden unsere eigenen Hauptinteressen verfolgen, vor allem müssen die Atommächte jedoch Konfrontationen abwenden, bei denen ein Gegner nur die Wahl zwischen demütigendem Rückzug und Atomkrieg hat. Würde man im atomaren Zeitalter einen solchen Kurs einschlagen, wäre dies lediglich ein Beweis für den Bankrott unserer Politik – oder dafür, dass wir der ganzen Welt den kollektiven Tod wünschen.

Zu diesem Zweck sollen die amerikanischen Waffen nicht provozieren, sondern sie werden sorgsam kontrolliert, sie dienen der Abschreckung und sie können selektiv eingesetzt werden. Unsere Streitkräfte setzen sich für Frieden ein und handeln diszipliniert, indem sie Selbstbeherrschung zeigen. Unsere Diplomaten wurden angewiesen, unnötige Ärgernisse und rein rhetorische Animosität zu vermeiden.

Wir können uns um Entspannung bemühen, ohne in unserer Wachsamkeit nachzulassen. Und wir müssen unsererseits nicht auf Drohungen zurückgreifen, um unsere Entschlossenheit unter Beweis zu stellen. Wir müssen nicht die Ausstrahlung ausländischer Sendungen stören, weil wir fürchten, dass unser Glaube erschüttert wird. Wir sind nicht willens, Menschen unser System aufzuzwingen, die daran kein Interesse haben, aber wir sind willens und auch dazu in der Lage, mit jedem beliebigen Volk dieser Erde in friedlichen Wettbewerb zu treten.

Zwischenzeitlich bemühen wir uns, die Institution der Vereinten Nationen zu stärken, damit sie ihre Finanzprobleme lösen kann, zu einem wirksameren Instrument für Frieden wird und sich in ein echtes Weltsicherheitssystem weiterentwickeln lässt, durch das sich Dispute rechtlich lösen lassen, die Sicherheit großer und auch kleiner Staaten gewährleistet werden kann und Bedingungen geschaffen werden, unter denen eine Abrüstung letztendlich möglich ist. […]

Zweifelsohne ließe sich Frieden leichter sichern, wenn es alle Nationen unterlassen würden, sich in die Entscheidungen anderer einzumischen. Hierzu wird es erforderlich sein, dass neue Anstrengungen im Hinblick auf die Verabschiedung weltweit gültiger Gesetze unternommen werden, die einen neuen Kontext für globale Diskussionen darstellen würden. Hierzu müsste jedoch ein besseres Verständnis zwischen den Sowjets und uns aufgebaut werden. Und für ein besseres Verständnis ist ein höheres Maß an Kontakt und Kommunikation notwendig. Ein Schritt in diese Richtung ist der Vorschlag, eine direkte Telefonleitung zwischen Moskau und Washington einzurichten, damit auf beiden Seiten die gefährlichen Verzögerungen, Missverständnisse und Fehlinterpretationen der Handlungen des Gegenübers vermieden werden können, zu denen es in Krisenzeiten kommen könnte.

Darüber hinaus haben wir uns in Genf auch über andere erste Maßnahmen zur Rüstungskontrolle unterhalten, durch die dem Wettrüsten der Wind aus den Segeln genommen und das Risiko eines versehentlich ausgelösten Krieges vermindert werden soll. In Genf geht es uns jedoch vorwiegend um ein langfristiges Ziel: die allgemeine und vollständige Abrüstung. Sie soll phasenweise stattfinden, damit zeitgleich politische Entwicklungen zum Aufbau der neuen Institutionen des Friedens möglich sind, die an die Stelle von Waffen treten würden. […]

Einer der Hauptbereiche dieser Verhandlungen, in dem zwar das Ende in Sicht, ein frischer Start jedoch dringend geboten ist, besteht in einem Abkommen über das Verbot von Atomtests. Durch den Abschluss eines solchen Abkommens, das so nah und doch so fern ist, ließe sich dem außer Kontrolle geratenen Wettrüsten in einem seiner gefährlichsten Bereiche Einhalt gebieten. Dadurch wären die Atommächte imstande, wirksamer etwas gegen eine der größten Gefahren zu unternehmen, denen die Menschheit im Jahr 1963 ausgesetzt ist: der weiteren Ausbreitung von Atomwaffen. Unsere Sicherheit ließe sich steigern, und die Wahrscheinlichkeit eines Krieges fiele geringer aus. Dieses Ziel ist gewiss wichtig genug, um sich dauerhaft dafür einzusetzen. Dabei sollten wir weder der Versuchung nachgeben, die Anstrengung ganz einzustellen, noch der Versuchung, wichtige und verantwortungsbewusste Schutzmaßnahmen dafür aufzugeben. […]

Lassen Sie uns beim Wahren unserer nationalen Interessen auch die Interessen der Menschheit wahren. Und das Beseitigen von Krieg und Waffen dient offensichtlich beiden Interessen. Allerdings kann kein Abkommen, so sehr auch alle davon profitieren mögen und so genau es auch formuliert sein mag, im Hinblick auf die Risiken der Täuschung und Umgehung absolute Sicherheit bieten. Ist es jedoch bei der Umsetzung wirksam genug und steht es in hinreichendem Maße im Interesse der Unterzeichnenden, so kann es weit mehr Sicherheit bieten und weit weniger Risiken bergen als ein unvermindertes, unkontrolliertes und unvorhersehbares Wettrüsten. […]”

2.) 26. Juni 1963

Am 26. Juni, gerade mal gut zwei Wochen später, war der US-Präsident zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer in Berlin. Auch diese Rede dokumentieren wir zusammen mit zwei Fotos. Diese Rede ist berühmt geworden durch Kennedys öffentlichkeitswirksames Bekenntnis „Ich bin ein Berliner“. Die Rede enthält noch deutliche Merkmale des Kalten Krieges.

Kennedy mit Adenauer. Bild: Landesarchiv Berlin

Rede von US-Präsident John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg am 26. Juni 1963

Die Übersetzung der kompletten Rede von US-Präsident John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg am 26. Juni 1963 ist hier zu finden.

Hier ein Auszug:

„Meine Berliner und Berlinerinnen, ich bin stolz, heute in Ihre Stadt zu kommen als Gast Ihres hervorragenden Regierenden Bürgermeisters, der in allen Teilen der Welt als Symbol für den Kampf- und Widerstandsgeist West-Berlins gilt. Ich bin stolz, auf dieser Reise die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihrem hervorragenden Herrn Bundeskanzler besucht zu haben, der während so langer Jahre die Politik der Bundesregierung bestimmt hat nach den Richtlinien der Demokratie, der Freiheit und des Fortschritts. […] Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: Ich bin ein Bürger Roms. Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: Ich bin ein Berliner. Ich bin dem Dolmetscher dankbar, daß er mein Deutsch noch besser übersetzt hat. Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht verstehen oder nicht zu verstehen vorgeben, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen. […]”

Kennedy mit Brandt. Bild: Landesarchiv Berlin

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